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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 6 UZ 2822/05
Rechtsgebiete: BGB, KWG, VwGO


Vorschriften:

BGB § 134
KWG § 37 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
1. Eine Abwicklungsanordnung nach § 37 Abs. 1 KWG begründet eine öffentlich-rechtliche Rückzahlungsverpflichtung, die nicht vertraglich beseitigt werden kann.

2 . Ist ein Abwickler bestellt worden, obliegt allein diesem die Abwicklung durch Auszahlung der eingezahlten Gelder der Anleger. Eine anderweitige Abfindung der Anleger durch das Unternehmen mittels Umschichtung von Gesellschaftsbeteiligungen greift unzulässigerweise in die Befugnisse des Abwicklers ein und führt nicht zur Erfüllung der Abwicklungsanordnung.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

6 UZ 2822/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Wirtschafts- u. Wirtschaftsverwaltungsrechts, Landwirtschafts-, Jagd-, Forst- und Fischereirechts, Rechts der freien Berufe

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Schulz, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am VG Ehrmanntraut

am 26. April 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2005 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsantragsverfahren auf 50.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Zulassungsantragsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Die in der Zulassungsantragsbegründungsschrift vom 29. November 2005 geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Berufung.

Der Kläger hat das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht derart mit schlüssigen Gegenargumenten angegriffen, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung gegeben sind.

Der Kläger wendet sich erkennbar nur gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Abwicklungsanordnung habe sich (bisher) nicht erledigt, da die den Anlegern angebotene Umschichtung von Beiträgen die Abwicklungsverfügung nicht insgesamt habe entbehrlich machen können. Hierzu macht er im Wesentlichen geltend, die Einlagengeschäfte betreffende, auf sein Treuhandkonto eingezahlte und noch nicht weitergeleitete Gelder seien bereits vollständig abgewickelt. Diejenigen Anleger, die ihre Zahlungen über den Kläger geleistet hätten, hätten nach Gebrauchmachen von ihrem vertraglichen Kündigungsrecht durch die XXXXXX Corporation bzw. nach Übertragung des Beteiligungskapitals auf die YYY Corporation durch letztere das ihnen vertraglich zustehende Abfindungsguthaben ohne Verlustabzug erhalten. In den anderen Fällen sei eine Erfüllungswirkung zivilrechtlich dadurch eingetreten, dass die Abfindungsguthaben auf eigenem Wunsch der Anleger zum Erwerb von Anteilen an einer anderen Gesellschaft verwendet wurden.

Es erscheint bereits fraglich, ob eine (unterstellte) Erledigung der Abwicklungsanordnung durch Erfüllung überhaupt deren Rechtswidrigkeit und damit auch die Unrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts herbeiführen kann. Grundsätzlich führt die Erfüllung einer belastenden Anordnung nicht etwa im Nachhinein zu deren Rechtswidrigkeit, sondern macht diese gegenstandslos. Besteht - wie im vorliegenden Fall - zwischen den Beteiligten Streit darüber, ob die Erfüllungswirkung und damit die Erledigung tatsächlich eingetreten ist, mag dies im Einzelfall einen Aufhebungsanspruch mit ex-nunc Wirkung begründen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass es sich insoweit um ein gesondert zu verfolgendes Verpflichtungsbegehren handelt.

Darüber hinaus liegt es nach Auffassung des Senats auch nicht ohne weiteres auf der Hand, das nach Erlass des Widerspruchsbescheides eingetretene Umstände, die nach Auffassung des Klägers zur Erfüllung der Abwicklungsanordnung und damit zu deren Erledigung geführt haben sollen, im Gerichtsverfahren berücksichtigt werden können. Die von dem Kläger in Bezug genommene Rechtsauffassung, die Abwicklungsanordnung müsse auch nach Erlass des Widerspruchsbescheides "ständig unter Kontrolle gehalten" und gegebenenfalls angepasst werden, bedeutet nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres, dass im Rahmen einer Anfechtung der Abwicklungsanordnung solche nachträglichen Änderungen durch das Gericht zu berücksichtigen sind. Nahe liegend erscheint es in diesem Zusammenhang, auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids abzustellen.

Dies mag jedoch auf sich beruhen.

Selbst wenn man eine Erledigung der Abwicklungsanordnung durch Erfüllung überhaupt für entscheidungserheblich halten würde und in diesem Zusammenhang nach Erlass des Widerspruchsbescheids eingetretene Umstände berücksichtigen wollte, verfehlt der Kläger jedenfalls mit diesem Vorbringen eine ausreichende Auseinandersetzung mit der tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts, (nur) die Beklagte sei unter den gegebenen Umständen befugt gewesen, über die konkrete Art und Weise einer angemessenen Abwicklung zu befinden und die angebotene Umschichtung von Beträgen könne deshalb die Abwicklungsverfügung nicht insgesamt entbehrlich machen. Hinter dieser Feststellung des Verwaltungsgerichts steht letztlich die zutreffende Überlegung, dass mit dem Erlass der Abwicklungsanordnung ein eigenständiges öffentlich-rechtliches Pflichtenverhältnis begründet worden ist, in das weder der zur Abwicklung Verpflichtete noch die davon begünstigten Anleger, aber auch nicht Dritte zulässigerweise eingreifen können. So hat der Bundesgerichtshof (Beschluss v. 24.07.2003 - 9 ZB 4.03 -, WM 2003, 1800) im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entschieden, dass hiervon Betroffene eine öffentlich-rechtliche Rückzahlungsverpflichtung aus einer Abwicklungsanordnung mangels Dispositionsbefugnis nicht vertraglich beseitigen können.

Die öffentlich-rechtliche Rückzahlungsverpflichtung kann aber auch nicht dadurch umgangen werden, dass im vorliegenden Fall Anleger durch ihren Vertragspartner aus anderweitigen Mitteln abgefunden wurden, ohne dass es hierdurch zu einer Auszahlung der Beträge an die Anleger gekommen ist, sondern stattdessen die Gelder unmittelbar an eine weitere Gesellschaft zum Erwerb dortiger Gesellschaftsanteile weitergeleitet wurden. Dabei kann es keine Rolle spielen, dass diese "Umschichtung" für sich betrachtet eine wirksame Erfüllung der gesellschaftsrechtlichen Abfindungsansprüche der Anleger gegenüber der XXXXXX Corporation sein mag.

Jedenfalls verstößt diese Verfahrensweise erkennbar gegen den Regelungsgehalt der ergangenen Abwicklungsanordnung.

Allerdings sind ohne erforderliche Erlaubnis vorgenommene Bankgeschäfte zivilrechtlich nicht wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB unwirksam (Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Aufl., § 37 Rdnr. 10 und § 3 Rdnr. 26 m.w.N.), so dass im Rahmen der Abwicklung gegebenenfalls auch vertragliche Kündigungsfristen eingehalten werden müssen, sofern die andere Partei eine ihr anzubietende vorzeitige Rückabwicklung nicht wünscht. Auch trifft es zu, dass die Abwicklungsanordnung für sich betrachtet gegenüber dem Kläger keine näheren Einzelheiten zur Abwicklung vorgibt. Daraus kann aber keineswegs geschlossen werden, die Abwicklung habe zur Disposition des Klägers, der Anlieger oder gar Dritter gestanden und deshalb auch durch Übertragung der erworbenen Gesellschaftsanteile erfolgen können.

Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der verfügten Abwicklungsregelungen eindeutig, dass die Abwicklung in Gestalt einer möglichst zeitnahen und unmittelbaren Auskehr der auf das Treuhandkonto des Klägers eingezahlten und dort nach seinem eigenen Vortrag nach wie vor vorhandenen Gelder an die betreffenden Anleger zu erfolgen hat und hierzu ausschließlich der gleichzeitig bestellte Abwickler berufen ist. Eine nähere Ausgestaltung der Abwicklungsanordnung gegenüber dem Kläger war schon wegen der gleichzeitigen Bestellung eines Abwicklers entbehrlich. Die Abwicklung obliegt damit allein diesem und kann - ohne dass dies näherer Vorgaben in der Abwicklungsanordnung bedürfte - sachgerecht und ordnungsgemäß nur so ablaufen, dass es zu einer unmittelbaren Rückzahlung der auf dem Konto des Klägers vorhandenen Gelder kommt, nachdem die XXXXXX Corporation ohnehin von sich aus das Vertragsverhältnis vorzeitig beendet hat und deshalb auch keine Kündigungsfristen oder ähnliches mehr zu beachten sind.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, auch bei einer Auszahlung durch den Abwickler würde es den Anlegern freistehen, mit den Geldern anschließend nach Belieben zu verfahren und sie insbesondere wieder neu in Gesellschaftsbeteiligungen zu investieren; darüber hinaus bleibe es ihnen unbenommen, gegenüber dem Abwickler für die Auszahlung anstatt eines eigenen das Konto eines zum Empfang berechtigten Dritten zu benennen.

Mit einer solchen Verfahrensweise wird unzulässig in die öffentlich-rechtlichen Befugnisse des Abwicklers eingegriffen. Zudem würde bei einer Abwicklung auch eine grundlegend andere Situation als bei der tatsächlich beschrittenen Verfahrensweise vorliegen. Bei einer Auszahlung durch den Abwickler hätten die Anleger nämlich ihre Entscheidung unbeeinflusst von solch interessengeleiteten und selektiven Wertungen, wie sie die XXXXXX Corporation gegenüber den Anlegern artikuliert hat (angeblich nachteilige Abwicklung durch die Beklagte einerseits, vermeintlich vorteilhafte Übertragung der Gesellschaftsbeteiligungen andererseits), treffen können. Es erscheint keineswegs sicher, sondern spekulativ, dass die Anleger in diesem Falle in gleicher weise reagiert hätten wie auf die unverhüllte Drohung der XXXXXX Corporation, im Falle einer Abwicklung auf Veranlassung der Beklagten Geld zu verlieren. Insbesondere kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, sämtliche Anleger, die das Angebot der XXXXXX Corporation unter dem Eindruck der ihnen vermittelten "Informationen" angenommen haben, hätten auch bei einer Auszahlung durch den Abwickler darauf verzichtet, die tatsächliche und uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die auszuzahlenden Gelder zu erlangen.

Im Übrigen dient die hier praktizierte Verfahrensweise offenbar allein dem Zweck, mittels einer anderweitigen Abfindung der Anleger eine (vermeintliche) Erledigung bzw. Erfüllung der Abwicklungsanordnung zu fingieren, um dadurch die auf dem Treuhandkonto des Klägers "blockierten" Gelder freizubekommen. Hier zeigt sich deutlich, dass in unzulässiger Weise versucht wird, der alleinigen Verfügungsgewalt des Abwicklers unterstehende Gelder der Abwicklungsmasse zu entziehen, obwohl diese in Wirklichkeit unverändert für eine noch ausstehende ordnungsgemäße Abwicklung benötigt werden.

Auch der weitere Einwand des Klägers, die Aufrechterhaltung der Abwicklungsordnung führe zu einer ungerechtfertigen Verdoppelung der Ansprüche der Anleger, greift nicht durch. Es wurde bereits dargelegt, dass Folge einer Abwicklungsanordnung eine öffentlich-rechtliche Rückzahlungsverpflichtung ist, die nicht zur Disposition der davon unmittelbar oder mittelbar Betroffenen steht. Wenn zur Umgehung dieser nicht abdingbaren öffentlich-rechtlichen Rückzahlungsverpflichtung anderweitige rechtsgeschäftliche Dispositionen getroffen werden und daraus möglicherweise eine im Ergebnis ungerechtfertige Vermögensverschiebung entsteht, muss dies gegebenenfalls in diesem zivilrechtlichen Verhältnis nach bereichungsrechtlichen Grundsätzen rückabgewickelt werden, kann aber nicht umgekehrt die Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit einer ordnungsgemäßen Abwicklung in Frage stellen.

Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel in Gestalt einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 86 Abs. 1 VwGO liegt nicht vor. Die von dem Kläger für erforderlich gehaltene Beiziehung von Unterlagen, aus denen sich hätte ergeben sollen, dass sämtliche Anleger ihr Abfindungsguthaben bereits erhalten hätten, waren nach dem maßgeblichen Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts nicht geboten, da es die von dem Kläger bereits damals angeführte Umschichtung von Gesellschaftsbeteiligungen gerade nicht als (ordnungsgemäße) Abwicklung angesehen hat und deshalb auch nicht im Einzelnen aufklären musste, ob neben den unmittelbaren Auszahlungen von Abfindungsguthaben auf diese Weise weitere Anleger - in einer der Abwicklungsanordnung zuwiderlaufenden Weise - "befriedigt" wurden. Im Übrigen kann eine unterbliebene Aufklärung nur dann einen erheblichen Verfahrensmangel darstellen, wenn ein entsprechend substantiierter Beweisantrag gestellt wurde oder sich dem Gericht die Notwendigkeit dazu aufdrängen musste (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 86 Rdnr. 7 m.w.N.). Der Kläger hatte keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt, sondern sich dieser Möglichkeit von vornherein durch Verzicht auf eine mündliche Verhandlung begeben. Erst recht kann nach den vorstehenden Ausführungen keine Rede davon sein, dem Verwaltungsgericht hätte sich in diesem Punkt die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung aufdrängen müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs.1 GKG.

Das Verwaltungsgericht hat das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Ausgang des Verfahrens auf 50.000,- € geschätzt, ohne dass dem entgegen getreten worden wäre, so dass der Senat für eine abweichende Festsetzung keine hinreichenden Anhaltspunkte sieht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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