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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.07.2000
Aktenzeichen: 6 UZ 2933/97.A
Rechtsgebiete: GG, VwGO, StPO, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4 S 1
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 97 S. 2
VwGO § 166
StPO § 244 Abs. 4 S. 1
ZPO § 119 Abs. 1 S. 1
ZPO § 404 Abs. 1
ZPO § 411 Abs. 1
Das in § 97 Satz 2 VwGO geregelte Recht der Beteiligten eines Verwaltungsstreitverfahrens, sich an der Gewinnung der für die Entscheidung notwendigen Sachkunde durch Fragen an eine vom Gericht dafür herangezogene Person zu beteiligen, ist durch Ernennung eines Sachverständigen zu gewährleisten. Wenn ein Verfahrensbeteiligter von seinem Fragerecht Gebrauch macht, darf sich das Gericht nicht auf einen Urkundenbeweis zurückziehen. Eine schriftliche Begutachtung ist nicht immer geboten.

Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die sich auf das Verfahren über die Zulassung der Berufung beschränkt ist ausgeschlossen, weil dieses Verfahren und das anschließende Berufungsverfahren im Sinne der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe eine Einheit bilden.


Gründe:

Der fristgerecht gestellte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist begründet, soweit er den Antrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 51 AuslG und den Hilfsantrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG betrifft. Die Zulassung des Rechtsmittels beruht auf § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO; denn die Kläger machen zutreffend geltend, dass ihnen das Verwaltungsgericht das rechtliche Gehör versagt habe, indem es einen Antrag, Sachverständigengutachten zu zwei von den Klägern aufgestellten Behauptungen einzuholen, abgelehnt habe.

Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 16. Juli 1997 ergibt sich, dass die Kläger dort unter anderem beantragt hatten, Gutachten der Sachverständigen Rumpf, Oberdiek, Kaya und Taylan einzuholen. Die Anträge betrafen die Behauptungen, dass für den Kläger M. B. im Zeitpunkt der Ausreise aus der Türkei keine inländische Fluchtalternative bestanden habe, da er auch in den westlichen Großstädten der Türkei aufgrund seiner politischen Tätigkeit und des gegen ihn bestehenden Verdachts der Unterstützung der PKK im Falle der Überprüfung mit sofortiger Verhaftung und Folterung zu rechnen habe, sowie die Behauptung, dass die Kläger aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeiten nach ihrer Ausreise aus der Türkei dem türkischen Geheimdienst bekannt seien und bei einer Rückkehr in die Türkei mit Verhaftung und Folterung zu rechnen hätten. Zu Recht meinen die Kläger, dass das vom Verwaltungsgericht ohne Einholung des beantragten Gutachtens gefällte Urteil ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletze, weil ihnen auf diese Weise die Möglichkeit genommen worden sei, die von ihnen aufgeworfene Frage durch eine Anhörung eines Sachverständigen klären zu lassen.

Es ist allgemein anerkannt, dass der in Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör die Ablehnung eines Beweisantrages nur im Rahmen des maßgeblichen Prozessrechts zulässt. Die Ablehnung des von den Klägern gestellten Beweisantrags findet im Prozessrecht keine Stütze. Das erstinstanzliche Gericht verweist die Kläger in den Gründen des in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschlusses darauf, dass ihm bereits zahlreiche Gutachten gerade der benannten Sachverständigen zur Frage des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative für Kurden aus den Notstandsgebieten und zur Frage der Gefährdung von zurückkehrenden Asylbewerbern wegen exilpolitischer Betätigungen vorlägen und dass diese Gutachten in das Verfahren eingeführt worden seien. Diese Erwägung ist jedoch nicht geeignet, die Ablehnung des Beweisantrags zu stützen.

Eine Rechtsgrundlage für die Ablehnung ergibt sich insbesondere nicht aus dem nach § 173 VwGO auch im Verwaltungsstreitverfahren anwendbaren § 291 ZPO, wonach Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, keines Beweises bedürfen. Hierzu gehören auch gerichtskundige Tatsachen, deren Kenntnis der Richter in seinem Gedächtnis bewahrt. Die für die Ablehnung des Beweisantrages gegebene Begründung lässt jedoch erkennen, dass der beim Verwaltungsgericht tätig gewordene Richter gerade keine eigene Kenntnis von den entscheidungserheblichen Tatsachen besaß, sondern sich fremde Sachkunde, die in den von ihm herangezogenen Erkenntnisquellen niedergelegt war, zu Eigen gemacht hat.

Allerdings kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Dies ergibt sich aus § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO, in dem ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Ausdruck gelangt, der auch außerhalb des Strafprozesses Anwendung findet. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, auf welche Weise sich das Gericht die erforderliche Sachkunde verschafft hat. Sie kann auch auf Gutachten beruhen, die Sachverständige in anderen Prozessen abgegeben haben und die in den anhängigen Rechtsstreit eingeführt werden. Gerade in Fällen dieser Art erfährt der Rechtsgrundsatz des § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO jedoch eine Einschränkung, die seine Anwendung im vorliegenden Fall ausschließt.

Die in den Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Beweis durch Sachverständige, insbesondere durch § 402 i.V.m. § 397 ZPO, und die für das Verwaltungsstreitverfahren durch § 97 Satz 2 VwGO getroffenen Regelungen begründen ein Recht der Parteien auf Beteiligung an dem Verfahren, in dem das Gericht die für die abschließende Entscheidung im Verfahren erforderliche Sachkunde gewinnt. § 97 Satz 2 VwGO gibt den Verfahrensbeteiligten im Verwaltungsstreitverfahren insbesondere das Recht, an Sachverständige sachdienliche Fragen zu richten. Das Prozessgericht darf diesen Anspruch nicht dadurch vereiteln, dass es Sachverständigengutachten ausschließlich in Gestalt von Urkunden heranzieht und die Ernennung eines Sachverständigen im anhängigen Verfahren ablehnt (a.A. der 10. Senat des beschließenden Gerichtshofs, B. v. 17.01.1996 - 10 UZ 2881/95 -, NVwZ-Beilage 1996, 43). Insbesondere darf es von den Beteiligten nicht wie im vorliegenden Fall die Darlegung verlangen, dass der zu ernennende Sachverständige über die schriftlich vorliegenden Gutachten hinaus über bessere Erkenntnismöglichkeiten verfüge oder dass sich die tatsächliche Lage seit der Abfassung des schriftlichen Gutachtens aus einem anderen Prozess verändert habe (a.A. der 9. Senat des beschließenden Gerichtshofs, B. v. 24.11.1998 - 9 UZ 4133/97.A -, NVwZ-Beilage 1999, 23). Das Verwaltungsgericht hat verkannt, dass es den Klägern im vorliegenden Verfahren nicht um die Gewinnung neuer oder besserer, sondern hinreichend sicherer Erkenntnisse und um ihre Beteiligung an der Schaffung der für das Gericht notwendigen Erkenntnisgrundlage geht.

Wenn die Beteiligten des Verwaltungsstreitverfahrens von ihrem durch § 97 Satz 2 VwGO verbrieften Recht Gebrauch machen wollen, im Rahmen eines Beweistermins nach Satz 1 der Bestimmung an Sachverständige ebenso wie an Zeugen sachdienliche Fragen zu richten, ist es dem Prozessgericht verboten, von einem Beweis durch Sachverständige gänzlich abzusehen und sich auf einen Beweis durch Urkunden zurückzuziehen, wenn zu diesen Urkunden Sachverständigengutachten aus früheren Verfahren - auch solchen, die bei einem anderen Gericht anhängig waren - gehören. Für den Prozessbeteiligten darf sich nämlich aus der Wahl des Beweismittels keine Verkürzung seiner Rechtsstellung ergeben, die entweder einen effektiven Rechtsschutz, wie er durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet wird, oder den aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf rechtliches Gehör einschränkt. Die Verwendung von Sachverständigengutachten als Urkunden würde zu einer solchen Einschränkung führen, wenn dadurch das Fragerecht der Beteiligten nach § 97 Satz 2 VwGO ausgeschlossen wäre.

Die Beweiserhebung durch ein als Urkunde herangezogenes Sachverständigengutachten kann dem Prozessgericht nämlich im Einzelfall die gleiche Gewissheit über den entscheidungserheblichen Sachverhalt vermitteln wie ein Gutachten, das eigens im Rechtsstreit eingeholt worden ist. So hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall aus den ihm vorliegenden schriftlichen Erkenntnisquellen, darunter auch Sachverständigengutachten, Erkenntnisse gewonnen, aus denen es für die Entscheidung des anhängigen Rechtsstreits für die Kläger nachteilige Schlussfolgerungen gezogen hat. Die in § 97 Satz 2 VwGO vorgesehene Möglichkeit, an der Nutzung fremden Sachverstandes durch das Gericht im Verfahren teilzuhaben, hat das Verwaltungsgericht durch die Wahl des Urkundenbeweises vereitelt.

Das Recht der Beteiligten, sich an der Gewinnung der für die Entscheidung notwendigen Sachkunde des Gerichts gerade durch Fragen an eine dafür herangezogene sachkundige Person zu beteiligen, ist dadurch zu gewährleisten, dass das Prozessgericht auf Antrag einen Sachverständigen nach § 404 Abs. 1 ZPO ernennt und damit den Weg für die Ausübung des Fragerechts nach § 97 Satz 2 VwGO frei macht. Für den Zeugenbeweis im Zivilprozess hatte sich schon in vorkonstitutioneller Zeit nach einem grundlegenden Urteil des Reichsgerichts vom 5. Juli 1900 - VI 160/00 - (RGZ 46, 410, 413 f.) die Auffassung durchgesetzt, dass das Prozessgericht sich nicht damit begnügen durfte, Zeugenaussagen als Urkunden in der Form von Niederschriften über die Vernehmung der Zeugen in vorangegangenen Prozessen zu verwerten, wenn eine Partei die Vernehmung der Zeugen im anhängigen Rechtsstreit beantragte. Das Reichsgericht erkannte ausdrücklich ein berechtigtes Interesse der Parteien daran an, im anhängigen Prozess "die Wirkungen der dem Zeugenbeweise eigentümlichen Gewähr zu erproben". An dieser Rechtsprechung hält der Bundesgerichtshof bis heute fest (U. v. 14.07.1952 - IV ZR 25/52 -, BGHZ 7, 116, 121 f.; U. v. 09.06.1992 - VI ZR 215/91 -, MDR 1992, 803).

Es gibt keine Veranlassung, im Verwaltungsstreitverfahren hinter die in der Zivilrechtsprechung auf der Grundlage der Zivilprozessordnung begründete Rechtsstellung der Parteien zurückzugehen. Das Interesse der Verfahrensbeteiligten, an der Klärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts mitzuwirken, ist hier so berechtigt wie dort. Die maßgeblichen prozessrechtlichen Vorschriften gleichen sich. Insbesondere gilt über § 173 VwGO auch im Verwaltungsstreitverfahren die Regelung des § 398 Abs. 1 ZPO, wonach das Prozessgericht nur eine wiederholte Vernehmung eines Zeugen nach seinem Ermessen anordnen kann, während erstmalige Vernehmungen nicht im Ermessen des Gerichts stehen.

Darüber hinaus ist es geboten, die für den Beweis durch Zeugen entwickelte Rechtsprechung auf den Beweis durch Sachverständige zu übertragen, wie sich durch einen Umkehrschluss aus § 412 Abs. 1 ZPO ergibt. Die Bestimmung sieht unter anderem vor, dass das Gericht eine neue Begutachtung durch dieselben Sachverständigen anordnen kann, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Diese Regelung entspricht inhaltlich § 398 Abs. 1 ZPO, wonach das Prozessgericht nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen kann. So wie nämlich die Aussage des Zeugen bei seiner Vernehmung der Klärung der im Beweisthema aufgeworfenen Fragen tatsächlicher Art dient, so dient die Begutachtung durch den Sachverständigen der Klärung der von ihm zu begutachtenden Punkte. Dementsprechend räumt die Zivilprozessordnung dem Prozessgericht für die wiederholte Vernehmung eines Zeugen und die neue Begutachtung durch einen Sachverständigen gleichermaßen ein Ermessen ein. Wie ausgeführt besteht ein dahingehendes Ermessen für den Zeugenbeweis aber gerade nicht, wenn seine Aussage lediglich durch die Niederschrift über die Vernehmung in einem anderen Verfahren als Urkunde in den anhängigen Prozess eingeführt worden ist. Grundsätzlich muss dasselbe gelten, wenn das Prozessgericht ein Sachverständigengutachten aus einem anderen Verfahren als Urkunde in den anhängigen Rechtsstreit einführt, wie es die Verwaltungsgerichte in den asylrechtlichen Verfahren häufig tun. Die Ernennung eines Urkundenverfassers zum Sachverständigen führt daher nicht zu einer neuen, sondern zu einer erstmaligen Begutachtung.

Bei den Verfassern der vom Prozessgericht aus anderen Verfahren oder Dokumentationen herangezogenen und in anderen Verfahren erstatteten Gutachten handelt es sich bis zu ihrer Ernennung zum Sachverständigen im anhängigen Rechtsstreit nach § 173 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1 ZPO lediglich um Verfasser von Schriftstücken, die zum Zwecke des Beweises durch Urkunden zum Rechtsstreit herangezogen werden. Dies gilt zum einen hinsichtlich des vom Gericht bis dahin einzuschlagenden Verfahrens, auf das die Bestimmungen der §§ 402 bis 413 ZPO keine Anwendung finden, zum anderen auch für die inhaltliche Verwendung dieser Urkunden als Erkenntnisgrundlage. Bei den schriftlichen Gutachten, die von gerichtlich ernannten Sachverständigen in asylrechtlichen Verwaltungsstreitverfahren im Allgemeinen zur Lage bestimmter Bevölkerungsgruppen in Verfolgerstaaten abgegeben werden, handelt es sich nämlich um Privaturkunden. Sofern sie wie üblich von den Ausstellern unterschrieben sind, begründen sie nach § 416 ZPO den vollen Beweis lediglich dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Die solchermaßen auf engstem Raum abgesteckte sogenannte formelle Beweiskraft erstreckt sich also nicht darauf, dass die Ausführungen des Verfassers der Urkunde zur Verfolgungssituation richtig wären, und erfasst daher nicht den Inhalt der Urkunde, der für die Erforschung des asylrechtlich erheblichen Sachverhalts für das Verwaltungsgericht bedeutsam ist. Hieraus lässt sich aber nicht schließen, dass das Verwaltungsgericht mit der inhaltlichen Auswertung des Textes den Bereich des Urkundenbeweises verlassen und in den Beweis durch Sachverständige überwechseln würde. Vielmehr überschreitet es nur die Grenze zwischen der durch § 416 ZPO geregelten formellen und der materiellen Beweiskraft und gelangt damit in den Bereich der freien Beweiswürdigung, der jede Urkunde unterliegt, soweit sie nicht formelle Beweiskraft genießt.

Der von den Klägern gestellte Beweisantrag bezieht sich auf das Thema, das neben anderen Gegenstand des Urkundenbeweises ist, den das Verwaltungsgericht unter anderem aufgrund der schriftlich vorliegenden Gutachten von Rumpf, Oberdiek, Kaya und Taylan erhoben hat. Zwar betreffen diese Urkunden nicht das von den Klägern geltend gemachte individuelle Verfolgungsschicksal. Jedoch hat das Verwaltungsgericht die Schriftstücke herangezogen, um für das mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung angefochtene Urteil eine tatsächliche Grundlage zu gewinnen, die es ihm ermöglichen sollte, auch das Vorbringen der Kläger zu würdigen.

In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass das Verwaltungsgericht sich darauf hätte beschränken können, lediglich einen Sachverständigen für die gutachterliche Klärung des Beweisthemas zu ernennen, dass es hierbei nicht an den Kreis der vier von den Klägern benannten Personen gebunden gewesen wäre und dass es keine schriftliche Begutachtung hätte anordnen müssen. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO erfolgt nämlich die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl durch das Prozessgericht, wobei es sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken kann. Dem Ausschluss der Parteiherrschaft, der hier zum Ausdruck gelangt, kommt in dem durch den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO beherrschten Verwaltungsstreitverfahren besonderes Gewicht zu. Dementsprechend ist nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung selbst eine einvernehmliche Bestimmung von Sachverständigen durch die Verfahrensbeteiligten, wie sie § 404 Abs. 4 ZPO für den Zivilprozess vorsieht, ausgeschlossen. Eine schriftliche Begutachtung ist von Rechts wegen nicht geboten, wie sich aus § 411 Abs. 1 ZPO ergibt. In Fällen der vorliegenden Art, in denen eine schriftliche Äußerung des Sachverständigen schon vorliegt und in denen es darum geht, den Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, an den Sachverständigen nach § 97 Satz 2 VwGO sachdienliche Fragen zu richten, dürfte sich die schriftliche Begutachtung im Allgemeinen als überflüssig erweisen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist dagegen unbegründet, soweit er den auf die Anerkennung als politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a GG gerichteten Klageantrag betrifft. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit mit der Begründung abgewiesen, dass die Kläger auf dem Landwege und damit aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a AsylVfG eingereist seien. Insoweit ist das angefochtene Urteil also nicht auf die Tatsachen gestützt, auf deren Klärung sich der von den Klägern im ersten Rechtszug gestellte und von dem Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnte Beweisantrag bezog.

Der Senat sieht davon ab, über den von den Klägern gestellten Antrag, ihnen für das Verfahren auf Zulassung der Berufung Prozesskostenhilfe zu bewilligen, zu entscheiden. Der Senat ist der Auffassung, dass eine auf das vorliegende Antragsverfahren beschränkte Bewilligung nicht in Betracht kommt, weil dieses Verfahren und das anschließende Berufungsverfahren im Sinne der Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Einheit bilden.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Da die Gewährung von Prozesskostenhilfe die Verpflichtung zur Zahlung der Verfahrenskosten betrifft, kommt es bei der Abgrenzung eines Rechtszuges von einem anderen darauf an, ob im jeweiligen Verfahren oder Verfahrensabschnitt gesondert Kosten entstehen. Im asylrechtlichen Verwaltungsstreitverfahren ist dabei allein auf die Anwaltskosten abzustellen, weil Gerichtskosten nach § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben werden. Aus § 14 Abs. 2 Satz 2 BRAGO folgt, dass das Berufungsverfahren und das ihm vorangehende Verfahren über die Zulassung dieses Rechtsmittels in kostenrechtlicher Hinsicht eine Einheit bilden. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 14 Abs. 2 Satz 1 BRAGO zu sehen. Danach ist das Verfahren über ein zugelassenes Rechtsmittel ein neuer Rechtszug, wenn das Rechtsmittel in einem Verfahren über die Beschwerde gegen seine Nichtzulassung zugelassen worden ist. Für alle sonstigen Verfahren über die Zulassung des Rechtsmittels sieht Satz 2 der Bestimmung demgegenüber ausdrücklich vor, dass diese Verfahren zum Rechtszug des Rechtsmittels gehören. Zu den sonstigen Verfahren, also zu denen, die nicht auf eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgehen, gehört auch das Verfahren zur Entscheidung über einen Zulassungsantrag. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, der der geltenden Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BRAGO zugrunde liegt, heißt es dementsprechend, dass in allen nicht als Beschwerde ausgestalteten Zulassungsverfahren gebührenrechtlich keine Besonderheiten gelten sollten, was durch Satz 2 zum Ausdruck gebracht werde. Demgegenüber werde für alle Fälle der Zulassung des Rechtsmittels in einem Beschwerdeverfahren vorgeschlagen, das anschließende Rechtsmittelverfahren als neuen Rechtszug anzusehen, der gesondert zu entgelten sei (BT-Drs. 12/6962 Seite 102).

Der beschließende Senat befindet sich mit seiner Ansicht in Übereinstimmung mit der des 9. Senats des beschließenden Gerichtshofs (Beschluss vom 04.02.1999 - 9 S 4605/98.A - NVwZ-RR 2000, 119) und anderer Oberverwaltungsgerichte (Thüringer OVG, Beschluss vom 23.01.1998 - 3 ZKO 496/97 - EZAR 613 Nr. 34; VGH Baden Württemberg, Beschluss vom 29.07.1998 - 9 S 1592/98 - NVwZ-RR 1999, 150).

Die entgegenstehende Auffassung des 12. Senats des beschließenden Gerichtshofs vermag demgegenüber nicht zu überzeugen.

Der 12. Senat stützt seine Ansicht, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Zulassung der Berufung nicht das Berufungsverfahren erfasse, auf den früheren § 78 Abs. 6 AsylVfG, wonach der Antrag auf Zulassung der Berufung für Gebühren nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte der Nichtzulassungsbeschwerde gleich stand. Die Vorschrift ist durch Art. 3 des 6. Gesetzes zur Änderung der VwGO und anderer Gesetze vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 626) gestrichen worden. In der Begründung des Regierungsentwurfs zu Art. 3 a.a.O. heißt es, die in § 78 Abs. 6 AsylVfG enthaltene Kostenregelung sei entbehrlich (BT-Drs. 13/3993 S. 14). Hieraus zieht der 12. Senat nach Auffassung des beschließenden Senats zu Unrecht den Schluss, dass der Gesetzgeber mit der Streichung an der bis dahin bestehenden Rechtslage nichts ändern wollte. Diese Auffassung würde dazu führen, dass sich die gebührenrechtliche Behandlung des auf die Zulassung einer Berufung gerichteten Antragsverfahrens danach unterschiede, ob es sich um ein asylrechtliches oder ein sonstiges Verwaltungsstreitverfahren handelte; denn § 78 Abs. 6 AsylVfG beanspruchte von vornherein lediglich im ersten Falle Geltung. Ein solches Ergebnis, dessen Sinn schwer verständlich wäre, müsste nach Streichung des § 78 Abs. 6 AsylVfG an anderer Stelle, etwa in § 14 BRAGO, eindeutig zum Ausdruck kommen. Das Gegenteil ist der Fall, wie der oben wiedergegebene Wortlaut des Absatzes 2 der Vorschrift zeigt. § 114 Abs. 4 BRAGO weist in dieselbe Richtung, wenn es dort heißt, im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels erhalte der Rechtsanwalt die für das Verfahren über das zuzulassende Rechtsmittel bestimmten Gebühren. Die Vorschrift ist durch Art. 33 Abs. 7 Nr. 3 des Justizmitteilungsgesetzes - JuMiG - vom 18.06.1997 (BGBl. I Seite 1430) in die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte eingefügt worden. Dem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der dem Justizmitteilungsgesetz zugrunde liegt, lässt sich entnehmen, dass der Rechtsanwalt in Verfahren über einen Antrag auf Zulassung eines Rechtsmittels die volle Prozessgebühr bereits für den Zulassungsantrag verdiene und dass die Prozessgebühr nicht erneut entstehe, wenn das Rechtsmittelverfahren durchgeführt wird (BT-Drs. 13/7489 Seite 60). Unter diesen Umständen wertet der beschließende Senat die Begründung des Regierungsentwurfs für die Streichung des § 78 Abs. 6 AsylVfG als Ungeschicklichkeit in der Ausdrucksweise. Wenn dort von der Entbehrlichkeit der früheren Kostenregelung die Rede ist, so kann damit nach den vorstehenden Erwägungen nur gemeint sein, das § 78 Abs. 6 AsylVfG durch die inhaltlich gegenteiligen Bestimmungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 und des § 114 Abs. 4 BRAGO entbehrlich geworden ist.

Einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren haben die Kläger bisher nicht gestellt. Selbst wenn man ihren Antrag vom 01.04.1998 in diesem Sinne verstehen wollte, so wäre es dem Senat doch nicht möglich, hierüber an dieser Stelle zu entscheiden. Es lässt sich nämlich bisher nicht abschätzen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; denn die Kläger haben bisher nicht ausgeführt, wie sie die Berufung nach Zulassung des Rechtsmittels begründen wollen. Hierzu werden sie jedoch im Rahmen der nach Zulassung des Rechtsmittels durch den vorliegenden Beschluss einzureichenden Berufungsbegründung Gelegenheiten haben.

Das Verfahren wird im Umfang der hier ausgesprochenen Zulassung des Rechtsmittels gemäß § 78 Abs. 5 Satz 3 AsylVfG fortgesetzt, ohne dass es der Einlegung einer Berufung bedarf. Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses ist die Berufung bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu begründen; die Begründung muss einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthalten (§ 124a Abs. 3 Satz 1, 2 und 4 VwGO). Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 124a Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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