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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.08.2008
Aktenzeichen: 7 B 29/08
Rechtsgebiete: HGlüG


Vorschriften:

HGlüG § 6 Abs. 1 S. 1
HGlüG § 6 Abs. 7
1. Es kann im Eilverfahren nicht festgestellt werden, dass das seit dem 1. Januar 2008 in § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 HGlüG normierte staatliche Sportwettenmonopol offensichtlich gegen europäisches Gemeinschaftsrecht oder nationales Verfassungsrecht verstößt; es ist nicht offensichtlich, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum überschritten hat.

2. Bei der Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an einer wirksamen Suchtprävention und Kriminalitätsbekämpfung gegenüber dem privaten Suspensivinteresse, denn es besteht kein besonderer Vertrauensschutz an der Fortsetzung der ohne Erlaubnis aufgenommenen Betätigung; darüber hinaus ist die gesetzgeberische Entscheidung zu berücksichtigen, nach der Widersprüche und Klagen gegen Untersagungsverfügungen auf dem Gebiet des unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür keine aufschiebende Wirkung haben.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF

BESCHLUSS

7. Senat

7 B 29/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Lotterierechts

hier: Sportwetten

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Rothaug,

Richter am Hess. VGH Schönstädt,

Richter am Hess. VGH Dr. Ferner

am 13. August 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 7. Dezember 2007 - 3 G 1830/07 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat nach dem Erkenntnisstand des Senats im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zu Recht einen Anspruch auf Gewährung von Eilrechtsschutz gegen die in der angegriffenen Ordnungsverfügung getroffene Regelung verneint. Die streitgegenständliche Verfügung erscheint weder offensichtlich rechtmäßig noch offensichtlich rechtswidrig; die vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten der diese Verfügung tragenden öffentlichen Interessen aus (vgl. zum Maßstab: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 152 zu § 80).

I. Die in der angegriffenen Ordnungsverfügung getroffene Regelung kann nicht (mehr) mit einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 des Gesetzes über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Hessen - HSpw/LottoG - in der Fassung vom 18. Dezember 2006 (GVBl. I S. 698) begründet werden, denn dieses Gesetz ist durch § 19 Nr. 1 des Hessischen Glücksspielgesetzes - HGlüG - vom 12. Dezember 2007 (GVBl. I S. 835) aufgehoben worden. Die streitgegenständliche Verfügung als Dauerverwaltungsakt, dessen Rechtmäßigkeit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu prüfen ist, wird jedoch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag) - GlüStV - vom 30. Januar bis 31. Juli 2007 (GVBl. I S. 841) getragen, der gemäß § 1 Abs. 2 HGlüG Gesetzeskraft hat. Hiernach kann die zuständige Landesbehörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Unerlaubt ist ein Glücksspiel, das gegen das staatliche Sportwettenmonopol des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 HGlüG verstößt.

1. Das in § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 HGlüG normierte staatliche Sportwettenmonopol verstößt nicht offensichtlich gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, indem es die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EG) beschränkt, ohne dass hierfür eine gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung bestünde.

Nationale Regelungen, die die Ausübung von Tätigkeiten im Glücksspielsektor ohne entsprechende Genehmigung untersagen, stellen eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Damit eine solche Beschränkung rechtmäßig ist, muss sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, d. h. sie muss geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 06.11.2003 - C-243/01 - Gambelli u. a., Slg. 2003, I. - 13031).

a) Die streitige Frage der Reichweite einer formellen Notifizierungspflicht für die zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Regelungen zum Glücksspielwesen (vgl. Stein, ZfWG 2007, 399 ff.; Streinz/Herrmann/Kruis, ZfWG 2007, 402 ff.) ist für die gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung des hessischen Sportwettenmonopols ohne Bedeutung: Der Glücksspielstaatsvertrag wurde notifiziert, während das Hessische Glücksspielgesetz als Ausführungsgesetz mangels eines rechtlich relevanten, vom Staatsvertrag abweichenden Regelungsgehalts selbst nicht notifizierungspflichtig ist (vgl. auch Schreiben der EU-Kommission vom 24. September 2007 zum Notifizierungsverfahren [ZfWG 2007, 418], in dem die Ausführungsgesetze von insgesamt sechs Bundesländern, nicht aber das hessische als notifizierungspflichtig angesehen werden).

b) Materielle Bedenken gegen das in Hessen geltende staatliche Sportwettenmonopol rechtfertigen nicht die Annahme einer offensichtlichen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 HGlüG. Nach dem Erkenntnisstand des Senats im Eilverfahren kann nicht festgestellt werden, dass der hessische Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum offensichtlich überschritten hat.

aa) Zwar ist nicht unzweifelhaft, ob ein zwingender Grund des Allgemeininteresses nachgewiesen ist, der eine Beschränkung von gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten durch das staatliche Wettmonopol des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 HGlüG rechtfertigen kann. So hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 13. November 2003 (- C-42/02 - Lindman, Slg. 2003, I. - 13519) darauf hingewiesen, dass Rechtfertigungsgründe, die von einem Mitgliedsstaat geltend gemacht werden können, von einer Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der von diesem Staat erlassenen beschränkenden Maßnahme begleitet werden müssen, und beanstandet, dass die ihm - dem Gerichtshof - übermittelten Akten kein Element statistischer oder sonstiger Natur aufwiesen, das einen Schluss auf die Schwere der Gefahren, die mit dem Betreiben von Glücksspielen verbunden sind, oder gar auf einen besonderen Zusammenhang zwischen solchen Gefahren und der Teilnahme der Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedsstaats an in anderen Mitgliedsstaaten veranstalteten Lotterien zuließe (sog. "Lindman-Kriterien").

Demgegenüber weist die EU-Kommission (Schriftsatz an den EuGH vom 10.12.2007, ZfWG 2008, 94 ff.) darauf hin, dass aus dem Gemeinschaftsrecht keine Anforderungen an die Begründung einer nationalen Regelung hergeleitet werden könnten (unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 17.06.1997 - C-70/95 - Sodemare SA u. a., Slg. 1997, I. - 3395). Hiernach müsse der nationale Gesetzgeber also nicht stets vor Schaffung und Inkraftsetzung einer einschränkenden Norm diese auf ihre Übereinstimmung mit den Grundfreiheiten prüfen. Da Rechtssysteme dynamisch seien, könne es aus Sicht der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht nicht ausschlaggebend sein, ob eine Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit zeitlich stets vor dem Erlass der in Frage stehenden nationalen Vorschrift stattgefunden habe.

Im Hinblick auf den dem Gesetzgeber für eine Gefahrenprognose grundsätzlich zuzugestehenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum bei der Bekämpfung von Suchtgefahren (vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 25.03.2008 - 4 Bs 5/08 - ZfWG 2008, 136 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 08.07.2008 - 11 MC 71/08 -) muss es einer Beurteilung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, welche Anforderungen an den Gesetzgeber hinsichtlich der Beurteilung einer Suchtgefahr durch Sportwetten zu stellen sind und ob unter Berücksichtigung der danach relevanten Untersuchungen und Ergebnisse angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum überschritten.

bb) Auch die Zweifel, ob die nunmehr in Hessen bestehende Rechtslage den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die Verhältnismäßigkeit genügt und eine kohärente und systematische Regelung zur Begrenzung der Spiel- und Wettsucht schafft, rechtfertigen im Eilverfahren nicht die Annahme einer offensichtlichen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 06.11.2003 - C-243/01 - Gambelli u. a., a. a. O.) können Beschränkungen der Grundfreiheiten auf dem Gebiet der Wetttätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein; "jedoch müssen die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinn zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen". Der insoweit maßgebliche Begriff der Kohärenz, den das Gemeinschaftsrecht auch in Art. 3 EUV und Art. 11 EUV verwendet, bezieht sich auf das Erfordernis einer Abstimmung und widerspruchsfreien Gestaltung (vgl. Geiger, EUV-EGV, 3. Aufl. 2000, Rdnr. 12 zu Art. 1 EUV). Das bedeutet, dass verschiedene Maßnahmen zur Erreichung eines Zieles nicht im Widerspruch zueinander stehen dürfen und in ein stimmiges Konzept münden müssen (Senatsbeschluss vom 08.11.2007 - 7 TG 1916/07 -). Es bestehen Zweifel, ob die derzeitige Rechtslage in Hessen diesen Anforderungen gerecht wird.

(1) Fraglich ist zunächst, ob die gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet der Sportwetten, namentlich der Glücksspielstaatsvertrag und das Hessische Glücksspielgesetz, in sich widerspruchsfrei sind (sog. innere Kohärenz). Bedenken bestehen insoweit, weil nach § 4 Abs. 4 GlüStV das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist, § 25 Abs. 6 GlüStV aber unter bestimmten Voraussetzungen den Ländern gestattet, hiervon abweichend für eine Übergangsfrist von einem Jahr die Veranstaltung und Vermittlung im Internet zu erlauben. Wird das Verbot sog. Internet-Wetten mit dem Ziel der Suchtprävention begründet, so ist Schutzgut dieser Regelung die körperliche Unversehrtheit (so auch LT-Drucks. 16/7656, S. 4 d. Erl. zum GlüStV), deren Schutzbereich sich auch auf die Psyche erstreckt; ein Eingriff in dieses Schutzgut durch private Wettanbieter könnte dem Staat als eigener Eingriff zugerechnet werden, wenn er ihn genehmigt (vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: 12/2007, Rdnrn. 55, 67 zu Art. 2 Abs. 2).

Es steht nicht ohne Weiteres miteinander in Einklang, einerseits eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit durch eine Spiel- und Wettsucht für so gravierend zu erachten, dass das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet gänzlich verboten werden muss, andererseits diese gravierende Beeinträchtigung für die Übergangsfrist eines Jahres hinzunehmen. Wenn dies mit Verhältnismäßigkeitserwägungen begründet wird, die den betroffenen Unternehmen eine Umstellung auf zulässige Vertriebswege ermöglichen sollen (vgl. LT-Drucks. 16/7656, S. 28 d. Erl. zum GlüStV), so erscheint dies in Anbetracht der Bedeutung eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit problematisch. Andererseits ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, die technischen und rechtlichen Probleme bei der Umsetzung eines sofortigen Verbots zu berücksichtigen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Dauer ggf. notwendiger tatsächlicher Ermittlungen und der Durchführung eines hierauf aufbauenden Verbots durch die zuständige Behörde im Vergleich zur Dauer der eingeräumten Übergangsfrist kann im Eilverfahren nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber insoweit den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum offensichtlich überschritten hätte.

Auch die Frage, ob ein innerer Widerspruch im System der gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet der Sportwetten darin zu sehen ist, dass einerseits ein staatliches Monopol normiert ist, andererseits aber in Fortsetzung der Regelung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 LottoStV durch § 25 Abs. 3 GlüStV zugelassen wird, dass "abweichend von § 10 Abs. 2" GlüStV das Land Rheinland-Pfalz seine Aufgabe durch ein betrautes (privates) Unternehmen wahrnehmen kann, muss einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Zwar erscheint es bedenklich, wenn einerseits ein staatliches Monopol für erforderlich gehalten wird, um die Spiel- und Wettsucht zu begrenzen, andererseits aber auf der Ebene des Staatsvertrages die Grundlage dafür geschaffen wird, dass bei entsprechender landesrechtlicher Umsetzung ein privates Unternehmen in Rheinland-Pfalz Sportwetten anbieten kann. Jedoch wird in der Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (vom 20.05.2008, a. a. O.) darauf hingewiesen, dass das Land Rheinland-Pfalz von der in § 25 Abs. 3 GlüStV vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Landesglücksspielgesetzes Rheinland-Pfalz - LGlüG - vom 3. Dezember 2007 (GVBl. Rh-Pf. S. 240) veranstaltet das Land Rheinland-Pfalz die öffentlichen Glücksspiele unmittelbar selbst oder mittelbar durch die Süddeutsche Klassenlotterie; zur technischen Durchführung kann sich einer privat-rechtlichen Gesellschaft bedient werden, die vom Land beherrscht wird. Es wird erst im Hauptsacheverfahren zu klären sein, welche Auswirkungen die tatsächlich erfolgte landesrechtliche Ausgestaltung in Rheinland-Pfalz auf die gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung des Glücksspielstaatsvertrages hat, so dass eine offensichtliche Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ausscheidet.

Dies gilt auch für die Bedenken, die wegen der nach dem Gewerbegesetz der ehemaligen DDR erteilten Erlaubnisse bestehen. Zwar gelten diese derzeit noch fort (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 21.06.2006 - 6 C 19.06 - DÖV 2007, 119), doch besteht bereits über ihren Inhalt und ihre Reichweite Streit (vgl. grundlegend: Postel, ZfWG 2007, 181 ff., 328 ff.). Angesichts dessen, dass die genannten Erlaubnisse in Hessen keine Geltung haben (zur insoweit vergleichbaren Situation für Bayern: BVerwG, Urteil vom 21.06.2006, a. a. O.) und dass sich die Länder Berlin, Thüringen und Sachsen verpflichtet haben, die unter Geltung des Gewerbegesetzes der ehemaligen DDR erteilten Erlaubnisse zur Veranstaltung von Sportwetten aufzuheben, sofern und soweit sie bei Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages bestehen, können diese Bedenken keine offensichtlichen Erfolgsaussichten der Antragstellerseite begründen, die dem Eilantrag zum Erfolg verhelfen könnten.

(2) Ebenso zu würdigen ist die Problematik, ob die aus dem Glücksspielstaatsvertrag und dem Hessischen Glücksspielgesetz resultierende Rechtslage in der Zusammenschau mit den für andere Glücksspiele geltenden gesetzlichen Regelungen eine kohärente und systematische Begrenzung der Wetttätigkeiten darstellt (sog. äußere Kohärenz).

Zweifel bestehen zunächst im Hinblick auf den Bereich der Pferdewetten, der ebenso wie der Bereich der allgemeinen Sportwetten von der konkreten Gefahr geprägt wird, die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten mit der Folge zu überschätzen, dass die Suchtgefahr mit der Überzeugung steigt, langfristig Gewinne verbuchen zu können (vgl. Senatsbeschluss vom 08.11.2007 - 7 TG 1916/07 -). Im Unterschied zu dem für allgemeine Sportwetten geltenden staatlichen Monopol besteht jedoch nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl. I 1922, S. 335) in der Fassung vom 16. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2441), zuletzt geändert am 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), ein System zugelassener Buchmacher, denn dem Gesetzgeber erschien es "aus fachlichen Gründen ausreichend, an Buchmacher Anforderungen lediglich der Sachkunde und der Zuverlässigkeit zu stellen" (BT-Drucks. 10/5532, S. 25). Hier wurde also kein staatliches Monopol für erforderlich gehalten, um die mit dem Gesetz verfolgten Ziele, statt der Missstände der "Winkelbuchmacherei" geordnete Zustände herzustellen, eine "Anreizung des Publikums zum Wetten" möglichst zu verhindern und andererseits das Steueraufkommen zu steigern (BVerwG, Urteil vom 04.10.1994 - 1 C 14.93 - NVwZ 1995, 481 ff.), zu erreichen.

Die Frage der Kohärenz stellt sich aber auch im Hinblick auf den Bereich der Automatenspiele, wo unstreitig bei weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten zu beobachten sind, mithin das größte Gefährdungspotenzial besteht. Gleichwohl gibt es auch hier kein staatliches Monopol, um die Spielsucht zu bekämpfen.

Dass es in den beiden vorgenannten Bereichen kein staatliches Monopol der Länder gibt, kann - jedenfalls in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht - nicht mit der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung der Bundesrepublik Deutschland begründet werden. Abgesehen davon, dass die Bundesländer durch den Glücksspielstaatsvertrag den Willen und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit in diesem Bereich dokumentiert haben, und somit zumindest eine Gesetzesinitiative durch den Bundsrat möglich gewesen wäre, ist dem europäischen Gemeinschaftsrecht eine Exkulpation über die föderale Struktur eines Mitgliedsstaates fremd (vgl. Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411).

Allerdings hat es das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22.02.2008 - 13 B 1215/07 - ZfWG 2008, 122 ff.; bestätigt mit Beschluss vom 30.07.2008 - 4 B 2056/07 -) trotz der Gefahr, "dass der Gesetzgeber sich in Widerspruch zu seinen Regelungszielen setzt und infolge dessen mit dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeits- und Willkürverbot in Kollision gerät", für zulässig im Sinne einer Kohärenz gehalten, Teilregelungen zu schaffen, die sich auf spezifische Glücksspielsektoren beschränken und für diese verschärfende Regelungen einführen. Aus dem weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers folge eine Berechtigung zu unterschiedlichen sektoralen Regelungen, vorausgesetzt, die einzelnen sektorspezifischen Regelungen entsprächen sich in der Zielsetzung, jede Regelung sei für sich betrachtet erforderlich und geeignet, und die sektorspezifischen Regelungen stünden zueinander nicht in einem krassen Missverhältnis.

Es ist nicht unproblematisch, zur Begründung solcher unterschiedlicher sektoraler Regelungen darauf abzustellen, ob es sich um "neue und zusätzlich auftretende Spielversuchungen" oder "traditionell übliche Spielgelegenheiten" handelt und den "sehr kleinen Wettsektor" der Pferdewetten trotz der Grundrechtsrelevanz von suchtpräventiven Maßnahmen auszublenden (so aber Bay. VGH, Beschluss vom 02.06.2008 - 10 CS 08.1102 - ZfWG 2008, 197 ff.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 - ZfWG 2008, 131 ff.). § 6 Abs. 1 Satz 2 HGlüG schließt nämlich nur solche Wetten vom staatlichen Monopol aus, die aus Anlass von öffentlichen Pferderennen und anderen öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, soweit sie von einem hierfür zugelassenen Renn- oder Pferdezuchtverein durchgeführt oder durch Buchmacher abgeschlossen oder vermittelt werden. Werden hiernach aber Wetten in allen anderen Sportarten, die ebenfalls nur einen kleinen Personenkreis interessieren, vom Sportwettenmonopol erfasst, so erscheint es problematisch, die Anzahl der Interessierten an der jeweiligen Sportart zum Kriterium zu erheben. Bedenkenswert ist auch, ob für den Bereich der allgemeinen Sportwetten ein staatliches Monopol erforderlich ist, wenn für den Bereich der Pferdewetten und der Automatenspiele angenommen wird, dass ein qualitativ vergleichbares bzw. deutlich höheres Gefahrenpotenzial mit anderen Maßnahmen beherrscht werden kann.

Gleichwohl vermag der Senat im Eilverfahren nicht die Feststellung zu treffen, der Gesetzgeber habe den ihm gegebenen Gestaltungsspielraum offensichtlich überschritten. Es muss einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob die (Teil-)Regelungen in ihrer konkreten Ausgestaltung die Eignung oder die Erforderlichkeit von sektoralen Beschränkungen zur Erreichung des legitimen Gemeinwohlinteresses in Frage stellen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.02.2008 - 13 B 1215/07 - a. a. O.). Es wird insoweit auch zu prüfen sein, ob der Gesetzgeber "ein Monopolsystem im Hinblick auf den zu erwartenden Kontrollaufwand bei der Beteiligung privater Anbieter im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes als weniger effektiv ansehen" durfte (so Bay. VGH, Beschluss vom 02.06.2008 - 10 CS 08.1102 - a. a. O., m. w. N.) und ob es andere Gründe gibt, für die verschiedenen Glücksspiele unterschiedliche Regelungen zu treffen und folglich auch verschiedene Regelungsmethoden vorzusehen (vgl. Schriftsatz der EU-Kommission vom 10.12.2007, a. a. O.).

2. Verstößt das in § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 HGlüG normierte staatliche Sportwettenmonopol somit nicht offensichtlich gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, so kann auch kein offensichtlicher Verstoß gegen nationales Verfassungsrecht festgestellt werden, denn dessen Anforderungen entsprechen denen des Gemeinschaftsrechts (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 08.11.2007 - 7 TG 1916/07 -).

3. Die Tatbestandsvoraussetzungen der nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren anwendbaren Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV liegen vor, denn die angefochtene Ordnungsverfügung der insoweit zuständigen Antragsgegnerseite (§ 16 Abs. 2 HGlüG) richtet sich gegen die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele bzw. die Werbung hierfür. Sportwetten sind Glücksspiele im Sinne der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV, denn bei ihnen wird gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses, nämlich einer Sportveranstaltung gewettet. Dies geschieht im vorliegenden Fall auch unerlaubt, denn eine Erlaubnis nach §§ 9, 15 HGlüG i. V. m. §§ 4 Abs. 1, 12 GlüStV der nach §§ 9 Abs. 4 HGlüG i. V. m. § 9 Abs. 4 GlüStV zuständigen Behörde liegt nicht vor; ggf. erteilte Erlaubnisse anderer Stellen, insbesondere Erlaubnisse ausländischer Stellen oder Behörden der ehemaligen DDR bleiben außer Betracht, denn eine Erlaubnis kann nur von der zuständigen Behörde des jeweiligen Bundeslandes erteilt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 08.11.2007 - 7 TG 1916/07-). Fehler bei der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 GlüStV vorgesehenen Ermessensausübung sind nicht ersichtlich.

II. Erweist sich nach alledem die angefochtene Ordnungsverfügung weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig, so hat das Gericht bei seiner Entscheidung die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Diese Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Verfügung gegenüber dem privaten Interesse an der Suspensivwirkung des eingelegten Widerspruchs überwiegt.

Den die sofortige Vollziehung rechtfertigenden öffentlichen Interessen der wirksamen Suchtprävention und der Kriminalitätsbekämpfung stehen keine gleichrangigen privaten Interessen eines Vermittlers von Sportwetten an der Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gegenüber. Diese wurde nämlich trotz des Bewusstseins aufgenommen, dass wegen des bestehenden staatlichen Sportwettenmonopols in Hessen keine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten für ausländische Vertragspartner erteilt werden konnte und dass die Vermittlung von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis ordnungsrechtlich untersagt und nach § 284 StGB strafbewehrt ist. Wenn unter Inkaufnahme des mit dieser Betätigung verbundenen Risikos gleichwohl ein Wettbüro zur Vermittlung von Sportwetten eröffnet wurde, genießt das Interesse an der Fortsetzung dieser Betätigung keinen besonderen Vertrauensschutz. Vielmehr musste jedem Interessenten von vornherein klar sein, dass im Fall einer rechtlichen Bestätigung des staatlichen Monopols die Fortführung der unerlaubten Vermittlungstätigkeit unverzüglich unterbunden würde (so bereits zur früheren Rechtslage: Hess. VGH, Beschluss vom 05.01.2007 - 2 TG 2911/06 - LKRZ 2007, 98).

Darüber hinaus sind bei der Interessenabwägung der Zweck des Gesetzes sowie die gesetzgeberische Grundentscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu berücksichtigen. Das Hessische Glücksspielgesetz und der Glücksspielstaatsvertrag dienen nach ihrem Wortlaut und der Begründung im Gesetzgebungsverfahren im Wesentlichen der Suchtprävention und dem Jugend- und Spielerschutz sowie dem Schutz vor betrügerischen Machenschaften und der Folge- und Begleitkriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen (§ 1 GlüStV). Um die Erreichung dieser Ziele wirksam zu sichern, schließt § 9 Abs. 2 GlüStV die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen und Klagen gegen Untersagungsanordnungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV aus. Unter Berücksichtigung dieser gesetzgeberischen Wertung müssen die antragstellerischen Interessen zurücktreten.

Die Antragstellerseite hat als unterliegender Teil die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs.2 VwGO).

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat legt dabei in Ermangelung zuverlässiger Anhaltspunkte für die Bemessung des wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits einen Betrag von 15.000,00 € für das Verfahren der Hauptsache zugrunde. Er orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004, DVBl. 2004, 1525), der unter II., 54.2.1 für Gewerbeuntersagungen einen Mindestwert von 15.000,00 € vorsieht; angedrohte Zwangsmittel bleiben demgegenüber außer Betracht (II., 1.6.2 des Streitwertkataloges). Der für das Hauptsacheverfahren anzusetzende Wert ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens auf die Hälfte zu vermindern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



Ende der Entscheidung

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