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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 7 B 823/08
Rechtsgebiete: HSchG


Vorschriften:

HSchG § 175 Abs. 3
1. Potentieller Adressat einer schulaufsichtsbehördlichen Untersagung der Fortführung einer Ergänzungsschule ist deren Träger.

2. Träger einer Ergänzungsschule ist die Person oder Personenmehrheit, die über das "Ob" und das "Wie" des (weiteren) Betreibens der Schule entscheidet.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

7 B 823/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Schulrechts - Untersagung der Fortführung einer Ergänzungsschule -

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch Richter am Hess. VGH Schönstädt als Berichterstatter am 27. Mai 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 14. März 2008 - 7 L 172/08.DA - abgeändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Januar 2008 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung erster Instanz für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners, über die der Berichterstatter analog § 87 a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheiden kann, ist begründet.

1. Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Untersagung der Fortführung einer Ergänzungsschule.

Die Berufsfachschule für Kosmetik in A-Stadt ist eine anerkannte Ergänzungsschule. Der frühere Ehemann der Antragstellerin und eine Kauffrau zeigten gegenüber dem Antragsgegner im Jahr 1992 an, seit dem 1. Oktober 1991 Inhaber dieser Schule zu sein. Ab dem 1. Oktober 1993 fungierte der frühere Ehemann der Antragstellerin als alleiniger Schulinhaber und Schulleiter. Nach Differenzen zwischen dem Antragsgegner und dem damaligen Ehemann der Antragstellerin, die insbesondere Vorgänge im Zusammenhang mit an der Ergänzungsschule durchgeführten Abschlussprüfungen betrafen, wurde dem Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Mai 2004 folgende Vereinbarung der Antragstellerin und ihres Ehemannes vom 18. Dezember 2003 zur Kenntnis gebracht:

"Frau A. geb. E. und Herr Dieter Karl A. erklären übereinstimmend, dass die Berufsfachschule für Kosmetik in A-Stadt, X...straße ... ab dem 18.12.2003 auf die neue Inhaberin, Frau A. übergeht."

Der frühere Ehemann der Antragstellerin nahm in der Folgezeit weiter die Funktion der Schulleitung war. Mit Schreiben vom 4. September 2007, das die Antragstellerin unter der Bezeichnung "Schulinhaberin" unterschrieb, beantragte sie eine Unterrichtserlaubnis für Herrn C. Nachdem es im Hinblick auf Unterricht, Abschlussprüfungen und Zeugniserteilung in der Ergänzungsschule zu vielfältigen weiteren Beanstandungen gekommen war, die u. a. in ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen den früheren Ehemann der Antragstellerin mündeten, legte dieser Anfang November 2007 die Schulleitung nieder.

Bereits am 7. August 2007 war dem Antragsgegner bei einer Vorsprache der Antragstellerin im Staatlichen Schulamt von dieser mitgeteilt worden, dass sie sich von ihrem Ehemann getrennt habe und die Scheidung eingereicht worden sei. Das Arbeitsverhältnis des Ehemannes und seine Tätigkeit als Schulleiter würden am 30. September 2007 enden, ab dem 1. Oktober 2007 wolle sie - die Antragstellerin - eine andere Person als Schulleiter beschäftigen. Mit Schreiben vom 15. November 2007 benannte die Antragstellerin Herrn C. als neuen Inhaber der Ergänzungsschule und gab an, vorübergehend selbst die Aufgabe der Schulleiterin wahrzunehmen.

Anfang Dezember 2007 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin als Schulträgerin zur beabsichtigten Untersagung der Fortführung der Ergänzungsschule an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25. Januar 2008 wurde dem Antragsgegner eine auf den 7. August 2007 datierende Vereinbarung mit folgendem Inhalt zur Kenntnis gebracht:

"Frau A. geb. E. und Herr C. erklären übereinstimmend, dass die Berufsfachschule für Kosmetik in 64283 A-Stadt, A-Straße, ab dem heutigen Tage auf den neuen Inhaber, Herr C. übergeht."

Die Vollmachten der die "Berufsfachschule für Kosmetik in A-Stadt" im Verwaltungsverfahren bzw. im gerichtlichen Verfahren vertretenden Anwälte sind von der Antragstellerin unterschrieben.

Der Antragsgegner untersagte mit Bescheid vom 30. Januar 2008 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fortführung der Berufsfachschule für Kosmetik in A-Stadt als staatliche Ergänzungsschule mit sofortiger Wirkung. Wegen der Begründung wird auf die Gründe dieses Bescheides Bezug genommen.

Im Namen der Antragstellerin legten deren frühere Verfahrensbevollmächtigte am 5. Februar 2008 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Am 7. Februar 2008 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Darmstadt um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 4. Februar 2008 gegen den Bescheid des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Darmstadt-Dieburg und die Stadt Darmstadt vom 30. Januar 2008 wiederhergestellt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf verwiesen, dass der Bescheid vom 30. Januar 2008 an die falsche Adressatin gerichtet sei, da die Antragstellerin seit dem 7. August 2007 nicht mehr Schulträgerin sei. Ferner hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis darauf, dass es sich insoweit um eine die getroffene Entscheidung nicht tragende Rechtsauffassung (sog. obiter dictum) handele, dargelegt, dass sich der Bescheid im Übrigen als rechtmäßig darstelle und auch der angeordnete Sofortvollzug Bestand haben könne.

Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 18. März 2008 bekannt gegebenen Beschluss vom 14. März 2008 am 1. April 2008 Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 16. April 2008, das am selben Tag beim Beschwerdegericht eingegangen ist, begründet. Wegen der Beschwerdegründe im Einzelnen wird auf das Schreiben vom 16. April 2008 Bezug genommen.

2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die vom Antragsgegner verfügte Untersagung der Fortführung der Ergänzungsschule wiederherzustellen, stellt sich nach dem Erkenntnisstand des Rechtsmittelgerichts im Zeitpunkt seiner Entscheidung im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners als unzutreffend dar.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Fall VwGO kann das Gericht der Hauptsache im Falle des Abs. 2 Nr. 4, in dem - wie hier - die gesetzlich vorgesehene aufschiebende Wirkung aufgrund einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung entfällt, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Die hiernach zu treffende gerichtliche Eilentscheidung stellt eine Ermessensentscheidung dar, die unter Abwägung der Interessen der Beteiligten erfolgt. Einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Fall VwGO ist dabei jedenfalls dann kein Erfolg beschieden, wenn die behördliche Vollziehungsanordnung formell ordnungsgemäß ist, sich der Verwaltungsakt, dessen Vollziehbarkeit in Rede steht, als rechtmäßig darstellt und eine besondere Dringlichkeit seiner Vollziehung (sog. besonderes Vollzugsinteresse) besteht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 27. Juli 2006 - 7 TG 1561/06 - und vom 18. April 2008 - 7 B 733/08 -). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf das Eilrechtsschutzgesuch der Antragstellerin gegeben, insbesondere erweist sich die Untersagungsverfügung des Antragsgegners auch insoweit als materiell rechtmäßig, als sie an die Antragstellerin gerichtet ist und dieser ein Verhaltensgebot auferlegt.

Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung des Antragsgegners ist § 175 Abs. 3 des Hessischen Schulgesetzes - HSchG -, wonach das Staatliche Schulamt die Fortführung einer Ergänzungsschule untersagen kann, um Schäden oder Gefahren abzuwenden, die durch Mängel im Charakter oder in den Fähigkeiten des Unterhaltsträgers, der Schulleiterin oder des Schulleiters, der Lehrkräfte oder durch Mängel in den Einrichtungen der Schule den Schülerinnen und Schülern oder der Allgemeinheit drohen. Diese Vorschrift, die gefahrenabwehrrechtlichen Charakter hat (vgl. Köller/Achilles, Hessisches Schulgesetz, Stand: September 2007, § 175 Anm. 6), normiert einen speziellen Eingriffstatbestand, regelt allerdings nicht unmittelbar den potentiellen Verfügungsadressaten. Dieser ist - wie die Auslegung zeigt - grundsätzlich der jeweilige Schulträger. Dem Wortsinn nach kann die Fortführung einer Ergänzungsschule demjenigen untersagt werden, der die Schule führt. Ergänzungsschulen, die gemäß § 166 Abs. 1 HSchG Schulen in freier Trägerschaft sind, können von natürlichen und juristischen Personen im Sinne des § 166 Abs. 2 HSchG betrieben und damit geführt werden. Die staatliche Schulaufsicht, der die Schulen in freier Trägerschaft nach § 167 Abs. 2 HSchG unterliegen, betrifft als Rechtssubjekte mithin die jeweiligen Schulträger. Träger einer Ergänzungsschule ist dabei die Person oder Personenmehrheit, die über das "Ob" und - wie § 167 Abs. 1 HSchG, der prinzipiell den Schulträgern die Schulgestaltung überantwortet, belegt - das "Wie" des (weiteren) Betreibens dieser Schule in freier Trägerschaft entscheidet.

Bei Ergänzungsschulen können die Schulaufsichtsbehörden in der Regel davon ausgehen, dass derjenige, der den Betrieb einer Ergänzungsschule nach § 175 Abs. 2 HSchG vor Aufnahme des Unterrichts anzeigt oder zu einem späteren Zeitpunkt angibt, den Betrieb der Schule übernommen zu haben, auch wirklich Schulträger ist. Für die Verantwortlichkeit gegenüber der Schulaufsicht maßgeblich bleibt indes, dass die durch eine umfassende Entscheidungsbefugnis gekennzeichnete Eigenschaft als Schulträger tatsächlich besteht.

Nach diesem Maßstab ist die Antragstellerin weiterhin als Schulträgerin anzusehen, wobei für die Frage ihrer Verantwortlichkeit dahinstehen kann, ob sie diese Stellung allein oder zusammen mit Herrn C. einnimmt.

Die Eigenschaft der Antragstellerin als Schulträgerin nach Übernahme der Schule von ihrem ehemaligen Mann ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auch für das Beschwerdegericht nicht zweifelhaft. Der von der Antragstellerin behauptete - vollständige - Verlust dieser Eigenschaft durch einen am 7. August 2007 vereinbarten "Übergang der Schule" an Herrn C. stellt sich demgegenüber als in hohem Maße unwahrscheinlich dar.

In der Vorsprache beim Staatlichen Schulamt am 7. August 2007 - dem Tag, an dem nach dem Vorbringen der Antragstellerin die schriftliche Übernahmevereinbarung mit Herrn C. getroffen wurde - trat die Antragstellerin als verantwortliche Inhaberin der Schule auf, ohne einen beabsichtigten oder bereits erfolgten Inhaberwechsel zu erwähnen. Im Schreiben vom 4. September 2007, mit dem sie eine Unterrichtserlaubnis für Herrn C. beantragte, bezeichnete die Antragstellerin sich selbst als Schulinhaberin. Gegenüber dem Antragsgegner agierte sie weiterhin als verantwortliche Vertreterin der Ergänzungsschule. Rechtsanwälte, die im Verwaltungs- und im Verwaltungsstreitverfahren die Interessen der "Schule" wahrnahmen, wurden von der Antragstellerin bevollmächtigt. Soweit Herr C. in Erscheinung trat, tat er dies zusammen mit der Antragstellerin. Mit besonderem Gewicht tritt hinzu, dass die Antragstellerin trotz Aufforderung des Antragsgegners Einzelheiten der "Übernahme der Schule" durch Herrn C. nicht mitgeteilt hat und Vertragspartner, mit denen die Antragstellerin einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hatte, noch im Januar 2008 über einen Wechsel der Schulträgerschaft nicht informiert waren. Bei Zusammenschau dieser Umstände ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin auch weiterhin befugt ist, über das Betreiben und die Gestaltung der Ergänzungsschule - zumindest zusammen mit Herrn C. - zu entscheiden. Damit ist die Antragstellerin taugliche Verfügungsadressatin der auf § 175 Abs. 3 HSchG beruhenden Maßnahme.

Im Hinblick auf das Vorliegen des Eingriffstatbestandes des § 175 Abs. 3 HSchG sowie das Bestehen eines besonderen Vollzugsinteresses teilt das Beschwerdegericht die Sichtweise des Verwaltungsgerichts sowie des Antragsgegners und nimmt insoweit auf deren Ausführungen im Beschluss vom 14. März 2008 bzw. im Bescheid vom 30. Januar 2008 Bezug. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensausübung des Antragsgegners bei der Entscheidung, der Antragstellerin die Fortführung der Ergänzungsschule zu untersagen, liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 63 Abs. 3 GKG unter zulässiger Abänderung der Streitwertfestsetzung erster Instanz für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 7.500,00 € festgesetzt. Das Beschwerdegericht hält für die Untersagung der Fortführung der Ergänzungsschule einen Streitwert in Höhe von 15.000,00 € für angemessen. Dieser Betrag entspricht der Hälfte des Streitwertes, der im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) für die Genehmigung zum Betrieb einer Ersatzschule vorgesehen ist (Nr. 38.2) und stimmt mit dem im Streitwertkatalog für die Untersagung eines ausgeübten Gewerbes vorgesehenen Mindeststreitwert (Nr. 54.2.1) überein. Im Eilverfahren ist der Streitwert von 15.000,00 € im Hinblick auf die Vorläufigkeit der gerichtlichen Entscheidung auf die Hälfte zu reduzieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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