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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.06.2009
Aktenzeichen: 7 D 1536/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 5
BGB § 1600 Abs. 3
1. Einem Folgenbeseitigungsanspruch des Kindes auf Rücknahme einer behördlichen Vaterschaftsanfechtungsklage steht entgegen, dass in der Erhebung der Klage gegen die erfolgte Vaterschaftsanerkennung kein rechtswidriger Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht des Kindes liegt.

2. Ein subjektiv-öffentliches Recht des Kindes auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der zuständigen Behörde über eine Anfechtung einer erfolgten Vaterschaftsanerkennung besteht nicht.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

7 D 1536/09

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

wegen Personenordnungsrechts - Klage auf Rücknahme einer behördlichen Vaterschaftsanfechtungsklage -

hier: Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes erstinstanzliches Hauptsacheverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Rothaug, Richter am Hess. VGH Schönstädt, Richterin am Hess. VGH Schäfer

am 17. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 2. April 2009 - 5 K 245/09.DA (2) - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage vor dem Verwaltungsgericht, mit der sie die Rücknahme einer beim Familiengericht A-Stadt erhobenen behördlichen Vaterschaftsanfechtungsklage erreichen will.

Die Antragstellerin wurde am xxx.2007 in Gelnhausen geboren. Ihre Mutter ist chinesische Staatsangehörige. Am 17. Dezember 2007 erkannte ein malayischer Staatsangehöriger die Vaterschaft an. Der malayische Staatsangehörige hat seit 1978 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und ist auch im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gewesen. Infolge der Vaterschaftsanerkennung erwarb die Antragstellerin die deutsche Staatsangehörigkeit.

Das Regierungspräsidium Darmstadt erhob beim Familiengericht A-Stadt Klage gegen die Anerkennung der Vaterschaft. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Klageschrift vom 26. November 2008 in der beim Familiengericht A-Stadt unter dem Aktenzeichen 62 F 1253/08 Kl geführten Kindschaftssache Bezug genommen.

Die Antragstellerin beabsichtigt, beim Verwaltungsgericht eine Klage auf Rücknahme der beim Familiengericht erhobenen Vaterschaftsanfechtungsklage zu erheben und hat hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Das Verwaltungsgericht hat mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, da die beabsichtigte Klage mangels Rechtsschutzinteresses keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.

Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 17. April 2009 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts am 23. April 2009 Beschwerde erhoben, der das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. April 2009 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat in dem im Tenor bezeichneten Beschluss zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von der Antragstellerin angestrebte Rechtsverfolgung abgelehnt. Der beabsichtigten Leistungsklage der Antragstellerin fehlt es an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht. Auch bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint es nicht als möglich, dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren durchdringen wird. Der Antragstellerin fehlt mit großer Wahrscheinlichkeit die Klagebefugnis, jedenfalls aber spricht nichts für die Begründetheit der von ihr geplanten Klage. Denn einem aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung heraus zu erwägenden Anspruch der Antragstellerin auf Rücknahme der vom Regierungspräsidium Darmstadt beim Familiengericht A-Stadt erhobenen Vaterschaftsanfechtungsklage steht entgegen, dass in der Erhebung der Klage gegen die erfolgte Vaterschaftsanerkennung kein rechtswidriger Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht des Kindes liegt.

Die deutsche Staatsangehörigkeit der Antragstellerin als einfachgesetzliches subjektiv-öffentliches Recht wird durch die Klageerhebung nicht berührt. Ein rückwirkender Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin wäre (erst) Rechtsfolge einer rechtskräftigen erfolgreichen behördlichen Anfechtung.

Die behördliche Klageerhebung greift auch nicht in Freiheitsrechte der Antragstellerin ein. Weder die grundgesetzlichen Garantien der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und des Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 GG) noch das von der Antragstellerin angeführte Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch das konventionsrechtliche Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) gewähren dem Kind Schutz davor, dass aufgrund behördlicher Initiative das Familiengericht überhaupt in die Prüfung eintritt, ob die in § 1600 Abs. 3 BGB normierten Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung vorliegen. Den genannten Rechtspositionen, die auch den Schutz des Kindeswohls bezwecken, wird vielmehr in insbesondere mit dem Grundgesetz vereinbarer Weise dadurch Rechnung getragen, dass die vom Familiengericht zu prüfende Begründetheit der Vaterschaftsanfechtungsklage materiell neben der fehlenden biologischen Vaterschaft einen Bezug zu Einreise und Aufenthalt sowie das Fehlen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und dem Anerkennenden voraussetzt, das behördliche Anfechtungsrecht zudem nach § 1600b Abs. 1a BGB fristgebunden und verfahrensrechtlich gemäß § 640d Abs. 2 ZPO das Jugendamt vom Familiengericht vor der Entscheidung anzuhören ist.

Schließlich besteht auch kein subjektiv-öffentliches Recht des Kindes auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der zuständigen Behörde über eine Anfechtung einer erfolgten Vaterschaftsanerkennung nach §§ 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3, 1600b Abs. 1a BGB. Durch das am 1. Juni 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I 2008, 313) hat der Gesetzgeber in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 BGB ein behördliches Anfechtungsrecht für Fälle geschaffen, in denen durch die Anerkennung einer biologisch nicht bestehenden Vaterschaft rechtliche Voraussetzungen für die ausländerrechtlich erlaubte Einreise oder den Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils in Deutschland geschaffen werden. Da der Wortlaut des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB eine Anfechtungsberechtigung - keine Anfechtungspflicht - vorsieht, steht die Erhebung eine Klage gegen die Vaterschaftsanerkennung nach - soweit ersichtlich - einhelliger Auffassung im Ermessen der Behörde (vgl. nur MünchKommBGB/Wellenhofer, 5. Aufl. 2008, § 1600 Rdnr. 17; Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1600 Rdnr. 6; Fehrenbacher, ZAR 2009, 22, 24; Löhnig, FamRZ 2008, 1130, 1132). Im Hinblick auf den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Norm, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen, durch die Staatsbürgerschaft, Aufenthaltsrecht und mittelbar Sozialleistungen erschlichten werden können, wirksam entgegenzutreten, erfolgt die Ermessensausübung hinsichtlich der Klageerhebung ausschließlich im öffentlichen Interesse (vgl. Fehrenbacher, a. a. O.; Löhnig, a. a. O.).

Da - wie dargelegt - schutzwürdigen Freiheitsrechten des Kindes unmittelbar im familiengerichtlichen Verfahren in hinreichender Weise Rechnung getragen wird, gibt auch höherrangiges Recht keinen Anlass, das behördliche Entschließungsermessen nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB subjektivrechtlich als dem Schutz der Interessen des Kindes dienend zu interpretieren. Dies gilt auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Art. 3 Abs. 1 GG begründet nicht automatisch einen Anspruch des Bürgers auf ein dem Gleichheitssatz entsprechendes, insbesondere nicht willkürliches behördliches Verhalten, sondern grundsätzlich nur dann, wenn das behördliche Verhalten - anders als hier das bloße Erheben der Vaterschaftsanfechtungsklage - in eine materielle Rechtsposition des Bürgers eingreift (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 42 Rdnr. 129).

Im Fall der Antragstellerin hätte die auf Rücknahme der Vaterschaftsanfechtungsklage gerichtete Rechtsverfolgung vor dem Verwaltungsgericht im Übrigen selbst bei Annahme eines im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG bestehenden subjektiv-öffentlichen Rechts auf ermessensfehlerfreie Ausübung des Entschließungsermessens nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB keine hinreichende Erfolgsaussicht. Denn die Vaterschaftsanfechtungsklage ist vom Regierungspräsidium Darmstadt nicht ohne jeden greifbaren Anhaltspunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB und damit nicht willkürlich erhoben worden. Wegen der zureichenden Anhaltspunkte wird auf die Klageschrift vom 26. November 2008 im familiengerichtlichen Verfahren verwiesen.

Eine Entscheidung über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens - Gebührenschuld der Antragstellerin in Höhe von 50,00 € nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) - ist vom Gericht nicht zu treffen. §§ 161 Abs. 1, 154 ff. VwGO, nach denen eine gerichtliche Kostenentscheidung von Amts wegen ergeht, verhalten sich nur zur Frage der Kostenerstattung zwischen den Beteiligten. Gemäß § 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO haben die am Beschwerdeverfahren in einer Prozesskostenhilfeangelegenheit Beteiligten keine Kosten zu erstatten (vgl. zu Vorstehendem: Senatsbeschlüsse vom 16. Juni 2008 - 7 D 1072/08 -, vom 6. November 2008 - 7 D 2298/08 - und vom 22. Dezember 2008 - 7 D 2503/08 -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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