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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.08.2007
Aktenzeichen: 7 TG 616/07
Rechtsgebiete: VwGO, HSOG, Spw/LottoG, StGB, BVerfGG


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 1
HSOG § 11
Spw/LottoG § 1 Abs. 1
Spw/LottoG § 1 Abs. 1 Satz 1
Spw/LottoG § 1 Abs. 5
Spw/LottoG § 5 Abs. 1 Nr. 2
Spw/LottoG § 5 Abs. 1 Nr. 3
StGB § 284
StGB § 284 Abs. 1
BVerfGG § 31 Abs. 1
Bis zu der für den 1. Januar 2008 zu erwartenden Neuregelung der Rechtslage sind die zuständigen Behörden weiterhin befugt, privaten Wettanbietern die Vermittlung von Sportwetten zu untersagen (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung).
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

7 TG 616/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Lotterierechts

hier: Sportwetten

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Rothaug, Richter am Hess. VGH Schönstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Ferner

am 30. August 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 22. Februar 2007 - 10 G 73/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO) Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist nach dem Erkenntnisstand des Senats im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Anspruch auf Gewährung von Eilrechtsschutz gegen die in der angegriffenen Ordnungsverfügung getroffenen Regelungen besteht.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschlüssen vom 21. Dezember 2006 (- 11 TG 2336/06 -) und vom 5. Januar 2007 (- 2 TG 2911/06 - LKRZ 2007, 98) in Fortsetzung seiner früheren Rechtsprechung ausgeführt, dass Ordnungsverfügungen zur Untersagung von privaten Sportwetten ihre Rechtsgrundlage in § 11 HSOG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 des Gesetzes über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Hessen - Spw/LottoG - (i. d. F. des letzten Änderungsgesetzes vom 14. Dezember 2006, GVBl. I S. 656) fänden.

Danach sei allein das Land Hessen befugt, innerhalb seines Staatsgebiets in den von ihm zugelassenen Annahmestellen Sportwetten zu vermitteln. Die mit den Mitteln des Ordnungsrechts abzuwehrende Gefahr durch private Sportwetten bestehe in dem Verstoß gegen § 1 Abs. 1, Abs. 5 Spw/LottoG und gegen die Strafvorschriften in § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Spw/LottoG sowie § 284 Abs. 1 StGB. Hiernach erforderliche Erlaubnisse könnten nur von der zuständigen Behörde des jeweiligen Bundeslandes erteilt werden, so dass Erlaubnisse anderer Stellen, insbesondere Erlaubnisse ausländischer Behörden oder Behörden der früheren DDR, nicht ausreichend seien, um in Hessen Sportwetten anbieten zu dürfen. Auch wenn das staatliche Wettmonopol in Bayern und - aufgrund der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG - in den anderen Bundesländern nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (- 1 BvR 1054/01 - NJW 2006, 1261) nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sei, bleibe die bisherige Rechtslage bis zum 31. Dezember 2007 übergangsweise anwendbar. Es sei zumindest in der geforderten Weise damit begonnen worden, das staatliche Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten, was in den Beschlüssen vom 21. Dezember 2006 (- 11 TG 2336/06 -) und 5. Januar 2007 (- 2 TG 2911/06 - a. a. O.) im Einzelnen ausgeführt wird.

Die somit bestehende rechtliche Situation, namentlich die in § 284 StGB normierte Erlaubnispflicht für Sportwetten als Glücksspiel und das bestehende staatliche Monopol in seiner durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (- 1 BvR 1054/01 - a. a. O.) ausgestalteten Form, sind nach dieser Rechtsprechung - unabhängig von der Frage der Strafbarkeit - auch nicht nach Art. 43 Abs. 1 und 49 Abs. 1 EG-Vertrag gemeinschaftsrechtswidrig.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - sei es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob eine die genannten Grundfreiheiten beschränkende Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen können, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen. Ein Staatsmonopol bei der Vermittlung von Sportwetten sei danach ausnahmsweise gemeinschaftsrechtlich zulässig, wenn es - in nicht diskriminierender und mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbarer Weise - dem Ziel diene, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, namentlich wenn der Einnahmegesichtspunkt nicht der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sei.

Diese Vorgaben des europäischen Rechts entsprächen denen des Grundgesetzes in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Nachdem der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 6. November 2003 - C-243/01 - Gambelli u. a., NJW 2004, 139) festgestellt habe, dass der einzelne Mitgliedsstaat die Erteilung von Erlaubnissen zur Sportwettenvermittlung an Private generell ausschließen kann, soweit er ein staatliches Sportwettenmonopol europarechtskonform ausgestaltet, könnten auch die von einem Mitgliedsstaat unter grundlegend anderen Voraussetzungen erteilten Konzessionen zur privaten Sportwettenvermittlung nicht als rechtliche Grundlage für eine solche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat dienen.

Nach den aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durchgeführten Maßnahmen gehen die zuvor genannten Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs davon aus, dass das auf das geltende staatliche Sportwettenmonopol gestützte Verbot der privaten Sportwettenvermittlung nicht (mehr) in unzulässiger Weise in die europarechtlich geschützte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit eingreife. Vielmehr berücksichtige das Verbot aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zum Gefahren- und Suchtpotenzial von Sportwetten und entspreche wegen der Ausrichtung an zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, namentlich des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen zu überhöhten Ausgaben für das Spielen, den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs mit der Folge, dass es eine zulässige Einschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit darstelle.

Es bedürfe hiernach auch keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, weil die durch das Bundesverfassungsgericht erfolgte, bis zum 31. Dezember 2007 befristete Ausgestaltung der Rechtslage in Bayern - welche für Hessen entsprechend anwendbar sei (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2006 - 1 BvR 138/05 - juris) - jedenfalls für den bezeichneten Übergangszeitraum europarechtskonform sei. Zudem sehe Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag grundsätzlich keine Pflicht zur Vorlage in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor.

Die bisher zuständigen Senate des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs haben auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügungen zur Untersagung privater Sportwetten als gerechtfertigt angesehen. An dem Sofortvollzug des Verbots der privaten Sportwettenvermittlung bestehe danach ein besonderes öffentliches Interesse bereits deshalb, weil nur so die mit dem Verbot verfolgten Schutzzwecke wirksam verfolgt werden könnten. Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber bis zum Ende der Übergangsfrist die Wahl zwischen der Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols und der Schaffung eines Systems der Zulassung Privater überlassen und im unmittelbaren Zusammenhang damit ausgeführt, dass während der Übergangszeit Verstöße gegen das staatliche Wettmonopol unterbunden werden dürften (vgl. hierzu im Einzelnen: Hess. VGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2006 - 11 TG 2336/06 - und 5. Januar 2007 - 2 TG 2911/06 - a. a. O.).

Nach Auffassung des beschließenden Senats ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten.

Ein Anlass für eine Änderung der Rechtsprechung ergibt sich nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. März 2007 (- C-338/04 - u. a. Placanica u. a., EuZW 2007, 209). In jenem Verfahren hatte das Gericht eine italienische Regelung zu prüfen, nach der die Teilnahme an der Veranstaltung von Glücksspielen einschließlich des Sammelns von Wetten eine Konzession und eine polizeiliche Genehmigung voraussetzte, diese aber an ausländische Kapitalgesellschaften nicht erteilt wurden, weil es bei ihnen an der geforderten Transparenz der Eigentümerstruktur fehlte. Der Europäische Gerichtshof führte hierzu unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung aus, dass eine nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten im Glücksspielsektor ohne eine vom Staat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung verbiete, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstelle, die nur aufgrund einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung zulässig oder aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sei, wenn die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe. Ziele, die solche Hemmnisse rechtfertigen könnten, seien die Verringerung der Gelegenheiten zum Spiel und die kohärente und systematische Begrenzung der Tätigkeiten in diesem Bereich sowie die Vorbeugung vor Straftaten durch ein Kontrollsystem. Es sei grundsätzlich Sache des vorlegenden nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die nationalen Beschränkungen verhältnismäßig sind und tatsächlich den geltend gemachten Zielen entsprechen. Die zu prüfende italienische Regelung könne schon angesichts der ausweislich der Vorlage des nationalen Gerichts bestehenden expansiven Glücksspielpolitik zum Zwecke der Erhöhung der Staatseinnahmen nicht mit dem Ziel einer Beschränkung der Spielleidenschaft und einer Eindämmung des Spielangebots gerechtfertigt werden. Unabhängig davon sei die italienische Regelung zu beanstanden, weil der völlige Ausschluss der auf reglementierten Märkten notierten Kapitalgesellschaften über das hinausgehe, was für eine Vorsorge vor Straftaten erforderlich sei, denn es gebe hierzu andere Mittel, die die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit nicht beschränkten.

Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs setzt dessen bisherige Rechtsprechung insbesondere zur Frage der Verhältnismäßigkeit und zum Ermessen nationaler staatlicher Stellen bei der Festlegung, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben, fort (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 6 B 10118/07.OVG - juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 6 S 2340/06 -; Hamb. OVG, Beschluss vom 9. März 2007 - 1 Bs 378/06 -; Bay. VGH, Beschluss vom 29. März 2007 - 24 CS 07.384 -; Nieders. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 11 ME 106/07 -; vgl. auch Stein, EuZW 2007, 230). An dieser Judikatur des Europäischen Gerichtshofs haben sich auch schon in der Vergangenheit die Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ausgerichtet, so dass eine Änderung der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs auch im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. März 2007 (- C-338/04 - u. a., a. a. O.) nicht angezeigt ist.

Eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung ist auch nicht aufgrund der Argumente in den Aufforderungsschreiben der Kommission der Europäischen Gemeinschaft an die Bundesregierung vom 10. April 2006 und vom 23. März 2007 (- Verfahren Nr. 2003/4350 - SG Greffe [2006] D/201648; SG Greffe [2007] D/201377) geboten.

Wenn die Kommission ihre Bedenken bezüglich der gegenwärtigen Situation in Deutschland auf dem Gebiet der Sportwetten damit begründet, dass das zentrale Ziel der deutschen Regierung im Hinblick auf die Regulierung und Kontrolle von Glücksspielen darin bestehe, einen nicht unerheblichen Teil der Einahmen aus Glücksspielen (mindestens 25%) zur Finanzierung gemeinnütziger oder öffentlicher Zwecke heranzuziehen, die übermäßige Anregung der Nachfrage und die Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu Gewinnzwecken zu verhindern und durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten, so ist die Bundesregierung diesen Bedenken in ihrer Mitteilung vom 22. Mai 2007 mit überzeugenden Argumenten entgegengetreten. Sie hat hierin ausgeführt, dass die Kommission den tatsächlichen Inhalt der Begründung zur Gesetzesänderung (Gesetzesmotive zu § 284 StGB, BT-Drs. 13/8587) durch die Erhebung des Finanzierungsaspekts zum Hauptziel und die zusammengefasste Wiedergabe unterschiedlicher weiterer Ziele verkannt habe und die tatsächlichen Ziele der deutschen Glücksspielpolitik außer Acht lasse. Bereits unter dem 12. Juni 2006 habe sie hierzu mitgeteilt, dass die Finanzierung gemeinnütziger Zwecke aus den Einnahmen von Sportwetten nicht Haupt- oder Nebenzweck, sondern nur eine "nützliche Nebenfolge" im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 6. November 2003 - C-243/01 - a. a. O.) sei.

Auch die Begründung der Kommission für ihre Auffassung, die deutschen Behörden betrieben keine konsistente und systematische Politik zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, überzeugt nicht. Insoweit wird insbesondere der Geschäftsbericht der Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt einseitig wiedergegeben, aus dem nur zitiert wird, dass 17 neue Annahmestellen eröffnet worden seien, nicht aber - wie die Bundesregierung darlegt - dass im Gegenzug 35 Geschäfte aufgegeben wurden. Unabhängig hiervon ist bei der Bewertung dieses Berichts in Rechnung zu stellen, dass er aus dem Jahr 2004 stammt und damit nicht die aktuelle Entwicklung im Anschluss an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (- 1 BvR 1054/01 - a. a. O.) berücksichtigen konnte, die gerade den geäußerten Bedenken Rechnung trägt (so auch Nieders. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 11 ME 106/07 -). Auch die Ausführungen der Kommission zu den Internet-Spielen berücksichtigen nicht hinreichend die aktuelle Entwicklung, da - beispielsweise in Hessen - die Planung für Online-Wetten gestoppt und mit dem Projekt "Internet-Relaunch" Sicherungsmechanismen (insbes. Schufa-Abfrage, Ausschluss Minderjähriger, Spieleinsatzlimit, Möglichkeit der Selbstsperre) eingerichtet wurden. An der Aktualität mangelt es auch den von der Kommission zum Beleg einer expansiven Glücksspielpolitik herangezogenen und (ebenfalls) längst überholten Zahlen zum Umsatz der Wettannahmestellen aus dem Jahr 2003, die nach der Mitteilung der Bundesregierung vom 22. Mai 2007 auch die wahrscheinlichen Umsätze der sich in Deutschland damals illegal betätigenden Sportwettenanbieter umfassen.

Ohne Bedeutung für das vorliegende Verfahren ist schließlich die Begründung des Schreibens des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Verheugen an die Bundesregierung vom 22. März 2007, da sie sich nur mit dem Entwurf eines zukünftigen Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland auseinander setzt (so auch Bay. VGH, Beschluss vom 29. März 2007 (- 24 CS 07.384 -).

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den Argumenten in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (vgl. z.B. Beschluss vom 4. April 2007 - 3 W 18/06 - NVwZ 2007, 717), mit dem dieses Gericht die sofortige Vollziehbarkeit eines Untersagungsbescheides für die Vermittlung von Sportwetten im Zuge einer Interessenabwägung ausgesetzt hat, da im Hinblick auf die Frage der Vereinbarkeit mit europäischem Gemeinschaftsrecht der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen sei und das Suspensivinteresse des privaten Wettanbieters überwiege. Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs deuteten in verschiedenen Formulierungen darauf hin, dass sich die Forderung nach einer kohärenten und systematischen, an den Zielen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Ausgestaltung von Glücksspielmonopolen nicht nur auf Sportwetten, sondern auf den gesamten Glücksspielsektor beziehen sollten. Diesen Anforderungen sei - jedenfalls im Saarland - nicht entsprochen worden, weil in den zurückliegenden Jahren eine kontinuierliche Ausweitung des Glücksspielangebots durch die staatlichen Lotterieveranstalter und -unternehmen erfolgt sei. Hieran habe sich seit dem Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (- 1 BvR 1054/01 - a. a. O.) nichts Durchgreifendes geändert. Trotz der mittlerweile ergriffenen Maßnahmen sei es zweifelhaft, ob das Sportwettenmonopol inzwischen in europarechtlich zulässiger Weise ausgestaltet sei, denn angesichts des fortbestehenden Regelungsdefizits reiche eine bloße Gestaltung der Verwaltungspraxis, die noch dazu jederzeit geändert werden könne, nicht aus, um einen Verstoß gegen Verpflichtungen des EG-Vertrages auszuräumen (so im Ergebnis auch VG Gießen, Vorlagebeschluss vom 7. Mai 2007 - 10 E 13/07 -).

Einem solchen nicht differenzierenden Verständnis stehen die erheblichen Unterschiede zwischen den Sportwetten und anderen Glücksspielen entgegen (so auch Bay. VGH, Beschluss vom 29. März 2007 - 24 CS 07.384 -, und im Ergebnis Hamb. OVG, Beschluss vom 9. März 2007 - 1 Bs 378/06 -). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwettenurteil vom 28. März 2006 (- 1 BvR 1054/01 - a. a. O.) ausgeführt, dass eine für Festquoten-Sportwetten spezifische Gefahr der Begleitkriminalität im Sportwettenbetrug bestehe. Die Verbindung von Sport mit Wetten auf den Ausgang von Sportereignissen könne bei Wettteilnehmern zu der Versuchung führen, den Spielausgang nicht dem Glück zu überlassen, sondern das Ergebnis in einem für sie günstigen Sinne zu manipulieren. Damit gehe von Sportwetten auch eine Gefahr für die Integrität des Sportgeschehens aus.

Da nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerade auch die Kriminalitätsbekämpfung ein Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sein kann, ist eine Differenzierung zwischen Sportwetten und allgemeinen Lotterien geboten. Gegen eine Gleichsetzung spricht insbesondere auch, dass das Gefährdungspotenzial bei Sportwetten durch die Möglichkeit gesteigert wird, über die Berücksichtigung bestimmter Informationen oder die Aneignung spezifischer Kenntnisse die Geschehnisse (minimal) günstiger zu gestalten. Mit der Überschätzung der eigenen Einflussmöglichkeiten steigt aber die Überzeugung, langfristig Gewinne zu verbuchen. Deshalb ist bei Sportwetten nach festen Quoten von einem gegenüber allgemeinen Lotterien gesteigerten Suchtpotenzial auszugehen (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 6 B 10118/07 - a. a. O., m. w. N.). Bestehen aber zwischen Sportwetten einerseits und allgemeinen Lotterien andererseits eine Reihe von erheblichen Unterschieden, die eine differenzierende Betrachtung erfordern, so verbietet sich unabhängig von der rechtlichen Verantwortlichkeit und dem organisatorischen Auftreten eine gegenseitige Zurechnung von Werbeaktivitäten.

Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes überzeugen schließlich auch insoweit nicht, als sie bemängeln, dass eine bloße Verwaltungspraxis, die auch wieder geändert werden könne und die im Übrigen nur unzureichend bekannt gemacht sei, nicht ausreiche, um einen Verstoß gegen Verpflichtungen des EG-Vertrages auszuräumen. Insbesondere nach dem Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2006 (- 1 BvR 138/05 - a. a. O.) beansprucht die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (- 1 BvR 1054/01 - a. a. O.) getroffene Weitergeltungsanordnung einschließlich der Verpflichtung, das bestehende staatliche Sportwettenmonopol konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht auszurichten, Verbindlichkeit auch für die übrigen Bundesländer, deren Parallelnormen zum bayerischen Staatslotteriegesetz im Hinblick auf die mit Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG getroffenen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG gleichfalls mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar sind. Ungeachtet der im Hinblick auf § 31 BVerfGG nicht unzweifelhaften Reichweite der Weitergeltungsanordnung, die die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts dessen Urteil vom 28. März 2006 beimisst, besteht danach (auch) in Hessen für den Übergangszeitraum bis zu einer Neuregelung ein rechtlich abgesichertes Sportwettenmonopol mit der Verpflichtung, die Wettleidenschaft zu bekämpfen, und nicht lediglich eine jederzeit abänderbare bloße Verwaltungspraxis.

Die Notwendigkeit einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung kann auch nicht unter Berufung auf den die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zulassenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2006 (- 6 B 89/06 - juris) mit Erfolg begehrt werden. Denn weder der Umstand der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung als solcher noch die Ausführungen im genannten Beschluss begründen Zweifel an der Richtigkeit der dargelegten Rechtsauffassung des Senats.

Keine Bedeutung für die vorliegende Entscheidung kann dem die Beschwerde gegen einen stattgebenden Beschluss erster Instanz zurückweisenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 2. Januar 2007 (- 3 MB 38/06 - NJW 2007, 1547) zukommen, da dieser eine nicht verallgemeinerungsfähige besondere Verfahrenssituation betrifft.

Der Senat teilt nach alledem die einhellige Auffassung in der Rechtsprechung, wonach insbesondere die Suchtprävention ein dringendes allgemeines Interesse darstellt, welches eine Beschränkung der Grundfreiheiten nach Art. 43 und 49 EG-Vertrag rechtfertigen kann. Gleichzeitig geht er davon aus, dass die in Hessen bestehende Situation dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. März 2006 (- 1 BVR 1054/01 - a. a. O.) festgestellt, dass die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Erreichung der legitimen Ziele einer Suchtbekämpfung darstellt, von dessen Erforderlichkeit der Gesetzgeber unter Berücksichtigung seiner Einschätzungsprärogative habe ausgehen dürfen (vgl. hierzu auch Nieders. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 11 ME 106/07 -). Hinsichtlich der vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung feststehend angenommenen Suchtgefahren habe der Gesetzgeber angesichts seines weiten Beurteilungsspielraums annehmen dürfen, dass die Problematik mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Sucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Wettmonopols mit staatlich verantwortetem Wettangebot effektiver beherrscht werden könne als im Wege einer Kontrolle privater Wettunternehmen. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit kommt der Senat auch in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht nicht zu einem anderen Ergebnis (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 6 B 10118/07 - a. a. O.; vgl. hierzu auch Stein, a. a. O.).

Nach dem Erkenntnisstand des Senats im Zeitpunkt seiner Beschwerdeentscheidung dient das bestehende Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen tatsächlichen Ausgestaltung, die sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 28. März 2006 (- 1 BvR 1054/01 - a. a. O.) orientiert, der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten. Anders als den italienischen Stellen in der vom Europäischen Gerichtshof mit Urteil vom 6. März 2007 (- C-338/04 - u. a., a. a. O.) entschiedenen Rechtssache, in der bereits das vorlegende nationale Gericht von einer expansiven Glücksspielpolitik des italienischen Staates ausging und in der der Europäische Gerichtshof der Sichtweise des nationalen Gerichts ohne weitere Erörterung folgte, ist es den zuständigen Behörden des Landes Hessen nicht verwehrt, sich auf das Ziel der Suchtprävention zu berufen. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2003 (- C-243/01 - a. a. O.) ist den Behörden eines Mitgliedsstaates die Berufung auf das Ziel der Suchtprävention nur versagt, wenn diese die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse die Einnahmen zufließen, ohne dass die Beschränkungen geeignet sind, kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beizutragen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat unter Zugrundelegung der verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. zu diesen insbes. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - a. a. O. und Beschluss vom 4. Juli 2006 - 1 BvR 1348/05 - juris) bereits mit den Beschlüssen vom 21. Dezember 2006 (- 11 TG 2336/06 -) und 5. Januar 2007 (- 2 TG 2911/06 - a. a. O.) festgestellt, dass die mittlerweile eingeleiteten und weiter geplanten Maßnahmen den Zusammenhang zwischen dem Ziel einer Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Spielsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Wettmonopols andererseits gewährleisten und so konkrete Schritte zur Suchtprävention sind. Da dies zugleich den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs entspricht, stellt sich die Frage der Zulässigkeit einer vorübergehenden Suspendierung von Gemeinschaftsrecht nicht.

Die Antragstellerseite hat als unterliegender Teil die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat legt dabei in Ermangelung zuverlässiger Anhaltspunkte für die Bemessung des wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits einen Betrag von 15.000,00 Euro für das Verfahren der Hauptsache zu Grunde. Er orientiert sich hierbei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525), der unter II., 54.2.1 für Gewerbeuntersagungen einen Mindestwert von 15.000 Euro vorsieht. Das in dem angegriffenen Bescheid neben der Grundverfügung angedrohte Zwangsmittel bleibt für die Streitwertfestsetzung außer Betracht (II., 1.6.2 des Streitwertkataloges). Der für das Hauptsacheverfahren anzusetzende Wert ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens auf die Hälfte zu vermindern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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