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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.05.2007
Aktenzeichen: 7 TG 651/07
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 23 Abs. 1
Für die Ausschlussgründe der nach §§ 23 Abs. 1, 60a Abs. 1 AufenthG erlassenen Bleiberechtsregelung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 28. November 2006 (StAnz. 2006, S. 2843) liegt die objektive Beweislast (Feststellungslast) beim Träger der Ausländerbehörde, so dass eine fehlende Glaubhaftmachung jener Gründe im Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO zu Lasten des Behördenträgers geht.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

7 TG 651/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts - vorläufiger Rechtsschutz bei beantragtem Aufenthaltstitel nach der hessischen Bleiberechtsanordnung vom 28. November 2006 -

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch Richter am Hess. VGH Schönstädt als Berichterstatter am 11. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2007 - 13 G 88/07 (2) - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zur Bescheidung des Antrags des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Bleiberechtsregelung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 28. November 2006 (StAnz. S. 2843) - Bleiberechtsanordnung Hessen - von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber dem Antragssteller abzusehen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main, über die der Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheiden kann, ist begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main ist in dem im Tenor bezeichneten Umfang abzuändern, da nach dem Erkenntnisstand des Beschwerdegerichts im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Voraussetzungen für die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsanordnung Hessen vorliegen.

Der nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch ist gegeben, da ein Recht des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsanordnung Hessen überwiegend wahrscheinlich ist. Der am 28. Juni 1995 in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Antragsteller erfüllt nach dem Erkenntnisstand des Beschwerdeverfahrens die besonderen Erteilungsvoraussetzungen der Bleiberechtsanordnung Hessen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis: Bestehende Ausreisepflicht und mindestens achtjähriger ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet am 17. November 2006 (Nr. 1.1.), verbindliches Arbeitsangebot, das eigenständige Unterhaltssicherung gewährleistet (Nr. 1.2., 1.3. i.V.m. Nr. 9), ausreichender Wohnraum (Nr. 2.1.) sowie ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne der Nr. 2.3., mindestens prognostisch zum 30. September 2007.

Das Beschwerdegericht versteht die Bleiberechtsanordnung Hessen vor dem Hintergrund der Nr. II.3.2.1 und der Nr. II.9. des Beschlusses der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 17. November 2006 in Nürnberg zum Bleiberecht (InfAuslR 2007, 16) wie folgt: Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist grundsätzlich vom Bestehen eines dauerhaften Beschäftigungsverhältnisses (Nr. 1.2. Bleiberechtsanordnung Hessen) und der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts durch Erwerbstätigkeit am 17. November 2006 (Nr. 1.3. Bleiberechtsanordnung Hessen) abhängig. Weist der Ausländer ein verbindliches Arbeitsangebot nach, das ihm die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts ermöglicht, erhält er gleichfalls eine Aufenthaltserlaubnis (Nr. 9 Bleiberechtsanordnung Hessen). Nr. 8 Bleiberechtsanordnung Hessen, wonach eine Duldung bis zum 30. September 2007 gewährt wird, erfasst sonach (nur) die Fälle, in denen am 17. November 2006 keine Sicherung des Lebensunterhalts durch ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis gewährleistet war (Nr. 1.2., Nr. 1.3. Bleiberechtsanordnung Hessen) und auch kein verbindliches Arbeitsangebot, das eine eigenständige Unterhaltssicherung gewährleistet, vorgelegt wird (Nr. 9. Bleiberechtsanordnung Hessen).

Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG sind im Wesentlichen durch die speziellen Voraussetzungen der Bleiberechtsanordnung Hessen verdrängt, im Übrigen kann von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Ermessenswege abgesehen werden (vgl. § 5 Abs. 3, 2. Halbsatz AufenthG).

Dem Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsanordnung Hessen steht nach dem Erkenntnisstand des Beschwerdegerichts auch keiner der Ausschlussgründe nach Nr. 4. der Bleiberechtsanordnung Hessen entgegen. Für die Ausschlussgründe der Bleiberechtsanordnung Hessen liegt die objektive Beweislast (Feststellungslast) beim Träger der Ausländerbehörde, so dass eine fehlende Glaubhaftmachung jener Gründe im Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO zu Lasten des Behördenträgers geht.

Der Ausschlussgrund der Nr. 4.2. der Hessischen Bleiberechtsanordnung, wonach Personen von einem Bleiberecht ausgeschlossen sind, die behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert haben, z.B. durch Untertauchen, ergibt sich mit der im Eilverfahren erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit weder aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren noch aus deren den Antragsteller betreffenden Behördenvorgang.

Ob der Ausschlussgrund der Begehung von Straftaten nach Nr. 4.4. der Bleiberechtsanordnung Hessen vorliegt, ist derzeit offen. Die Wirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts A-Stadt vom 16. März 2007 - 332 Js 9380/07 -, mit dem gegen den Antragsteller eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen in Höhe von jeweils 10,- € wegen unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet verhängt wurde, ist durch den rechtzeitigen Einspruch des Antragstellers beseitigt worden (vgl. zur Wirkung des rechtzeitigen Einspruchs gegen einen Strafbefehl: Pfeiffer, StPO, 5. Aufl. 2005, vor § 407 Rdnr. 2, § 411 Rdnr. 9). Nach Satz 5 der Nr. 4.4. der Bleiberechtsanordnung Hessen i.V.m. § 79 Abs. 2 AufenthG hat die Antragsgegnerin, soweit sie nicht über den Aufenthaltstitel ohne Rücksicht auf den Ausgang des Strafverfahrens entscheiden kann, ihr Verfahren über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bis zum Abschluss des infolge des Einspruchs anhängigen Strafverfahrens gegen den Antragsteller auszusetzen, im Falle einer Verurteilung des Antragstellers bis zur Rechtskraft des Urteils.

Der Anordnungsgrund - die Dringlichkeit der begehrten vorläufigen gerichtlichen Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen - resultiert daraus, dass nur durch den vorläufigen Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet sichergestellt werden kann, dass ihm die Bleiberechtsanordnung Hessen, die an einen ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet anknüpft, zugute kommen kann (vgl. zum Erlass einer einstweiligen Anordnung, wenn nur durch sie gewährleistet werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung ihrem Sinn und Zweck nach dem begünstigten Personenkreis zugute kommt: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Mai 1999 - 18 B 783/99 -, InfAuslR 2000, 111; Marx, ZAR 2007, 43 [53]).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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