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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 07.07.2006
Aktenzeichen: 7 UE 509/06
Rechtsgebiete: AufenthG, EMRK, GG


Vorschriften:

AufenthG § 25 Abs. 3
AufenthG § 25 Abs. 4
AufenthG § 25 Abs. 5
EMRK Art. 8
GG Art. 1
GG Art. 2
GG Art. 6
1. Eine wirksame negative Statusfeststellung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG 1990 bindet die Ausländerbehörden und Gerichte im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 AufenthG.

2. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann nicht allein deswegen angenommen werden, weil einem Ausländer die Ausreise aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und seiner Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse subjektiv nicht zumutbar wäre.

3. Durch einen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet kann ein im Rahmen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigendes Ausreisehindernis wegen Verletzung des gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Rechts auf Privatleben entstehen, wenn der Ausländer in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland integriert und seinem Heimatland in einer Weise entfremdet ist, dass eine Reintegration nicht möglich ist, wenn er also faktisch ein Privatleben allein in Deutschland führen kann (wie Senat, Beschluss vom 15.02.2006 - 7 TG 106/06 -).

4. § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG enthält keine eigenständige Anspruchsgrundlage.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 UE 509/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hier: Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Rothaug, Richterin am Hess. VGH Dr. Rudolph, Richter am Hess. VGH Schönstädt, ehrenamtliche Richterin Gimbel, ehrenamtlichen Richter Bretthauer

aufgrund der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 22. November 2005 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des gesamten Verfahrens zu je einem Sechstel zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen.

Die Kläger zu 1. und 2. sind Eheleute; die in den Jahren 1984, 1986, 1989 und 1995 geborenen Kläger zu 3. bis 6. sind ihre Kinder. Sämtliche Kläger sind serbische Staatsangehörige.

Der Kläger zu 1. ist ein 1956 in Obilic (Kosovo) geborener albanischer Volkszugehöriger. Er reiste im September 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 02.10.1992 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge stellte das Verfahren mit Bescheid vom 02.09.1993 ein und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Am 01.03.1995 stellte der Kläger zu 1. einen Folgeantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 29.09.1995 ablehnte. Die von dem Kläger zu 1. hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 27.01.2000 (Az.: 1 E 31947/95.A <1>) abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22.05.2002 (Az.: 7 UZ 888/00.A) abgelehnt.

Die im Jahre 1964 in Gllogovc (Kosovo) geborene Klägerin zu 2. reiste gemeinsam mit den Klägern zu 3. bis 5. im Oktober 1994 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Kläger zu 2. bis 5. stellten am 09.11.1994 Asylanträge, die das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 31.01.1995 ablehnte. Ihre hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Darmstadt mit Urteil vom 27.01.2000 (Az.: 1 E 30372/95.A <2>) ab. Der Antrag der Kläger zu 2. bis 5. auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22.05.2002 (Az.: 7 UZ 886/00.A) abgelehnt.

Den Asylantrag der im Jahr 1995 in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Klägerin zu 6. vom 09.03.2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 23.03.2000 ab. Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 10.06.2003 (Az: 1 E 1000/00.A <2>) abgewiesen. Der Antrag der Klägerin zu 6. auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 01.07.2004 (Az.: 7 UZ 3342/03.A) abgelehnt.

Die Kläger halten sich seit dem Abschluss ihrer Asylverfahren geduldet in der Bundesrepublik Deutschland auf.

Am 28.09.2001 beantragten die Kläger die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach der "Bleiberechtsregelung für erwerbstätige Ausreisepflichtige aus Bosnien-Herzegowina und der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien einschließlich Kosovo und Montenegro)" (Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 12.06.2001 - II A 42 - 23 d <Au 98 c § 32 B-H u. BRJ>). Mit Verfügungen vom 21.11.2002, den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 28.11.2002 zugestellt, lehnte der Beklagte die Anträge ab. Nach Abschnitt I.A. Ziffer 1 der Bleiberechtsregelung komme die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nur in Betracht, wenn der Lebensunterhalt der Familie am Stichtag 10. Mai 2001 ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert gewesen sei. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da die Familie im Mai 2001 einen Sozialhilfebedarf in Höhe von ca. 3.592,00 DM gehabt hätte. Dem habe ein bereinigtes Einkommen in Höhe von rund 1.684,00 DM gegenübergestanden. Daraus ergebe sich im Monat Mai 2001 hinsichtlich der Sicherstellung des Familienunterhalts ein Fehlbetrag von rund 1.908,00 DM.

Hiergegen erhoben die Kläger am 27.12.2002 Widerspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger zu 1. seit dem 01.04.1998 bei einer Firma in Hirschhorn beschäftigt sei, und zwar zunächst (mit Unterbrechungen) bis 31.03.1999 im Rahmen eines 580,00-DM-Beschäftigungsverhältnisses, vom 06.05.1999 bis 31.10.1999 im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen 630,00-DM-Beschäftigungsverhältnisses und ab dem 01.11.1999 als Halbtagskraft mit einem Bruttogehalt von 1.400,00 DM. Er sei nur deswegen lediglich halbtags beschäftigt gewesen, weil das Arbeitsamt zunächst keine Arbeitserlaubnis für eine höhere Stundenzahl erteilt habe. Erst auf seinen neuerlichen Antrag vom 26.04.2001 habe das Arbeitsamt eine Arbeitserlaubnis für eine Vollzeitbeschäftigung ab dem 27.04.2001 erteilt. Da die Arbeitserlaubnis jedoch erst am 25.06.2001 unterschrieben und an ihn übersandt worden sei, habe er im Mai 2001 noch nicht vollzeitig beschäftigt werden können. Auch eine frühere Beantragung der Arbeitsgenehmigung sei nicht möglich gewesen, da er zuvor erst seine Duldung, deren Geltungsdauer am 25.04.2001 abgelaufen gewesen sei, habe verlängern lassen müssen. Ferner werde in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht davon ausgegangen, dass im Mai 2001 hinsichtlich der Sicherstellung des Familienunterhalts ein Fehlbetrag von ca. 1.908,00 DM bestanden habe. Der Sozialhilfebedarf habe nicht in Höhe von 3.592,00 DM, sondern nur in Höhe von 2.939,90 DM bestanden. Der Kläger zu 1. habe im Mai 2001 1.110,00 DM netto verdient. Ferner habe ein Kindergeldanspruch in Höhe von 1.190,00 DM bestanden. Somit sei der Familienunterhalt im Mai 2001 in Höhe von 2.300,00 DM gesichert gewesen; es habe lediglich ein Fehlbetrag von 339,90 DM bestanden. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der Lebensunterhalt der Familie tatsächlich bereits seit November 1999 (also 1 1/2 Jahre vor dem Stichtag) überwiegend gesichert gewesen sei, da der Kläger zu 1. ab diesem Zeitpunkt 1.110,00 DM netto verdient und die Familie einen Kindergeldanspruch von 1.190,00 DM gehabt habe. Dies habe damals nur noch nicht berücksichtigt werden können, da sich der Anspruch auf Kindergeld erst später herausgestellt habe.

Mit Bescheid vom 10.10.2003, den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 14.10.2003 zugestellt, wies das Regierungspräsidium Darmstadt die Widersprüche der Kläger zurück. Es fehle an der in Abschnitt I.A. Ziffer 1 Abs. 1 der Bleiberechtsregelung genannten Voraussetzung, dass am Stichtag 10. Mai 2001 der Lebensunterhalt ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert gewesen sei. Die Familie habe über Jahre hinweg Sozialleistungen bezogen. Die Leistungsgewährung sei in voller Höhe erfolgt, d. h. ohne Anrechnung des Erwerbseinkommens, und habe erst im September 2001 geendet. Nachdem das Flüchtlingsamt im Jahr 2001 Kenntnis davon erlangt hätte, dass der Kläger zu 1. bereits seit 1998 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, habe es mit Bescheid vom 04.02.2002 für den Zeitraum November 1999 bis Juli 2001 zuviel gezahlte Leistungen in Höhe von 6.423,87 € zurückgefordert. Im Mai 2001 habe sich das Erwerbseinkommen des Klägers zu 1. auf 1.112,30 DM netto belaufen. Dieses Einkommen sei auch bei Berücksichtigung des mit Bescheid des Arbeitsamtes Darmstadt vom 18.09.2001 rückwirkend festgesetzten Kindergeldes in Höhe von monatlich 1.190,00 DM bei weitem nicht ausreichend gewesen, um den Lebensunterhalt der Familie einschließlich der Kosten einer angemessenen Unterkunft zu bestreiten. Zu beachten sei bei der Frage nach der Sicherung des Lebensunterhalts auch, dass die Familie bis September 2001 in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber untergebracht gewesen sei. Die Unterkunft, die zum notwendigen Lebensunterhalt zu rechnen sei, sei also als Sachleistung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und damit ebenfalls aus öffentlichen Mitteln bestritten worden. Für den Monat Mai 2001 ergebe sich unter Berücksichtigung der damals geltenden Regelsätze ein Regelbedarf (ohne Kosten der Unterkunft) in Höhe von 2.590,40 DM, auf den das Nettoerwerbseinkommen der Kläger (abzüglich eines Freibetrages) in Höhe von 745,38 DM anzurechnen sei. Somit verbleibe ein Betrag von 1.845,02 DM, und selbst nach Abzug des nachträglich festgesetzten Kindergeldes in Höhe von 1.190,00 DM immer noch ein Fehlbetrag von 655,02 DM zuzüglich der Kosten für die Unterkunft, die (wenn man sich an den Kosten der privat angemieteten Wohnung, die die Kläger ab September 2001 bezogen hätten, orientiere) ca. 900,00 DM betrügen. Es stehe danach eindeutig fest, dass der Unterhalt der Kläger zum maßgeblichen Stichtag 10. Mai 2001 nicht durch die legale Erwerbstätigkeit des Klägers zu 1. gesichert gewesen sei. Für die Frage der Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Bleiberechtsregelung vom 12.06.2001 komme es im Übrigen weder auf spätere Zeiträume noch auf hypothetische Annahmen an. Maßgeblich sei die faktische Situation zum Stichtag.

Am 14.11.2003 haben die Kläger hiergegen Klage erhoben.

Sie haben sich zur Begründung zunächst auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren bezogen und ergänzend vorgetragen: Die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen seien zu Unrecht abgelehnt worden. Der Kläger zu 1. sei seit dem 01.04.1998 zunächst geringfügig und seit dem 01.11.1999 halbtags mit einem Nettogehalt in Höhe von 1.112,30 DM beschäftigt gewesen. Auch habe die Familie seit November 1999 einen Anspruch auf Kindergeld in Höhe von 1.150,00 DM und seit Januar 2000 in Höhe von 1.190,00 DM monatlich gehabt. Seit November 1999 habe somit ein Familieneinkommen in Höhe von 2.262,30 DM bzw. seit Januar 2000 in Höhe von 2.302,30 DM zur Verfügung gestanden. Soweit in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt werde, dass der Umstand der Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber zu berücksichtigen sei, sei darauf hinzuweisen, dass nach der Bleiberechtsregelung vom 12.06.2001 die Voraussetzung des ausreichenden Wohnraums erst ab Antragstellung, hier also dem 28.09.2001, vorliegen müsse. Wie bereits in der Widerspruchsbegründung ausgeführt, habe das Familieneinkommen im Mai 2001 2.302,30 DM betragen, so dass sich gemessen an dem Sozialhilfebedarf in Höhe von 2.590,40 DM nur ein Fehlbetrag in Höhe von 337,60 DM ergebe. Soweit der Widerspruchsbescheid hier von einem Fehlbetrag in Höhe von 655,02 DM ausgehe, beruhe dies darauf, dass für das Nettoeinkommen fälschlich nur ein Betrag von 745,38 DM statt 1.112,30 DM angesetzt worden sei. Der von der Widerspruchsbehörde in Ansatz gebrachte Freibetrag von 366,92 DM könne angesichts dessen, dass das Sozialamt bei einem Ganztagseinkommen von 2.224,60 DM einen Freibetrag von 374,66 DM errechnet habe, nicht zutreffend sei. Abgesehen hiervon sei der Freibetrag bei der Frage der Lebensunterhaltssicherung nicht zu berücksichtigen. Richtig sei somit lediglich, dass im Monat Mai aufgrund der noch bestehenden Halbtagstätigkeit ergänzende Sozialhilfe in Anspruch genommen werden musste. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1. nur deswegen erst zum 01.06.2001 eine Ganztagsbeschäftigung habe aufnehmen können, da die Arbeitserlaubnis, die erst nach Verlängerung der Duldung am 26.04.2001 habe beantragt werden können, zwar bereits am 27.04.2001 erteilt, aber erst im Juni 2001 dem Kläger zu 1. zugesendet worden sei. Damit sei der in Abschnitt I.A. Ziffer 2.3 der Bleiberechtsregelung genannte Fall gegeben, wonach eine Befugniserteilung in Betracht komme, wenn durch ausländerrechtliche Nebenbestimmungen die unselbständige Erwerbstätigkeit untersagt gewesen sei. Der vorliegende Fall sei dem in dem Erlass geregelten Fall gleichzusetzen, da der Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung bereit gewesen und lediglich die Arbeitserlaubnis noch nicht übersendet gewesen sei.

Des Weiteren haben die Kläger ergänzend zu ihrer aktuellen Einkommenssituation vorgetragen. Der Kläger zu 1. habe vom 01.06.2001 bis 31.05.2003 vollzeitig gearbeitet. Sodann sei ihm aus betrieblichen Gründen gekündigt worden, da die Firma geschlossen worden sei. Vom 01.07.2003 bis Juni 2004 habe er Arbeitslosengeld in Höhe von 175,00 € wöchentlich erhalten. Hiernach habe er bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 650,00 € monatlich bezogen. Seit dem 17.12.2004 sei er wieder teilzeitbeschäftigt und verdiene monatlich 400,00 € netto. Eine Vollzeitbeschäftigung scheitere nur daran, dass er keine entsprechende Arbeitsgenehmigung erhalte. Die Klägerin zu 2. sei vom 01.05. bis 31.10.2002 und vom 01.12.2002 bis 30.11.2003 im Rahmen eines 325,00 €-Arbeitsverhältnisses beschäftigt gewesen. Seit dem 01.12.2003 sei sie halbtags als Küchenhilfe in einem Restaurant mit einem monatlichen Nettogehalt von zuletzt 443,74 € und seit Oktober 2004 zusätzlich als Haushaltshilfe mit einem monatlichen Nettogehalt von 400,00 € beschäftigt. Mit Schriftsatz vom 13.04.2005 haben die Kläger vorgetragen, dass das Familieneinkommen monatlich 1.239,87 € netto (zuzüglich des Kindergeldes in Höhe von 608,23 € monatlich) betrage.

Mit Schriftsätzen vom 13.04.2005 und 06.11.2005 haben die Kläger ferner Bescheinigungen der Diplom-Psychologin B. vom 10.11.2004 und 09.04.2005 vorgelegt, wonach die Klägerin zu 2. an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer mittelschweren bis schweren Depression, schweren Panikattacken und einer generalisierten Angststörung sowie einem quälenden Tinnitus und persistierenden Rückenschmerzen nach Bandscheibenvorfall leide. Der ungesicherte Aufenthaltsstatus in Deutschland belaste die Klägerin zu 2. außerordentlich. Sie sei in so schlechter psychischer Verfassung, dass eine stationäre psychiatrische Behandlung möglicherweise unumgänglich werden könne. Eine Abschiebung würde sie wahrscheinlich nicht überleben. Des Weiteren haben die Kläger psychotherapeutische Befundberichte der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin K. vom 23.05.2003, 29.10.2003, 21.06.2004 und 09.04.2005 zu den Akten gereicht, denen zufolge die Klägerin zu 6. u. a. an einer Anpassungsstörung, Angst und depressiven Störung, undifferenzierten Somatisierungsstörungen, nicht organischer Insomie, Pavor nocturnus und Albträumen leidet.

Schließlich haben die Kläger auf ihre mit Schreiben vom 31. März 2003 an den Hessischen Landtag gerichtete Petition hingewiesen, über die bislang noch nicht entschieden worden ist.

Die Kläger haben beantragt,

die Bescheide des Landrats des Kreises Bergstraße vom 21.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 10.10.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. In dem Widerspruchsbescheid werde zu Recht auf die erhebliche Bedarfsunterdeckung zum maßgeblichen Stichtag 10. Mai 2001 hingewiesen. Da maßgeblich allein die faktische Situation zum Stichtag sei, seien hypothetische Kausalverläufe nicht geeignet, den Klägern ein Bleiberecht zu verschaffen.

Mit Urteil vom 22.11.2005 hat das Verwaltungsgericht Darmstadt die Bescheide des Landrats des Kreises Bergstraße vom 21.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 10.10.2003 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Aufenthaltserlaubnisanträge der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar spreche einiges dafür, dass die Anträge der Kläger auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen, die noch unter der Geltung des Ausländergesetzes gestellt und beschieden worden seien, zu Recht abgelehnt worden seien. Die Voraussetzungen der Bleiberechtsregelung vom 12.06.2001 dürften deswegen nicht vorgelegen haben, weil keiner der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens 2 Jahren in einem auskömmlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, das die Kläger in die Lage versetzt hätte, ohne Sozialhilfemittel ihren Unterhalt zu bestreiten.

Die Kläger könnten ihr Begehren auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen jedoch auf § 25 Abs. 5 AufenthG stützen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum Aufenthaltsgesetz ergebe, entspreche der Begriff der Ausreise in § 25 Abs. 5 AufenthG der Definition der Ausreise in § 25 Abs. 3 AufenthG. Kein Ausreisehindernis liege vor, wenn zwar eine Abschiebung nicht möglich, aber eine freiwillige Ausreise möglich und zumutbar sei. Bei der Frage, ob eine Ausreisemöglichkeit bestehe, sei auch die subjektive Möglichkeit und daher auch die Zumutbarkeit der Ausreise zu prüfen. Die in dem Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 07.02.2005 - II 4 23 d - enthaltene Auffassung, wonach "die Frage der Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung bzw. der Unzumutbarkeit der Ausreise ... daher keine Frage der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG darstellt", widerspreche der Intention des Gesetzgebers. In der Gesamtschau aller Umstände des Sachverhalts sei davon auszugehen, dass den Klägern die - freiwillige - Ausreise in ihr Heimatland aus den in § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG genannten Gründen nicht mehr möglich, d. h. nicht mehr zumutbar, sei. Die Kläger zu 1. und 2. lebten seit nunmehr über 13 bzw. 11 Jahren und ihre Kinder entweder seit ihrer Geburt (die Klägerin zu 6.) bzw. bereits seit ihrem fünften bzw. siebten bzw. zehnten Lebensjahr in der Bundesrepublik Deutschland. Die Kläger seien in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht faktisch in die Bundesrepublik Deutschland und die hier herrschenden Lebensverhältnisse integriert. Sie hätten in der Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen, um ihren Lebensunterhalt möglichst aus eigenem Erwerbseinkommen bestreiten zu können. Im Hinblick auf diese zwischenzeitlich eingetretene faktische Integration der Kläger sei eine Ausreise für sie nicht mehr zumutbar. Abgesehen davon, dass die Kläger zu 1. und 2. seit mehr als 13 Jahren bzw. 11 Jahren außerhalb ihres Heimatlandes lebten, würden ihre Kinder, die im Kindergarten- bzw. Grundschulalter in die Bundesrepublik Deutschland gekommen seien, ihr Herkunftsland und dessen Sprache nicht bzw. in nicht bedeutsamem Umfang kennen. Die Kläger könnten nicht in ihr Heimatland zurückkehren, ohne dort auf große bzw. unüberwindliche Hindernisse bei der (Re-)Integration zu stoßen. Dies gelte umso mehr, als die Kläger aus dem unterentwickelten Kosovo stammten. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin zu 2. seit November 2003 in verhaltenstherapeutischer Behandlung befinde und körperliche Leiden habe. Jedenfalls für die Kläger zu 3. bis 6., die seit Geburt bzw. früher Kindheit in Deutschland lebten, würde eine Rückkehr in das Land ihrer Nationalität eine derart gravierende Veränderung ihrer Lebensumstände bedeuten, dass die Gefahr einer Persönlichkeits- oder Wesensveränderung bestehe. Solches zu verhindern, sei die Motivation des Gesetzgebers gewesen.

Auf den Antrag des Beklagten hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 23.02.2006 zugelassen.

Zur Begründung der Berufung nimmt der Beklagte zunächst auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide, seinen erstinstanzlichen Vortrag sowie auf die Begründung seines Berufungszulassungsantrags Bezug. Das Verwaltungsgericht gehe in seiner Entscheidung zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach der erlassrechtlichen Bleiberechtsregelung vom 12.06.2001 nicht vorgelegen hätten. Keiner der Kläger habe zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens zwei Jahren in einem auskömmlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden, welches die Kläger in die Lage versetzt hätte, frei von Sozialhilfemitteln ihren Unterhalt zu bestreiten. Die Kläger könnten aber auch nicht nach § 25 Abs. 5 AufenthG die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen beanspruchen. Sie erfüllten die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht, denn ihre Ausreise sei weder aus rechtlichen noch tatsächlichen Gründen unmöglich. Die Kläger seien nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert. Subjektive Momente hätten bei der Beurteilung dieser Frage außer Betracht zu bleiben. Die Frage der Zumutbarkeit werde hier gerade nicht geprüft. Den Klägern sei die Ausreise aber auch nicht unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots des Art. 20 Abs. 3 GG unzumutbar. Die Kläger zu 1. und 2. seien 49 und 41 Jahre alt. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie nunmehr seit über 13 bzw. elf Jahren im Bundesgebiet lebten, seien sie in einem Alter, in dem sie in ihrer Heimat nochmals Fuß fassen könnten. Auch die Tatsache, dass drei ihrer Kinder im Alter zwischen fünf und zehn Jahren in die Bundesrepublik gekommen seien und das jüngste Kind hier geboren worden sei, ändere an dieser Einschätzung nichts. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Kinder die Sprache ihrer Eltern nicht sprechen. Von einer faktischen Integration sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auszugehen. Die Familie verfüge auch heute nicht über ein Einkommen, welches ihren Bedarf decke. Die aktuellen Berechnungen der Ausländerbehörde für Februar und Mai 2006 hätten ergeben, dass die Familie einen Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt von insgesamt 820,23 € bzw. 573,29 € habe. Eine Zusage des Arbeitgebers des Klägers zu 1. auf eine Vollzeitbeschäftigung gebe es bislang nicht; es sei auch kein Antrag beim Arbeitsamt auf Vollzeitbeschäftigung gestellt worden. Der Kläger zu 1. arbeite seit Februar 2006 14 Stunden wöchentlich zu einem Stundenlohn von 11,00 €. Er sei noch immer als geringfügig Beschäftigter anzusehen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 22.11.2005 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor, dass bereits die Bleiberechtsregelung für erwerbstätige Ausreisepflichtige aus Bosnien-Herzegowina und der Bundesrepublik Jugoslawien vom 12.06.2001 dem Beklagten Raum gebe, den Klägern nach pflichtgemäßem Ermessen ein Bleiberecht zu gewähren. Zur Vermeidung von Wiederholungen nehmen sie insoweit auf ihren Klagebegründungsschriftsatz vom 30.08.2004 sowie ihren Schriftsatz vom 07.01.2005 Bezug.

Ferner gehe das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass die Kläger einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG hätten. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen vor. Denn, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, sei bei der Frage, ob eine Ausreisemöglichkeit bestehe, auch die subjektive Möglichkeit, d. h. die Zumutbarkeit der Ausreise, zu prüfen. Zu Recht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass den Klägern - bei einer Gesamtschau aller Umstände - die freiwillige Rückkehr sowie auch die Abschiebung in ihr Herkunftsland im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht mehr möglich, d. h. nicht mehr zumutbar sei. Bei den Klägern liege eine ganz besonders gelungene Integration in die deutschen Verhältnisse vor. Zugleich sei eine sehr starke Entwurzelung hinsichtlich ihres Herkunftslandes gegeben. Hierzu werde zunächst auf den gesamten Vortrag im Verwaltungsverfahren und erstinstanzlichen Verfahren verwiesen und ergänzend vorgetragen: Die Kläger zu 1. und 2. sprächen beide sehr gut deutsch. Sie seien bestens in die deutschen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse integriert. Diesbezüglich werde auf die bereits vorgelegten Schreiben der jeweiligen Arbeitgeber der Kläger zu 1. und 2. Bezug genommen, hinsichtlich des Klägers zu 1. auf die Bescheinigungen der Firma D. (vorgelegt im Verwaltungsverfahren) und der Firma W. vom 20.04.2005 und hinsichtlich der Klägerin zu 2. auf das Schreiben des Ehepaars R. (Inhaber des Restaurants "...") vom 26.10.2005 und des Ehepaars M. vom 03.11.2005. Weiterhin werde auf die beigefügten Schreiben des Prof. Dr. C. M., H., vom 09.05.2006, des "Internationalen Frauentreffs in H. " vom 11.05.2006, des Bürgermeisters der Stadt A-Stadt vom 22.06.2006 sowie der Katholischen und Evangelischen Kirchengemeinden von A-Stadt vom 21.06.2006 verwiesen. Wie aus all diesen Schreiben hervorgehe, brächten sich die Kläger in ihr soziales Umfeld persönlich ein, seien sowohl als einzelne Personen als auch als Familie anerkannt und würden von den deutschen Familien, mit denen sie seit Jahren ständig Kontakt hätten, als Bereicherung empfunden. Bezüglich der wirtschaftlichen Situation der Kläger sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zu 2. weiterhin halbtags im Restaurant "..." und zusätzlich auf 400,00 €-Basis im Haushalt der Familie M. beschäftigt sei. Aufgrund des Wechsels der Steuerklasse von 5 auf 3 verdiene sie seit März 2006 im Restaurant 100,00 € mehr, nämlich 541,66 € netto, so dass sie insgesamt 941,66 € verdiene. Hinsichtlich des Klägers zu 1. sei darauf hinzuweisen, dass er seit April 1998 bei der Firma D. zunächst geringfügig, seit 01.11.1999 halbtags und vom 01.06.2001 bis Ende Mai 2003 (bis zur Einstellung des Betriebes durch den Arbeitgeber) vollzeitig mit einem Nettogehalt von 2.224,60 € beschäftigt gewesen sei. Hiernach sei er bei der Firma W. Baudienstleistungen geringfügig beschäftigt gewesen. Zur Zeit sei er bei der Firma B., Inhaberin Sabine W., beschäftigt und verdiene 352,00 €. Ausweislich einer beigefügten Bescheinigung vom 26.11.2005 sei die Firma B. auch bereit gewesen, ihn bei Vorliegen einer Arbeitserlaubnis vollzeitig zu beschäftigen. Die Auftragslage der Firma habe sich allerdings Anfang 2006 erheblich verschlechtert, so dass der Kläger zu 1. derzeit nicht vollzeitig beschäftigt werden könne. Die Kläger zu 1. und 2. verdienten zusammen 1.293,66 €. Hinzu komme das Kindergeld in Höhe von 641,00 €. Die Gesamteinkünfte betrügen somit 1.934,66 €. Seit Ende Oktober 2005 bezögen die Kläger - abgesehen von Kindergeld - keinerlei öffentliche Leistungen mehr. Die von dem Beklagten vorgelegten Berechnungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ("Berechnungsbogen für 3/06") seien theoretischer Natur, da die Leistungen tatsächlich nicht in Anspruch genommen würden. Bezüglich dieser Berechnungen sei auch auf Folgendes hinzuweisen: Für die Kläger zu 1., 2., 5. und 6. sei ein monatlicher Bedarf von 1.410,00 € errechnet worden. Addiere man zu dem Einkommen der Kläger zu 1. und 2. in Höhe von 1.293,66 € das Kindergeld für die Kläger zu 5. und 6., ergebe sich ein Betrag in Höhe von 1.626,66 €; dieser liege um 216,66 € höher als der errechnete Bedarf. Der Beklagte komme lediglich wegen der von ihm berücksichtigten Freibeträge zu dem Ergebnis, dass ein Leistungsanspruch von 295,71 € bestehe. Bei den Klägern zu 3. und 4. gehe der Beklagte von einem - nicht in Anspruch genommenen - Leistungsanspruch von jeweils 267,16 € aus. Hieraus könne jedoch bei diesen Kindern nicht auf eine mangelnde Integration geschlossen werden, da sie Schulausbildungen durchliefen. Bezüglich der von dem Beklagten vorgelegten Berechnung über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ("Berechnungsbogen für 05/06") sei festzustellen, dass in diese ebenfalls Freibeträge in Höhe von insgesamt 426,39 € einbezogen worden seien. Ziehe man diese von dem errechneten Bedarf von 573,29 € ab, verbleibe ein Bedarf von 146,90 €. Dieser Fehlbetrag sei aber so gering, dass die klägerische Familie mit ihrem derzeitigen Einkommen - bei sparsamem Wirtschaften - bereits jetzt ihren Lebensunterhalt decken könne. Zu berücksichtigen sei, dass die bei der Berechnung berücksichtigten Freibeträge nur zum geringen Teil wegen Mehrbedarfs bei Erwerbstätigkeit gewährt würden, größtenteils aber deshalb, um für Bezieher öffentlicher Leistungen einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen. Da diese Freibeträge demnach nicht zur Sicherung des notwendigen Lebensbedarfs erforderlich seien, könne im Rahmen der Prüfung, ob aus Art. 8 EMRK ein Abschiebungshindernis folge, nicht gefordert werden, dass der Lebensunterhalt auch in Höhe dieser Freibeträge gesichert sei. Unabhängig hiervon sei der von dem Beklagten errechnete Mehrbedarf auch aus folgenden Gründen gedeckt: Zwischenzeitlich hätten die Kläger zu 1., 3. und 5. weitere Teilzeitarbeitsstellen gefunden und Anträge auf Arbeitsgenehmigungen gestellt, über die noch nicht entschieden worden sei. Es bestehe eine gute Chance, dass die beantragten Arbeitsgenehmigungen kurzfristig erteilt würden.

Die Kläger zu 3. bis 6. sprächen perfekt deutsch; albanisch hingegen nur auf dem Niveau von Kindern. Untereinander sprächen sie nur deutsch und mit den Eltern überwiegend deutsch, da ihnen die Ausdrucksmöglichkeiten in der albanischen Sprache fehlten. Alle vier Kinder hätten überwiegend deutsche Freunde; ihr gesamtes Lebensumfeld sei deutsch. Der Kläger zu 3. werde mit Ende des Schuljahres das Fachabitur erwerben. Sein Halbjahreszeugnis vom 27.01.2006 weise einen Notendurchschnitt von 2,6 aus. Auch aus dem Halbjahreszeugnis der Klägerin zu 4. vom 24.01.2006 ergebe sich ein Notendurchschnitt von 2,1. Die Klägerin zu 4. habe zwei Aufnahmezusagen: eine von der Eberhard-Gothein-Schule in B-Stadt für die Aufnahme in die Wirtschaftsoberschule und eine von der Julius-Springer-Schule in H., einer kaufmännischen Schule für das Berufskolleg FH zum Erwerb der Fachhochschulreife. Die Klägerin zu 4. habe eine Urkunde für die Teilnahme am 49. Europäischen Wettbewerb 2002 sowie eine Ehrenurkunde für hervorragende Leistungen bei den Bundesjugendspielen 1995 erhalten. Die Klägerin zu 5. sei aus den Landesentscheidungen zum 48. Europäischen Wettbewerb 2001 und zum 49. Europäischen Wettbewerb 2002 jeweils als Hessensiegerin hervorgegangen und habe einen Preis erhalten. Ihr Halbjahreszeugnis des Kaufmännischen Berufskollegs I der Julius-Springer-Schule H. weise einen Notendurchschnitt von 2,1 auf; in Deutsch habe sie die Note "sehr gut" erhalten. Es liege auch eine vorläufige Aufnahmeerklärung dieser Schule vom 15.05.2006 für das Kaufmännische Berufskolleg II vor, das zum Fachabitur führe. Die Klägerin zu 6. singe im Kinderchor und aus ihrem Zeugnis gehe hervor, dass sie an der Schülerzeitung mitwirke.

Eine Reintegration der Familie in ihr Herkunftsgebiet, das Kosovo, sei aus folgenden Gründen nicht mehr möglich:

Wie sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen ergebe, sei der Kläger zu 1. vor seiner Ausreise aus dem Kosovo der konkreten Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen. Die Klägerin zu 2. habe nach seiner Ausreise zwei Jahre lang sehr stark unter seiner Abwesenheit und der Suche nach ihm zu leiden gehabt. Sie sei immer wieder von der Polizei bedroht worden und habe Angst vor Misshandlungen und Vergewaltigung gehabt. Während des Krieges seien mehrere Verwandte der Kläger misshandelt und auf schreckliche Weise umgebracht worden. Die psychischen Folgen der Erlebnisse der Kläger in ihrem Heimatland seien in den vorgelegten Attesten hinsichtlich der Klägerinnen zu 2. und 6. festgehalten. Es gebe in ihrer Heimat auch keinen Ort mehr, an den sie zurückkehren könnten. Ihr Haus in H. (Kosovo) sei im Krieg massiv zerstört worden. Auch liege es in einem Sperrgebiet, das nicht mehr bebaubar sei. Die Kläger hätten im Kosovo auch keine Verwandten mehr, von denen sie Aufnahme oder Hilfe erwarten könnten. Der Kläger zu 1. habe im Kosovo nur noch zwei ältere Schwestern und die Klägerin zu 2. noch zwei Brüder, die aber jeweils mit ihren Familien in sehr schwierigen Verhältnissen lebten. Die Kläger hätten ferner im Kosovo auch keinerlei Lebensgrundlage, da sie im Kosovo keine Arbeit finden könnten. Die Kinder der Familie könnten im Kosovo keinerlei Schule und Ausbildung mehr durchlaufen und wären aufgrund ihrer unzureichenden albanischen Sprachkenntnisse wesentlich schlechter qualifiziert als ihre dortigen Altersgenossen. Es bestehe eine hohe Gefahr, dass alle vier Kinder bei einer erzwungenen Rückkehr schweren psychischen Schaden nehmen würden, weil sie völliger Perspektivlosigkeit ausgesetzt wären. Dies belege hinsichtlich der Klägerin zu 6. insbesondere der psychotherapeutische Bericht der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin K. vom 12.05.2006.

Hiernach sei den Klägern eine Rückkehr in das Kosovo völlig unzumutbar. Eine erzwungene Rückkehr würde einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch einen rechtswidrigen Eingriff in ihren Anspruch auf Achtung ihres Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK darstellen. Sie könnten aufgrund ihrer persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen zu Deutschland ein Privatleben nur noch hier führen, eine Integration in ihr Heimatland sei nicht mehr möglich. Einer Berufung auf Art. 8 Abs. 1 EMRK möge nach der Rechtsprechung zwar in der Regel ein unerlaubter Aufenthalt entgegenstehen; bei den Klägern liege indes ein atypischer Fall vor, weil über die Asylbegehren der Klägerin zu 2. bis 6. nicht zeitgerecht entschieden worden sei, was aber nicht in deren Einflussbereich gelegen habe, und weil die Kläger bei einer Asylanerkennung ihren Lebensunterhalt lange vor dem Jahr 2001 hätten vollständig sichern können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Akten des Verwaltungsgerichts Darmstadt 1 E 31947/95.A (1), 1 E 30372/95.A (2) und 1 E 1000/00.A (2) sowie die Behördenvorgänge (12 Hefter) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung ist statthaft und auch sonst zulässig.

Die Berufung ist auch begründet.

Das Verwaltungsgericht hat auf die von den Klägern erhobene Klage zu Unrecht die Bescheide des Landrats des Kreises Bergstraße vom 21.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 10.10.2003 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Aufenthaltserlaubnisanträge der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis; die dieses Begehren ablehnenden Bescheide des Landrats des Kreises Bergstraße vom 21.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 10.10.2003 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht vorliegen, haben die Kläger auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte über ihre Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis neu entscheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

I.

Im Hinblick auf die materielle Rechtslage sind die durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) mit Wirkung zum 01.01.2005 (vgl. Art. 15 des Zuwanderungsgesetzes) in Kraft getretenen Änderungen, insbesondere die Ablösung des Ausländergesetzes durch das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) zu berücksichtigen, da im Ausländerrecht grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist, wenn es - wie hier - darum geht, ob aus Rechtsgründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder versagt werden muss (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts: Urteil vom 21.01.1992 - BVerwG 1 C 21.87 - BVerwGE 89, 296; Urteil vom 24.01.1995 - BVerwG 1 C 2.94 - BVerwGE 97, 301; Urteil vom 22.02.1995 - BVerwG 1 C 11.94 - BVerwGE 98, 31; Urteil vom 15.02.2001 - BVerwG 1 C 23.00 - BVerwGE 114, 9; Urteil vom 16.06.2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 = InfAuslR 2004, 427). Obwohl die Kläger ihre Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis noch unter der Geltung des Ausländergesetzes gestellt und der Beklagte die Anträge noch vor dem Außer-Kraft-Treten des Ausländergesetzes abgelehnt hatte, ist mithin die Frage, ob den Klägern ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusteht, nach dem zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz zu beurteilen. Die im Aufenthaltsgesetz enthaltenen materiellen Übergangsregelungen (§§ 103, 104 AufenthG) erfassen den vorliegenden Fall eines vor dem 01.01.2005 gestellten Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nicht (vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.04.2005 - 11 S 2779/04 - VBlBW 2005, 356; Nds. OVG, Urteil vom 29.11.2005 - 10 LB 84/05 -; Bay. VGH, Urteil vom 10.01.2005 - 24 B 03.3389 -; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.11.2005 - BVerwG 1 C 18.04 - DVBl. 2006, 517).

II.

Ist demnach das Aufenthaltsgesetz als maßgebliches Recht heranzuziehen, so kommt bei den Klägern als abgelehnten Asylbewerbern vor ihrer Ausreise nur die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) in Betracht.

Da die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22 bis 24 AufenthG offensichtlich nicht gegeben sind, kommt allein eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG in Betracht.

1. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG scheidet aus, da die Kläger nicht unanfechtbar als Asylberechtigte anerkannt sind und das Bundesamt bei ihnen nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher: § 51 Abs. 1 AuslG) festgestellt hat.

2. Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kommt nicht in Betracht. Diese Bestimmung sieht vor, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll, wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Solche zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse sind im vorliegenden Verfahren aber nicht zu prüfen, weil das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in den gerichtlich bestätigten Bescheiden vom 02.09.1993, 31.01.1995 und 23.03.2000 festgestellt hat, dass im Falle der Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Der Beklagte ist an diese Feststellung gebunden (vgl. § 42 Satz 1 AsylVfG a. F. und n. F.). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die in § 42 Satz 1 AsylVfG angeordnete Bindungswirkung für die positive und negative Statusfeststellung zu § 53 AuslG gilt und die Ausländerbehörde in diesem Bereich keine Prüfungskompetenz besitzt (BVerwG, Urteil vom 07.09.1999 - BVerwG 1 C 6.99 - InfAuslR 2000, 16; BVerwG, Urteil vom 21.03.2000 - BVerwG 9 C 41.99 - BVerwGE 111, 77; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.07.2005 - 13 S 1103/05 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.03.2005 - 18 E 1915/05 - zit. n. juris). Die Bindungswirkung einer früheren Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über Abschiebungshindernisse gilt auch für Anträge, die auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG gerichtet sind. Zwar enthält das Asylverfahrensgesetz n. F. keine Übergangsregelung zur Frage der Fortgeltung der Bindungswirkung in den Fällen, in denen das Bundesamt (noch) zu § 53 AuslG und noch nicht zu § 60 AufenthG entschieden hatte; hieraus folgt jedoch nicht, dass zum früheren Recht ergangene Entscheidungen des Bundesamtes zu Abschiebungshindernissen nunmehr nach neuem Recht keine Bindung mehr entfalten würden (BVerwG, Urteil vom 27.06.2006 - BVerwG 1 C 14.05 - zit. nach Pressemitteilung). Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zuwanderungsgesetz (BT-Drs. 15/420) sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass bei der Anpassung des § 42 AsylVfG an das neue Recht eine sachliche Aufhebung der Bindungswirkung zu § 53 AuslG ergangener Bundesamtsentscheidungen gewollt war (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 110 [Nr. 27]). Eine solche Auslegung widerspräche auch der vom Gesetzgeber gerade auch im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes verfolgten Absicht, die Beurteilung zielstaatsbezogener Verhältnisse in erster Linie dem mit besonderer Sachkunde ausgestatteten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu überlassen (vgl. § 72 Abs. 2 AufenthG und die Ausführungen zur Begründung dieser Vorschrift und zur Anpassung des § 42 AsylVfG an das Zuwanderungsgesetz in BT-Drs. 15/420 S. 94 und 111).

3. Die Kläger können auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG beanspruchen. Hierbei kann offen bleiben, ob diese Vorschrift auf vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer (wie die Kläger) keine Anwendung findet, weil diese Personengruppe abschließend von dem spezielleren § 25 Abs. 5 AufenthG erfasst wird (so die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums zum Aufenthaltsgesetz vom 22.12.2004, Ziffer 25.4.1.1.; Storr, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Zimmermann-Kreher, Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, 2005, § 25 Rdnr. 15; für die Anwendung des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auf vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2006, § 25 Rdnr. 59 f.; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 25 Rdnr. 29; Benassi, ZAR 2005, 358; Fleuß, BDVR-Rundschreiben 01 und 02/2005, S. 16, 29 f.; Heinhold, Asylmagazin 11/2004, S. 7, 12). Es fehlt jedenfalls an der in § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG genannten Tatbestandsvoraussetzung, dass nur ein vorübergehender, also ein zeitlich begrenzter Aufenthalt angestrebt wird. Das Begehren der Kläger ist auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet gerichtet. Dies ergibt sich aus der geltend gemachten langen Dauer des bisherigen Aufenthalts der Kläger und der behaupteten Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland.

4. Schließlich liegen hier auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht vor. Die Aufenthaltsregelung des § 25 Abs. 5 AufenthG erfasst nach der amtlichen Begründung (BT-Drs. 15/420 S. 80) die früher in § 55 Abs. 4 AuslG und nunmehr in § 60a Abs. 2 AufenthG erfassten Fälle, in denen die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zufolge kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

a) Die Kläger sind zwar aufgrund der unanfechtbaren Ablehnung ihrer Asylanträge vollziehbar ausreisepflichtig, denn die Ablehnungsentscheidungen führten zum Erlöschen ihrer Aufenthaltsgestattungen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG, § 42 Abs. 1 AuslG bzw. § 50 Abs. 1 AufenthG, § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG bzw. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Auch die Abschiebungsandrohungen in den Bescheiden des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 02.09.1993, 31.01.1995 und 23.03.2000 wurden vollziehbar (§§ 67 Abs. 1 Nr. 4, 34 Abs. 1 AsylVfG).

b) Die Ausreise der Kläger ist aber weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG knüpft nicht (wie bisher § 30 Abs. 3 AuslG) kumulativ an das Vorliegen von Abschiebungs- und Ausreisehindernissen, sondern nur noch an die Unmöglichkeit der Ausreise an. Wie sich aus der amtlichen Begründung zu § 25 AufenthG (BT-Drs. 15/420 S. 80) ergibt, umfasst der Begriff der Ausreise in § 25 AufenthG sowohl die freiwillige Ausreise als auch die zwangsweise Rückführung. Ein rechtliches oder tatsächliches Ausreisehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG liegt somit erst dann vor, wenn dem Ausländer - über die Unmöglichkeit seiner Abschiebung hinaus - auch die freiwillige Ausreise nicht möglich ist.

aa) Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern die Ausreise bereits aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, bestehen nicht. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Rückreise der Kläger in das Kosovo schon an tatsächlichen Schwierigkeiten scheitern könnte.

bb) Auch aus rechtlichen Gründen ist die Ausreise der Kläger nicht unmöglich.

(1) Da die Fälle, in denen (zielstaatsbezogene) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen, bereits von § 25 Abs. 3 AufenthG erfasst werden, sind rechtliche Gründe im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nur die inlandsbezogenen Gründe (vgl. amtliche Begründung zu § 25 AufenthG, BT-Drs. 15/420 S. 80; Hailbronner, a. a. O., § 25 Rdnr. 89; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 204; ders., ZAR 2004, 406; Welte, in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Stand: März 2006, § 25 AufenthG, Rdnr. 24). Soweit sich die Klägerin zu 2. darauf berufen will, dass die in der Bescheinigung der Dipl.-Psychologin Breckwoldt vom 10.11.2004 diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung und die anderen hierin genannten psychischen Erkrankungen der Klägerin zu 2. in ihrer Heimat nicht oder nicht adäquat behandelbar sind, macht sie zielstaatsbezogene Gesichtspunkte (im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) geltend. Auf solche zielstaatsbezogene Gesichtspunkte kann sie sich aber im vorliegenden Verfahren gegenüber dem Beklagten nicht berufen. In Fällen, in denen - wie hier - das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bestandskräftig festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG nicht vorliegen, ist es wegen der sich aus § 42 Satz 1 AsylVfG für die Ausländerbehörde ergebenden Bindungswirkung ausgeschlossen, ein rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wegen eines Sachverhalts anzunehmen, der in den Anwendungsbereich des § 53 AuslG fällt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.04.2004, a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.03.2005 - 18 E 195/05 - zit. n. juris; Nds. OVG, Beschluss vom 24.10.2005 - 8 LA 123/05 - ZAR 2006, 31; Bay. VGH, Beschluss vom 08.11.2005 - 24 CS 05.2630 - zit. n. juris; Hess. VGH, Beschluss vom 19.10.2005 - 7 UZ 2468/05 -).

(2) Es liegt auch kein - von der Ausländerbehörde in eigener Entscheidungskompetenz zu prüfendes - inlandsbezogenes rechtliches Ausreisehindernis vor. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung kann sich aus gesetzlichen Abschiebungsverboten, aber auch aus verfassungsrechtlichen oder völkerrechtlichen Gründen ergeben. Sie kann aber - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht allein deswegen angenommen werden, weil den Klägern die Ausreise aufgrund der Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse subjektiv nicht zumutbar wäre.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wird für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur die Unmöglichkeit und nicht die Unzumutbarkeit der Ausreise vorausgesetzt. Anders als § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der ausdrücklich an die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Ausreise anknüpft, enthält § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG einen entsprechenden Zusatz gerade nicht. Zwar ergibt sich aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 15/420 S. 79 f.) die Absicht des Gesetzgebers, die Duldung abzuschaffen und somit auch der Praxis von sog. Kettenduldungen entgegenzutreten (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.06.2006, a. a. O.). Unter Berufung auf diesen Teil der Gesetzesbegründung wird daher teilweise die Auffassung vertreten, dass sich im Einzelfall auch aus der Unzumutbarkeit einer Ausreise (bei bestehenden familiären oder sonstigen schützenswerten persönlichen Beziehungen zum Bundesgebiet) eine Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ergeben kann (Benassi, InfAuslR 2005, 357, 360; Heinhold, Asylmagazin 11/2004, S. 7, 13; Marx, ZAR 2004, 403, 406; Göbel-Zimmermann, ZAR 2005, 275, 277 f.; wohl auch Hailbronner, a. a. O., § 25 Rdnr. 104; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2006 - 13 S 2220/05 - VBlBW 2006, 200). Indes ist die gesetzgeberische Absicht, die Duldung abzuschaffen, nicht umgesetzt worden. Vielmehr ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens das Instrument der Duldung wieder in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden (§ 60a AufenthG). Dafür, dass nach der Intention des Gesetzgebers humanitäre Gründe nicht zur Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG führen sollen, spricht auch, dass jene in § 25 Abs. 4 AufenthG ausdrücklich aufgeführt werden, wohingegen § 25 Abs. 5 AufenthG - wie bisher § 30 Abs. 3 und 4 AuslG - nicht auf diese abstellt, sondern die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit (nicht Unzumutbarkeit) der Ausreise fordert. Ferner spricht der Umstand, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich auf "den bereits in § 30 Abs. 3 und 4 AuslG enthaltenen Ansatz" verweist (BT-Drs. 15/420 S. 80) und nur in diesem Zusammenhang die Prüfung der "subjektiven Möglichkeit - und damit implizit auch die Zumutbarkeit" - verlangt, gegen die Einführung eines eigenständigen Tatbestandsmerkmals der Zumutbarkeit. Nach Auffassung des Senats kommt hierin zum Ausdruck, dass der zu § 30 Abs. 3 und 4 AuslG ergangenen Rechtsprechung Rechnung getragen werden sollte. Diese hat unter der Geltung des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG entschieden, dass eine Abschiebung nicht nur dann rechtlich unmöglich ist, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 51 AuslG oder ein zwingendes Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG vorliegt, sondern sich diese Unmöglichkeit auch aufgrund vorrangigen Rechts, namentlich der Grundrechte (z. B. mit Blick auf Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK), ergeben könne (BVerwG, Urteil vom 04.06.1997 - BVerwG 1 C 9.95 - NVwZ 1997, 1114; Hess. VGH, Beschluss vom 15.01.2002 - 7 TZ 3270/01 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.03.2004 - 10 A 11717/03 - InfAuslR 2004, 294; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.03.2001 - 13 S 2643/00 - InfAuslR 2001, 283). Ein derartiges zwingendes Abschiebungshindernis wurde insbesondere dann angenommen, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine hier bestehenden familiären oder sonst schützenswerten persönlichen Beziehungen durch seine Ausreise zu unterbrechen; hierin liegt zugleich ein seiner freiwilligen Ausreise entgegenstehendes, von ihm nicht zu vertretendes Hindernis (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1996 - 2 BVR 1119/96 - NVwZ 1997, 479; BVerwG, Urteil vom 09.12.1997 - BVerwG 1 C 19.96 - BVerwGE 106, 13).

Indem § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht nur (wie früher § 55 Abs. 4 AuslG) darauf abstellt, ob die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, sondern zusätzlich darauf, ob die Ausreise möglich ist, sollte daher nicht die "Zumutbarkeit" als zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das Raum für die Prüfung von der Ausreise entgegenstehenden humanitären Gründe ließe, statuiert werden. Jedenfalls lässt sich eine eindeutige gesetzgeberische Intention dahingehend, dass in den zahlreichen Fällen, in denen Ausländer langjährig geduldet wurden, nunmehr ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, nicht erkennen (vgl. in diesem Sinne auch Nds. OVG, Urteil vom 29.11.2005, a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.02.2006 - 18 E 1534/05 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.06.2005 - 18 B 677/05 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.01.2006 - 2 O 153/05 -; Ziffer 1, 5. Spiegelstrich, des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 07.02.2005 [- II 4 23 d -]; Storr, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Zimmermann-Kreher, a. a. O., § 25 Rdnr. 19). Angesichts der weittragenden praktischen Folgen einer solchen Regelung hätte es hierfür einer (auch vom Wortlaut her) eindeutigen gesetzlichen Regelung bedurft, zumal eine solche Bestimmung einer faktischen Gruppenregelung (für die langjährig im Bundesgebiet geduldeten Ausländer) gleich käme, die aufgrund der Spezialregelung des § 23 AufenthG zu treffen ist. Es würde die im gewaltengeteilten Staat (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) der Rechtsprechung zugewiesenen Kompetenzen zur Auslegung von Rechtsvorschriften überschreiten, wenn ohne eindeutige legislatorische Entscheidung oder politische Entscheidung der obersten Landesbehörde (vgl. § 23 AufenthG) größeren Personengruppen, die durch allgemeine Merkmale bestimmt sind, der Aufenthalt ermöglicht würde.

Selbst wenn aber die Zumutbarkeit der Ausreise eigenständig zu prüfen wäre, wäre sie hier nicht zu bejahen. Insoweit gälten die im Rahmen des Art. 8 EMRK und der Art. 1, 2 und 6 GG zu beachtenden Voraussetzungen (im Ergebnis ebenso: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2006, a. a. O.), die - wie unten noch darzulegen sein wird (II. 4. b) bb) (3) und (4), S. 24 ff.) - nicht erfüllt sind. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht übrigens davon aus, dass jedenfalls bei zu verneinender unzumutbarer Gefährdung im Rückkehrfall eine freiwillige Ausreise nicht aus Rechtsgründen unmöglich ist (Urteil vom 27.06.2006, a. a. O.)

(3) Ein (inlandsbezogenes) rechtliches Ausreisehindernis ergibt sich im Hinblick auf den langen Aufenthalt und die Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland auch nicht aus § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 8 EMRK oder aus Art. 8 EMRK in unmittelbarer Anwendung.

Art. 8 Abs. 1 EMRK schützt u. a. das Privat- und Familienleben. Ein Eingriff in die Ausübung dieser Rechte ist nur dann statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Dies gebietet insbesondere eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf ein von den Behörden in Anspruch genommenes legitimes Ziel in Ansehung des beabsichtigten Eingriffs.

Aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgt grundsätzlich kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten oder nicht ausgewiesen zu werden (EGMR, Urteil vom 16.06.2005 - 60654/00 [Sisojeva/Lettland] - InfAuslR 2005, 349; EGMR, Entscheidung vom 16.09.2004 - 11103/03 [Ghiban/Deutschland] - NVwZ 2005, 1046; EGMR, Entscheidung vom 07.10.2004 - 33743/03 [Dragan u. a./Deutschland] - NVwZ 2005, 1043; EGMR, Urteil vom 19.02.1996 - Nr. 53/1995/559/645 [Gül/Schweiz] - InfAuslR 1996, 245). Allerdings können von den Vertragsstaaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts unter gewissen Umständen einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben der davon Betroffenen bewirken, und zwar vor allem dann, wenn sie im Aufenthaltsstaat über intensive persönliche und familiäre Bindungen verfügen (EGMR, Urteil vom 16.06.2005, a. a. O.). Diese Vorschrift darf aber nicht so ausgelegt werden, als verbiete sie allgemein die Abschiebung eines fremden Staatsangehörigen nur deswegen, weil er sich schon eine bestimmte Zeit auf dem Gebiet des Vertragsstaates aufhält (EGMR, Urteil vom 16.09.2004, a. a. O.; EGMR, Entscheidung vom 07.10.2004, a. a. O.). Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben durch Versagung des Aufenthalts setzt zudem voraus, dass das Privat- oder Familienleben des Ausländers in dem betreffenden Staat fest verankert ist und sich nicht auf eine lose Verbindung beschränkt (BVerwG, Urteil vom 27.02.1996 - BVerwG 1 C 41.93 - BVerwGE 100, 287 [297]; BVerwG, Urteil vom 03.06.1997 - BVerwG 1 C 18.96 - NVwZ 1998, 189). Diese Voraussetzung ist in Fällen der Erteilung einer bloßen Duldung nicht erfüllt. Auch in der Rechtsprechung des EGMR ist anerkannt, dass die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis nur dann einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstellt, wenn ein Missverhältnis zwischen den angewandten Mitteln und dem verfolgten Ziel besteht, wobei in den vom EGMR entschiedenen Fällen ein solches schützenswertes Privatleben durch starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum Aufnahmestaat nur dann angenommen wurde, wenn sich der Ausländer rechtmäßig im Vertragsstaat aufgehalten hat (EGMR, Urteil vom 28.05.1985 - Nr. 15/1983/71/107-109 [Abdulaziz/Vereinigtes Königreich] - InfAuslR 1985, 298; EGMR, Urteil vom 21.06.1988 - 3/1987/126/177 [Berrehab] - InfAuslR 1993, 84 [86]; EGMR, Entscheidung vom 16.09.2004 - 11103/03 [Ghiban/Deutschland] - a. a. O.; EGMR, Entscheidung vom 07.10.2004 - 33743/03 [Dragan u. a./Deutschland] - a. a. O., S. 1045). Eine schutzwürdige Eingliederung in die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Lebensverhältnisse kann somit während des Aufenthalts eines Ausländers, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erfolgen (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.09.2003 - 11 S 1795/03 - InfAuslR 2004, 70; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.11.2005 - 1 S 3023/04 - InfAuslR 2006, 70 [71]; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2006, a. a. O.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.02.1999 - 4 L 195/98 - NordÖR 2000, 124; Hess. VGH, Beschluss vom 15.02.2006 - 7 TG 106/06 - InfAuslR 2006, 217). Denn für einen ordnungsgemäßen Aufenthalt im Bundesgebiet ist nach dem geltenden deutschen Ausländerrecht der Besitz eines Aufenthaltstitels erforderlich (§ 4 Abs. 1 AufenthG); eine Duldung hingegen, in deren Besitz sich die Kläger seit Jahren befinden, gewährt keinen legalen, ordnungsgemäßen Aufenthalt, sondern schützt einen Ausländer, der sich illegal hier aufhält, lediglich vorübergehend vor einer sonst rechtlich zwingend gebotenen Abschiebung, lässt aber die Ausreisepflicht unberührt (vgl. § 60a Abs. 3 AufenthG). Die Entscheidung des EGMR vom 16.06.2005 (- 60654/00 [Sisojeva/Lettland] - InfAuslR 2005, 349), in der ein schutzwürdiges Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK auch ohne rechtmäßigen Aufenthalt aufgrund intensiver persönlicher und familiärer Bindungen bejaht wurde, steht dem Erfordernis eines erlaubten Aufenthalts nicht entgegen. Denn dieser Fall ist - wie der VGH Baden-Württemberg (vgl. Beschluss vom 02.11.2005, a. a. O.) zutreffend angenommen hat - durch die Atypik geprägt, dass die Beschwerdeführer zum einen lange Zeit ordnungsgemäß im Vertragsstaat gewohnt hatten und ihr aufenthaltsrechtlicher Status erst im Anschluss an politische Umwälzungen - die Auflösung der Sowjetunion und die Unabhängigkeit Lettlands - aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit in Frage gestellt worden ist, und ihnen zum anderen jedenfalls die rechtliche Möglichkeit eröffnet war, einen befristeten legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 15.02.2006, a. a. O.).

Ein vergleichbarer atypischer Fall liegt bei den Klägern trotz der ihnen während ihrer Asylverfahren erteilten Aufenthaltsgestattungen nicht vor. Denn jedenfalls seit der bestandskräftigen Ablehnung ihrer Asylanträge sind die Kläger vollziehbar ausreisepflichtig und seither war ihre Abschiebung nur durch Duldungen vorübergehend ausgesetzt. Schon deshalb kann eine dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK unterfallende Integration in deutsche Lebensverhältnisse bei ihnen von Rechts wegen nicht erfolgt sein. Auch die lange Dauer der Asylverfahren führt - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht deswegen zu der Annahme eines atypischen Falles, weil die Kläger zu 1. und 2., wenn ihre Asylverfahren bereits in den Jahren 1995 bis 1998 entschieden worden wären, als Asylberechtigte anerkannt worden wären. Ein rechtmäßiger Aufenthalt und eine hieraus resultierende schutzwürdige Eingliederung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland können nur dann angenommen werden, wenn ein ausländerrechtlicher Aufenthaltstitel tatsächlich vorliegt bzw. eine Anerkennung als Asylberechtigter tatsächlich erfolgt ist. Hypothesen über den Ausgang eines Asylverfahrens im Falle einer frühzeitigeren Entscheidung über den Asylantrag können einen verfestigten aufenthaltsrechtlichen Status nicht ersetzen.

Geht man dennoch zu Gunsten der Kläger davon aus, dass auch ein rechtlich ungesicherter Aufenthalt Grundlage für die Annahme eines Privatlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK sein kann, ist die daraus folgende Rechtsposition im Rahmen der Schrankenbestimmung des Art. 8 Abs. 2 EMRK gegen das Recht des Vertragsstaates zur Einwanderungskontrolle abzuwägen. Hierbei darf Art. 8 EMRK jedoch nicht so ausgelegt werden, als verbiete diese Vorschrift allgemein die Abschiebung eines fremden Staatsangehörigen nur deswegen, weil er sich eine bestimmte Zeit im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates aufgehalten hat (EGMR, Urteil vom 16.09.2004, a. a. O.; EGMR, Entscheidung vom 07.10.2004, a. a. O.). Es bedarf vielmehr zusätzlicher Anhaltspunkte dafür, dass eine Rückkehr nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unzumutbar ist. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt danach etwa bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - BVerwG 1 C 8.96 - InfAuslR 1995, 54 [56]).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwar halten sich die Kläger mittlerweile seit 13 bzw. 11 Jahren im Bundesgebiet auf. Die Klägerin zu 6. ist im Bundesgebiet geboren worden. Die Kläger verfügen über einen festen Wohnsitz und ausreichenden Wohnraum. Auch der Schulbesuch und die Ausbildungsvorbereitung der Kläger zu 3. bis 6. sowie die deutschen Sprachkenntnisse der Kläger sprechen für ein gewisses Maß an Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse. Zweifel an einer irreversiblen Einführung in deutsche Lebensverhältnisse bestehen aber deshalb, weil der Kläger zu 1. während des überwiegenden Teils seiner Aufenthaltszeit nur teilzeitbeschäftigt war und die Familie daher auf ergänzende Sozialhilfeleistungen angewiesen war und ist. Es ist daher bereits fraglich, ob von einer tiefen Verwurzelung in die hiesigen Lebensverhältnisse auszugehen ist. Jedenfalls ist aber nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Kläger ihrem Heimatland in einer Weise entfremdet sind, dass eine Reintegration nicht möglich erscheint. Diesbezüglich hat die Kenntnis der dortigen Sprache und die Vertrautheit mit den Verhältnissen in diesem Land sowie die Existenz dort noch lebender Verwandter entscheidungserhebliche Relevanz (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.11.2005, a. a. O. und Urteil vom 18.01.2006, a. a. O.). Bei den Klägern zu 1. und 2., die erst im Erwachsenenalter in das Bundesgebiet eingereist sind, ist von der Möglichkeit einer Reintegration ohne weiteres auszugehen, da sie die dortige Sprache sprechen und mit den Verhältnissen in ihrem Heimatland vertraut sind. Auch bei den Klägern zu 3. bis 5., die im Alter von zehn, acht und fünf Jahren in das Bundesgebiet eingereist sind, ist von einer gewissen Vertrautheit mit den Verhältnissen in ihrem Heimatland sowie einer ausreichenden Beherrschung ihrer Muttersprache auszugehen. Die Kläger haben insoweit selbst vorgetragen, dass sie albanische Sprachkenntnisse besitzen. Auch kann es für die Ausländer der zweiten Generation als typisch angesehen werden, dass die Sprache zumindest noch in den Grundzügen beherrscht wird, da - bei einer lebensnahen Betrachtung - die Muttersprache innerhalb der Familie Verwendung findet. Insoweit obliegt es ihnen, substantiierte Gesichtspunkte vorzutragen, aus welchen sich ein abweichender Geschehensablauf ergeben kann (Hess. VGH, Beschluss vom 06.01.2003 - 7 TG 2860/02 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.07.2001 - 13 S 2401/99 - InfAuslR 2002, 2 [3]; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.10.2000 - 11 S 1206/00 - InfAuslR 2001, 119). Solche Gesichtspunkte wurden im vorliegenden Fall nicht vorgetragen. Die Kläger haben vielmehr in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2006 bestätigt, dass innerhalb der Familie auch albanisch gesprochen wird. Nach ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung sprechen die Kläger zu 3. bis 6. die albanische Sprache zwar nur "auf dem Niveau von Kindern". Hieraus folgt indes, dass sie die albanische Sprache verstehen und auch zumindest auf einfachem Niveau sprechen können. Auch im Übrigen wurde nicht hinreichend dargetan, dass die Kläger bei einer Rückführung der gesamten Familie ins Herkunftsland auf für sie nicht oder kaum zu überschreitende Hürden bei der Führung eines Privatlebens stoßen würden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die in Deutschland geborene Klägerin zu 6. und die in Deutschland aufgewachsenen Kläger zu 3. bis 5. nach der Lebenserfahrung bei ihrer Reintegration durch ihre Eltern, die Kläger zu 1. und 2., unterstützt werden. Da sowohl der Kläger zu 1. als auch die Klägerin zu 2. im Kosovo lebende Geschwister haben (der Kläger zu 1. zwei Schwestern, die Klägerin zu 2. zwei Brüder), ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass die Kläger durch diese nahen Verwandten bei ihren Reintegrationsbemühungen unterstützt werden. Ihre Behauptung, dass ihre Verwandten in extrem beengten und armen Verhältnissen leben und daher den Klägern keine Hilfe leisten können, haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt. Soweit die Kläger vortragen, dass nach den im Kosovo herrschenden Traditionen die Frauen einer Familie mit ihrer Verheiratung zur jeweiligen Familie des Ehemannes gehören und Unterstützung nur noch von der Familie des Ehemannes erhalten, ist nicht dargetan worden, dass dies auch in Fällen extremer Hilfsbedürftigkeit naher Angehöriger gilt. Selbst wenn die Kläger aber keine Unterstützung von ihren Angehörigen erhalten sollten, wäre das wirtschaftliche Existenzminimum der Kläger bei einer Rückkehr in das Kosovo gesichert. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist im Kosovo gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z. B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den Municipalities ausgezahlt wird (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro [Kosovo] vom 22.11.2005, S. 19 [Erkenntnisquellenliste Nr. 111]; Stephan Müller: "Gutachten zur Situation im Kosovo" vom 20.01.2005, S. 7 und 9 f. [Erkenntnisquellenliste Nr. 79]). Rückkehrende Kosovo-Albaner müssen auch nicht mit völlig unzureichenden Wohnverhältnissen oder mit Obdachlosigkeit rechnen. Zwar wurden im Verlauf der Kosovo-Krise fast 120.000 Häuser in Mitleidenschaft gezogen, davon rund 100.000 schwer beschädigt oder völlig zerstört. Nach Angaben von UNHCR und UNMIK sind bisher mehr als 40.000 Häuser repariert worden. Auch ist eine sehr rege Bautätigkeit - vor allem in den Städten - festzustellen. Dementsprechend schätzt die UNMIK die Wohnraumversorgung für Kosovaren albanischer Abstammung weiterhin als wenig problematisch ein (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro [Kosovo] vom 22.11.2005, S. 18). Grundsätzlich entscheiden die Gemeinden bzw. deren zuständige Kommissionen darüber, wessen Haus mit den von der internationalen Staatengemeinschaft bereitgestellten Geldern wieder aufgebaut wird. Der größte Finanzier im Hinblick auf den Wiederaufbau von Häusern ist die Europäische Union bzw. die Europäische Wiederaufbau Agentur, die zumeist Nicht-Regierungsorganisationen als Subunternehmer (implementation partner) engagiert, die dann für die tatsächliche Durchführung des Aufbaus der Häuser zuständig sind. Daneben werden noch von einzelnen Staaten bzw. internationalen Organisationen Gelder für den Wiederaufbau von Häusern zur Verfügung gestellt. In einigen Gemeinden wie Pristina oder Prizren stehen temporäre Notunterkünfte für Rückkehrer zur Verfügung (Stephan Müller: "Gutachten zur Situation im Kosovo" vom 20.01.2005, S. 11 f.). Bei dieser Sachlage ist nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, dass das Haus der Kläger in H., Gemeindebezirk Obilic, nach ihren glaubhaften Darlegungen nicht wiederhergestellt werden darf.

Hinzu kommt, dass die lange Aufenthaltsdauer der Kläger zu einem nicht unerheblichen Teil dadurch zustande gekommen ist, dass die Kläger zu 1. und 2. ihrer bestehenden Ausreisepflicht nicht nachgekommen sind und nicht früher ihre Rückkehr eingeleitet haben. Die Kläger zu 3. bis 6. müssen sich dieses Verhalten ihrer Eltern schon deshalb zurechnen lassen, weil sie als Kinder grundsätzlich deren aufenthaltsrechtliches Schicksal teilen (vgl. zu diesem Aspekt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2006, a. a. O.).

Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung am 07.07.2006 die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt haben, war dieser Beweisantrag gemäß § 87b Abs. 3 i. V. m. § 87b Abs. 2 VwGO als verspätet zurückzuweisen. Mit Schreiben vom 07.06.2006, das der Prozessbevollmächtigten der Kläger nach ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung zufolge am 09.06.2006 zugestellt worden ist, wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sie Gelegenheit zum abschließenden Tatsachenvortrag und zur Bezeichnung von Beweismitteln gemäß § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zum 23.06.2006 erhalten und dass nach dieser Frist vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel unter den Voraussetzungen des § 87b Abs. 3 VwGO als verspätet zurückgewiesen werden können. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Präklusion liegen vor, da alle drei in § 87b Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 VwGO genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind. Die Zulassung des erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern (vgl. § 87b Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Ferner hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger die Verspätung nicht genügend entschuldigt (vgl. § 87b Abs. 3 Nr. 2 VwGO), und die Beteiligten sind über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden (vgl. § 87b Abs. 3 Nr. 3 VwGO). Liegen die Voraussetzungen des § 87b Abs. 3 VwGO vor, steht es im Ermessen des Gerichts, ob es von der Präklusionsmöglichkeit Gebrauch macht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 06.04.2000 - BVerwG 9 B 50.00 - NVwZ 2000, 1042 = Buchholz 310 § 87b VwGO Nr. 5; BVerwG, Urteil vom 07.12.2004 - BVerwG 1 C 14.04 - zit. n. juris) muss die Ausübung dieses Ermessens ohne weiteres erkennbar oder nachvollziehbar dargelegt sein. Entsprechend dem auf eine Verfahrenskonzentration und Verfahrensbeschleunigung gerichteten Zweck des § 87b VwGO kann sich die Begründung für die Zurückweisung unentschuldigt verspäteten, zu einer Verfahrensverzögerung führenden neuen Vorbringens schon aus der Darlegung ergeben, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 87b VwGO vorliegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.04.2000, a. a. O.). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Unabhängig hiervon hat der Senat unter den hier gegebenen Umständen auch deshalb sein Ermessen nach § 87b Abs. 3 VwGO dahin ausgeübt, dass er den Beweisantrag als verspätet zurückweist, weil die Zulassung des Beweisantrags zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung geführt hätte. Die Erstellung von Sachverständigengutachten nimmt nach den Erfahrungen der gerichtlichen Praxis erhebliche Zeit in Anspruch. Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere deswegen, weil die Erstellung von fünf Sachverständigengutachten für die Kläger zu 2. bis 6. erforderlich wäre. Ferner wäre es den Klägern möglich und zumutbar gewesen, ihre Behauptung, dass die Kläger zu 2. bis 6. bei einer Rückkehr in das Kosovo schweren psychischen Schaden nehmen würden, bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorzutragen und Beweismittel hierfür zu benennen.

Darüber hinaus ist der in der mündlichen Verhandlung am 07.07.2006 gestellte Beweisantrag als unbeachtlicher Beweisermittlungs- bzw. Ausforschungsantrag zu werten und der hiermit angebotene Beweis aus diesem Grund nicht zu erheben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts braucht das Gericht unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachzugehen, wobei unsubstantiiert nicht nur Beweisanträge sind, die das Beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch solche Anträge, die dazu dienen sollen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage aufgestellt werden. Behauptungen, die aus der Luft gegriffen sind und durch keinerlei greifbare Anhaltspunkte gestützt werden, muss das Gericht nicht nachgehen (BVerwG, Beschluss vom 31.01.2002 - BVerwG 7 B 92.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 318 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 30.01.2002 - BVerwG 1 B 326.01, 1 PKH 43.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69). Dies ist hier der Fall, denn die Kläger haben ihren Beweisantrag nicht hinreichend substantiiert. Aus den von den Klägern im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Attesten und psychotherapeutischen Berichten bezüglich der Klägerinnen zu 2. und 6. ergeben sich lediglich gewisse Anhaltspunkte dafür, dass diese Klägerinnen aufgrund ihres ungesicherten Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet psychisch erkrankt sind (u. a. an Depressionen, Angst, Anpassungsstörungen etc.). Für die von den Klägern aufgestellte Behauptung, dass die Kläger zu 2. bis 6. infolge einer Rückkehr in ihr Heimatland mit hoher Wahrscheinlichkeit einen schweren psychischen Schaden nehmen bzw. psychisch erkranken würden und sich die bei der Klägerin zu 2. bestehende psychische Erkrankung wesentlich verstärken würde, fehlt es indes an hinreichend konkreten Anhaltspunkten, weshalb der Senat dem gestellten Antrag nicht nachgehen musste.

Unter Abwägung aller Gesichtspunkte kann daher nicht festgestellt werden, dass die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Falle der Kläger einen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellt.

(4) Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Versagung einer Legalisierung des Aufenthalts der Kläger zu einem verfassungsrechtlichen unzulässigen Eingriff in grundgesetzliche Gewährleistungen aus Art. 1, 2 oder 6 GG führt.

Zwar sind Ausländerbehörden und Gerichte verpflichtet, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiäre Bindung des Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 01.03.2004 - 2 BvR 1570/03 - InfAuslR 2004, 280). Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt indes kein Anspruch, eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen einem Ausländer und ausländischen Familienangehörigen im Bundesgebiet anstatt im Heimatland zu verwirklichen. Ein aus Art. 6 GG abgeleitetes rechtliches Abschiebungshindernis setzt vielmehr voraus, dass die Betroffenen auf die Führung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet angewiesen sind, weil deren Fortsetzung im Heimatland der Ausländer zumindest einem Familienmitglied nicht zumutbar ist, wovon in der Regel nicht auszugehen ist, wenn alle Familienmitglieder Ausländer sind und sie darüber hinaus ein gemeinsames Heimatland besitzen. Da im vorliegenden Fall die Familie nicht getrennt werden soll und alle Familienmitglieder in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zurückkehren sollen, ist der Schutzbereich des Art. 6 GG von vornherein nicht tangiert.

Ein inlandsbezogenes rechtliches Ausreisehindernis ist im vorliegenden Fall auch nicht wegen einer Verletzung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) zu bejahen. Rechtlich erhebliche Ausreisehindernisse in diesem Sinne sind z. B. der Reisefähigkeit entgegenstehende Krankheiten oder eine Suizidgefahr. Es kann nach den vorliegenden fachlichen Stellungnahmen nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin zu 2. während oder nach dem Abschiebeverfahren - als unmittelbare Folge der Abschiebung als solcher - eine wesentliche Krankheitsverschlechterung droht oder mit Suizidhandlungen zu rechnen ist. In der vorgelegten Bescheinigung der Dipl.-Psychologin B. vom 10.11.2004 wird ausgeführt, dass die Klägerin zu 2. "eine Abschiebung wahrscheinlich nicht überleben würde." Abgesehen davon, dass diese Bescheinigung nicht mehr aktuell ist, wird durch sie die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung im Rahmen der Abschiebung nicht konkret dargetan. Gleiches gilt für die Bescheinigung der Dipl.-Psychologin B. vom 09.04.2005. Auch den bezüglich der Klägerin zu 6. vorgelegten psychotherapeutischen Berichten (zuletzt vom 12.05.2006) lässt sich eine akute Reiseunfähigkeit nicht entnehmen.

Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG führt im vorliegenden Fall auch nicht deswegen zu einem unzulässigen Eingriff in die grundgesetzlichen Gewährleistungen aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die Kläger - wie sie behaupten - aufgrund ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet in die hiesigen Lebensverhältnisse verwurzelt und daher eine Rückkehr in ihr Heimatland unverhältnismäßig wäre. Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis gelten entsprechend die im Rahmen des Art. 8 EMRK zu beachtenden Voraussetzungen, die - wie oben (II. 4. b) bb) (3), S. 24 ff.) dargelegt wurde - hier nicht erfüllt sind.

5. Ein Anspruch der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis folgt auch nicht aus § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Nach Wortlaut und Systematik der Vorschrift stellt die Regelung des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG keine selbständige Anspruchsgrundlage dar. Sie knüpft an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG an und modifiziert, sofern das zusätzliche Tatbestandsmerkmal "Aussetzung der Abschiebung seit 18 Monaten" erfüllt ist, lediglich die Rechtsfolge (vgl. auch Nds. OVG, Urteile vom 29.11.2005, a. a. O., a. a. O.; Nds. OVG, Beschluss vom 24.10.2005, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 06.04.2005, a. a. O., und vom 18.01.2006, a. a. O.; Hailbronner, a. a. O., § 25 Rdnr. 102 f.; Storr, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Zimmermann-Kreher, a. a. O., § 25 Rdnr. 29; Ziffer 1, 7. Spiegelstrich, des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 07.02.2005 [- II 4 23 d -]; Hess. VGH, Beschluss vom 16.11.2005 - 7 UZ 803/05 -; Hess. VGH, Beschluss vom 05.01.2006 - 7 UZ 2794/05 -).

III.

Unabhängig davon, dass - wie oben unter I. ausgeführt - im vorliegenden Fall das Aufenthaltsgesetz als maßgebliches Recht heranzuziehen ist, sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach altem Recht für die Zeit bis zum 31.12.2004 als nicht erfüllt anzusehen.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 32 des bis zum 31.12.2004 gültigen Ausländergesetzes i. V. m. der "Bleiberechtsregelung für erwerbstätige Ausreisepflichtige aus Bosnien-Herzegowina und der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien einschließlich Kosovo und Montenegro)" (Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 12.06.2001 - II A 42 - 23 d <Au 98 c § 32 B-H u. BRJ>), da sie die Voraussetzungen der Bleiberechtsregelung nicht erfüllen. Nach Abschnitt I.A. Ziffer 1 Abs. 1 der Bleiberechtsregelung erhalten Personen aus der Bundesrepublik Jugoslawien (heute: Serbien und Montenegro) einschließlich des Kosovo, die schon seit Jahren faktisch wirtschaftlich und sozial integriert sind und die bei ihrer Rückkehr eine eigenständig geschaffene und gesicherte Lebensgrundlage aufgeben müssten, eine Aufenthaltsbefugnis, wenn sie sich seit dem 16.02.1995 ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten, seit mehr als zwei Jahren in einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis stehen und durch diese legale Erwerbstätigkeit am 10.05.2001 den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe sichern und der Arbeitgeber dringend auf sie angewiesen ist. Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass es an der ausreichenden Sicherung des Lebensunterhalts der klägerischen Familie durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe zum maßgeblichen Stichtag 10.05.2001 fehlt. Aufgrund des Umstandes, dass der Kläger zu 1. im Mai 2001 nur einer Halbtagstätigkeit nachging, nahmen die Kläger ergänzende Sozialhilfe in Anspruch.

Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass der Kläger zu 1. nur deswegen erst zum 01.06.2001 eine Ganztagsbeschäftigung habe aufnehmen können, da die Arbeitserlaubnis zwar am 27.04.2001 erteilt, aber erst im Juni 2001 dem Kläger zu 1. zugesendet worden sei, vermag dies nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte insoweit Verschuldensgesichtspunkte unberücksichtigt gelassen und lediglich auf das objektive Bestehen der Sicherung des Lebensunterhalts ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe abgestellt hat. Darauf, dass es möglicherweise aus nicht von dem Kläger zu 1. zu vertretenden Gründen zu keinem weitergehenden Beschäftigungsverhältnis gekommen ist, kommt es rechtlich nicht an, da die Bleiberechtsregelung nur solche Personen erfassen will, die schon seit Jahren in Deutschland faktisch wirtschaftlich und sozial integriert sind; sie verfolgt dagegen nicht den Zweck, bislang nicht dauerhaft erwerbstätigen Personen zu einem Bleiberecht zu verhelfen (st. Rspr. des Senats: Beschlüsse v. 01.03.2002 - 7 TZ 58/02 -; v. 16.10.2003 - 7 TG 2504/03 -; v. 07.09.2004 - 7 TG 1705/04 -; v. 18.03.2004 - 7 UZ 337/03 -; v. 01.06.2005 - 7 TG 1167/05 -). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass schon kein Rechtsanspruch auf Erlass von Altfallregelungen besteht, sondern es im politischen Ermessen der obersten Landesbehörde steht, ob entsprechende Anordnungen nach § 32 AuslG (jetzt: § 23 AufenthG) ergehen. Es handelt sich insoweit um politische Entscheidungen, die grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Dementsprechend kann die oberste Landesbehörde den von der Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen und hierbei die positiven Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negativen Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von der Regelung erfasst zu werden, besteht nicht (BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - BVerwG 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 [66]). Es ist daher auch nicht zu beanstanden, wenn der Erlassgeber allein auf das objektive Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abstellt, die Gründe für deren Nichterfüllung dagegen grundsätzlich unberücksichtigt lässt. Ein fehlendes Verschulden findet nach der Bleiberechtsregelung vom 12.06.2001 nur in begrenztem Umfang Berücksichtigung. So wird in Abschnitt I.A Ziffer 2.3 bestimmt, dass hinsichtlich derjenigen Personen, denen durch ausländerrechtliche Nebenbestimmungen die unselbständige Erwerbstätigkeit untersagt war, die Befugniserteilung dennoch in Betracht kommt, wenn lediglich eine kurzzeitige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vorliegt und grundsätzlich der bisherige Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung bereit ist. Entgegen der Auffassung der Klägerseite liegt dieser Fall hier nicht vor, da dem Kläger zu 1. nicht durch eine ausländerrechtliche Nebenbestimmung die Erwerbstätigkeit untersagt war. Darüber hinaus bezieht sich die Ziffer 2.3 der Bleiberechtsregelung auf das weitere Erfordernis eines zweijährigen dauerhaften Beschäftigungsverhältnisses (vgl. Abschnitt I.A. Ziffer 2.2 der Bleiberechtsregelung) und nicht auf die in Abschnitt I.A. Ziffer 1 Abs. 1 genannte Sicherung des Lebensunterhalts zum maßgeblichen Stichtag 10.05.2001.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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