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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 7 UZ 422/07.A
Rechtsgebiete: AsylVfG, GG, VwGO


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 2
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3
AsylVfG § 78 Abs. 4 S. 4
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO § 138
1. Von einem Zulassungsantragsteller, der die Divergenz in einer Rechtsfrage beanstanden will, verlangt § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG die Bezeichnung eines inhaltlich bestimmten, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden abstrakten Rechtssatzes zu einer Rechtsfrage, mit dem das Verwaltungsgericht von einem - gleichfalls vom Zulassungsantragsteller darzulegenden - in einer Entscheidung des Divergenzgerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz zur selben Rechtsfrage abgewichen ist, welcher die Entscheidung des Divergenzgerichts trägt.

2. Der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG erfasst eine Divergenz bei der Auslegung des die gerichtliche Aufklärungspflicht regelnden § 86 Abs. 1 VwGO nicht.

3. Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG verlangt von einem Zulassungsantragsteller, der eine Verletzung seines Gehörsrechts durch die gerichtliche Ablehnung eines Beweisantrags rügt, dass er gegenüber dem Berufungsgericht in der Antragsbegründung das ordnungsgemäße Stellen eines Beweisantrags im erstinstanzlichen Verfahren aufzeigt, was insbesondere die Mitteilung der dort (jeweils) aufgestellten Beweisbehauptung - des Beweisthemas - und des für sie (jeweils) angebotenen Beweismittels erfordert.

4. Ferner ist vom Zulassungsantragsteller darzutun, dass das Beweisthema nach der maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich und das angebotene Beweismittel zur Klärung der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung tauglich gewesen ist.

5. Schließlich ist - in Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung und ggf. in den Entscheidungsgründen des Urteils angegebenen Gründen für die erfolgte Beweisantragsablehnung - darzulegen, dass die Ablehnung prozessrechtlich unvertretbar gewesen ist.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

7 UZ 422/07.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch Richter am Hess. VGH Schönstädt als Berichterstatter am 10. Juli 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 28. November 2006 - 9 E 228/05.A - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Der gemäß § 78 Abs. 4 AsylVfG statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen, über den gemäß § 125 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheiden kann, bleibt ohne Erfolg. Die in der Antragsbegründung vom 21. Februar 2007 erhobenen Rügen des Klägers rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

1. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 13. Januar 2005 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens auf Folgeantrag sowie die Abänderung der im Bescheid vom 4. Juli 2001 erfolgten (negativen) Feststellungen zu den Abschiebungshindernissen des § 53 AuslG auf Folgeschutzgesuch des Klägers hin ab. Das Verwaltungsgericht wies mit dem angegriffenen Urteil die auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichteten Verpflichtungsbegehren des Klägers ab. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 AsylVfG lägen nicht vor. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG seien gleichfalls nicht feststellbar. Auch aus den neuen ärztlichen Attesten und Berichten zur psychischen Erkrankung des Klägers ergebe sich keine erhebliche konkrete Gefahr für dessen Leib oder Leben. Die ärztlichen Atteste und Berichte gingen von Kriegstraumata aus, die der Kläger nicht erlitten habe. Es möge zwar sein, dass der Kläger - wie von ihm schon im Asylerstverfahren vorgetragen - von der Polizei (am 13. Mai 1999 für einen Tag) festgehalten, malträtiert und geschlagen (geohrfeigt) worden sei und dies zu seiner depressiven Erkrankung beigetragen habe. Dass sich bei einer Rückkehr in seine frühere Heimat oder in anderes Gebiet des Staates Serbien wegen der Verhältnisse dort sein Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, sei indessen nicht anzunehmen. Dies ergebe sich insbesondere auch nicht aus den vorgelegten ärztlichen Attesten und Kurzberichten, zumal die dort getroffenen Prognosen wesentlich auf der falschen Annahme objektiver Geschehnisse und Gegebenheiten beruhten. In ganz Serbien und auch im Sandzak gebe es in jeder Gemeinde Gesundheitszentren und in den Städten Polikliniken mit Ambulanzen oder Abteilungen zur angemessenen ärztlichen Behandlung von psychischen Erkrankungen und Leiden, und die erforderliche Behandlung werde, zumindest in akuten Notfällen, dort kostenfrei oder gegen geringe Eigenbeteiligung gewährt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

2. Der Kläger macht die Zulassungsgründe der Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG und der Versagung rechtlichen Gehörs gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO geltend.

a. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen weiche von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 115.06 - ab. Das Bundesverwaltungsgericht habe dort den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Richter eines Verwaltungsgerichts bei Vorliegen von ärztlichen Bescheinigungen hinsichtlich einer psychischen Erkrankung (posttraumatische Belastungsstörung mit schwerer depressiver Symptomatik) keine eigene Sachkunde für eine Wertung dahin habe, dass die Krankheit im Heimatland generell jedenfalls insoweit behandelbar sei, dass sie bei der gebotenen Mitwirkung des Betroffenen (Teilnahme an einer dortigen Standards entsprechenden auch medikamentösen Behandlung) auf dem gegenwärtigen Niveau gehalten werden könne, mit dem der Betroffene im Zufluchtsland Deutschland erkennbar ohne existenzielle Gefährdung leben könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe ferner den Rechtssatz aufgestellt, dass für die einer solchen Annahme zu Grunde liegenden medizinischen Wertungen das Gericht grundsätzlich selbst nicht ausreichend sachkundig sei und eine solche Entscheidung ohne weitere Aufklärung nicht treffen könne und dürfe. Schließlich habe das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, dass das Gericht von Amts wegen verpflichtet sei, ein aktuelles, wissenschaftlichen Mindeststandards entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen, und das Gericht ohne Darlegung der eigenen erforderlichen Sachkunde grundsätzlich nicht in Abweichung von den vorgelegten ärztlichen und fachärztlichen Bescheinigungen beurteilen könne, ob für den Betroffenen im Abschiebezielstaat eine ernste Suizidgefahr bestehe und diese etwa auch durch die dort zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden könne.

b. Als Gehörsverletzung beanstandet der Kläger die Ablehnung seines nach der Antragsbegründung vom 21. Februar 2007 in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags,

"Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage zu erheben, inwieweit die Unterbrechung der bestehenden Behandlung eine massive Retraumatisierung mit der Gefahr eines Suizides herbeiführt aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland."

Die Ablehnung dieses Beweisantrags durch das Gericht mit der Begründung, es verfüge auf der Grundlage der Atteste und der den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisquellen über ausreichende Grundlage, um eine Entscheidung zu treffen, verstoße gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht und verletze gleichzeitig die Garantie rechtlichen Gehörs.

Wegen der Einzelheiten des Zulassungsvorbringens wird im Übrigen auf die Antragsbegründung vom 21. Februar 2007 Bezug genommen.

3. Die vom Kläger erhobenen Rügen rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

a. Die Divergenzrüge des Klägers wird dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht gerecht.

Eine Divergenz im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in einer für seine Entscheidung erheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage grundsätzlich eine Position eingenommen hat, die von derjenigen abweicht, die das übergeordnete Oberverwaltungsgericht oder ein anderes der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten Divergenzgerichte einer seiner Entscheidungen tragend zu Grunde gelegt hat. Gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG hat sich die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz zu allen genannten Voraussetzungen zu verhalten. Von einem Zulassungsantragsteller, der - wie der Kläger - die Divergenz in einer Rechtsfrage beanstanden will, verlangt § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG demgemäß die Bezeichnung eines inhaltlich bestimmten, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden abstrakten Rechtssatzes zu einer Rechtsfrage, mit dem das Verwaltungsgericht von einem - gleichfalls vom Zulassungsantragsteller darzulegenden - in einer Entscheidung des Divergenzgerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz zur selben Rechtsfrage abgewichen ist, welcher die Entscheidung des Divergenzgerichts trägt. Die Gegenüberstellung bestimmt bezeichneter, aus seiner Sicht voneinander abweichender Rechtssätze durch den Zulassungsantragsteller ist dabei für die Darlegung einer Divergenz unverzichtbar (st. Rspr. des Senats, vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 2006 - 7 UZ 2166/05.A -, vom 26. April 2006 - 7 UZ 2773/05.A -, vom 17. Mai 2006 - 7 UZ 929/06.A - und vom 8. November 2006 - 7 UZ 1525/06.A -; GK-AsylVfG § 78 Rdnr. 166 ff., 614 ff.).

In der Antragsbegründung des Klägers vom 21. Februar 2007 fehlt es an der unabdingbaren Gegenüberstellung von einander abweichender abstrakter Rechtssätze. Ein vom Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung gebildeter abstrakter, fallübergreifender Rechtssatz wird vom Kläger nicht aufgezeigt.

Unabhängig von diesem Darlegungsdefizit scheidet eine Zulassung der Berufung wegen einer Abweichung des angegriffenen Urteils vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 118.05 - NVwZ 2007, 345 - auch deshalb aus, weil die vom Kläger dieser Entscheidung entnommenen Rechtssätze sämtlich dem Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO betreffen, und der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG eine Divergenz bei der Auslegung des die gerichtliche Aufklärungspflicht regelnden § 86 Abs. 1 VwGO nicht erfasst.

Dieses einschränkende Verständnis des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG folgt aus der systematischen und historischen Auslegung dieses asylverfahrensrechtlichen Zulassungsgrundes.

Anders als die allgemeine Vorschrift des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, nach der entscheidungserhebliche, der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegende Verfahrensmängel - zu denen auch der Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO zählt - generell zur Zulassung der Berufung führen können, beschränkt § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG den Kreis der Verfahrensverstöße, die als Zulassungsgrund im Asylrechtsstreit in Betracht kommen, auf die in § 138 VwGO als absolute Revisionsgründe normierten besonders schwerwiegenden Verletzungen des Verfahrensrechts. Die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO gehört nicht zu den in § 138 VwGO aufgezählten Verfahrensverstößen.

Die Herausnahme der Aufklärungspflichtverletzung aus den die Zulassung der Berufung im Asylstreitverfahren rechtfertigenden Verfahrensfehlern hat ihren Grund in der Absicht des Gesetzgebers, eine Straffung der Asylstreitverfahren zu erreichen und eine zu starke Inanspruchnahme der Oberverwaltungsgerichte zu vermeiden (vgl. BT-Drs. 9/875, S. 26 zu § 32 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG 1982, der mit § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG wortgleich ist).

Der vom Gesetzgeber gewollte Ausschluss des Verstoßes gegen § 86 Abs. 1 VwGO aus den - systematisch an sich einschlägigen - gerichtlichen Verfahrensfehlern, die nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 VwGO die Zulassung der Berufung im Asylprozess ermöglichen, rechtfertigt zugleich eine teleologische Reduktion des Zulassungsgrundes der Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG: Ist es dem Kläger in Asylstreitverfahren verwehrt, eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO unmittelbar als zur Zulassung der Berufung führenden Verfahrensfehler geltend zu machen, so kann er diese Rechtsverletzung auch nicht mit Erfolg als Abweichung von einem durch ein Divergenzgericht aufgestellten Rechtssatz zum Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht rügen. Denn anderenfalls würde die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO entgegen dem Willen des Gesetzgebers - über den Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG mittelbar - den Zugang zur Berufungsinstanz eröffnen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28. September 1994 - OVG Bs V 126/94 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Oktober 1996 - 25 A 5166/96.A - juris; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2007, § 78 AsylVfG Rdnr. 75a; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 10 Rdnr. 118).

b. Die vom Kläger beanstandete Ablehnung seines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags begründet nicht den Zulassungsgrund der Versagung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO.

Das durch Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie sich zu dessen Gegenstand in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht äußern können, und verpflichtet das Gericht, seiner Entscheidung nur solche Gesichtspunkte zu Grunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, und die erfolgten Äußerungen der Beteiligten bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Die Gehörsgarantie schließt das Recht der Prozessbeteiligten ein, die für sie günstigen Tatsachen darzulegen und unter Beweis zu stellen, räumt jedoch keinen Anspruch auf bestimmte Beweismittel oder ein bestimmtes Beweisverfahren ein. Die Ausgestaltung der Gehörsgarantie ist vielmehr Sache des Gesetzgebers und erfolgt in einfachgesetzlichen Prozessordnungen. Missachtet ein Gericht einfachgesetzliche, das Gehörsrecht ausgestaltende Vorschriften, so geht mit diesem Gesetzesverstoß allerdings nicht automatisch eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts des rechtlichen Gehörs einher. Eine Gehörsverletzung setzt vielmehr grundsätzlich eine nicht mehr vertretbare, offenkundig unrichtige oder gar willkürliche Anwendung entsprechender Verfahrensvorschriften voraus. Bezogen auf die einfachgesetzlichen Regelungen über Beweisanträge und deren Ablehnung bedeutet dies, dass eine Gehörsverletzung eines Verfahrensbeteiligten erst dann vorliegt, wenn die erfolgte Ablehnung eines Beweisantrags im jeweils maßgeblichen Prozessrecht keine tragfähige Stütze mehr findet. Eine verfahrensrechtlich tragfähige Stütze findet die Ablehnung eines Beweisantrags dabei zum einen, wenn das Verwaltungsgericht sich auf einen im Prozessrecht vorgesehenen Ablehnungsgrund berufen und das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Ablehnungsgrundes in vertretbarer Weise bejaht hat. Eine tragfähige Stütze im Prozessrecht, die eine Verletzung eines rechtlichen Gehörs ausschließt, findet die Ablehnung eines Beweisantrags zum anderen aber auch dann, wenn zwar nicht die in der Begründung des Gerichts genannten, aber andere Gründe des Verfahrensrechts die beantragte Beweiserhebung ausschließen oder es bereits an einem ordnungsgemäßen Beweisantrag fehlt (vgl. zu Vorstehendem: Senatsbeschlüsse vom 8. November 2006 - 7 UZ 1525/06.A - und vom 26. März 2007 - 7 UZ 3020/06.A - juris; Hess. VGH, Beschlüsse vom 22. März 2004 - 9 UZ 925/00.A - DÖV 2004, 628 - LS -, vom 17. Februar 2005 - 9 UZ 1646/01.A -, vom 20. April 2005 - 9 UZ 2170/04.A - sowie vom 2. August 2005 - 9 UZ 1604/05.A -; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl. 2005, § 138 Rdnr. 26, 32; GK-AsylVfG, Stand: Oktober 2006, § 78 Rdnr. 355 ff.; Dahm, ZAR 2002, 227 ff., 348 ff.).

Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG verlangt vor dem Hintergrund dieser inhaltlichen Vorgaben von einem Zulassungsantragsteller, der eine Verletzung seines Gehörsrechts durch die gerichtliche Ablehnung eines Beweisantrags rügt, zunächst, dass er gegenüber dem Berufungsgericht in der Antragsbegründung das ordnungsgemäße Stellen eines Beweisantrags im erstinstanzlichen Verfahren aufzeigt, was insbesondere die Mitteilung der dort (jeweils) aufgestellten Beweisbehauptung - des Beweisthemas - und des für sie (jeweils) angebotenen Beweismittels erfordert. Ferner ist vom Zulassungsantragsteller darzutun, dass das Beweisthema nach der maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich und das angebotene Beweismittel zur Klärung der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung tauglich gewesen ist. Schließlich ist - in Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung und ggf. in den Entscheidungsgründen des Urteils angegebenen Gründen für die erfolgte Beweisantragsablehnung - darzulegen, dass die Ablehnung prozessrechtlich unvertretbar gewesen ist (vgl. zu Vorstehendem: Senatsbeschluss vom 28. November 2005 - 7 UZ 153/05.A - EZAR NF 62 Nr. 7; Hess. VGH, Beschlüsse vom 22. März 2004 - 9 UZ 925/00 - a. a. O. und vom 24. November 2004 - 9 UZ 3865/00 -; GK-AsylVfG, a. a. O., § 78 Rdnr. 655 ff.; Marx, a. a. O., § 10 Rdnr. 159, 172 ff.).

Gemessen an diesen Voraussetzungen des Vorliegens eines Gehörsverstoßes und dessen Darlegung ist eine Verletzung des Gehörsrechts des Klägers durch die erfolgte Ablehnung seines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags nicht feststellbar.

Der Kläger hat den Inhalt des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags in der Antragsbegründung vom 21. Februar 2007 nicht vollständig wiedergegeben, so dass es bereits an der Grundlage für die berufungsgerichtliche Feststellung eines Gehörsverstoßes durch die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2006 (tatsächlich) gestellten Beweisantrags fehlt.

Nach der Verhandlungsniederschrift vom 28. November 2006 hat der Kläger beantragt,

"Beweis zu erheben über die Behauptung des Klägers, wie ärztlich attestiert im Attest vom 28.09.2006, dass er im Falle der Rückkehr wegen einer Unterbrechung der bestehenden Behandlung eine massive Retraumatisierung mit der Gefahr eines Suizids erleidet aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland, da die Therapiemöglichkeiten einschließlich der Einschätzung des Krankheitsverlaufs auch bei genereller Behandelbarkeit im Herkunftsland nicht durch entsprechende richterliche Würdigung ersetzt werden kann"

und hat dieses Beweisgesuch wie folgt ergänzt:

"es solle Beweis erhoben werden durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens eines deutschen Sachverständigen hier in Deutschland."

Im ärztlichen Attest vom 28. September 2006, auf das der Beweisantrag Bezug nimmt, ist ausgeführt:

"Gegenwärtig ist nicht von einer Reisefähigkeit auszugehen. Wenngleich eine Behandlung im Heimatland infrastrukturell möglich erscheint, ist gegenwärtig doch von einer wesentlichen Verschlechterung der Symptomatik auszugehen, sollte die Kontinuität der therapeutischen Beziehung und die Anbindung an unser Haus unterbrochen werden. Insbesondere wird eine Ausreise bzw. eine gewaltsame Abschiebung zu einer massiven Retraumatisierung des Patienten führen, die eine deutliche Exazerbation der Beschwerden sowie der Suizidimpulse erwarten lässt."

Soweit der Kläger eine konkrete Leibes- oder Lebensgefährdung durch eine mit der Abschiebung verbundene Behandlungsunterbrechung bzw. eine durch sie ausgelöste Suizidgefahr oder Retraumatisierung in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellt hat, liegt in der Ablehnung seines Beweisantrags kein Gehörsverstoß, weil diesem Beweisthema die Erheblichkeit für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gefehlt hat. Die Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache aber ist Voraussetzung einer Beweiserhebungspflicht des Gerichts und eines korrespondierenden, gehörsrechtlich abgesicherten Beweiserhebungsanspruchs eines Beweisantragstellers (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 23. März 2005 - 9 UZ 2158/01.A -). Die Entscheidungserheblichkeit dieser Beweisbehauptung fehlte, weil § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lediglich zielstaatsbezogene Sachverhalte erfasst. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse wie die hier unter Beweis gestellte traumatisierungsbedingte Reiseunfähigkeit oder Suizidgefährdung unterfallen der Regelung des § 60a Abs. 2 AufenthG und sind im Kontext der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht von der Ausländerbehörde zu prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. November 2005 - 7 UZ 153/05.A - EZAR NF 62 Nr. 7 m. w. N.).

Soweit der Kläger mit dem Beweisantrag die Gefahr einer massiven Retraumatisierung bis hin zum Suizid aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland und damit für das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante Umstände unter Beweis gestellt hat, fehlte es im Hinblick auf das angebotene Beweismittel an einem ordnungsgemäßen Beweisantrag als Voraussetzung einer gerichtlichen Beweiserhebungspflicht und eines an sie anknüpfenden Gehörsverstoßes. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nicht aufgezeigt, welchen Bezug das von ihm angebotene Beweismittel - ein medizinisches Sachverständigengutachten eines deutschen Sachverständigen hier in Deutschland - zur Beweistatsache (Möglichkeiten der Behandlung des Klägers in dessen Heimatland) hat. Überdies fehlt für die eine fehlende Behandlungsmöglichkeit im Heimatland betreffende Beweisbehauptung ein greifbarer Anhaltspunkt, nachdem selbst im vom Kläger beigebrachten ärztlichen Attest vom 28. September 2006 ausgeführt wurde, dass eine Behandlung des Klägers im Heimatland infrastrukturell möglich scheine, eine Gefahr für ihn (vielmehr) aus der Unterbrechung der Kontinuität der therapeutischen Beziehung und der Anbindung an die deutsche Klinik erwachse.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 78 Abs. 5 Satz 2, 80 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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