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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: 8 A 674/08
Rechtsgebiete: HGO


Vorschriften:

HGO § 24 Abs. 1
HGO § 24a
HGO § 35 Abs. 1
HGO § 52 Abs. 1
HGO § 58 Abs. 5
HGO § 60 Abs. 1 S. 1
1. Gemeindevertreter in Hessen werden durch den Ausschluss der Öffentlichkeit von Beratungen und Beschlüssen der Gemeindevertretung in ihrem Recht auf freie Mandatsausübung tangiert. Sie haben deshalb ein wehrfähiges organschaftliches Recht darauf, in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren gegen die Gemeindevertretung die Rechtswidrigkeit eines zu Unrecht erfolgten Ausschlusses der Öffentlichkeit feststellen zu lassen, sofern sie selbst im Einzelfall von allen ihnen nach Gesetz und Geschäftsordnung zustehenden Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben, um eine öffentliche Beratung und Beschlussfassung über den betroffenen Gegenstand zu erreichen (Anschluss an OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24. April 2001 - 15 A 3021/97 -, DVBl. 2001, 1281 = DÖV 2001, 916 = NVwZ-RR 2002, 135).

2. Der Ausschluss der Öffentlichkeit von Beratungen und Beschlüssen der Gemeindevertretung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht und muss im Einzelfall von der Gemeindevertretung beschlossen werden, und zwar im Regelfall nach geheimer Beratung über den Ausschlussgrund in nichtöffentlicher Sitzung.

3. Es bleibt offen, ob eine Regelung in der Geschäftsordnung einer Gemeindevertretung, die den partiellen Ausschluss der Öffentlichkeit für den Fall fingiert, dass die Gemeindevertretung einer von ihrem Vorsitzenden festgesetzten Tagesordnung mit zur nichtöffentlichen Behandlung vorgesehenen Tagesordnungspunkten in öffentlicher Sitzung durch Beschluss zustimmt, mit § 52 Abs. 1 HGO vereinbar ist.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 A 674/08

Verkündet am 06. November 2008

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalrechts (Öffentlichkeit einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richterin am Hess. VGH Dr. Lambrecht, ehrenamtlichen Richter Cyriax, ehrenamtliche Richterin Albert,

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. Juli 2007 - 8 E 957/07 - abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung A-Stadt am 6. Juli 2006 hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 37 und 41 den Kläger in seinem Recht auf freie Mandatsausübung verletzt hat.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die in beiden Instanzen entstandenen Kosten haben der Kläger zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er durch die Beratung der Tagesordnungspunkte 37 bis 42 während einer Sitzung der Beklagten vom 6. Juli 2006 unter Ausschluss der Öffentlichkeit in seinem Recht auf freie Mandatsausübung verletzt worden sei.

Er ist Mitglied der Beklagten, die am 6. Juni 2006 auf Antrag des Magistrats in nichtöffentlicher Sitzung über mehrere Vorlagen des Magistrats zu den Themen sozialer Wohnungsbau, modifizierte Ausfallbürgschaften für Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau und eine Ausfallbürgschaft für das Mathematikum beraten und entschieden hat. Zu den betroffenen Beratungsgegenständen war bereits in der Einladung des Stadtverordnetenvorstehers mitgeteilt worden, dass diese zur Beratung in nichtöffentlicher Sitzung vorgesehen seien. Zu Beginn der Sitzung der Beklagten hatten auf die Frage nach Änderungswünschen zur Tagesordnung der Kläger - zu den Tagesordnungspunkten 37 (Sozialer Wohnungsbau, Förderung von 45 Wohneinheiten, Sanierung Seniorenwohnanlage) und 42 (Ausfallbürgschaft für das Mathematikum) - sowie eine weitere Stadtverordnete - zu den Tagesordnungspunkten 38 bis 41 (weitere modifizierte Ausfallbürgschaften für ein Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau an die Wohnbau A-Stadt GmbH) und 43 (Rückabwicklung von Zahlungen im Rahmen von Kapitalanlagen und Darlehen) - beantragt, dass diese Tagesordnungspunkte in öffentlicher Sitzung behandelt werden, was die Beklagte in öffentlicher Sitzung beraten und mehrheitlich abgelehnt hatte. Vor der Beratung der Tagesordnungspunkt in nichtöffentlicher Sitzung hatte der Kläger jeweils um eine Begründung des Magistrats gebeten, die der Stadtkämmerer zum Tagesordnungspunkte 37 (Sozialer Wohnungsbau) laut Protokoll mit folgenden Worten gab:

"Herr ..., über diese Frage haben wir in der letzten Legislaturperiode bereits gesprochen. Dass sie diese Frage jetzt wieder aufwerfen, um sich ihrer Fraktion als einen klugen zu präsentieren, verwundert mich nicht. Ich sage jetzt Folgendes und das gilt abschließend für die ganze Legislaturperiode: Ich halte es nicht für opportun, die Unterstützung der Stadt A-Stadt für sozialen Wohnungsbau für Baugenossenschaften oder insbesondere für die stadteigene Wohnbau, dass dies dem Wohnungsmarkt bekannt wird, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsgeheimnisses oben genannter Gesellschaften ,Stichwort Finanzierungen'."

Auf diese Begründung hatte sich der Stadtkämmerer zur Beantwortung entsprechender Fragen des Klägers zu den Tagesordnungspunkten 38, 39, 40 und 41, die jeweils Ausfallbürgschaften für die stadteigene Wohnbau A-Stadt GmbH betrafen, bezogen ("Dito"), ehe die Beklagte diesen Anträgen des Magistrats einstimmig zustimmte. Auch beim Tagesordnungspunkte 42, der eine Ausfallbürgschaft der Stadt A-Stadt zu Gunsten des Vereins zur Förderung der mathematischen Sammlung der dortigen Universität betraf, stimmte die Versammlung einstimmig zu, nachdem der Stadtkämmerer zur Begründung des Antrags auf Behandlung dieses Tagesordnungspunkt in nichtöffentlicher Sitzung Folgendes gesagt hatte:

"Für Herrn ... , es handelt sich quasi um ein Kreditgeschäft; nichtöffentlicher Teil."

Zu Tagesordnungspunkt 43 wurde die Magistratsvorlage ohne besondere Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit nach einer Äußerung des Stadtkämmerer zu den Folgen eines in dieser Sache beabsichtigten Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs in nichtöffentlicher Sitzung mehrheitlich angenommen.

Am 20. April 2007 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, durch die Behandlung der Tagesordnungspunkte 37 bis 42 in nichtöffentlicher Sitzung werde er in seinem Recht als Stadtverordneter beeinträchtigt. Die Beklagte hält die Klage für unzulässig, weil dem Kläger ein Organrecht auf öffentliche Beratungen nicht zustehe. Im übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil Gründe des Allgemeinwohls eine nichtöffentliche Beratung der Tagesordnungspunkte gefordert hätten, da diese vertraulich gewesen seien. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten, ihrer in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das die Klage als unzulässig abgewiesen hat, wird auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. Juli 2007 - 8 E 957/07 - Bezug genommen.

Seine von dem erkennenden Senat mit Beschluss vom 13. März 2008 - 8 UZ 1717/07 - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger mit am 11. April 2008 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. April 2008 begründet. Er ist der Ansicht, ihm stehe als einzelnem Stadtverordneten ein innerorganschaftliches subjektives Recht auf ordnungsgemäße Ausübung des nach § 52 HGO bestehenden Ermessens der Stadtverordnetenversammlung beim Ausschluss der Öffentlichkeit zu, aus dem sich auch eine Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO ergebe. Unter Bezugnahme auf entsprechende Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen vertritt er die Auffassung, diese folge auch daraus, dass die nichtöffentliche Beratung von Anträgen die gesetzliche Ausnahme sei und einer solchen Beratung eine vorherige Beschlussfassung über den Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorauszugehen habe. Zudem folge ein wehrfähiges subjektives Organrecht des einzelnen Stadtverordneten gegen Beschlüsse, mit denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werde, auch daraus, dass einzelne Stadtverordnete aufgrund der Behandlung einer Angelegenheit in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 HGO verpflichtet seien, in dieser Angelegenheit Verschwiegenheit zu wahren. Durch diese gleichsam automatische Einbeziehung einer Angelegenheit in die Verschwiegenheitspflicht gerate jeder Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit in Konflikt mit dem sonst gegebenen Recht des Stadtverordneten auf freie Mandatsausübung (§ 35 Abs. 1 HGO), dessen wesentliches Element die Befugnis sei, zu jeder Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft öffentliche Überzeugungsbildung innerhalb und außerhalb der Gemeindegremien zu betreiben. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 9. April 2008 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. Juli 2007 - 8 E 957/07 - aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger durch den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt A-Stadt am 6. Juli 2006 hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 37 bis 42 in seinem Recht auf freie Mandatsausübung verletzt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, dass die Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen, auf die sich der Kläger beziehe, im Gegensatz zur Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte stehe, die ein wehrfähiges organschaftliches Recht des einzelnen Gemeindevertreters auf öffentliche Beratung bestimmter Gegenstände stets verneint hätten. Das OVG Nordrhein-Westfalen habe das gegenteilige Ergebnis aus einer rigiden Auslegung des Verschwiegenheitsgebots hergeleitet, die für das hessische Recht nicht gelte. Die Verschwiegenheitspflicht aus § 24 Abs. 1 HGO gelte nur soweit, wie Gründe dafür bestehen, die Vertraulichkeit zu wahren. Es gebe auch keine spürbaren Sanktionen für eine Verletzung der Schweigepflicht, wo sie überhaupt bestehe. Das Risiko einer Verletzung der Schweigepflicht sei überschaubar, denn § 24a Abs. 2 HGO drohe lediglich ein Bußgeld in Höhe von maximal 1000,-- € an. Dieses Instrument werde im übrigen so gut wie gar nicht eingesetzt. Strafrechtliche Folgen habe eine etwaige Verletzung der Schweigepflicht für den Gemeindevertreter nicht. Im übrigen ist die Beklagte der Meinung, das vom Kläger reklamierte Recht zur Überzeugungsbildung in der Öffentlichkeit sei nicht Bestandteil seines Mandats als Stadtverordneter. Insofern bestünden Unterschiede in der Rechtsstellung von Abgeordneten von Bundestag oder Landesparlamenten und Gemeindevertretern, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Abgeordneten beim Ausschluss der Öffentlichkeit keine Verschwiegenheitspflicht treffe. Daraus folge, dass der Gemeindevertreter über die jedermann zustehende Meinungsfreiheit hinaus durch sein Mandat nicht zu bestimmten Meinungsäußerungen privilegiert sei. Zudem verbiete der Schutzzweck des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Sitzungen der Gemeindevertretung, dass der einzelne Gemeindevertreter daraus Rechte herleiten könne. Denn nach ständiger Rechtsprechung diene der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit allein dem öffentlichen Interesse an demokratischer Legitimation der Beschlüsse des Gremiums, seiner Kontrolle durch den Bürger und der bürgerschaftlichen Begleitung seiner Beratungen und Entscheidungen. Schließlich räume § 52 Abs. 1 HGO lediglich ein Recht ein, den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen. Daraus lasse sich allenfalls ein subjektives Recht auf Ausschluss der Öffentlichkeit herleiten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. Mai 2008 Bezug genommen.

Dem Senat liegt ein Hefter der Beklagten mit ihre Sitzung vom 6. Juli 3006 betreffenden Dokumenten vor. Diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung ist auch im übrigen zulässig, insbesondere ist sie nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses innerhalb eines Monats form- und fristgerecht begründet worden (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 3 VwGO).

Sie ist auch teilweise begründet, soweit der Kläger im vorliegenden Organstreitverfahren als die Entscheidung der Beklagten über den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Beratung von Tagesordnungspunkten angreift, bezüglich derer er selbst einen von der Beklagten abgelehnten Antrag auf öffentliche Behandlung dieser Punkte gestellt hatte; dies betrifft die Tagesordnungspunkte 37 und 42.

Bezüglich dieser Beratungsgegenstände kann die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts verneint werden, der Kläger habe als Stadtverordneter kein "wehrfähiges", d.h. ihn zur Klage befugendes Recht auf Einhaltung des Grundsatzes der öffentlichen Beratung und Beschlussfassung der Gemeindevertretung (§ 52 Abs. 1 S. 1 HGO). Zwar befindet sich das Verwaltungsgericht mit dieser Auffassung in Einklang mit der überwiegenden Zahl von Oberverwaltungsgerichten, die sich mit diesem Problem bislang in veröffentlichten Entscheidungen befasst haben (Bayer. VGH, B. vom 29. September 1988 - 4 C 88.1919 -, juris; VGH Baden-Württemberg, U. vom 24. Februar 1992 - 1 S 2242/91 -, DVBl. 1992, 981 = NVwZ-RR 1992, 373 = juris; OVG Rheinland-Pfalz, U. vom 13. Juni 1995 - 7 A 12186/94 - NVwZ-RR 1996, 685 = juris). Diese Ansicht erscheint jedoch angesichts der Gesetzeslage in Hessen, die mit denjenigen in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nur bedingt vergleichbar ist und eher der Rechtslage in Nordrhein-Westfalen ähnelt, nicht überzeugend. Deswegen teilt der Senat die Rechtsauffassung des OVG Nordrhein-Westfalen, dass es ein solches wehrfähiges Recht von Gemeindevertretern unter bestimmten Umständen geben müsse (OVG Nordrhein-Westfalen, U. vom 24. April 2001 - 15 A 3021/97 - DVBl. 2001, 1281 = NVwZ-RR 2002, 135 = juris). Zur Begründung dieses Urteils wurde unter anderem ausgeführt (juris Rnrn. S. 7 ff.):

"Der Klägerin... steht als Ratsmitglied ein eigenes wehrfähiges subjektives Organrecht auf Wahrung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit in § 48 Abs. 2 S. 1 GO durch den Bürgermeister und durch den Rat zu. Insofern hält der Senat entgegen vielfach geübter Kritik für das nordrhein-westfälische Gemeinderecht an seiner früheren Rechtsprechung fest ...

Einschlägige innerorganisatorische Norm, auf deren Auslegung es für die hier zu erörternde Frage nach subjektiven Organrechten auf Einhaltung der Sitzungsöffentlichkeit ankommt, ist § 48 Abs. 2 GO ..., der die Öffentlichkeit von Ratssitzungen regelt ...

Aus einer an Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und dem Zweck der genannten Vorschrift orientierten Auslegung ergibt sich, dass der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit zumindest auch den Ratsmitgliedern als wehrfähiges subjektives Organrecht zugewiesen ist. Nach § 48 Abs. 2 S. 1 GO sind die Sitzungen des Rates öffentlich. Durch die Geschäftsordnung kann die Öffentlichkeit für Angelegenheiten einer bestimmten Art ausgeschlossen werden (§ 48 Abs. 2 S. 2 GO). Auf Antrag des Bürgermeisters oder eines Ratsmitglieds kann für einzelne Angelegenheiten die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden (§ 48 Abs. 2 S. 3 GO). Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit dürfen nur in nichtöffentlicher Sitzung begründet und beraten werden (§ 48 Abs. 2 S. 4 GO).

Maßgeblicher Auslegungsgesichtspunkt für den Senat ist die Systematik der Gemeindeordnung: Belegt schon das Antragsrecht des Ratsmitglieds aus § 48 Abs. 2 S. 3 GO, dass subjektive Organrechte im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit auch Ratsmitgliedern zustehen, so kommt entscheidend hinzu, dass die Behandlung einer Angelegenheit in nichtöffentlicher Sitzung das Ratsmitglied verpflichtet, über diese Angelegenheit nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 S. 1 GO Verschwiegenheit zu wahren. Denn als Angelegenheiten, deren Geheimhaltung im Sinne des § 30 Abs. 1 S. 1 GO vom Rat beschlossen wurde, gelten nach nahezu übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur diejenigen Angelegenheiten, die auch ohne ausdrücklichen Ratsbeschluss in nichtöffentlicher Sitzung beraten werden...

Durch diese gleichsam automatische Einbeziehung in die Verschwiegenheitspflicht gerät jeder Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit notwendig in Konflikt mit dem sonst gegebenen Recht des Ratsmitglieds auf freie Mandatsausübung (§ 43 Abs. 1 GO), dessen wesentliches Element die Befugnis ist, zu jeder Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft öffentliche Überzeugungsbildung innerhalb und außerhalb der Ratsgremien zu betreiben. Berät der Rat eine Angelegenheit in nichtöffentlicher Sitzung, so liegt darin zugleich eine Einschränkung des Mandatsausübungsrechts, die das Ratsmitglied nur dann hinzunehmen hat, wenn die gesetzlichen oder geschäftsordnungsrechtlichen Voraussetzungen für eine derartige Verfahrensweise gegeben sind."

Diese Auslegung ist auf das hessische Gemeinderecht übertragbar. Zwar fehlt es in § 52 HGO an einem ausdrücklich normierten Antragsrecht einzelner Gemeindevertreter und ist die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit - wie in Nordrhein-Westfalen - auf "einzelne Angelegenheiten" beschränkt, ohne dass - wie in Nordrhein-Westfalen - zu einer gattungsmäßigen Festlegung der Ausschlussgründe für bestimmte Arten von Beratungsgegenständen durch die Geschäftsordnung ermächtigt wird. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte hier über die Frage, ob die betroffenen Beratungsgegenstände in öffentlicher Sitzung beraten werden sollen, auf Antrag einzelner beraten und entschieden hat, ist aber davon auszugehen, dass jedenfalls bei der Beklagten von einem Antragsrecht einzelner in dieser Hinsicht schon damals ausgegangen wurde, was auch § 25 Abs. 1 der damals geltenden Geschäftsordnung der Beklagten vom 10. Mai 2001 entsprach.

Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung kann dem Kläger das Feststellungsinteresse für seine Klage nicht mit der Erwägung abgesprochen werden, dass die von seinen Anträgen auf Behandlung in öffentlicher Sitzung betroffenen Sachanträge laut Protokoll der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung einstimmig, das heißt auch mit seinen Stimmen gefasst worden sind. Denn das vom Gesetzgeber als Normalfall unterstellte öffentliche Interesse an öffentlicher Beratung eines Gegenstandes durch eine Gemeindevertretung besteht unabhängig davon, ob sich die Gemeindevertreter in der Sache einig sind oder kontrovers diskutieren möchten; auch die Auswirkungen auf die spätere Schweigepflicht der Gemeindevertreter ist bei Beratungen und Beschlüssen in nichtöffentlicher Sitzung unabhängig vom Beratungsergebnis.

Dem Kläger ist darin zuzustimmen, dass er durch die mit einer nichtöffentlichen Beratung von Gegenständen durch die Beklagte verbundene Geheimhaltungspflicht im Rahmen seiner Schweigepflicht (§§ 24 Abs. 1. 35 Abs. 2 S. 1 HGO) in seinem Recht auf freie Mandatsausübung (§ 35 Abs. 1 HGO) tangiert ist. Nach einhelliger Auffassung verpflichtet die Beratung der Gemeindevertretung in nichtöffentlicher Sitzung der Gemeindevertretung zum Stillschweigen über im Rahmen dieser Beratung erlangte Kenntnisse (vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., juris Rdnr. 11 f.) und hindert den Gemeindevertreter, dieses Wissen im Rahmen seiner kommunalpolitischen Tätigkeit in und außerhalb der Gemeindevertretung - jedenfalls soweit dieses Organ öffentlich berät - zu verwerten. Deshalb ist der Gemeindevertreter durch den Ausschluss der Öffentlichkeit in seiner organschaftlichen Sonderstellung und nicht nur in seinem jedem Bürger zustehenden und als solches nicht wehrfähigen Recht betroffen, sich über die Tätigkeit der Gemeindevertretung durch Teilnahme an ihren Beratungen unmittelbar zu informieren. Von einer Popularklage, die das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung und unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung gesehen hat, kann deshalb hier keine Rede sein (vgl. hierzu auch Foerstemann, Die Gemeindeorgane in Hessen, 6. Aufl., S. 106 Rdnr. 13).

Soweit das Verwaltungsgericht bereits aus dem Wortlaut des § 52 HGO herleiten will, dass ein subjektiv-öffentliches Recht des Gemeindevertreters auf Bewirkung der Öffentlichkeit einer Sitzung nicht bestehe (Seite 5 des Urteilsabdrucks), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Vorschrift schreibt als Grundsatz die öffentliche Beratung sämtlicher Gegenstände vor, soweit nicht für einzelne Angelegenheiten die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird (Satz 2). Daraus lässt sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht herleiten, dass nur die Gemeindevertretung als ganzes durch die Bestimmung berechtigt und verpflichtet werden soll. Auch die vom Verwaltungsgericht herangezogene ratio legis, durch Sitzungsöffentlichkeit das Interesse der Bürgerschaft an der Selbstverwaltung zu wecken und zu unterhalten sowie die Anteilnahme der Bevölkerung an der Arbeit der Vertretungskörperschaft zu fördern, schließt nicht aus, die besondere Betroffenheit von Mandatsträger durch den Ausschluss der Öffentlichkeit für einzelne Beratungsgegenstände auch prozessual zu privilegieren. Da das freie Mandat von Mitgliedern der Gemeindevertretung durch § 35 Abs. 1 HGO ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, bedarf es keiner näheren Erörterung, ob ohne eine solche spezialgesetzliche Regelung die Einbeziehung dieser rechtlichen Sonderstellung in die Überlegungen zur Zulässigkeit eines organschaftlichen Innenrechtsstreits zulässig wäre. Das gesetzlich geschützte freie Mandat des Gemeindevertreters erschöpft sich nicht in der Teilnahme an den Plenarsitzungen der Gemeindevertretung; sie umfasst auch die Teilnahme an den Sitzungen der Ausschüsse und der Fraktionen dieses Gemeindeorgans sowie den Besuch auf das Mandat bezogener Fortbildungsveranstaltungen und die Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben (Schneider/Dreßler/Lüll, Hessische Gemeindeordnung, Stand: Juli 2007, Anmerkung 2.4 zu §§ 35 ff. HGO m.w.N.). Ob darüber hinaus auch die Arbeit der Gemeindevertreter in Parteien und Wählergemeinschaften vom gesetzlichen Schutz der freien Mandatsausübung umfasst wird (so OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., juris Rdnr. 13), ist für das hessische Kommunalverfassungsrecht umstritten und kann hier offen bleiben, weil die für die Klagebefugnis erforderliche Beeinträchtigung des Rechts auf freie Mandatsausübung schon dadurch gegeben ist, dass der Kläger aufgrund der Beratung bestimmter Gegenstände in nichtöffentlicher Sitzung gehindert ist, künftig in (öffentlichen) Sitzungen des Plenums oder der Ausschüsse der Stadtverordnetenversammlung und selbst in seiner Fraktion sein Tatsachenwissen über die Angelegenheiten, das er während der nichtöffentlichen Beratung erworben hat, politisch zu verwerten. Die damit einhergehende Beschränkung der Mandatsausübung ist auch nicht völlig unerheblich, denn der von der Beklagten hier - offenbar routinemäßig - praktizierte Ausschluss der Öffentlichkeit betrifft flächendeckend ein wesentliches Feld der kommunalen Selbstverwaltung, nämlich die Beteiligung der Stadt A-Stadt am sozialen Wohnungsbau, ein die Öffentlichkeit selbstverständlich und legitimer Weise interessierendes Tätigkeitsfeld der Kommune. Die protokollierte Begründung des Stadtkämmerers zum Antrag auf nichtöffentliche Behandlung des Tagesordnungspunkts 37 in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 6. Juli 2006 verdeutlicht, dass nach dem Konzept des damaligen Magistrats die gesamte Betätigung der Stadt im sozialen Wohnungsbau vor "dem Wohnungsmarkt" und damit vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden sollte, was der in § 52 Abs. 1 HGO zum Ausdruck gekommenen Gewichtung der für und gegen eine öffentliche Behandlung bestimmter Sachthemen bzw. für einen Ausschluss der Öffentlichkeit "im Einzelfall" sprechenden Gesichtspunkte widerspricht.

Dass Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit im Regelfall in nichtöffentlicher Sitzung begründet, beraten und entschieden werden müssen (§ 52 Abs. 1 S. 3 HGO), was die Beklagte hier gänzlich missachtet hat, weckt keine Zweifel daran, dass die vorliegende Klage zulässig ist. Soweit vertreten wird, dass die mögliche öffentliche Verhandlung der in nichtöffentlicher Sitzung beratenen Gegenstände einer Gemeinderatssitzung vor Gericht deren Geheimhaltungsbedürftigkeit verletzen könnte (VGH Baden-Württemberg, a.a.O., juris Rdnr. 16), überzeugt dies nicht, weil auch im gerichtlichen Verfahren durch das Verwaltungsprozessrecht in Verbindung mit den Vorschriften über den Ausschluss der Öffentlichkeit nach den §§ 171b, 172 GVG hinreichende Möglichkeiten gegeben sind, einer etwaigen Geheimhaltungsbedürftigkeit der beratenen Gegenstände Rechnung zu tragen (OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., juris Rdnrn. 18 ff.).

Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung geltend gemacht hat, die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nach § 24 Abs. 1 HGO sei nur maßvoll sanktioniert (§ 24a HGO), zudem werde diese Bestimmung fast gar nicht angewendet, kann dem Kläger selbstverständlich nicht angesonnen werden, statt der Fortsetzung der vorliegenden gerichtlichen Auseinandersetzung über die Öffentlichkeit von Beratungen der Gemeindevertretung Ordnungswidrigkeiten zu begehen, um die Folgen eines Eingriffs in sein Recht auf freie Mandatsausübung zu mildern. Dass die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber ein entsprechendes Verhalten von Mandatsträger in besonderer Weise missbilligt. Deswegen würde der Kläger auch seine Reputation in der Öffentlichkeit gefährden, wenn er die - von dem OVG Rheinland-Pfalz (a.a.O.) allerdings als ultima ratio erwogene - "Flucht in die Öffentlichkeit" antreten würde.

Mithin steht dem Kläger die Klagebefugnis zu, soweit er selbst durch eigene Anträge in der Sitzung der Beklagten am 6. Juli 2006 versucht hat, auf eine öffentliche Beratung bestimmter Tagesordnungspunkte hinzuwirken. Im übrigen - dies betrifft die Tagesordnungspunkte 38 bis 40 und 43 - fehlt ihm das Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO), weil er seinerseits nicht alles getan hat, um auf einfachere Weise eine öffentliche Beratung und Beschlussfassung zu erreichen. Insoweit ist die in erster Instanz erfolgte Klageabweisung daher durch Zurückweisung der Berufung des Klägers zu bestätigen.

Mit der getroffenen Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der im Eilverfahren gleichen Rubrums getroffenen Eilentscheidung mit Beschluss vom 10. Mai 2005 - 8 TG 1268/05 -, mit dem eine Beschwerde des Klägers im Verfahren auf - vorbeugenden - einstweiligen Rechtschutz zurückgewiesen worden ist. Der Senat hat damals die im erstinstanzlichen Beschluss ausführlich begründete Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe kein wehrfähiges Recht auf Herstellung der Öffentlichkeit, nur deshalb nicht in Frage gestellt, weil sich der Kläger damals als Antragsteller in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt hatte (§ 146 Abs. 4 S. 3 und 6 VwGO).

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet, so dass der Berufung insoweit stattzugeben ist.

Abgesehen von dem Verfahrensfehler, die darin zu sehen ist, dass über die Anträge des Magistrats auf Ausschluss der Öffentlichkeit, die möglicherweise in den im Kopf der jeweiligen Beschlussvorlagen enthaltenen Bemerkungen "Öffentlichkeitsstatus: Nicht öffentlich" zu sehen sein könnten und die inhaltlich weder in den Beschlussvorlagen noch in der Beratung begründet worden sind, entgegen § 52 Abs. 1 S. 3 HGO in öffentlicher Sitzung beraten und entschieden worden ist, kann nicht festgestellt werden, ob die erforderliche Ermessensentscheidung der Stadtverordnetenversammlung über den Ausschluss der Öffentlichkeit (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll, a.a.O., Anmerkung 2 zu § 52 m.w.N.) in Bezug auf die jeweiligen Einzelfälle getroffen worden ist, weil für die Entscheidungen die erforderliche Begründung der Beklagten als Organ fehlt. Da eine inhaltliche Begründung für den Ausschluss der Öffentlichkeit in den Beschlussvorlagen nicht vorhanden war, kann auch nicht unterstellt werden, dass die Beklagte einer - ihr gar nicht ordnungsgemäß bekannt gegebenen - Auffassung des Magistrats gefolgt sein könnte. Eine Befassung der Beklagten mit den vom Gesetzgeber gar nicht vorgesehenen und bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang auch nicht notwendigen - vgl. § 52 Abs. 1 S. 3 HGO, der Anträge "auf Ausschluss der Öffentlichkeit" als Beschlussgegenstand vorsieht - Anträgen auf Beratung bestimmter Tagesordnungspunkte in öffentlicher Sitzung kann im Einzelfall auch deshalb nicht festgestellt werden, weil über sämtliche Anträge dieser Art in einem Beschluss befunden worden ist, obgleich die betroffenen Beratungsgegenstände durchaus unterschiedlicher Natur waren.

Ob diese Verfahrensweise der Beklagten mit § 12 ihrer derzeit geltenden Geschäftsordnung vom 10. Mai 2007 vereinbar wäre, kann dahinstehen, da diese Geschäftsordnung damals noch nicht galt und die hier noch anzuwendende Geschäftsordnung vom 10. Mai 2001 keine eigene Regelung über die Öffentlichkeit der Plenarsitzungen, wohl aber in § 22 eine weit gehend an § 52 HGO orientierte Regelung über die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen enthielt. Offen bleiben muss deshalb auch, ob § 12 der derzeitigen Geschäftsordnung der Beklagten, der das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit dadurch umgeht, dass er den in § 52 Abs. 1 S. 2 HGO vorgesehenen, im Einzelfall zu fassenden Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit per Fiktion durch einen in § 58 Abs. 5 HGO nicht vorgesehenen Beschluss über die Annahme der Tagesordnung mit zur Beratung in nichtöffentlicher Sitzung vorgesehenen Gegenständen ersetzt, mit § 52 Abs. 1 HGO vereinbar ist.

Die im Rahmen der Sachberatung der betroffenen Magistratsvorlagen in nichtöffentlicher Sitzung gegebenen Begründungen des Stadtkämmerers für den von ihm für angebracht gehaltenen Ausschluss der Öffentlichkeit können zur rechtlichen Beurteilung der vorher ergangenen Beschlüsse der Beklagten über den Ausschluss der Öffentlichkeit nicht herangezogen werden, weil sie der Beklagten bei ihrer Beschlussfassung über die "Anträge, die Tagesordnungspunkte 36 bis 42 [später: 37 bis 43] in öffentlicher Sitzung zu behandeln", nicht bekannt waren. Im übrigen waren diese Begründungen nichtssagend, nicht auf den Einzelfall bezogen und inhaltlich kaum nachvollziehbar, weil offenkundig kein öffentliches Interesse daran besteht, der Öffentlichkeit Informationen über Projekte des sozialen Wohnungsbaus oder die Übernahme städtischer Ausfallbürgschaften zugunsten einer mathematischen Sammlung der Universität generell vorzuenthalten, worauf die vom Stadtkämmerer gegebenen Begründungen jedoch letztlich hinauslaufen. Dass in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Magistratsvorlagen in Wahrheit kein Geheimhaltungsbedürfnis bestanden haben dürfte, wird nicht zuletzt durch das eigene Vorbringen der Beklagten zur konkreten Geheimhaltungspflicht der an der nichtöffentlichen Beratung mitwirkenden Stadtverordneten (§ 24 Abs. 1 HGO) bestätigt. Indem die Beklagte Zweifel daran geäußert hat, dass die Beratungsgegenstände der Natur der Sache nach der Geheimhaltung bedurften, hat sie zugleich den Grund für ihre Beratung in nichtöffentlicher Sitzung in Abrede gestellt.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits sind verhältnismäßig zu teilen (§ 155 Abs. 1 VwGO). Danach sind die Kosten dem Kläger zu zwei Dritteln aufzuerlegen, weil er nur bezüglich zweier von sechs geltend gemachten Beratungsgegenständen obsiegt. Die übrigen Kosten hat die Beklagte zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis des Klägers ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe fehlen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 in i.V.m. § 137 Abs. 1 VwGO, weil die unterschiedliche Rechtsprechung verschiedenen Oberverwaltungsgerichte zum Ausschluss der Öffentlichkeit wesentlich auf unterschiedlichen landesrechtlichen Regelung beruht.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Instanzen unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung auf jeweils 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Senat folgt, seiner ständigen Rechtsprechung entsprechend, den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) und setzt den Streitwert für die zweite Instanz auf 10.000,00 € fest (Ziff. 22.7 Kommunalverfassungsstreit); für den ersten Rechtszug macht der Senat von seiner Abänderungsbefugnis Gebrauch und setzt den Streitwert auf den selben Betrag fest (§§ 47 Abs. 1 und 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 66 Abs. 3, 68 Abs. 1 S. 5 GKG).

Ende der Entscheidung

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