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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.06.2009
Aktenzeichen: 8 B 1034/09
Rechtsgebiete: HSOG, HundeVO


Vorschriften:

HSOG § 11
HundeVO § 1 Abs. 1 S. 1
HundeVO § 16 Abs. 1
1. Aus § 16 Abs. 1 der hessischen Hundeverordnung ergibt sich eine umfassende Aufgabenzuweisung an die Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörden für den gesamten Bereich des Haltens und Führens von Hunden zum Zweck des Schutzes Dritter gegen dadurch hervorgerufene Gefahren.

2. Eine generelle Untersagung der Hundehaltung kann auf § 11 HSOG gestützt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass beim Halten und Führen von Hunden durch eine Person gegen das Gebot des § 1 Abs. 1 Satz 1 HundeVO verstoßen wird, wonach Hunde so zu halten und zu führen sind, dass von ihnen keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

8 B 1034/09

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Polizeirechts/Hundeverordnung/generelle Untersagung der Hundehaltung/Behördenzuständigkeit

hier: Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richterin am Hess. VGH Dr. Lambrecht,

am 29. Juni 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 17. März 2009 - 4 L 207/09.KS - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 147 Abs. 1 und § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO form- und fristgerecht am 30. März 2009 beim Verwaltungsgericht eingelegte und am 9. April 2009 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof begründete Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr am 18. März 2009 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 17. März 2009 hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die frist- und formgerecht dargelegten Gründe des Beschwerdeführers, so dass es im Beschwerdeverfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu einer Amtsermittlung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nur insoweit kommt, wie die den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Darlegung dazu Anlass gibt.

Die Beschwerdebegründung muss danach neben einem bestimmten Antrag die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung so auseinandersetzen, dass tragende Erwägungen des Verwaltungsgerichts in Anlehnung an die Darlegungsvoraussetzungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass die Richtigkeit des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nach der im vorliegenden Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung erfolgreich in Zweifel gezogen wird.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin vom 7. April 2009 nicht gerecht, weil ihre Einwände gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Bescheid des Gemeindevorstands der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2009 über die "Dauerhafte Untersagung der Hundehaltung" sei von der sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden, teilweise nicht schlüssig und teilweise nicht überzeugend sind.

Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung damit begründet, dass die hessische "Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden" vom 22. Januar 2003 (GVBl. I S. 54) - HundeVO - das Halten und Führen von Hunden ganz allgemein - und nicht nur von gefährlichen Hunden - regele, wie schon der Titel der Verordnung, insbesondere aber die Regelung in § 1 Abs. 1 HundeVO zeige, der ein allgemeines Gebot zum Umgang mit Hunden enthalte, die danach so zu halten und zu führen sind, dass von ihnen keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht. Deshalb ergebe sich aus § 16 HundeVO eine umfassende Aufgabenzuweisung an den Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörde für den gesamten Bereich des Haltens und Führens von Hunden zum Zwecke des Schutzes Dritter gegen dadurch hervorgerufene Gefahren. Daran ändere der Umstand nichts, dass die Hundeverordnung keine umfassende Zuweisung von Befugnissen enthalte, weil die in der Verordnung geregelten einzelnen Befugnisnormen keine abschließende Regelung darstellten und deshalb die Vorschriften des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.d.F. vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14) - HSOG - und damit auch die "Generalklausel" in § 11 HSOG ergänzend heranzuziehen seien. Ein solcher Rückgriff auf die Befugnisnormen des HSOG ändere deshalb nichts an der umfassenden Zuständigkeit der Bürgermeister gemäß § 16 HSOG im Bereich des Schutzes vor Gefahren, die sich aus dem Halten und Führen von Hunden ergeben. Obwohl in der Hundeverordnung selbst in § 1 Abs. 4 HundeVO nur die dauerhafte Untersagung des Halten und Führens eines bestimmten Hundes geregelt sei, könne die Untersagung der Haltung jedweden Hundes - wie sie Gegenstand des angefochtenen Bescheides vom 17. Februar 2009 sei - ihre Rechtsgrundlage grundsätzlich in § 11 HSOG finden, wenn die konkrete Gefahr bestehe, dass beim Halten und Führen von Hunden durch eine Person gegen das Gebot des § 1 Abs. 1 HundeVO verstoßen werde und es sich dabei um eine erforderliche Maßnahme i.S.v. § 11 HSOG handele; auch in diesem Fall des Rückgriffs auf die Generalklausel des § 11 HSOG verbleibe es bei der in der Hundeverordnung geregelten behördlichen Zuständigkeit (vgl. insbesondere Seite 4 unten und Seite 5 oben der Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses).

Danach ist der auf Seite 4 ihrer Beschwerdebegründung vom 7. April 2009 erhobene Einwand der Antragsgegnerin schon nicht schlüssig, dass § 16 Abs. 1 HundeVO nach Ansicht des Verwaltungsgerichts auch für eine "isolierte" Heranziehung des § 11 HSOG, also in Fällen gelten solle, in denen die Hundeverordnung überhaupt nicht "zum Zuge kommt"; dies sei nicht richtig, weil der Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörde auch nach Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nur für den Erlass solcher Verfügungen zuständig sei, die unmittelbar (§ 1 Abs. 4 HundeVO, § 14 HundeVO) oder mittelbar (§ 11 HSOG i.V.m. § 1 Abs. 1 HundeVO) auf die Hundeverordnung zielten. Das entspricht auch der in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach die Zuständigkeitsregelung des § 16 Abs. 1 HundeVO für den Erlass von Verfügungen aufgrund des § 11 HSOG i.V.m. einer verletzten Gebots- oder Verbotsnorm der Hundeverordnung ("unselbständige" Verfügung) gilt (vgl. Pöhlker, in Pöhlker/Hoja, Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden, 5. Aufl., Stand: Oktober 2008, Erl. zu § 16 HundeVO).

Gerade den Fall einer sog. unselbständigen Verfügung hat hier aber das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, auch wenn der angefochtene Bescheid vom 17. Februar 2009 ausdrücklich nur § 11 HSOG als Ermächtigungsgrundlage benennt. In der Sache ist der Bescheid aber gerade mit Verstößen des Antragstellers gegen Verpflichtungen aus der Hundeverordnung begründet, insbesondere auch damit, dass sein Verhalten als Hundehalter die näher beschriebenen Gefahren ursächlich verursacht und er danach nicht in der Lage ist, seine Hunde in der Weise zu halten, dass diese keine Gefahr für andere Personen darstellen. Sein Verhalten gebe im Gegenteil Anlass zu der Feststellung, dass er andere Menschen ganz bewusst und vorsätzlich einer Gefährdung durch seine Hunde aussetze und Anordnungen der Ordnungsbehörde ignoriere. Damit wird in der Sache ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 HundeVO begründet, ohne dass diese Vorschrift zitiert würde (vgl. insbesondere Seite 3 des angefochtenen Bescheides). Ausdrücklich wird u.a. in dem Bescheid noch ausgeführt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung allein schon deshalb gegeben sei, weil der Antragsteller anhaltend und fortwährend gegen die oben genannten Verpflichtungen aus der Hundeverordnung verstoße (vgl. Seite 4 unten des Bescheides).

Der auf Seite 2 unten und Seite 3 in der Mitte der Beschwerdebegründung weiter erhobene Einwand, § 1 Abs. 1 HundeVO - i.V.m. § 11 HSOG - biete keine Ermächtigung zur Untersagung jedweder Hundehaltung, so dass der Gemeindevorstand diese ausschließlich auf § 11 HSOG gestützt habe, ist schon nach der Begründung des Bescheides nicht überzeugend. Auch vom rechtlichen Ansatz her wird bei diesem Vorbringen nicht hinreichend berücksichtigt, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 HundeVO zwar keine Ermächtigung für eine solche Untersagung, wohl aber das Gebot enthält, Hunde so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht, so dass ein Verstoß gegen diese Vorschrift eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gemäß § 11 HSOG darstellen kann, wenn - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - insoweit eine konkrete Gefahr besteht.

Die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, dass die dauerhafte Untersagung der Hundehaltung nur dann von der gemäß § 16 Abs. 1 HundeVO zuständigen örtlichen Ordnungsbehörde zu erlassen ist, wenn sie gemäß § 1 Abs. 4 HundeVO auf einen bestimmten Hund bezogen ist, dagegen aber von der allgemeinen Verwaltungsbehörde, wenn sie sich - wie hier - auf "jedwelche" Hunde bezieht (bei deren Haltung gegen § 1 Abs. 1 HundeVO verstoßen wird), würde zudem zu sachwidrigen Ergebnissen führen. In den Hinweisen für die Durchführung der Hundeverordnung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 16. März 2009 ist nämlich zu § 16 ausgeführt, es sei zweckmäßig, die Zuständigkeit für die von Hunden ausgehenden Gefahren in einer Behörde zusammenzufassen (vgl. StAnz 2009 S. 824 [830]). Nach der Auffassung der Antragsgegnerin hätte es dagegen der Hundehalter in der Hand, durch eine gegen § 15 HundeVO verstoßende Weigerung, Anzahl, Namen, Rasse und Abstammung der von ihm gehaltenen Hunde mitzuteilen, die Zuständigkeit der Behörde und damit auch etwa die Anwendbarkeit der anzuwendenden Vollstreckungsvorschriften (einerseits §§ 47 ff. HSOG und andererseits das Hessische Verwaltungsvollstreckungsgesetz) zu bestimmen.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist danach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und folgt den Empfehlungen in Nr. 1.5 und Nr. 35.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand: 7/2004 (NVwZ 2004 S. 1327 ff.), wonach für ein Verfahren gegen eine Anordnung gegen einen Tierhalter der Auffangwert von 5.000,00 € zugrunde zu legen und wegen des vorläufigen Charakters des vorliegenden Verfahrens zu halbieren ist.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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