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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 8 B 2037/08
Rechtsgebiete: HGO


Vorschriften:

HGO § 125
HGO § 58 Abs 5
HGO § 66 Abs 1
HGO § 9
1. Auch nach Anfügung des Satzes 3 an § 58 Abs. 5 HGO durch das Änderungsgesetz vom 20. Mai 1992 besteht nach wie vor eine Prüfungskompetenz der/des Vorsitzenden der Gemeindevertretung, ob ein beantragter Tagesordnungspunkt in die Zuständigkeit der Gemeindevertretung oder eines anderen Organs der Gemeinde fällt.

2. Ein bloßer unverbindlicher "Appellbeschluss" der Gemeindevertretung bewirkt auch im originären Zuständigkeitsbereich des Gemeindevorstands - anders als ein verbindlicher Handlungsauftrag - keine Kompetenzüberschreitung.

3. Die besondere Kompetenzzuweisung an den Gemeindevorstand gemäß § 125 HGO beschränkt sich als Sonderfall der allgemeinen Grundsätze der Außenvertretung der Gemeinde gemäß § 71 HGO auf die Art und Weise der Wahrnehmung der gemeindlichen Außenvertretung in ihren Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften, erstreckt sich aber nicht auf die Ziele und Inhalte der gemeindlichen Geschäftspolitik, über die im Innenverhältnis nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen entschieden wird.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

8 B 2037/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalrechts/Tagesordnung einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung

hier: Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richterin am Hess. VGH Dr. Lambrecht

am 24. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 19. September 2008 - 3 L 1018/08.WI(V) - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf jeweils 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen, die Landeshauptstadt A-Stadt und zwei ihrer Mitglieder, begehren im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Stadtverordnetenvorsteherin, ihren am 17. September 2008 eingereichten Antrag "Kohlekraftwerk Ingelheimer Aue - stoppen und KMW neu aufstellen" auf die Tagesordnung der Stadtversammlung am 25. September 2008 zu setzen.

Die Landeshauptstadt A-Stadt ist Eigentümerin der Wiesbadener Versorgungs- und Verkehrsholding GmbH, die mit 50,64 % an der ESWE Versorgungs AG beteiligt ist, die wiederum 50 % der Kraftwerke Mainz-A-Stadt AG (KMW AG) hält.

Nachdem sich die Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt u. a. mit Beschluss vom 13. März 2008 gegen den von der KMW AG geplanten Bau eines Kohlekraftwerks auf der Ingelheimer Aue ausgesprochen hatte, soll nach dem nunmehr von den Antragstellerinnen eingereichten Antrag der Magistrat durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung u. a. beauftragt werden, über die Vertreter der Stadt in Organen/Aufsichtsräten der Energieunternehmen einen sofortigen Stopp aller Planaktivitäten zum Bau des Kohlekraftwerks zu erwirken, den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids zurückzunehmen und bestimmte Grundsätze für die Energiewirtschaft der KMW AG in deren Satzung zu verankern.

Mit Schreiben vom 18. September 2008 lehnte die Antragsgegnerin es ab, den Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, weil er durch genaue Vorgaben an den Magistrat darauf ziele, letztlich auf die Geschäftspolitik der KMW AG in bestimmter Weise einzuwirken, obwohl das in § 125 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) niedergelegte Weisungsrecht des Magistrats gegenüber seinen Vertretern in Gesellschaften eine Kompetenzzuweisung an den Magistrat in den Angelegenheiten städtischer Gesellschaften darstelle und eine Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung deshalb nicht gegeben sei. Auch aus § 58 Abs. 5 Satz 3 HGO folge nicht, dass sie gehindert sei, kompetenzwidrige Anträge abzulehnen. Sie wolle der Tendenz entgegenwirken, dass sich die Stadtverordnetenversammlung mit Anträgen befasse, die klar und eindeutig in die alleinige Kompetenz des Magistrats fielen.

Einem von den Antragstellerinnen am 18. September 2008 gestellten Antrag entsprechend hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 19. September 2008 - 3 L 1018/08.WI(V) - im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, den Antrag der Antragstellerinnen vom 16. September 2008 mit dem Betreff "Kohlekraftwerk Ingelheimer Aue" auf die Tagesordnung für die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 25. September 2008 zu setzen, notfalls unter Abkürzung der Ladungsfrist.

Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, den Antragstellerinnen stehe ein Anspruch auf Behandlung des genannten Tagesordnungspunktes auf der kommenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung nach § 58 Abs. 5 HGO zu. Nach § 58 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 HGO habe die Antragsgegnerin dabei lediglich zu prüfen, ob der zur Verhandlung zu stellende Gegenstand in die Zuständigkeit der Gemeindevertretung oder aber in die eines anderen Organs der Gemeinde falle. Zwar befasse sich der eingereichte Antrag mit dem Verhalten von Magistratsmitgliedern in den Gremien der ESWE AG bzw. der KMW AG und mache diesen entsprechende Vorgaben. Das stehe der Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung jedoch nicht entgegen, die nach dem Antrag der Antragstellerinnen den Magistrat zu einem bestimmten Verhalten in aus ihrer Sicht wesentlichen Entscheidungsfindungsprozessen aufrufen solle. Bei dem Bau des Kohlekraftwerkes handele es sich um eine Frage wesentlicher Bedeutung. Es liege deshalb in der originären Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung, im Namen der von ihr vertretenen Wählerschaft ihre politische Willensäußerung auch hinsichtlich des Verhaltens von Magistratsmitgliedern innerhalb der Gremien von Tochtergesellschaften der Stadt zum Ausdruck zu bringen. Dem stehe die Regelung des § 125 HGO nicht entgegen, insbesondere dürfte gegenüber den dortigen Vertretern der Stadt A-Stadt kein Weisungsrecht bestehen, da insoweit § 125 Abs. 1 Satz 4 HGO klarstelle, dass die Vorschriften des Gesellschaftsrechts insoweit unberührt blieben und daher auch zu beachten seien. Dies schließe jedoch keineswegs aus, dass eine Volksvertretung seiner "Stadtregierung" gegenüber eine eindeutige Haltung zeige und auch eine - politische - Handlungsvorgabe mache.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 22. September 2008 mit der Begründung Beschwerde eingelegt, dass die Stadtverordnetenversammlung zwar befugt sei, den Magistrat im Wege einer "politischen Willensäußerung" zu einem bestimmten Verhalten in einem aus ihrer Sicht wesentlichen Entscheidungsfindungsprozess aufzurufen. Der Antrag der Antragstellerinnen spreche aber wörtlich davon, dass der Magistrat "beauftragt" werden solle, auf die dort näher bezeichneten Gesellschaften in bestimmter Weise einzuwirken. Der so formulierte Antrag enthalte eine verbindliche Aufforderung an den Magistrat, die dieser nach § 66 Abs. 1 Nr. 2 HGO auszuführen hätte, die ihm also keinen Handlungsspielraum mehr lasse. Es gehe deshalb nicht um einen sog. unverbindlichen "Appellbeschluss", sondern um einen verbindlichen Handlungsauftrag. Ihr stehe zwar kein inhaltliches Prüfungsrecht zu, sie müsse aber prüfen, ob ein Antragsgegenstand in die Kompetenz der Stadtverordnetenversammlung oder des Magistrats falle.

Dem halten die Antragstellerinnen u. a. entgegen, eine Prüfungskompetenz der Antragsgegnerin lasse sich aus § 58 Abs. 5 HGO allenfalls für den Fall des § 56 Abs. 1 Satz 2 HGO herleiten, nicht aber für eine reguläre Sitzung der Stadtverordnetenversammlung. Im Übrigen könne der Magistrat der Vollziehung eines rechtswidrigen Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung gegebenenfalls im Wege der nachträglichen Rechtskontrolle gemäß § 63 Abs. 4 HGO begegnen. Schließlich habe sich die Stadtverordnetenversammlung seit Anfang 2007 insgesamt mindestens fünf Mal mit dem projektierten Kohlekraftwerk in der Ingelheimer Aue beschäftigt und hierzu auch Beschlüsse gefasst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Streitakte verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht gemäß § 147 Abs. 1 und § 146 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 VwGO beim Verwaltungsgericht eingelegte und begründete Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 19. September 2008 hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die frist- und formgerecht dargelegten Gründe des Beschwerdeführers, so dass es im Beschwerdeverfahren einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu einer Amtsermittlung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nur insoweit kommt, wie die den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Darlegung dazu Anlass gibt.

Die Beschwerdebegründung muss gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO neben einem bestimmten Antrag die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung so auseinandersetzen, dass tragende Erwägungen des Verwaltungsgerichts in Anlehnung an die Darlegungsvoraussetzungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass die Richtigkeit des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses erfolgreich in Zweifel gezogen wird.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin vom 22. September 2008 nicht gerecht, denn der von ihr erhobene Einwand, der Antrag der Antragstellerinnen ziele nicht auf einen sog. unverbindlichen "Appellbeschluss", sondern auf einen verbindlichen Handlungsauftrag der Stadtverordnetenversammlung gegenüber dem Magistrat, auf die dort näher bezeichneten Gesellschaften in bestimmter Weise einzuwirken, ist nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung nicht geeignet, die Richtigkeit des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses im Ergebnis in Zweifel zu ziehen.

Diesem Einwand der Antragsgegnerin, der eine in ihr Prüfungsrecht fallende Kompetenzüberschreitung des beantragten Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung gegenüber dem Magistrat aufzeigen soll, steht - entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen - allerdings nicht schon entgegen, dass es bei einem Tagesordnungsantrag für eine reguläre Sitzung der Gemeindevertretung nach dem erst mit dem Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 20. Mai 1992 (GVBl. I S. 170 [173]) angefügten Satz 3 des § 58 Abs. 5 HGO keinerlei Prüfungsbefugnis der/des Vorsitzenden der Gemeindevertretung (mehr) gäbe.

Es entspricht der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. u. a. Hess. VGH, Beschluss vom 2. Juli 1985 - 2 TG 1174/85 - HSGZ 1987 S. 463 f.), dass der/dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung gemäß § 58 Abs. 5 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 HGO zwar keine materielle (inhaltliche) Prüfungskompetenz hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der zur Beratung und Abstimmung gestellten Beschlüsse, wohl aber eine Kompetenz zur Prüfung der Frage zukommt, ob der auf die Tagesordnung zu setzende Beratungsgegenstand nicht einem anderen Gemeindeorgan zur originären Zuständigkeit zugewiesen ist (vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 4 B 85 A 916 - NVwZ 1988 S. 83 [86] zur Bayerischen Gemeindeordnung). Dieses, die Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeindeverwaltung wahrende Prüfungsrecht der/des Vorsitzenden der Gemeindevertretung wollte der Landesgesetzgeber durch Einfügung des § 58 Abs. 5 Satz 3 HGO für "reguläre" Sitzungen der Gemeindevertretung ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung nicht abschaffen (vgl. LT-Drs. 13/1397 vom 6. Januar 1992 S. 29 zu Art. 1 Nr. 16). Nachdem der Hessische Verwaltungsgerichtshof in den dort zitierten Entscheidungen einen Anspruch gegen den Vorsitzenden auf Berücksichtigung eines bestimmten Verhandlungsgegenstandes bei der Aufstellung der Tagesordnung der Gemeindevertretung nur dem Gemeindevorstand und einem Viertel der Gemeindevertreter, nicht aber Gemeindevertretern, die dieses Quorum nicht erfüllen, und nicht Fraktionen zugebilligt hatte (vgl. Hess. VGH, Urteile vom 3. September 1985 - 2 OE 93/83 - NVwZ 1986 S. 328 ff. und vom 11. August 1987 - 2 UE 1420/84 - DVBl. 1988 S. 793 f.), sollte die Gesetzesergänzung nur dazu führen, dass auch Anträge einzelner Gemeindevertreter zu berücksichtigen sind. Es wäre auch wenig sinnvoll, die/den Vorsitzende(n) der Gemeindevertretung dazu zu verpflichten, auch erkennbar nicht in die Zuständigkeit der Gemeindevertretung fallende Tagesordnungspunkte aufzunehmen und so "sehenden Auges" ein nachträgliches Widerspruchs- und Beanstandungsverfahren gemäß § 63 HGO zu provozieren.

Ausgehend von dieser, auf die organschaftliche Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung beschränkten Prüfungskompetenz der Antragsgegnerin ist ihr Einwand in der Beschwerdebegründung gegen die mangelnde Differenzierung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zwar insoweit berechtigt, als nur ein sog. unverbindlicher "Appellbeschluss" der Stadtverordnetenversammlung auch im originären Zuständigkeitsbereich des Magistrats keine Kompetenzüberschreitung darstellen würde (vgl. etwa Hess. VGH, Beschluss vom 26. August 1999 - 8 TZ 2563/99 und 8 TG 2564/99 - S. 3 des Beschlussabdrucks, zur Geschäftsverteilungskompetenz des Bürgermeisters gemäß § 70 Abs. 1 S. 3 HGO), während ein - wie hier beantragter - verbindlicher, vom Magistrat gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 2 HGO auszuführender Handlungsauftrag die gemeindliche Zuständigkeitsverteilung verletzen würde (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 15. Januar 1980 - II OE 70/78 - juris Rdnr. 26 ebenfalls zu § 70 Abs. 1 Satz 3 HGO und zur Personalhoheit des Gemeindevorstands gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO).

Im Ergebnis bleibt ihr Einwand aber ohne Erfolg, weil die beantragten verbindlichen Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung nicht in den Kompetenzbereich des Magistrats eingreifen.

Diesem steht zwar gemäß § 125 Abs. 1 und 2 HGO ein ausschließliches Vertretungs-, Weisungs- und Entsendungsrecht in Bezug auf Gesellschaften zu, die der Gemeinde gehören oder an denen sie beteiligt ist, so dass nach dieser gegenüber § 66 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 HGO spezielleren und deshalb vorrangigen Regelung nicht die Gemeindevertretung, sondern allein der Gemeindevorstand die Gemeinde in der Gesellschaft vertritt bzw. besondere Vertreter bestellt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. März 1998 - 8 TZ 782/98 - NVwZ-RR 1999 S. 190 f. = juris Rdnrn. 4 bis 9). Als ergänzende spezielle Bestimmungen zu den allgemeinen Grundsätzen der Außenvertretung der Gemeinde gemäß § 71 HGO beschränkt sich die besondere Kompetenzzuweisung des § 125 HGO aber auf die Art und Weise der Außenvertretung der Gemeinde in ihren Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften. Zu diesem Instrumentarium der Umsetzung gemeindlicher Vorstellungen in diese Gesellschaften gehört neben der Auswahl ihrer Vertreter auch das diesen gegenüber vom Magistrat auszuübende Weisungsrecht gemäß § 125 Abs. 1 Satz 4 HGO. Das bedeutet aber nicht, dass auch der Inhalt der zu erteilenden Weisungen durch diese besondere Kompetenzzuweisung in der alleinigen Zuständigkeit des Magistrats stünde. Denn von dem in § 125 HGO geregelten Außenvertretungsverhältnis zwischen Gemeinde und Gesellschaften ist das Innenverhältnis zwischen Gemeindevorstand und Gemeindevertretung zu unterscheiden, in dem die Entscheidungsbefugnisse über die in den Gesellschaften zu verfolgende Geschäftspolitik nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen zu verteilen sind. Für den laufenden Geschäftsbetrieb ist danach der Gemeindevorstand gemäß § 9 Abs. 2 HGO auch inhaltlich zuständig, während bei wichtigen Angelegenheiten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 HGO eine vorrangige Entscheidung der Gemeindevertretung einzuholen und vom Gemeindevorstand durch Weisung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 4 HGO im Außenverhältnis zu den Gesellschaften umzusetzen ist (vgl. Schmidt, HSGZ 2004 S. 50 [52]; Schmidt/Kneip, Hessische Gemeindeordnung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1 zu § 125). Für diese Sichtweise spricht auch, dass gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 4 HGO der Gemeindevorstand die öffentlichen Einrichtungen und wirtschaftlichen Betriebe der Gemeinde nach den Beschlüssen der Gemeindevertretung verwaltet. Eine andere Auslegung des § 125 HGO, wonach dem Gemeindevorstand insoweit auch inhaltlich die alleinige Kompetenz zustünde, würde die aus dem demokratischen Prinzip erwachsende Entscheidungsprärogative der von den Bürgern unmittelbar gewählten Gemeindevertretung für wichtige gemeindliche Angelegenheiten gerade in dem bedeutenden gemeindewirtschaftlichen Bereich der Betätigung in Eigen- und Beteiligungsgesellschaften ohne sachlichen Grund außer Kraft setzen.

Da der geplante Bau des Kohlekraftwerks Ingelheimer Aue unstreitig eine wichtige Angelegenheit in diesem Sinne darstellt, betreffen die sich auf Ziel und Inhalt und nicht auf die Art und Weise der Außenvertretung gemäß § 125 HGO bezogenen Anträge der Antragstellerinnen den Zuständigkeitsbereich der Stadtverordnetenversammlung und sind deshalb gemäß § 58 Abs. 5 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 HGO auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung zu setzen.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist danach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die zugleich die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GKG abändernde Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG und folgt Nr. 22.7 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 7/2004 (vgl. NVwZ 2004 S. 1327 [1330]), wonach für einen Kommunalverfassungsstreit ein Streitwert von 10.000,00 € vorgeschlagen wird; nach Nr. 1.5 des Streitwertkataloges ist dieser Betrag trotz des vorläufigen Charakters des vorliegenden Verfahrens wegen der Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu halbieren.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 66 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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