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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 8 B 593/08
Rechtsgebiete: TierSchG, Gesetz zum Vollzug von Aufgaben, VO über die Zuständigkeiten


Vorschriften:

TierSchG § 11
Gesetz zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes § 1 Abs. 1
VO über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts, § 1 Abs. 1
§ 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes und § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts regeln hinreichend die sachliche Zuständigkeit der Landräte (bzw. der Oberbürgermeister) für tierschutzrechtliche Maßnahmen nach § 11 TierSchG (entgegen Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 7. Dezember 2007 - 6 E 928/07 -, juris)
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

8 B 593/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Tierschutzes

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richterin am Hess. VGH Dr. Lambrecht,

am 24. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 7. Februar 2008 - 3 G 2123/07 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen die Anordnung des Landrats des Kreises Offenbach vom 18. Dezember 2007 - 19c 20/21/2063/07 - wird abgelehnt.

Die in beiden Instanzen entstandenen Kosten hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Streitwert wird auch für die zweite Instanz auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gestellte und begründete Beschwerde hat Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht stattgegeben. Die angegriffene Anordnung des Landrats des Kreises Offenbach erweist sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig; die Begründung der Anordnung ihres Sofortvollzugs ist hinreichend und überzeugend (§§ 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1, 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 VwGO).

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsgegner seine sachliche Zuständigkeit für die getroffene Anordnung zu Recht aus § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes vom 21. März 2005 (GVBl. I S. 229 ff., 232) und aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts vom 24. Mai 2007 (GVBl. I S. 307) hergeleitet; zu berichtigen ist lediglich, dass der auf Seite 4 der angefochtenen Anordnung im zweiten Absatz zitierte § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 21 März 2005 keine "Nr. 4" enthält.

Soweit das Verwaltungsgericht Darmstadt im angefochtenen Beschluss unter wörtlicher Bezugnahme auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in dessen inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 7. Dezember 2007 - 6 E 928/07 - (juris) die Ansicht vertreten hat, es existiere für tierschutzrechtliche Erlaubnisse nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 TierSchG bzw. ihre Aufhebung in Hessen derzeit keine Zuständigkeitsregelung, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Gesetzgeber hat, indem er durch § 1 Abs. 1 des zitierten Gesetzes vom 21. März 2005 u.a. den Landräten die Zuständigkeit für "den Vollzug des Veterinärwesens" zugewiesen hat, die vom Verwaltungsgericht Wiesbaden vermisste Zuständigkeitsregelung getroffen; die Verordnung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts vom 14. Mai 2007 hat daran nichts geändert, sondern in § 1 Abs. 1 Nr. 4 die vom Gesetzgeber getroffene Regelung deklaratorisch bestätigt.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat bei seiner das rechtskräftige Urteil vom 7. Dezember 2007 - 6 E 928/07 - tragenden Annahme, es fehle an einer landesgesetzlichen Legaldefinition, die den Tierschutz dem Veterinärwesen zuordne (juris Rdnr. 143), übersehen, dass der Gesetzgeber bereits im Ersten Gesetz zur Verwaltungsstrukturreform vom 20. Juni 2002 (GVBl. I S. 342) im Rahmen des Art. 4 (Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung) in der damals eingeführten Anlage zu § 16a HessAGVwGO eine entsprechende Regelung getroffen hat, indem er bei der Aufstellung der vom Wegfall des Widerspruchsverfahrens betroffenen Gebiete u. a. Folgendes aufgeführt hat:

"7. Veterinärwesen

7.1. ...

7.4 Entscheidungen über die Erlaubnis nach § 11 des Tierschutzgesetzes Tiere zu züchten, zu halten oder mit Tieren zu handeln;

..."

Damit und durch weitere Bestimmungen in der Anlage zu § 16a HessAGVwGO hat der Gesetzgeber schon fast drei Jahre vor der im Rahmen des Kommunalisierungsgesetzes vom 21. März 2005 getroffenen Regelung in § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes deutlich gemacht, dass er "Veterinärwesen" als Oberbegriff u. a. für Tierschutzrecht verwendet, so dass dahinstehen kann, ob diese Auslegung bereits bundesrechtlich oder durch andere landesrechtliche Regelungen vorgegeben oder gar sprachwissenschaftlich festgelegt ist, wie der Antragsgegner mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht hat.

Die vom Verwaltungsgericht Wiesbaden in dem rechtskräftigen Urteil vom 7. Dezember 2007 - 6 E 928/07 - angestellten Überlegungen (juris Rdnrn. 100 ff.) zu den beiden letzten Änderungen der Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts durch Verordnung vom 24. April 2006 (GVBl I S. 138, 156) und durch Verordnung vom 24. Mai 2007 (GVBl. I S. 307) stehen dem nicht entgegen. Soweit das Verwaltungsgericht meint, aus der Zitierung des § 1 des Gesetzes über die Ermächtigung zur Bestimmung der Zuständigkeiten nach dem Tierschutzgesetz vom 15. Dezember 1972 (GVBl. I S. 423) in der Verordnung vom 24. April 2006 den Schluss ziehen zu müssen, der Verordnungsgeber habe § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes vom 21. März 2005 selbst nicht als hinreichende Zuständigkeitsregelung für tierschutzrechtliche Maßnahmen angesehen, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Verordnungsgeber musste damals auf die alte Verordnungsermächtigung aus dem Jahr 1972 zurückgreifen, weil das Kommunalisierungsgesetz selbst keine Verordnungsermächtigung für diesen Bereich enthielt und das Gesetz zur Bestimmung von Zuständigkeiten vom 3. April 1998 (GVBl. I S. 98) in § 1 Abs. 1 damals noch folgende Regelung traf:

"Zur Ausführung von Bundesrecht erlässt die Landesregierung Anordnungen über die sachliche Zuständigkeit von Landesbehörden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist."

Aus dieser Bestimmung ließ sich keine Verordnungsermächtigung herleiten, die aber für eine Änderung der in Form einer Rechtsverordnung erfolgten früheren Zuständigkeitsregelung notwendig gewesen wäre. Erst bei Erlass der jüngsten Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts vom 24. Mai 2007 konnte man auf § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Bestimmung von Zuständigkeiten vom 3. April 1998 Bezug nehmen, nachdem in § 1 Abs. 1 S. 1 dieses Gesetzes durch Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 16. Oktober 2006 (GVBl. I S. 510) das Wort "Anordnungen" durch "Rechtsverordnungen" ersetzt worden war. Mithin gibt die Entstehungsgeschichte der Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Tierschutzrechts für deren Auslegung nicht das her, was das Verwaltungsgericht Wiesbaden hineininterpretiert hat.

An die von dem Verwaltungsgericht Wiesbaden in dessen Urteil vom 7. Dezember 2007 - 6 E 928/07 - vertretenen Rechtsansichten sind die Beteiligten und der Senat auch nicht wegen der Rechtskraft dieses Urteils gebunden. Abgesehen davon, dass der Antragsgegner am damaligen Rechtsstreit nicht beteiligt war (§ 121 VwGO), erwächst in materielle Rechtskraft nur die Entscheidung über den jeweiligen Streitgegenstand, nicht die dafür maßgebenden rechtlichen Erwägungen des Gerichts (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Rdnr. 18 zu § 121 mit weiteren Nachweisen).

Auch im übrigen bestehen an der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Landrats des Kreises Offenbach vom 18. Dezember 2007 keinerlei Zweifel. Soweit die Antragstellerin in der Antragsbegründung geltend macht, bei dem Prüftermin am 21. November 2007 seien keine Mängel beanstandet worden, kann diese Behauptung angesichts des Akteninhalts nur als Dreistigkeit bezeichnet werden. Zwar enthält die Niederschrift über die Betriebsprüfung vom 21. November 2007 (Bl. 158 ff. der Behördenakten) nur den angekreuzten, vorgedruckten Text: "Es wurden folgende Mängel festgestellt:", dann jedoch den handschriftlichen Text: "Hiermit wird die weitere Aufnahme von Katzen und die Abgabe von Katzen untersagt.". Die festgestellten Mängel waren so zahlreich, dass sie in einer Aktennotiz der Amtstierärztin vom 21. November 2007 (Blatt 167 f. der Beiakten) festgehalten und in der Begründung der angefochtenen Anordnung verwertet worden sind. Sowohl bei der Begründung der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen als auch bei der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Maßnahmen hat der Antragsgegner zu Recht der Tatsache erhebliche Bedeutung beigemessen, dass den im November 2007 festgestellten Unregelmäßigkeiten zahlreiche Verstöße der Antragstellerin gegen das Tierschutzgesetz vorausgegangen waren, die u. a. zu einem von ihr durch Rücknahme des zunächst eingelegten Einspruchs akzeptierten Bußgeldbescheid vom 29. November 2004 (Bl. 88 der Behördenakten) geführt hatten. Darin war ihr vorgeworfen worden, erkrankte Katzen nicht auf der Station separiert, das Bestandsbuch nicht auf dem aktuellen Stand gehalten, keinen Nachweis über ärztliche Behandlungen erkrankter Tiere sowie keine Dokumentation über die ärztliche Erstuntersuchungen vorgelegt und neu eingetroffene Katzen nicht sechs Wochen lang in der Quarantänestation untergebracht zu haben. Zu Recht hat die Behörde auch berücksichtigt, dass sie in den zurückliegenden Jahren, beginnend im Juli 2001, wiederholt Anlass hatte, der Antragstellerin wegen festgestellter Unregelmäßigkeiten in ihrem Tierheim dessen Schließung anzudrohen, ohne dass dies zu einer feststellbaren Verhaltensänderung bei der Antragstellerin geführt habe.

Bei der Begründung seiner Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Erlaubnis und der weiter angeordneten Maßnahmen hat der Antragsgegner zu Recht besonders auf die bei ihm eingegangenen Beschwerden mehrerer Tierärzte über schwer erkrankte Katzen aus dem Bestand der Antragstellerin und die Weitergabe erkrankter Katzen an Kunden abgestellt, die nicht für die Dauer eines langwierigen Gerichtsverfahrens hingenommen werden könne. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin, wie auch in der Begründung der Vollziehungsanordnung ausgeführt, wiederholt und hartnäckig gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hat, ist die sofortige Vollziehung der getroffenen Anordnungen auch unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Interessen der Antragstellerin gerechtfertigt und im öffentlichen Interesse geboten.

Die Antragstellerin hat die in beiden Instanzen entstandenen Kosten zu tragen, weil sie letztlich unterliegt (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Bei der Streitwertfestsetzung schließt sich der Senat der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und dessen dafür gegebener Begründung an.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 66 Abs. 3 S. 3, 68 Abs. 1 S. 5 GKG).

Ende der Entscheidung

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