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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: 8 C 2265/08.N
Rechtsgebiete: FBG, HGO, VwGO


Vorschriften:

FBG § 2
HGO § 121
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
Der Betrieb kommunaler Friedhöfe ist offensichtlich keine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde i.S.d. § 121 HGO. Ein gewerblicher Friedhofsgärtner kann daher aus dieser Bestimmung keine Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen eine Friedhofssatzung herleiten, die durch Einführung sog. Wiesengrabstätten und Gemeinschaftsgrabstätten für Urnenbeisetzungen für ihn absehbare Umsatzeinbußen mit sich bringt.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 C 2265/08.N

Verkündet am 18. Juni 2009

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Friedhofssatzung (Normenkontrolle)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Horn, Richterin am Hess. VGH Dr. Lambrecht, Richter am Hess. VGH Kohde

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller ist von Beruf selbständiger Friedhofsgärtner und wendet sich mit seinem vorliegenden Normenkontrollantrag gegen Bestimmungen der Friedhofssatzung der Antragsgegnerin, die die Bereitstellung von sog. Wiesengrabstätten bzw. von Gemeinschaftsgrabanlagen für Beisetzungen von Urnen vorsehen und regeln, dass diese Einrichtungen in der Verantwortung der Friedhofsverwaltung gepflegt und unterhalten werden.

Die am 26. Oktober 2006 im Darmstädter Echo veröffentlichte Friedhofssatzung der Wissenschaftsstadt A-Stadt am 23. Oktober 2006, in Kraft getreten am 1. Januar 2007 und zuletzt geändert durch Satzung vom 19. Dezember 2007, veröffentlicht im Darmstädter Echo am 22. Dezember 2007, in Kraft getreten am 1. Januar 2008, enthält hierzu folgende Bestimmungen:

§ 18 Wiesengrabstätten

(1) Wiesengrabstätten werden auf dem Waldfriedhof und dem Friedhof in Arheilgen als Reihengrabstätten nach § 12 oder als Wahlgrabstätten nach § 13 abgegeben.

(2) Auf Wiesengrabfeldern wird eine durchgehende Wiesenfläche angelegt, die in der Verantwortung der Friedhofsverwaltung unterhalten wird. Das Aufhügeln der Grabstätte, das Aufstellen von Grabschmuck jeglicher Art ist nur bis zu einer Zeit von 4 Monaten nach der Bestattung oder Beisetzung zulässig. Das Aufstellen von Holzkreuzen ist entsprechend § 25 Abs. 5 zulässig.

(3) Als Grabmal ist gestattet eine flache mit der Erde bündig verlegte Schriftplatte der Größe ... mit eingehauener Schrift. Die Stärke der Platte muss mindestens 5 cm betragen. Die Kanten sind mit einer Fase von 5 mm zu brechen.

(4) Das Bepflanzen der Grabstätte ist nicht gestattet.

Nach Ablauf von 4 Monaten nach der Bestattung oder Beisetzung ist das Aufstellen von Vasen, Grablichtern und sonstigem Schmuck außerhalb der Grabplatte nicht mehr gestattet.

...

§ 23 Gemeinschaftsgrabanlagen für Beisetzungen von Urnen

Gemeinschaftsgrabanlagen dienen der Beisetzung einer Vielzahl von Urnen verschiedener Verstorbener auf einer Fläche, die von der Friedhofsverwaltung bestimmt sowie in deren Verantwortung gepflegt und unterhalten wird. Im Übrigen gelten die Vorschriften des § 12 und des § 13 dieser Satzung.

In der zuletzt durch Satzung vom 19. Dezember 2007, veröffentlicht im Darmstädter Echo vom 22. Dezember 2007 und in Kraft getreten am 1. Januar 2008, geänderten Anlage zu § 1 der Friedhofsgebührenordnung der Antragsgegnerin ist u. a. geregelt, dass für den Erwerb des Nutzungsrechts je Grabstelle an einem Wahlgrab als Gebühr 1200,00 €, an einem Wiesenwahlgrab 1675,00 €, an einem Urnenwahlgrab für zwei Urnen 650,00 €, an einem Wiesenurnenwahlgrab für zwei Urnen 825,00 € und an einer Gemeinschaftsgrabanlage für Urnenwahlgrabstätten je Urne 1.400,00 € verlangt werden, für die Überlassung von Reihengräbern und anonymen Urnenplätzen für die Dauer der Ruhezeit bei einem Reihengrab maximal 770,00 €, bei einem Wiesenreihengrab 810,00 €, einem Urnenreihengrab maximal 400,00 €, einem Wiesenreihengrab 430,00 € und einer Gemeinschaftsgrabanlage für Urnenreihengrabstätten je Urne 850,00 €. Als "Grabverlängerungsgebühren" sind je Grabstelle und Jahr für ein Wahlgrab 48,00 €, für ein Wiesenwahlgrab 67,00 €, für ein Urnenwahlgrab für zwei Urnen 26,00 €, für ein Wiesenurnenwahlgrab für zwei Urnen 33,00 € und für eine Gemeinschaftsgrabanlage für Urnenwahlgrabstätten je Urne 60,00 € zu zahlen.

Mit seinem am 23. Oktober 2008 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof gestellten Normenkontrollantrag macht der Antragsteller geltend, bei der durch die angegriffene Satzung geregelten Bereitstellung von Wiesengrabstätten und Gemeinschaftsgrabanlagen für Beisetzungen von Urnen handele es sich um wirtschaftliche Betätigung der Antragsgegnerin im Sinne des § 121 HGO, die ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden könne. Mit der Neufassung des § 121 HGO im Jahre 2005 habe der Gesetzgeber eine echte Subsidiaritätsregelung geschaffen, die privaten Dritten das Recht verschaffe, gerichtlich nachprüfen zu lassen, ob im konkreten Fall eine Gemeinde eine Tätigkeit dem privaten Wirtschaftsraum entziehen könne oder nicht. Die angegriffenen Satzungsbestimmungen seien nichtig, weil es die Antragsgegnerin entgegen § 121 Abs. 6 HGO unterlassen habe, vor der Entscheidung über die Einführung von Wiesengrabstätten und Gemeinschaftsgrabanlagen für Beisetzungen von Urnen eine ausführliche Markterkundung und eine detaillierte Risikobewertung durchzuführen; auch seien die in Betracht kommenden Wirtschaftsverbände schriftlich zu beteiligen gewesen, was nicht geschehen sei. Der Antragsteller sei dadurch im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO in seinen Rechten verletzt, weil es ihm durch die angegriffenen Regelungen unmöglich gemacht würde, am Wettbewerb um die Anbietung gärtnerischer Leistungen teilzunehmen, weil sich die Antragstellerin diese selbst vorbehalten habe. Durch die angegriffenen Satzungsbestimmungen würden dem privaten Wettbewerb im gärtnerischen Bereich jährlich etwa 100 Aufträge entzogen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 23. Oktober und 24. November 2008 sowie vom 20. März 2009 Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt,

§§ 18 und 23 der Friedhofssatzung der Antragsgegnerin in Verbindung mit den entsprechenden Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses für ungültig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Der Antrag sei unzulässig, weil der Antragsteller nicht antragsbefugt sei. Die angefochtenen Regelungen der Friedhofssatzung richteten sich nicht an den Antragsteller, der als Inhaber eines Gärtnereibetriebs kein Benutzer des Friedhofs, sondern nur "Nutzungsinteressent" sei. Er erleide folglich nicht unmittelbar selbst eine mögliche Rechtsverletzung, sondern werde lediglich reflexartig von Rechtsfolgen der angegriffenen Satzungsbestimmungen betroffen. Zur Annahme einer möglichen Rechtsverletzung durch die Norm oder deren Anwendung genüge nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO jedoch nicht eine lediglich faktische Beeinträchtigung des Antragstellers. Die von ihm herangezogene Vorschrift des § 121 HGO sei nicht drittschützend. Im Übrigen habe sich die Antragsgegnerin durch die angegriffenen Satzungsbestimmungen lediglich "Verantwortung" für die Pflege und Unterhaltung vorbehalten, um ein einheitlich gepflegtes und pietätvolles Äußeres der Wiesen- und Urnengrabstätten ihrer Friedhöfe sicherzustellen. Es handele sich dabei um schlichte Gestaltungsvorschriften, wie auch deren systematische Stellung innerhalb der Satzung zeige. Eine faktische Beschränkung oder ein Ausschluss gewerblicher Tätigkeit auf den Friedhöfen verberge sich dahinter nicht.

Jedenfalls sei der Normenkontrollantrag unbegründet. Die Antragsgegnerin verschaffe sich entgegen der Darstellung des Antragstellers durch die Ausführung eigener Pflege- und Unterhaltungsarbeiten keinen Einstieg in die privatwirtschaftliche Grabpflege. Die Satzung sehe kein Verbot privatwirtschaftlicher Betätigung in Form des Anbietens von Grabpflegeleistungen auf dem Friedhof vor. Die Leistung der Friedhofsverwaltung, etwa Rasenschnitt auf diesen Friedhofsteilen, werde im Zusammenhang mit der Bereitstellung dieser Felder erbracht, beschränke sich auf einfache Unterhaltungsarbeiten und ermögliche erst das Angebot dieser Bestattungsformen. Die Satzungsbestimmungen sähen auch kein alleiniges Pflege- und Unterhaltungsrecht der Antragsgegnerin an den Grabstätten vor. Die Regelung lasse durchaus die Möglichkeit zu, Arbeiten statt durch eigene Mitarbeiter auch durch private Gärtnereibetriebe durchführen zu lassen; der Wortlaut der Satzungsbestimmungen sei gerade deshalb so gewählt worden. Im übrigen sei mit dem Angebot der Wiesengrabstätten und der Gemeinschaftsgrabanlagen für Urnenbeisetzungen keine Gewinnerzielungsabsicht verbunden; vielmehr komme die Antragsgegnerin damit Wünschen der Bürger nach einer geänderten Bestattungskultur nach.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2008 und vom 23. April 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der form- und fristgerecht gestellte Antrag ist unzulässig, weil dem Antragsteller die erforderliche Antragsbefugnis fehlt (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO).

Der durch seinen Prozessbevollmächtigten, einen früher als Rechtsanwalt zugelassenen Rechtslehrer an der Fachhochschule B-Stadt mit Befähigung zum Richteramt vertretene Kläger ist vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof postulationsfähig (§§ 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 und 3 VwGO, 5 Abs. 1 S. 1 DRiG) und hat mit seinem am 23. Oktober 2008 gestellten Normenkontrollantrag die Antragsfrist gewahrt, die hier noch zwei Jahre beträgt, weil die angegriffenen Satzungsbestimmungen vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht worden sind (§§ 47 Abs. 2 S. 1, 195 Abs. 7 VwGO); bis 31. Dezember 2006 galt statt der mittlerweile auf ein Jahr abgekürzten Antragsfrist noch die Zweijahresfrist gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO i.d.F. des 6. Änderungsgesetzes vom 1. November 1996 (BGBl. I Seite 1626).

Der Antragsteller macht jedoch nicht geltend, durch die angegriffenen Rechtsvorschriften oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO). Um diese Zulässigkeitsvoraussetzung zu erfüllen, müsste er zumindest die Möglichkeit einer künftigen Verletzung eigener subjektiver Rechte durch die oder aufgrund der angefochtenen Satzungsbestimmungen dargelegt haben, was indessen hier nicht der Fall ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Rdnrn 46 ff. zu § 47 m.w.N.).

Unmittelbar aus dem Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG, 38 Abs. 2 HV) lässt sich hier die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht herleiten. Denn durch die angegriffenen Satzungsbestimmungen, die lediglich die Berufsausübung tangieren können, wird der Antragsteller allenfalls reflexartig betroffen, weil diese Bestimmungen keine berufsregelnde Tendenz verfolgen und durch die Schaffung neuer Typen von Grabstätten zwar die Zahl der von ihm möglicherweise ansprechbaren Auftraggeber absehbar vermindert wird, dies aber die mittelbar betroffenen Friedhofsgärtner nicht daran hindert, am Wettbewerb um Grabpflegeaufträge im übrigen weiterhin uneingeschränkt teilzunehmen. Ein Recht auf Beibehaltung einer konstanten Auftragslage vermittelt das Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung nicht.

Auch aus § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Abs. 6 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung vom 1. April 2005 (GVBl. I S. 142), zuletzt geändert durch Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 15. November 2007 (GVBl. I S. 757), auf den sich der Antragsteller allein beruft, ergibt sich die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht, weil diese Bestimmung hier offensichtlich nicht anwendbar ist.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Auffassung der Antragsgegnerin zu folgen ist, dass diese Bestimmung überhaupt keine drittschützende Wirkung habe. Soweit sich die Antragsgegnerin zum Beleg dieser Ansicht auf neuere Entscheidungen verschiedener Oberverwaltungsgerichte stützt (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 4 L 146/05 -, NVwZ-RR. 2009, 347 = juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14. August 2008 - 10 ME 280/08 -, NVwZ 2009, 258 = DÖV 2008, 1008 = juris; OVG Saarland, Beschluss vom 22. Oktober 2008 - 3 B 279/08 -, LKRZ 2008, 477 = juris), ist allerdings darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidungen zwar ebenfalls die Anwendung "verschärfter" Subsidiaritätsklauseln betreffen, diese allerdings sämtlich nicht so eindeutig formuliert worden sind wie § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGO, wo von "privaten Dritten" die Rede ist, denen bei der Abwägung grundsätzlich der Vorrang einzuräumen sei. Dies ist auch bewusst so formuliert worden, um die Kriterien älterer Rechtsprechung für die Annahme der drittschützenden Wirkung von Subsidiaritätsklauseln zu Gunsten der privaten Wirtschaft zu erfüllen. Es heißt dazu im Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und anderer Gesetze vom 6. April 2004 (LT-Drs 16/2463, Seite 59, Abdruck Bl. 96 GA):

"Durch die Schaffung einer echten Subsidiaritätsklausel in Satz 1 Nr. 3 sollen die Gemeinden vor überflüssigen wirtschaftlichen Risiken bewahrt und die Privatwirtschaft vor einer Beeinträchtigung ihrer berechtigten Interessen geschützt werden. Dieses Ziel wird erreicht, indem der Privatwirtschaft ein Vorrang gegenüber der Gemeinde eingeräumt wird, wenn sie den Zweck mindestens ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen kann. Wird der private Dritte unter einem dieser beiden Gesichtspunkte schlechter bewertet, d.h. kann die Gemeinde den Zweck besser und ebenso wirtschaftlich oder ebenso gut und wirtschaftlicher erfüllen, ist der Gemeinde die wirtschaftliche Betätigung - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Abs. 1 -gestattet. In die Bewertung sind die Qualität und die Zuverlässigkeit der Leistung sowie soziale Gesichtspunkte einzubeziehen, z.B. der besondere soziale Auftrag von Beschäftigungsgesellschaften und Behindertenwerkstätten. Die Neuregelung soll Drittschutzwirkung für private Anbieter entfalten. Private Dritte können also, wenn sie sich durch eine für rechtswidrig gehaltene wirtschaftliche Betätigung von Kommunen beeinträchtigt fühlen, die Verletzung eigener Rechte gegenüber der Gemeinde gerichtlich geltend machen. Die obergerichtliche Rechtsprechung hält einen Hinweis auf den gewollten Drittschutz in der Gesetzesbegründung für notwendig, aber auch ausreichend, um den Drittschutz zu gewährleisten (RhPfVerfGH, Urteil vom 28. März 2000, DVBl. 2000, 992 (995); OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. November 2000, NVwZ 2001, 712; OVG Münster, Beschluss vom 13. August 2003, NVwZ 2003, 1520)."

Die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage der drittschützenden Wirkung des § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Abs. 6 HGO braucht hier nicht entschieden zu werden, weil diese Vorschriften auf die angegriffenen Satzungsbestimmungen offensichtlich nicht anwendbar sind.

Die Anwendbarkeit dieser Subsidiaritätsklausel scheitert schon daran, dass es sich bei der durch die angegriffenen Satzungsbestimmungen bezweckten Ermöglichung neuer Bestattungsformen nicht um wirtschaftliche Betätigung im Sinne des § 121 HGO handelt, weil die Antragsgegnerin zur Wahrnehmung des Friedhofswesens und zur Regelung der Benutzung ihrer Friedhöfe gesetzlich verpflichtet ist (§ 121 Abs. 2 Nr. 1 HGO; sog. Pflichtbetriebe, vgl. Schneider/Dreßler/Lüll, HGO, Stand: Juli 2007, Anm. 10 zu § 121). Wie die Antragsgegnerin nämlich zu Recht ausgeführt hat, handelt es sich bei den angegriffenen Satzungsbestimmungen um Gestaltungsvorschriften, die primär den Hinterbliebenen nach der Wahl der entsprechenden Bestattungsmöglichkeit bestimmte Pflichten auferlegen und teilweise - abgesehen von der Zeit unmittelbar nach der Beisetzung - bestimmte Formen der Grabgestaltung untersagen. Diese Gestaltungsvorschriften hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Anlage und Unterhaltung von Friedhöfen erlassen, die ihr gem. § 2 Abs. 1 bis 3 des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes (FBG) vom 5. Juli 2007 (GVBl. I S. 338, ber. S. 534) als Selbstverwaltungsangelegenheit übertragen ist. In diesem nach der Novellierung des § 121 HGO erlassenen Gesetz ist den Gemeinden das Friedhofswesen - insoweit den vorher geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechend - als Pflichtaufgabe übertragen worden, wobei sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen können (§ 2 Abs. 1 FBG) und von der eigenen Aufgabenerfüllung nur dann befreit sind, wenn und soweit im Gemeindegebiet bedarfsgerechte Friedhöfe der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vorhanden sind (§ 2 Abs. 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 FBG). Mit der Regelung in § 2 Abs. 1 S. 2 FBG hat der Gesetzgeber eine bewusst von § 121 Abs. 1 S. 1 HGO abweichende Bestimmung dahin getroffen, dass die Gemeinde sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des Friedhofswesens Dritter bedienen kann, was ihr einen weiten Ermessensspielraum eröffnet und jedenfalls ausschließt, dass sich die Gemeinde der Verantwortung für die Aufgabenwahrnehmung durch Übertragung auf Dritte völlig entledigt. Dementsprechend regeln die angegriffenen Satzungsbestimmungen, dass die betreffenden Grabstätten "in der Verantwortung der Friedhofsverwaltung unterhalten" (§ 18 Abs. 2 S. 1 der Friedhofssatzung) bzw. "in deren Verantwortung gepflegt und unterhalten" (§ 23 S. 1 der Friedhofssatzung) werden. Damit lassen die Satzungsbestimmungen Raum für die gem. § 2 Abs. 1 S. 2 FBG mögliche Heranziehung Dritter, also auch von Unternehmen der privaten Wirtschaft zur Pflege und Unterhaltung der neuartigen Grabstätten im Auftrag der Antragsgegnerin, machen die Entscheidung über die Heranziehung Dritter aber nicht zum Gegenstand der Satzung selbst. Im Normenkontrollverfahren ist deshalb nicht zu prüfen, ob die Antragsgegnerin inzwischen eine ermessensgerechte Entscheidung darüber getroffen hat, ob sie die Aufgabe der Pflege und Unterhaltung dieser Grabstätten durch eigene Kräfte oder durch ein Unternehmen der privaten Wirtschaft erfüllen lassen will. Es bedarf deshalb auch keiner Erörterung, auf welchem Rechtsweg und mit welcher Verfahrensart der Antragsteller etwaige wettbewerbs- oder vergaberechtliche Ansprüche auf Ausübung des Vergabeermessens der Antragsgegnerin zu seinen Gunsten geltend machen könnte. Das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO steht hierfür jedenfalls nicht zur Verfügung.

Im übrigen dürfte es sich bei Friedhöfen auch um Einrichtungen der Daseinsvorsorge im Sinne des § 121 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGO handeln, so dass die damit zusammenhängenden Tätigkeiten auch deshalb nicht als wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde anzusehen sind (Schneider/Dreßler/Lüll, a.a.O, Anm. 10 zu § 121;Gerhold in: Bennemann u.a., HGO, Stand: März 2009, Rdnr. 34 zu § 121).

Schließlich wären die angegriffenen Satzungsbestimmungen selbst dann mit § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGO vereinbar, wenn gemeindliche Friedhöfe wirtschaftliche Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift wären. Denn die mit dem Betreiben ihrer Darmstädter Friedhöfe verbundenen Tätigkeiten hat die Antragsgegnerin schon vor dem 1. April 2004 ausgeübt und mit der Einführung von Wiesengrabstätten und Gemeinschaftsgrabanlagen für Urnenbeisetzungen nicht wesentlich erweitert (§ 121 Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 1 HGO). Den Begriff der wesentlichen Erweiterung wirtschaftlicher Unternehmen von Gemeinden hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in seinem vom Antragsteller herangezogenen und auch im Gesetzentwurf der Landesregierung zitierten Urteil vom 28. März 2000 - N 12/98 - (NVwZ 2000, 801 = DÖV 2000, 682 = juris, Rdnrn. 28 f.) wie folgt definiert:

"Bei wirtschaftlichen Unternehmen ... sind nur die Errichtung, Übernahme und wesentliche Erweiterung den Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 unterworfen. Bestehende Unternehmen dürfen ... auch dann fortgeführt werden, wenn der öffentliche Zweck ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Dasselbe gilt für die Erweiterung eines bestehenden Unternehmens, solange diese nicht ,wesentlich' ist. Gerade dies ist für den Anwendungsbereich des § 85 Abs. 1 Nr. 3 GemO von besonderer Bedeutung: Wesentlich ist eine Erweiterung erst dann, wenn die fraglichen Maßnahmen den Umfang oder die Leistungsfähigkeit des Unternehmens im Sinne einer räumlichen oder funktionellen Ausdehnung erheblich steigern (Gabler/Oster, a.a.0., Anm. 2; Widtmann/Grasser, BayGO, Art. 87 Rn. 6; Henneke, NdsVBl. 1999, 1 <4>; Köhler, BayVBl. 2000, 1 <4>), etwa, wenn Stadtwerke zusätzlich zur schon bisher angebotenen Stromversorgung auch die Gasversorgung übernehmen wollen.

Keine wesentliche Erweiterung sind dagegen bloße Rationalisierungsmaßnahmen wie die Verbesserung der Betriebseinrichtungen oder Arbeitsmethoden, darüber hinaus aber auch nicht die Übernahme einer untergeordneten Annexaufgabe zum Unternehmensgegenstand. Eine Zusatzleistung wird, wenn sie sich wirtschaftlich gesehen und wegen des Sachzusammenhangs als bloße Ergänzung oder Abrundung der einem öffentlichen Zweck dienenden Hauptleistung darstellt und sie nicht behindert, von der öffentlichen Zweckbestimmung mit umfasst und ist somit als Unternehmenserweiterung nicht wesentlich. So handelt es sich um eine unwesentliche Erweiterung beispielsweise dann, wenn Stadtwerke ihr Energieversorgungsangebot durch gewisse Zusatzdienste wie Beratung oder Installation zu einer wettbewerbsfähigen Gesamtleistung abrunden (Köhler, a.a.O.; ...). Der Bestandsschutz, den § 85 Abs. 1 GemO den Kommunen gewährt, ist deshalb keineswegs gleichbedeutend mit Stagnation. Dem Bedürfnis, angestammte Tätigkeitsfelder marktgerecht zu ergänzen, lässt das Gesetz vielmehr durchaus Raum."

Eine in diesem Sinne wesentliche Erweiterung des Friedhofbetriebs der Antragsgegnerin ist mit der angegriffenen Einführung von Wiesengrabstätten und Gemeinschaftsgrabanlagen für Urnenbeisetzungen offensichtlich nicht verbunden. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass durch das Ermöglichen dieser Bestattungsformen einige Hinterbliebene Verstorbener veranlasst werden könnten, die Beisetzung in einer solchen Grabstätte anderen Begräbnisformen, etwa einer sonst in Betracht gezogenen Seebestattung vorzuziehen, wird sich die Gesamtzahl der Bestattungen auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin durch die neuen Satzungsbestimmungen nicht signifikant anderes entwickeln, als dies ohne die Neuregelung zu erwarten gewesen wäre. Dass wegen der neuen Gestaltungsvorschriften die Gesamtzahl der von Friedhofsgärtnern zu erwartenden Grabgestaltungs- und Pflegeaufträge um ca. 100 pro Jahr zurückgehen wird, wie der Antragsteller behauptet hat, ist lediglich eine von der Antragsgegnerin nicht bezweckte, reflexartige Folgewirkung der Neuregelung, die den Antragsteller - wie andere die Auftragslage beeinflussende Rahmenbedingungen - nicht im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO in seinen Rechten verletzt.

Die Kosten des Normenkontrollverfahrens hat der Antragsteller zu tragen, da sein Normenkontrollantrag erfolglos bleibt (§§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht gegeben sind (§§ 47 Abs. 5 S. 1, 132 VwGO).

Beschluss

Der Streitgegenstand für das Normenkontrollverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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