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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: 8 MM 2644/06.W6
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 166 | |
ZPO § 114 |
Im Studienzulassungsverfahren genügt es zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nicht zu behaupten, die Antragsgegnerin habe mit der festgesetzten Zulassungszahl ihre Studienplatzkapazität nicht ausgeschöpft, die Berechnung entspreche nicht den Vorschriften der Kapazitätsverordnung und verstoße gegen Art. 12 GG.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann auch im Prozesskostenhilfeverfahren von der antragstellenden Partei verlangt werden, dass sie die Kosten für die Ablichtung der Kapazitätsberechnungsunterlagen übernimmt, wenn die antragstellende Partei bzw. ihr Bevollmächtigter um Übersendung derartiger Kopien bittet.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS
8 MM 2644/06.W6
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
wegen vorläufiger Zulassung zum Studium der Medizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2006/2007, 1. Fachsemester,
hier: Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für den 1. Rechtszug,
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe
am 19. Januar 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der antragstellenden Partei gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 24. November 2006 wird zurückgewiesen.
Die antragstellende Partei hat die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten zu tragen.
Gründe:
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß erhoben und begründet worden. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist den Bevollmächtigten der antragstellenden Partei nach deren Angaben im dritten Absatz auf Seite 2 der Beschwerdeschrift vom 14. Dezember 2006 am 4. Dezember 2006 zugestellt worden. Die Beschwerdeschrift ging am 14. Dezember 2006 und damit innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist bei dem Verwaltungsgericht ein.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die antragstellende Partei den geltend gemachten Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses Bezug.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es zur Glaubhaftmachung nicht genügt (vgl. die Ausführungen unter II. auf Seite 3 des Antragsentwurfs vom 28. September 2006), zu behaupten, die Antragsgegnerin habe mit der festgesetzten Zulassungszahl ihre Kapazität im Fach Humanmedizin nicht ausgeschöpft, die der Festlegung der Höchstzahl zugrunde liegende Berechnung entspreche nicht den Vorschriften der Kapazitätsverordnung und verstoße somit gegen Art. 12 des Grundgesetzes - GG - i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und verletze die antragstellende Partei in ihren Rechten, die antragstellende Partei habe einen Anspruch auf Beteiligung an einem Auswahlverfahren und Zulassung zum Studium gemäß Antrag, sofern nach den Vergabekriterien des Gerichts ein freien Studienplatz auf sie entfalle. Ein derartiger in einem Serienantrag enthaltener pauschaler Vortrag, der die konkreten Umstände und besonderen Verhältnisse des streitigen Studiensemesters in einem bestimmten Studiengang einer bestimmten Hochschule nicht berücksichtigt, ist nicht geeignet, im Prozesskostenhilfeverfahren eines Studienzulassungsprozesses Erfolgsaussichten zu begründen.
Auch der Beschwerdebegründung im Schriftsatz vom 14. Dezember 2006 lassen sich Erfolgsaussichten nicht entnehmen. Allein der Umstand, dass die Zulassungszahl im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2006/2007 im Vergleich zur Zulassungszahl im Wintersemester 2005/2006 von 423 auf 404 Studienanfänger gesunken ist, besagt auch nicht ansatzweise, dass die antragstellende Partei hinreichende Aussicht auf einen Studienplatz hat. In diesem Zusammenhang kann hier unentschieden bleiben, ob Erfolgsaussichten - wie die antragstellende Partei vortragen lässt - schon dann gegeben sind, wenn offen ist, ob die Antragsgegnerin mit der festgesetzten Zulassungszahl ihre Kapazität im Studiengang Medizin im ersten Fachsemester betreffend das Wintersemester 2006/2007 ausgeschöpft hat. Denn dem Vortrag der antragstellenden Partei lässt sich auch nicht ansatzweise entnehmen, dass diese Frage "offen" ist.
Der von der antragstellenden Partei in der gleichzeitigen Übersendung der Eingangsverfügung und der ablehnenden Prozesskostenhilfeentscheidung gesehene Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Die Bevollmächtigten der antragstellenden Partei haben bereits mit Schriftsatz vom 28. September 2006 den Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Offensichtlich durch ein Versehen ist die unter dem 10. Oktober 2006 abgezeichnete Eingangsverfügung des Kammervorsitzenden zunächst nicht ausgeführt worden. Das Verwaltungsgericht hat daher die Eingangsverfügung zusammen mit dem Beschluss vom 24. November 2006 an die Bevollmächtigten übersandt. Die Unterlagen gingen den Bevollmächtigten mit dem Beschluss am 4. Dezember 2006 zu. Das heißt, innerhalb von fast zwei Monaten haben die Bevollmächtigten an die Bescheidung ihres Prozesskostenhilfeantrags nicht erinnert.
Ein Gehörsverstoß liegt auch deshalb nicht vor, weil die Bevollmächtigten im Prozesskostenhilfeverfahren die Kapazitätsunterlagen nicht angefordert haben. Dem Prozesskostenhilfeantrag vom 28. September 2006 lässt sich eine Bitte um Übersendung der Kapazitätsunterlagen nicht entnehmen. Lediglich der "Entwurf" eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der dem Prozesskostenhilfeantrag beigefügt war, enthält eine solche Bitte. Dies konnte ohne weiteres so verstanden werden, dass erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe Einsicht in die Kapazitätsunterlagen genommen werden sollte, nämlich dann, wenn der eigentliche Eilantrag gemäß dem Entwurf tatsächlich gestellt sein würde.
Prozesskostenhilfe darf versagt werden, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist, so dass zu prüfen ist, ob eine mehr als nur verhältnismäßig geringe Aussicht besteht, aufgrund des (beabsichtigten) Gerichtsverfahrens einen vorläufigen Studienplatz zu erhalten (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 15. September 2005 - 8 MM 3527/04.W4 - m. w. N. insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Ausgehend von diesem Ziel des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. den Beschluss vom 15. September 2005), dass für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht allein die hinreichende Aussicht genügt, dass die festgesetzte Zulassungszahl das Studienplatzpotential der Hochschule nicht erschöpft (so aber BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 1985 - 7 C 37/83 - DVBl. 1986, 46 = juris). Das heißt, es muss angesichts des Zahlenverhältnisses zwischen freien Studienplätzen und Bewerberzahl für den Antragsteller mindestens eine erhebliche, nicht nur verhältnismäßig geringfügige Loschance in einem gerichtlich angeordneten Losverfahren bestehen (vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 24. Januar 2006 - 8 GP 2810/05.W5 -). Dafür, dass diese Voraussetzung hier gegeben wäre, liegen keine Anhaltspunkte vor.
Die antragstellende Partei kann sich dem Darlegungserfordernis auch nicht mit dem Hinweis entziehen, sie habe nicht die Möglichkeit gehabt, den Vortrag weiterhin glaubhaft zu machen, da ohne eine Eingangsverfügung für das Verfahren der antragstellenden Partei unklar gewesen sei, ob dem Antrag auf Übersendung der Berechnungsunterlagen ohne weiteres nachgekommen werde. Zum einen hat sie - wie bereits ausgeführt - nicht deutlich gemacht, dass schon im Prozesskostenhilfeverfahren die Unterlagen vorgelegt werden sollten. Zum anderen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass das Verwaltungsgericht grundsätzlich nur verpflichtet ist, der antragstellenden Partei vollständige Ablichtungen der Kapazitätsberechnungsunterlagen auf ihre Kosten zu erteilen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 22. August 2001 - 8 GM 1694/01.S1 - NVwZ-RR 2002, 784 = juris); die Übersendung der Originalunterlagen scheidet in diesen auf eine zeitnahe gerichtliche Entscheidung angewiesenen Massenverfahren aus verfahrenspraktischen Gründen aus.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann auch im Prozesskostenhilfeverfahren eine Kostenübernahme für die Ablichtung der Kapazitätsberechnungsunterlagen von dem Antragsteller verlangt werden. Diese Kopierkosten sind der antragstellenden Partei nach und im Rahmen der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO zu erstatten, so dass sie bei hinreichender Erfolgsaussicht in der Hauptsache nur vorübergehend von ihr zu tragen sind. Dies ist der antragstellenden Partei angesichts der Besonderheiten der Studienzulassungsverfahren auch ebenso zumutbar wie das freiwillig übernommene Risiko, bei Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe oder einer gemäß § 121 Abs. 2 ZPO abgelehnten Beiordnung des von ihr beauftragten Rechtsanwalts dessen weit höhere Kosten tragen zu müssen. Zudem kann ein Verfahrensbevollmächtigter, der mehrere Studienbewerber vertritt, die Kosten für die nur einmal angeforderten Berechnungsunterlagen auf alle Verfahren umlegen und so die Kostenlast für die einzelnen Bewerber verringern. Aus der Regelung des § 115 Abs. 4 ZPO wird deutlich, dass der Gesetzgeber einem bedürftigen Beteiligten auch einen eigenen Finanzierungsbeitrag zumutet, denn nach dieser Vorschrift wird Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 24. Januar 2006, a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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