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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.09.2005
Aktenzeichen: 8 MM 3527/04.W4
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 166 | |
ZPO § 114 |
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS
8 MM 3527/04.W4
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
wegen vorläufiger Zulassung zum Studium der Medizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2004/2005, 1. Fachsemester, hier: Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug,
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe
am 15. September 2005 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der antragstellenden Partei gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 15. August 2005 - 3 MM 3527/04.W4 - wird zurückgewiesen.
Die antragstellende Partei hat die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten zu tragen.
Gründe:
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ist nicht begründet. Die mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beabsichtigte Rechtsverfolgung bot keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Wegen der Begründung wird zunächst auf die Gründe des die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 15. August 2005 Bezug genommen.
Tragfähige Argumente gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die antragstellende Partei in ihrer Beschwerdeschrift vom 22. August 2005 und im Schriftsatz vom 13. September 2005 nicht vorgetragen. Sie hat im Schriftsatz vom 22. August 2005 im Wesentlichen ausgeführt, hinreichend Erfolg versprechend sei die auf Zulassung zum Studium gerichtete Rechtsverfolgung bereits dann, wenn Aussicht bestehe, dass die festgesetzte Zulassungszahl das Studienplatzpotenzial der Hochschule nicht erschöpfe und der jeweilige Bewerber die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfülle. Insofern hat sich die antragstellende Partei auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Mai 1985 - 7 C 37.83 - (DVBl. 1986, 46 f.) und einen von ihr nicht vorgelegten und auch im Juris-System nicht auffindbaren Beschluss des OVG Weimar vom 26. November 2002 berufen. Ergänzend hat sie ausgeführt, gerichtliche Kapazitätsprüfungen hätten in den vergangenen Jahren häufiger zum Auffinden sog. "verschwiegener" Studienplätze geführt. Hinzu komme, dass es bei der komplexen Materie des Hochschulzulassungsrechts dem Gebot der Waffengleichheit entspreche, bei nicht von vornherein aussichtslosen Rechtsschutzgesuchen der "prozessarmen Partei" einen Rechtsanwalt beizuordnen. Im vorliegenden Fall habe das Verwaltungsgericht Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität gefunden und eine Verlosung angeordnet. Insoweit sei die Rechtsverfolgung sogar im Zeitpunkt des Vorliegens aller Unterlagen nicht ohne Aussicht auf Erfolg gewesen. Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt nur ein Studienplatz hätte gefunden werden können, hätte eine Erfolgsaussicht, wenn auch eine geringe, bestanden. Denn derjenige, der an dem Losverfahren teilnehme, werde im Falle des Losglücks auch den Studienplatz bekommen, den er mit dem Verfahren angestrebt habe.
Der von der antragstellenden Partei vertretenen Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des früher für Studienzulassungsverfahren zuständigen 6. und des nunmehr seit einigen Jahren zuständigen 8. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hängt die den Maßstab für die Gewährung von Prozesskostenhilfe bildende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) davon ab, ob eine mehr als nur verhältnismäßig geringe Aussicht besteht, auf Grund des Gerichtsverfahrens einen Studienplatz zu erhalten. Bereits mit seinem Beschluss vom 3. Februar 1987 - Ga 42 G 7654/84 T - (DVBl. 1987, 956 = KMK-HSchR 1988, 179) hat der 6. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs entschieden, in hochschulzulassungsrechtlichen Verwaltungsstreitverfahren genüge für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht die hinreichende Aussicht, dass die festgesetzte Zulassungszahl das Studienplatzpotenzial der Hochschule nicht erschöpfe (Abweichung von BVerwG, DVBl. 1986, 46). Wenn damit zu rechnen sei, dass für den Antragsteller nur eine verhältnismäßig kleine Aussicht bestehe, auf Grund eines von dem Gericht angeordneten Losverfahrens einen Studienplatz zu erhalten, führe die zu erwartende Ablehnung des weitergehenden Antrags zur Versagung der Prozesskostenhilfe.
Der 6. Senat hat u. a. dargelegt, es sei keinesfalls zu erwarten gewesen, dass es möglich gewesen wäre, etwa 600 Studienbewerbern oder einem erheblichen Anteil von ihnen den Zugang zum Studium der Medizin zu eröffnen. Angesichts der großen Zahl von Bewerbern sei allenfalls damit zu rechnen gewesen, dass jeder Einzelne und damit auch der Antragsteller eine geringfügige zusätzliche Los-Chance und damit mittelbar eine Aussicht auf Zulassung zum Studium erhalten hätte. Wörtlich führt der 6. Senat sodann Folgendes aus:
"Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Gewährung von Prozeßkostenhilfe in Verwaltungsstreitverfahren, die die Vergabe von Studienplätzen betreffen, gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage. Nach dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 2.5.1985 - 7 C 37.83 - (DVBl. 1986, 46, 47) genügt allerdings für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe bereits die hinreichende Aussicht, daß die festgesetzte Zulassungszahl das Studienplatzpotential der Hochschule nicht erschöpft. In diesem Falle ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Prozeßkostenhilfe ohne Ansehung der Chance zu gewähren, die der Antragsteller im Rahmen eines Losverfahrens hätte. Rechtlicher Ausgangspunkt der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Erwägung, daß in die Prozeßkostenhilfeprüfung nur die rechtlichen Erfolgsaussichten und nicht die vom Gesetz der Wahrscheinlichkeit bestimmten Gewinnaussichten einer Studienplatzverlosung eingingen. Der beschließende Senat ist allerdings der Ansicht, daß die Frage, ob das Studienplatzpotential der Hochschule durch die festgesetzte Zulassungszahl erschöpft wird oder nicht, für die Beurteilung der rechtlichen Erfolgsaussichten nicht ausschlaggebend sein kann. Ob die von einer Partei beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder nicht, hängt vielmehr maßgeblich von dem Streitgegenstand ab, der in erster Linie durch den von der Partei bei Gericht gestellten Antrag bestimmt wird. Dieser Antrag richtete sich in dem vom Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden anhängig gemachten Verfahren ebenso wie in fast allen vergleichbaren Verwaltungsstreitverfahren darauf, daß das angerufene Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Hochschule als Antragsgegnerin verpflichten möge, dem Antragsteller einen Studienplatz zuzuweisen. Grundsätzlich ist es möglich, daß ein Antragsteller bei verhältnismäßig wenigen Mitbewerbern und vielen freien Plätzen die Zuweisung eines Studienplatzes erreicht oder eine erhebliche Loschance in einem vom Gericht angeordneten Losverfahren erhält. In dem einen Fall muß die in vollem Umfang unterlegene Hochschule die Kosten des Verfahrens tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO), in dem anderen Fall sind die Kosten zwischen den Beteiligten verhältnismäßig zu teilen oder gegeneinander aufzuheben (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ist damit zu rechnen, daß ein Antragsteller zu einem erheblichen Teil von den Kosten des Verfahrens freigestellt wird, weil er in erheblichem Umfang obsiegt, so wird zugleich deutlich, daß die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Es kann im vorliegenden Fall offenbleiben, wie groß die Loschance eines Studienbewerbers sein muß, um sich im Hinblick auf die Erfolgsaussichten für die Rechtsverfolgung des Bewerbers als erheblich zu erwiesen. Für den prozessualen Antrag des Antragstellers in dem hier zu entscheidenden Verfahren bestanden jedenfalls keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Angesichts der großen Zahl von Studienbewerbern war vielmehr von vornherein damit zu rechnen, daß der Antrag zum überwiegenden Teil abgelehnt werden mußte und auf den Antragsteller nur eine verhältnismäßig kleine Aussicht entfallen würde, auf Grund eines von dem Verwaltungsgericht angeordneten Losverfahrens einen Platz zu erhalten. Es ist daher folgerichtig und entspricht § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, daß das Verwaltungsgericht den Antragstellern, die sich um einen Studienplatz im ersten Fachsemester beworben hatten, die Kosten des Verfahrens auferlegt hat. Auch für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe kann die für den Antragsteller ursprünglich bestehende verhältnismäßig geringfügige Loschance nicht von entscheidender Bedeutung sein. Gewichtiger und daher maßgeblich ist bei dem gegebenen Zahlenverhältnis zwischen Studienbewerbern und Studienplätzen des ersten Fachsemesters die von Anfang an zu erwartende Ablehnung des von dem Antragsteller gestellten Antrags im übrigen."
Diese Rechtsprechung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof auch in der Folgezeit aufrechterhalten (vgl. z. B. Hess. VGH, Beschlüsse vom 13. Februar 1989 - Ma 71 P 15006/87 T - Seiten 3 und 4 des amtlichen Umdrucks, 16. Mai 2000 - 8 MA 822/00.W9 - und 5. Juni 2000 - 8 MA 822/00.W9 -). Das Bundesverfassungsgericht hat die gegen die zitierte Entscheidung vom 16. Mai 2000 gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung habe (vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rdnr. 440 unter Bezugnahme auf den nicht veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2000 - 1 BvR 1126/00 -).
Die Auffassung des beschließenden Senats wird ferner bestätigt durch weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, Beschlüsse vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 ff., 357, und vom 4. Februar 1997 - 1 BvR 391/93 - NJW 1997, 2102; so auch BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 1994 - 1 A 14/92 - Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33 = juris; vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 16. Mai 2000, a.a.O., S. 2 des amtlichen Umdrucks).
Hier war die Erfolgschance der antragstellenden Partei bei realistischer Betrachtungsweise nur eine entfernte, denn bei 728 Anträgen auf Zulassung außerhalb der Kapazität und Durchführung einer Verlosung unter mehr als 500 Antragstellern, die eine eidesstattliche Versicherung dahingehend abgegeben hatten, dass sie keinen Studienplatz an einem anderen Studienort erlangt hatten, konnte die antragstellende Partei kaum damit rechnen, auf Grund des Gerichtsverfahrens einen der nach Losentscheid zu besetzenden acht Studienplätze zu erhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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