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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 8 N 2474/06
Rechtsgebiete: HGO


Vorschriften:

HGO § 36a Abs. 1 Satz 3
HGO § 36a Abs. 1 Satz 4
§ 36a Abs. 1 Sätze 3 und 4 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung vom 1. April 2005 (GVBl. I S. 142) sind wirksam (Fortführung der Rechtsprechung des Senats zu § 26a Abs. 1 S. 3 und 4 HKO, Urteile vom 22. März 2007 - 8 N 2136/06 und 8 N 2359/06).
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 8 N 2474/06

Verkündet am 3. Mai 2007

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Verfassung, Verwaltung u. Organisation der Gemeinden und Gemeindeverbände/ kommunalen Gebietskörperschaften

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richter am Hess. VGH Univ.-Prof. Dr. Horn

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin und der Antragsteller sind Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung A-Stadt und begehren die Nichtigerklärung von § 7 der Geschäftsordnung dieser Stadtverordnetenversammlung, der die Mindestfraktionsstärke auf drei festlegt. Insgesamt hat die Stadtverordnetenversammlung 93 Mitglieder.

Bei der Kommunalwahl am 26. März 2006 wurden die Antragstellerin und der Antragsteller als jeweils einzige Kandidaten ihrer Listen in die Stadtverordnetenversammlung gewählt, und zwar die Antragstellerin über die ÖkoLinX-Antirassistische Liste (1,2 % Stimmenanteil) und der Antragsteller über die Europa Liste (1,0 % Stimmenanteil).

Mit Schreiben vom 10. April 2006 teilten die Antragsteller dem Büro der Stadtverordnetenversammlung mit, dass sie sich zu einer Fraktion zusammengeschlossen hätten, und im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte stellten sie am 27. April 2006 den Antrag, die Fraktionsstärke auf zwei festzulegen. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. § 7 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung, der in seiner bisherigen Fassung auch einzelnen Stadtverordneten, die auf Vorschlag von Parteien und Wählergruppen gewählt worden waren, Fraktionsstatus zuerkannt und im Übrigen eine Mindestfraktionstärke von fünf Stadtverordneten vorgesehen hatte, erhielt aufgrund Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 27. April 2006 folgende Fassung:

"Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung können sich zu Fraktionen zusammenschließen. Eine Fraktion ist der Zusammenschluss von mindestens drei Stadtverordneten."

Mit Schreiben vom 2. Mai 2006 teilte der Stadtverordnetenvorsteher der Antragstellerin und dem Antragsteller mit, dass gemäß § 36 a HGO in Verbindung mit § 7 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung in der am 27. April 2006 beschlossenen Fassung eine Fraktion aus mindestens drei Stadtverordneten bestehen müsse und dass ihr Zusammenschluss nicht die Voraussetzungen zur Bildung einer Fraktion erfülle, so dass eine Fraktionsbildung nicht zu Stande gekommen sei.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 17. Oktober 2006, der am folgenden Tag beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist, haben die Antragstellerin und der Antragsteller den vorliegenden, zunächst gegen die durch den Magistrat vertretene Stadt Frankfurt gerichteten Normenkontrollantrag gestellt. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 13. Dezember 2006, der am folgenden Tag beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist, haben sie den Antrag gegen die Stadtverordnetenversammlung, vertreten durch den Stadtverordnetenvorsteher, gerichtet. Sie sind der Ansicht, durch § 7 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung A-Stadt würden sie von grundlegenden Mitwirkungsrechten in der Stadtverordnetenversammlung ausgeschlossen, insbesondere von dem Recht auf Mitarbeit in den Ausschüssen und von dem Recht auf Gewährung von Finanzmitteln zur eigenen Geschäftsführung. Gegenüber fraktionslosen Gemeindevertretern hätten Fraktionsangehörige weitergehende Rechte, insbesondere das Recht auf Benennung von Ausschussmitgliedern, das Recht auf Entsendung von Gemeindevertretern ohne Stimmrecht in einen Ausschuss, in dem die Fraktion nicht vertreten ist, das Recht auf Einrichten eines Akteneinsichtsausschusses und das Recht auf endgültige Beschlussfassung bei Übertragung auf einen Ausschuss. Ihr Ausschluss von der aktiven Mitarbeit in Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung sei besonders schwer wiegend, weil die Stadtverordnetenversammlung in § 12 Abs. 3 ihrer Geschäftsordnung in sehr weitem Umfang von der Möglichkeit der Übertragung von Angelegenheiten zur endgültigen Beschlussfassung an Ausschüsse gemäß § 62 Abs. 1 S. 3 HGO Gebrauch gemacht habe. Damit finde die wesentliche Sacharbeit der Stadtverordnetenversammlung in den Ausschüssen statt, von deren Tätigkeit fraktionslose im wesentlichen ausgeschlossen seien. Dass die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung selbst die in § 7 Abs. 1 ihrer Geschäftsordnung getroffene Regelung für problematisch halte, zeige sich u. a. darin, dass in der Zwischenzeit unter dem Eindruck des vorliegenden Normenkontrollantrags einige Bestimmungen der Geschäftsordnung zu Gunsten fraktionsloser geändert worden seien. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten der Antragstellerin und des Antragstellers vom 13. Dezember 2006 und vom 28. Februar 2007 Bezug genommen.

Die Antragstellerin und der Antragsteller beantragen,

§ 7 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung A-Stadt vom 28. Februar 2002 in der Fassung vom 27. April 2006 für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bestimmungen der Geschäftsordnung für rechtmäßig. Die Stadtverordnetenversammlung habe mit der Änderung der Geschäftsordnung insoweit die ab 1. April 2006 geltende Änderung des § 36 a Abs. 1 HGO willkürfrei umgesetzt, indem sie zwar einerseits die in der neuen Fassung des § 36 a Abs. 1 S. 4 HGO enthaltene Mindestzahl von zwei Gemeindevertretern zur Fraktionsbildung überschritten, andererseits aber die vorher für eine Fraktionsbildung während der Legislaturperiode geltende Mindestzahl von fünf Stadtverordneten deutlich unterschritten habe, um auch kleineren Parteien und Wählergruppen die Fraktionsbildung zu ermöglichen. Mit der Regelung im neuen § 36 a Abs. 1 S. 4 HGO habe der Gesetzgeber das für eine Fraktionsbildung notwendige Quorum nicht selbst festgelegt, sondern eine Ermessensuntergrenze für die notwendige Geschäftsordnungsentscheidung der Gemeindevertretung geschaffen. Die von der Antragstellerin und dem Antragsteller angegriffene Regelung beruhe auf einer sachgerechten Abwägung zwischen der einerseits zu gewährleistenden gestrafften und konzentrierten Arbeit innerhalb der Stadtverordnetenversammlung und der andererseits bestehenden Mitwirkungsmöglichkeiten der Stadtverordneten an der Arbeit dieses Gremiums. Unter Bezugnahme auf das vorgelegte Wortprotokoll der konstituierenden Stadtverordnetenversammlung vom 27. April 2006 meint die Antragsgegnerin, den protokollierten Wortbeiträgen sei zu entnehmen, dass die Stadtverordnetenversammlung das alte Quorum von fünf Abgeordneten für eine Fraktionsbildung angesichts der Größe des Gremiums für durchaus angemessen gehalten habe, gleichwohl aber den kleineren Parteien und Wählergruppen die Möglichkeit der Fraktionsbildung dann habe einräumen wollen, wenn sie mindestens drei stellen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Magistrats der Stadt Frankfurt vom 22. Januar 2007 und die Anlagen hierzu Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 HAGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er ist sinngemäß darauf gerichtet, § 7 Abs. 1 S. 2 der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin in der derzeitigen Fassung für unwirksam zu erklären (vgl. § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO).

Diese Bestimmung der Geschäftsordnung über die Fraktionsmindeststärke unterliegt als eine unter dem Landesrecht stehende Rechtsvorschrift nach diesen Vorschriften der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle. Zwar regelt die Geschäftsordnung nicht mit der für eine Rechtsvorschrift charakteristischen Außenwirkung das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, sondern lediglich die innere Organisation der Antragsgegnerin und den Ablauf ihrer Meinungs- und Willensbildung. Nach Sinn und Zweck des Normenkontrollverfahrens sind aber jedenfalls Bestimmungen einer Geschäftsordnung, die die Rechte von Mitgliedern kommunaler Vertretungsorgane in abstrakt-genereller Weise regeln, wie hier das Recht der Stadtverordneten, sich zu einer Fraktion zusammenzuschließen, trotz ihres Charakters als bloße Innenrechtssätze in den Anwendungsbereich des § 47 VwGO einzubeziehen. Durch die Möglichkeit einer allgemein verbindlichen Ungültigkeitserklärung einer untergesetzlichen Rechtsvorschrift soll der individuelle Rechtsschutz der Betroffenen dadurch verbessert werden, dass sie nicht gezwungen sind, eine inzidente Prüfung der Norm in einem Klageverfahren gegen eine darauf gestützte konkrete Verwaltungsentscheidung herbeiführen zu müssen; zugleich sollen dadurch die Verwaltungsgerichte entlastet werden. Diese Zwecke eines Normenkontrollantrags gemäß § 47 VwGO erfassen auch einen Streit um die innerorganisatorische Rechtsstellung der Mitglieder eines kommunalen Vertretungsorgans, denn es ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte anerkannt, dass solche Organrechte ebenso wie subjektiv-öffentliche Rechte des Bürgers im Klagewege durchgesetzt werden können, so dass es auch ein Bedürfnis für eine Normenkontrolle in diesem Innenrechtsstreit gibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1987 - 7 N 1.87 -, NVwZ 1988 S. 1119 ff. = juris Rdnrn. 6 bis 9; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juni 2002 - 1 S 896/00 -, NVwZ-RR 2003 S. 56 ff. = juris Rdnr. 18; Hess. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2006 - 8 NG 1156/06 -, NVwZ 2007 S. 107 ff. = juris Rdnr. 26).

Daraus ergibt sich auch, dass der Normenkontrollantrag entsprechend § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht - wie bei einem Rechtsstreit im Außenverhältnis zwischen Gemeinde und Bürger - gegen die Gemeinde als Gebietskörperschaft, sondern - da es sich um ein organinternes Streitverfahren handelt - gegen das Organ zu richten ist, das die streitige Geschäftsordnung beschlossen hat, also gegen die Gemeindevertretung (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2006, a.a.O., juris Rdnr. 24). Die Antragstellerin und der Antragsteller haben daher zu Recht den zunächst gegen die Stadt A-Stadt, vertreten durch den Magistrat, gerichteten Normenkontrollantrag entsprechend umgestellt, worin keine zustimmungsbedürftige Antragsänderung analog § 91 Abs. 1 VwGO zu sehen ist (vgl. Redeker-von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., Rdnr. 9 zu § 91); selbst wenn man darin eine Antragsänderung sehen wollte, wäre diese auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Antragsgegnerin als sachdienlich zuzulassen, weil sie innerhalb der Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Änderung der Geschäftsordnung erfolgt ist, so dass die noch mögliche Einleitung eines weiteren Normenkontrollverfahrens erspart worden ist.

Der Antrag, die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung A-Stadt vom 28. Februar 2002 in der Fassung vom 27. April 2006 (künftig: GO) für unwirksam zu erklären, ist aber nicht begründet, denn die Festsetzung der Mindestfraktionsstärke auf drei ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Für die Wahrnehmung der ihr vom Gesetzgeber gemäß § 36 a Abs. 1 Satz 3 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung vom 1. April 2005 (GVBl. I S. 142) übertragenen Befugnis, das Nähere über die Bildung einer Fraktion, die Fraktionsstärke, ihre Rechte und Pflichten innerhalb der Gemeindevertretung in der Geschäftsordnung zu regeln, steht der Antragsgegnerin als kommunalem Vertretungsorgan auf Grund ihrer Geschäftsordnungsautonomie ein weiter Ermessensspielraum zu, der ihr eine Entscheidung darüber ermöglicht, zu ihrer Selbstorganisation und zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen und effektiven Geschäftsgangs und damit im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit eine Fraktionsmindestgröße festzulegen. Denn Fraktionen dienen dem Zweck, durch eine kollektive Vorbereitung der Willensbildung in Gruppen politisch Gleichgesinnter den Meinungs- und Entscheidungsprozess zu fördern und durch diesen Bündelungseffekt die Arbeit der Gemeindevertretung zu straffen und zu konzentrieren. Die Bildung von Kleinstfraktionen könnte diesem Zweck der Fraktionsbildung aber gerade zuwiderlaufen und die Arbeit der Gemeindevertretung erschweren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1979 - 7 B 77.78 -, NJW 1980, S. 304 = juris Rdnr. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 1990 - 7 A 11036/90 -, NVwZ-RR 1991, S. 506 ff. = juris Rdnr. 20; Bayer. VGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 4 N 98.1341 -, NVwZ-RR 2000, S. 811 ff. = juris Rdnr. 27).

Der dem kommunalen Vertretungsorgan bei der Festlegung der Fraktionsmindeststärke zustehende weite Ermessensspielraum unterliegt allerdings den rechtlichen Schranken des Gleichheitssatzes und des darin verbürgten Willkürverbotes, des im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Übermaßverbotes und des aus dem Demokratieprinzip folgenden Minderheitenschutzes (vgl. u. a. Bayer. VGH, Beschluss vom 16. Februar 2000, a.a.O.).

Gegen diese Grundsätze verstoßen weder die gesetzliche Grundlage in § 36 a Abs. 1 HGO noch die vorliegend streitige Festsetzung der Fraktionsmindestgröße auf drei in der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin war nach der mit Wirkung zum 1. April 2005 erfolgten Änderung des § 36 a Abs. 1 HGO zu einer Neufassung des § 7 GO nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Im Bereich der allgemeinen Kommunalverfassung war es ein zentrales Ziel des Änderungsgesetzes vom 31. Januar 2005 (GVBl. I S. 54), durch Änderung des § 36 a Abs. 1 Satz 4 HGO - und des im Wesentlichen gleichlautenden § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO - die Möglichkeit der Bildung von sog. Ein-Personen-Fraktionen auszuschließen. Nach der bis dahin geltenden Regelung erhielten Parteien oder Wählergruppen, die durch Wahlen in die Vertretungsorgane gelangt waren, unmittelbar "kraft Gesetzes" - unabhängig von ihrer Größe - den Fraktionsstatus; sie wurden also über den Minderheitenschutz hinaus durch ein Parteienprivileg automatisch mit dem Fraktionsstatus "belohnt", wenn es ihnen gelang, die bei Kommunalwahlen zunächst noch bestehende 5 %-Sperrklausel zu überwinden und mindestens einen Sitz im kommunalen Vertretungsorgan zu erringen. Dem (nachträglichen) freiwilligen Zusammenschluss zu einer Fraktion kam demnach nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Nachdem im Rahmen der Kommunalverfassungsrechtsnovelle 1999 - Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung und der kommunalen Selbstverwaltung vom 23. Dezember 1999, GVBl. I 2000 S. 2) - die Sperrklausel nicht nur - wie ursprünglich geplant - auf 3 % abgesenkt, sondern ganz gestrichen und die Regelung des § 36 a Abs. 1 Satz 4 HGO - wie auch die des § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO - trotzdem beibehalten worden war, kam es in der Wahlperiode 2001 bis 2006 neben sonstigen Kleinstfraktionen auch zu einer erheblichen Zahl von Ein-Personen-Fraktionen, die eine effiziente parlamentarische Arbeit erheblich erschwerten. Die Abschaffung der allzu minderheitenfreundlichen und bundesweit einmaligen Regelung über die Ein-Personen-Fraktionen war deshalb ein zentraler Punkt im "Erfahrungsbericht und Forderungskatalog Kommunalwahlen 2001" des Hessischen Städte- und Gemeindebundes vom Dezember 2001 und wurde im Anhörungsverfahren zum Änderungsgesetz vom 31. Januar 2005 von den kommunalen Spitzenverbänden auch einhellig begrüßt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und anderer Gesetze vom 6. Juli 2004, LT-Drs. 16/2463, S. 32 f. unter IV.1. und S. 40 f unter V.4.; vgl. dazu auch Schneider/Dreßler/Lüll, Hessische Gemeindeordnung, Stand: September 2006, Anm. 6 zu 36a HGO; Borchmann, in: Kommunalverfassungsrecht Hessen, Stand: März 2006, Anm. 5 a zu § 26 a HKO). In der Begründung des zitierten Gesetzentwurfs der Landesregierung wurden die durch die Kommunalwahlen 2001 in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt A-Stadt entstandenen Verhältnisse ausdrücklich als Negativbeispiel für die nach Ansicht der Entwurfsverfasser eingetretene Fehlentwicklung und als Grund für die später Gesetz gewordene Neuregelung benannt (LT-Drs. 16/2463, 2. Abs. auf S. 33)

Durch den neuen Satz 4 in § 36 a Abs. 1 HGO wurde nunmehr bestimmt, dass für einen Fraktionszusammenschluss mindestens zwei Gemeindevertreter erforderlich sind. Dies begründete der Gesetzgeber damit, dass die Fraktionsstärke von zwei Gemeindevertretern bzw. Kreistagsangehörigen einen weitgehenden Minderheitenschutz gewähre und in der Regel zugleich eine effektive Arbeit der kommunalen Vertretungsorgane gewährleiste. Die Gemeindevertretung könne kraft ihrer Selbstorganisationshoheit (§ 36 a Abs. 1 Satz 3 HGO) mittels der Geschäftsordnung allerdings eine höhere Fraktionsmindeststärke vorsehen. Insbesondere in Gemeinden mit einer größeren Zahl von Mandatsträgern könne damit einer zu großen Zahl kleiner Fraktionen und somit der Zersplitterung der Vertretungskörperschaft gegengesteuert werden. Bei der Festsetzung der Fraktionsmindeststärke habe die Gemeindevertretung einen weiten Ermessensspielraum, der seine Grenze in dem (verfassungsrechtlichen) Willkür- und Übermaßverbot finde (vgl. LT-Drs. 16/2463, S. 48 f. zu Art. 1 Nr. 7 [§ 36 a HGO]).

Trotz des Inkrafttretens dieser Gesetzesänderung bereits zum 1. April 2005 bedurfte es vor der am 1. April 2006 beginnenden neuen Wahlperiode keiner Neufassung des auf der früheren Gesetzeslage beruhenden § 7 GO, weil ein bis zum Inkrafttreten dieses Änderungsgesetzes gemäß § 36 a Abs. 1 Satz 4 HGO a. F. entstandener Fraktionsstatus nach der Übergangsregelung in Art. 8 Abs. 2 des Änderungsgesetzes vom 31. Januar 2005 bis zum Ende der laufenden Wahlzeit am 31. März 2006 bestehen geblieben war. Es entsprach deshalb dem Demokratieprinzip des Art. 28 Abs. 1 GG und der Autonomie der neu gewählten Stadtverordnetenversammlung, dass die bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 31. Januar 2005 noch bis zum Ende der laufenden Wahlperiode am 31. März 2006 bestehende und aus kraft Gesetzes gemäß § 36 a Abs. 1 Satz 4 HGO a. F. entstandenen Fraktionen zusammengesetzte frühere Stadtverordnetenversammlung die auf Grund der Gesetzesänderung erforderliche Neufassung des § 7 GO der sich 2006 neu konstituierenden Stadtverordnetenversammlung, also der Antragsgegnerin, überlassen hatte, weil sich die neue Gesetzeslage erst auf deren Zusammensetzung und Funktionsfähigkeit auswirken konnte.

Soweit die Antragstellerin und der Antragsteller einen Verstoß gegen das Willkürverbot darin sehen, dass die Antragsgegnerin in ihrer konstituierenden Sitzung am 27. April 2006 in Kenntnis ihrer durch die Kommunalwahl am 26. März 2006 verursachten Zusammensetzung durch die beanstandete Änderung der Geschäftsordnung nur die Antragsteller und nicht auch andere Gruppierungen von einer Fraktionsbildung ausgeschlossen habe, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen ist es selbstverständlich, dass ein Gemeindeorgan in seiner Geschäftsordnung auf die Bedürfnisse reagiert, die sich durch seine aktuelle Zusammensetzung ergeben oder ergeben können. Zum anderen betrifft der beanstandete Beschluss nicht nur die Antragstellerin und den Antragsteller, die bereits vorher die Absicht einer Fraktionsbildung geäußert hatten, sondern hindert auch zwei , die auf Vorschlag anderer Gruppierungen bzw. Parteien (REP, NPD; vgl. amtliches Wahlergebnis, Bd. 1 Bl. 73 f. GA) gewählt worden sind, an einer künftigen Fraktionsbildung. Daher kann von einem willkürlichen Ausschluss gerade der Antragstellerseite von einer Fraktionsbildung keine Rede sein.

Die Antragsgegnerin konnte § 7 GO auch nicht in seiner bisherigen Fassung fortbestehen lassen. Zwar gilt eine Geschäftsordnung nach der Neukonstituierung eines kommunalen Vertretungsorgans grundsätzlich fort (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. April 1991 - 6 TG 292/91 - NVwZ 1991, S. 1105 f. = juris Rdnr. 4), allerdings nur insoweit, wie sie noch mit der bestehenden Rechtslage übereinstimmt. Die Regelung in § 7 Abs. 1 S. 1 GO a. F., wonach die für eine bestimmte Partei oder Wählergruppe gewählten Stadtverordneten unabhängig von ihrer Anzahl Fraktionsstatus erhielten, entsprach aber nach Streichung des bisherigen Satzes 4 in § 36 a Abs. 1 HGO a. F. durch das insoweit am 1. April 2005 in Kraft getretene Änderungsgesetz vom 31. Januar 2005 mit dem Ende der Übergangsregelung in Art. 8 Abs. 2 ab dem 1. April 2006 nicht mehr dem geänderten § 36 a HGO n. F. und war deshalb jedenfalls von diesem Zeitpunkt an rechtswidrig und damit unwirksam. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit war deshalb insoweit eine Neufassung des § 7 GO geboten. Auch die Regelung der Fraktionsmindeststärke von fünf Personen in Absatz 1 S. 2 des 7 GO a. F. bedurfte zumindest einer neuen Willensbildung und Beschlussfassung der neu konstituierten Stadtverordnetenversammlung, weil die bloße Rahmenvorschrift des § 36 a HGO (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 3 zu § 36 a HGO, S. 6) mit der Formulierung in Absatz 1 Satz 3 "... sind in der Geschäftsordnung zu regeln" einen verpflichtenden Regelungsauftrag an die Gemeindevertretungen enthält (vgl. Borchmann a.a.O. Anm. 35 zu § 26 a HKO) und sich die Grundlagen der bisherigen Bestimmung in § 7 Abs. 1 S. 2 GO a. F. so erheblich verändert hatten, dass dazu eine neue Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung getroffen werden musste. Da bis zur Gesetzesänderung im Jahre 2005 die Fraktionen kraft Gesetzes unabhängig von der Anzahl ihrer Mitglieder entstanden, kam der in § 7 Abs. 1 S. 2 GO a. F. geregelten Mindestfraktionsstärke nur eine untergeordnete Bedeutung für die Sonderfälle zu, in denen in der laufenden Wahlperiode eine Neubildung von Fraktionen erfolgen sollte, während nach der Gesetzesänderung nunmehr alle Fraktionen nur noch durch übereinstimmende Willenserklärungen kommunalpolitisch gleichgesinnter Gemeindevertreter (Fraktionsvertrag) im Wege des Zusammenschlusses gemäß § 36 a Abs. 1 1 S. HGO gebildet werden können. Der Anwendungsbereich der in der Geschäftsordnung bestimmten Fraktionsmindeststärke betrifft also nicht mehr nur diese seltenen Einzelfälle nachträglicher Fraktionsbildungen, sondern alle Fraktionen der Gemeindevertretung. Zudem hat der Landesgesetzgeber in § 36 a Abs. 1 Satz 4 HGO n. F. nunmehr selbst eine gesetzliche Fraktionsmindeststärke von zwei Gemeindevertretern festgelegt und durch den Zusatz "mindestens" in Übereinstimmung mit der Begründung des Gesetzentwurfs den Regelungsauftrag in § 36 a Abs. 1 Satz 3 HGO dahin konkretisiert und aktualisiert, dass in der Geschäftsordnung nunmehr eine Entscheidung darüber zu treffen war, ob eine höhere Fraktionsmindeststärke festgesetzt werden soll, was der Landesgesetzgeber für Gemeinden und Landkreise mit einer größeren Zahl von Mandatsträgern für sachgerecht hielt, um "einer zu großen Zahl kleiner Fraktionen und somit der Zersplitterung der Vertretungskörperschaft gegenzusteuern" (vgl. LT-Drs. 16/2463, S. 48 f. zu Art. 1 Nr. 7).

Die mit Änderungsbeschluss vom 27. April 2006 in § 7 Abs. 1 Satz 2 GO für eine Stadtverordnetenversammlung mit 93 Mitgliedern auf drei festgesetzte Fraktionsmindestgröße verstößt nicht gegen das Übermaßverbot und den Minderheitenschutz, sondern hält sich im Rahmen der unter diesen Gesichtspunkten allgemein anerkannten Größenordnung, und zwar sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene und im kommunalen Bereich anderer Bundesländer und Hessens. Der Senat hat dazu in einem Normenkontrollverfahren, das eine auf § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO beruhende vergleichbare Regelung in der Geschäftsordnung eines Kreistags betraf, mit Urteil vom 22. März 2007 - 8 N 2359/06 - Folgendes ausgeführt:

"Bei einem Vergleich mit dem Bundestag, dem Hessischen Landtag und den Kommunen anderer Bundesländer ist zu berücksichtigen, dass Anlass für die Abschaffung der - bundesweit einmaligen - Möglichkeit der Entstehung von Ein-Personen-Fraktionen gemäß § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO a. F. und für die gesetzliche Festsetzung einer Fraktionsmindeststärke von zwei Mandatsträgern die 1999 erfolgte völlige Aufhebung der 5 %-Sperrklausel und die Einführung des Panaschierens und des Kumulierens bei hessischen Kommunalwahlen war, die es auch kleinsten politischen Gruppierungen ermöglicht hatten, in die "Kommunalparlamente" einzuziehen, mit der Folge, dass eine effiziente parlamentarische Arbeit nach dem Erfahrungsbericht des Hessischen Städte- und Gemeindebundes vom Dezember 2001 erheblich erschwert worden war. Eine durch die Herabsetzung - oder wie in Hessen: die völlige Streichung - der Sperrklausel im Kommunalwahlrecht herbeigeführte Erhöhung der Zahl der in einem kommunalen Vertretungsorgan vertretenen politischen Gruppen kann es aber rechtfertigen, zur Sicherung seiner Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit für die Bildung von Fraktionen strengere Geschäftsordnungsregeln aufzustellen, insbesondere die Fraktionsmindestgröße zu erhöhen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 1990 a.a.O. juris Rdnr. 24; vgl. auch OVG NW, Beschluss vom 1. August 2006 - 15 A 2611/06 - NWVBl. 2007 S. 25 f. = juris Rdnr. 5), wobei die Größe des Vertretungsorgans eine maßgebliche Rolle spielen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1979 a.a.O.).

Eine vergleichende Betrachtung ergibt danach Folgendes:

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutsches Bundestages setzt die Bildung einer Fraktion - trotz der bestehenden 5 %-Sperrklausel für Bundestagswahlen - mindestens 5 % der Bundestagsmitglieder voraus, was hier der für die hessischen Kommunalwahlen abgeschafften 5 %-Sperrklausel entsprechen würde; die vorliegend streitige Fraktionsmindestgröße von vier bei insgesamt 71 Kreistagsabgeordneten entspricht einer ähnlichen Quote , nämlich 5,63 %.

Dem entspricht auch die in § 40 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des hessischen Landtages festgelegte Mindeststärke einer Fraktion von fünf Abgeordneten, die ebenfalls eine Quote von nahezu 5 % ergibt, obwohl auch für Landtagswahlen nach wie vor die 5 %-Hürde gilt, die Zahl der vertretenen politischen Gruppierungen also deutlich geringer ist als in den meisten kommunalen Vertretungsorganen (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 3 zu § 36 a HGO S. 9).

Auch ein - allerdings nur stichprobenartiger - Vergleich zum kommunalen Bereich anderer Bundesländer kommt zu einem ähnlichen Bild:

In Nordrhein-Westfalen sind die Fraktionsmindeststärken kommunaler Vertretungsorgane in Abhängigkeit von der Größe dieser Organe bereits im Gesetz selbst geregelt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NW muss eine Ratsfraktion immer aus zwei, in einem Rat mit mehr als 57 Mitgliedern aus mindestens drei und in einem Rat mit mehr als 81 Mitgliedern aus mindestens vier Personen bestehen; nach § 40 Abs. 1 Satz 2 KrO NW gibt es nur eine Abstufung von grundsätzlich zwei und in einem Kreistag mit mehr als 59 Mitgliedern von mindestens drei Fraktionsangehörigen. An der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NW bestehen nach dem Beschluss des OVG NW vom 1. August 2006 (a.a.O.) keine Zweifel.

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Fraktionsmindeststärke gesetzlich für Gemeindevertretungen mit mehr als 25 Stadtvertretern auf drei und mit mehr als 37 Stadtvertretern auf vier Fraktionsmitglieder sowie für Kreistage generell ebenfalls auf vier Fraktionsmitglieder festgesetzt (vgl. LVerfG M.-V., Urteil vom 16. Dezember 2004 - LVerfG 5/04 - NordÖR 2005 S. 61; dazu kritisch: Meyer, NordÖR 2005 S. 101 f.).

Demgegenüber ist die Fraktionsmindeststärke in Niedersachsen gemäß § 39 b Abs. 1 NGO und § 35 b Abs. 1 NLO starr auf zwei Personen festgesetzt; hier beträgt die Zahl der Mandatsträger aber auch nur maximal 66 bei Gemeinden mit mehr als 600.000 Einwohnern und 70 bei Kreisen mit mehr als 400.000 Einwohnern. Zudem hat dazu die Enquete-Kommission zur Fortentwicklung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts in ihrem Abschlussbericht vom 6. Mai 1994 (LT/Ds. 12/6260) zu einer Ergänzung durch das Ortsrecht Folgendes ausgeführt:

"Die nach geltendem Recht für die Bildung einer Fraktion erforderliche Mindestzahl von zwei Ratsmitgliedern hat sich grundsätzlich bewährt. Allerdings kann eine große Zahl kleiner Fraktionen eine wirkungsvolle Arbeit der Vertretungskörperschaften auch beeinträchtigen. Diese Gefahr besteht im besonderen Maße in Kommunen mit einer größeren Zahl von Mandatsträgern. Die Kommissionsmehrheit hält es für geboten, hier ein Gegensteuerungsinstrument zur Verfügung zu stellen. Die Übertragung der Regelungsbefugnis auf die Vertretungskörperschaften macht die Berücksichtigung besonderer örtlicher Gegebenheiten möglich und stärkt die Autonomie der Räte und Kreistage im Bereich ihrer inneren Organisation; sie verdient daher den Vorzug vor einer zwingenden gesetzlichen Regelung."

Dieser Empfehlung entspricht die in § 26 a Abs. 1 Sätze 3 und 4 HKO gewählte neue Regelungstechnik (Untergrenze im Landesgesetz, Erhöhungsmöglichkeit durch Ortsrecht), die gleichermaßen selbstverwaltungs- wie auch (nach wie vor) minderheitenfreundlich sein will (vgl. - auch zu dem vorangegangenen Zitat - Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 3 zu § 36 a HGO, S. 8).

Der hessische Landesgesetzgeber hatte in der Gesetzesbegründung zu § 36 a Abs. 1 Satz 4 HGO bzw. § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO im Zusammenhang mit der ortsrechtlichen Befugnis zur Erhöhung der Fraktionsmindeststärke auf das schon oben zitierte Urteil des Bayer. VGH vom 16. Februar 2000 verwiesen. In diesem war die Festlegung der Mindeststärke einer Stadtratsfraktion auf vier von 40 Stadtratsmitgliedern, d. h. auf die - vorliegend deutlich unterschrittene - Größenordnung von 10 %, als mit dem Übermaßverbot vereinbar angesehen worden (vgl. a.a.O. juris Rdnr. 33), und zwar auch unter Hinweis auf die Rechtsprechung (des dort zitierten BVerwG, Bad.-Württ. VGH, Bayer. VGH und OVG Rheinl.-Pfalz), nach der dies bei einer Mindestfraktionsstärke von 10 % des Gemeinderats regelmäßig der Fall sei (vgl. später auch Bad.-Württ. VGH, Urteil vom 24. Juni 2002 a.a.O. juris Rdnr. 28: drei von 33 Ratsmitgliedern), während danach etwa bei einer Fraktionsmindeststärke von fünf der 23 Ratsmitglieder (21,73 %) ein Verstoß gegen den Minderheitenschutz angenommen werde (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 1981 - 7 A 70/81 - NVwZ 1982 S. 694 f.).

Dieser summarische Rechtsvergleich mit anderen Bundesländern ergibt somit, dass die neue hessische Regelung zur Fraktionsmindeststärke auch in ihrer konkreten Ausgestaltung nach wie vor alles andere als minderheitenfeindlich ist (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 6 zu § 36 a HGO, S. 22).

Nach einem - ebenfalls summarischen und teilweise telefonischen - Vergleich mit anderen hessischen Kommunen liegt die hier streitige Fraktionsmindeststärke auch innerhalb Hessens (noch) im üblichen Rahmen. Die Stadtverordnetenversammlungen der kreisfreien Städte Kassel und Offenbach haben danach bei jeweils 71 Mitgliedern eine Fraktionsmindeststärke von vier Personen festgesetzt, ebenso der Kreistag des Rheingau-Taunus-Kreises, und zwar sogar bei einer Mitgliederzahl von nur 61 Personen. Eine Fraktionsmindeststärke von drei Mandatsträgern haben der Lahn-Dill-Kreis bei 81, der Landkreis Groß-Gerau und der Schwalm-Eder-Kreis bei 71 sowie der Werra-Meißner-Kreis bei 61 Kreistagsabgeordneten festgesetzt. Der Kreis Bergstraße mit seinen 81 Abgeordneten hat es bei der gesetzlichen Untergrenze von zwei Personen belassen."

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die hier auf drei festgesetzte Fraktionsmindeststärke unverhältnismäßig hoch wäre und deshalb gegen den Grundsatz der Chancengleichheit und den Minderheitenschutz verstieße. Ob die Antragsgegnerin die von ihr verfolgten Zwecke der Funktionsfähigkeit ihres Geschäftsbetriebes auch genauso gut oder sogar besser und minderheitenfreundlicher mit einer Festlegung der Fraktionsmindestgröße auf zwei hätte erreichen können, ist hier nicht erheblich. Es ist nicht Sache des Normenkontrollgerichts zu prüfen, ob das kommunale Vertretungsorgan die beste oder gerechteste Lösung der ihm vom Landesgesetzgeber übertragenen Entscheidung gewählt hat (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom 16. Februar 2000, a.a.O., juris Rdnr. 30), denn dann würde das Gericht eigenes Ermessen ausüben und die Geschäftsordnungsautonomie des Antragsgegners unter Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips missachten.

Auch aus den von der Antragsgegnerin in ihrer Sitzung am 27. April 2006 gefassten sonstigen Beschlüssen und dem vorgelegten Wortprotokoll zu der hier streitigen Änderung der Geschäftsordnung hinsichtlich der Festsetzung der Fraktionsmindeststärke auf drei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich diese unter Verstoß gegen das Missbrauchsverbot gezielt gegen die politische Gruppierung der Antragsteller mit dem alleinigen oder vorrangigen Ziel gerichtet hätte, deren kommunalpolitische Tätigkeiten zu erschweren und sie als unerwünschte politische Kraft zu behindern (vgl. dazu Hess. VGH, Beschluss vom 4. August 1983, a.a.O.).

Im Rahmen des vorliegend gegen die Festsetzung der Fraktionsmindeststärke in § 7 Abs. 1 GO gerichteten Normenkontrollverfahrens ist lediglich zu prüfen, ob die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Festsetzung dieser Mindeststärke der Fraktionen für sich allein das Recht der Antragstellerin und des Antragstellers auf einen Zusammenschluss zu einer Fraktion über das rechtlich zulässige Maß hinaus beschränkt. Gegenstand dieses Verfahrens ist dagegen nicht die Frage, ob andere an den Fraktionsstatus anknüpfende Regelungen der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin oder der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt, also ob mittelbare Auswirkungen der Festsetzung der Fraktionsmindeststärke die Antragsteller ihrerseits in ihren Beteiligungsrechten als verletzen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 1990, a.a.O., juris Rdnr. 24; Bayer. VGH, Urteil vom 16. Februar 2000, a.a.O., juris Rdnr. 31; a.A. Hess. VGH, Beschluss vom 29. April 1991, a.a.O., juris Rdnr. 7). Solche Folgeregelungen müssten vielmehr ihrerseits in einem Normenkontrollverfahren oder in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren gegen konkrete Maßnahmen, die auf ihrer Grundlage ergangen sind, selbständig einer direkten oder inzidenten Überprüfung unterzogen werden. Dabei ginge es dann um die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit fraktionslose Abgeordnete Nachteile gegenüber fraktionsangehörigen Mandatsträgern hinnehmen müssen, etwa hinsichtlich ihrer Beteiligung an Ausschüssen (vgl. dazu u. a. BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, S. 188 f. = NJW 1990, S. 373 = juris; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 8 C 18.03 -, BVerwGE 119, S. 305 ff. = NVwZ 2004, S. 621 f. = juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. September 2004 - 15 A 4544/02 - NVwZ-RR 2005, S. 495 ff. = juris) oder hinsichtlich ihrer finanziellen Unterstützung (vgl. dazu Bayer. VGH, Urteil vom 16. Februar 2000, a.a.O., juris Rdnrn. 34 ff.; vgl. insgesamt zur Ungleichbehandlung fraktionsloser und fraktionsangehöriger Mandatsträger: Schneider/Dreßler/Lüll, a.a.O., Anm. 6 zu § 36 a HGO, S. 22 ff. n.w.N.). Das Vorbringen der Antragsteller zu diesen Folgewirkungen ist deshalb im vorliegenden Normenkontrollverfahren nicht zu beurteilen.

Nach alledem ist der Normenkontrollantrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO abzulehnen.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung folgt den Anregungen des Streitwertkatalogs (NVwZ 2004 S. 1327; Nr. 22.7 Kommunalverfassungsstreit).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).

Ende der Entscheidung

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