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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.07.2004
Aktenzeichen: 8 TG 1067/04
Rechtsgebiete: HGO


Vorschriften:

HGO § 8b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2
1. Der sechswöchigen Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO unterliegen nicht nur solche Bürgerbegehren, die (ausdrücklich) die rückwirkende Aufhebung eines Beschlusses der Gemeindevertretung verlangen, sondern auch solche, die nur mit Wirkung für die Zukunft eine inhaltlich von dem Beschluss abweichende Regelung anstreben.

2. Die einem Bürgerbegehren/Bürgerentscheid zugängliche kommunalverfassungsrechtliche, abstrakt-generell durch die Hauptsatzung geregelte Grundentscheidung über die Anzahl der hauptamtlichen Beigeordneten einer Gemeinde ist auf Dauer angelegt und stellt sich nicht bei jedem Wechsel eines konkreten Amtsinhabers neu.

3. Die organschaftlichen Befugnisse der Gemeindevertretung können angesichts des in § 8 b HGO differenziert geregelten Spannungsverhältnisses zwischen direkter und repräsentativer Demokratie im Kommunalbereich nicht ohne Weiteres unter Hinweis auf deren demokratische Legitimation auf Bürgerbegehren/Bürgerentscheid übertragen werden.

4. Nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO kann die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens unabhängig von einer erneuten sachlichen Befassung und Beschlussfassung der Gemeindevertretung allenfalls dann wieder eröffnet werden, wenn sich die entscheidungserheblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Verhältnisse so unvorhersehbar und grundlegend geändert haben und dadurch eine so völlig neue Sachlage entstanden ist, dass ein früherer Beschluss der Gemeindevertretung nicht mehr als eine von deren Willen getragene Regelung des sich nunmehr völlig verändert darstellenden Problembereichs angesehen werden kann, so dass es sich bei einem Bürgerbegehren über diesen neuen Regelungsgegenstand deshalb nicht mehr um ein kassatorisches, sondern um ein initiierendes Bürgerbegehren handelt.

5. Die bloße Verschlechterung der gemeindlichen Haushaltslage stellt für einen Grundsatzbeschluss der Gemeindevertretung über die Beigeordnetenzahl in der Regel keine solche unvorhersehbare und grundlegende Veränderung der Entscheidungsgrundlagen dar.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

8 TG 1067/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalrechts/Bürgerbegehren auf Verringerung der Zahl der hauptamtlichen Stadträte/innen

hier: Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe

am 13. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 26. März 2004 - 8 G 539/04 - abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Antragsteller haben die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zu je einem Drittel zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller sind Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung (StaVO) der Antragsgegnerin sowie Unterzeichner und Vertrauenspersonen eines Bürgerbegehrens, das das Ziel verfolgt, die Anzahl der hauptamtlichen Stadträte/innen, die neben Bürgermeister/in und sieben ehrenamtlichen Stadträten/innen zum Magistrat der Antragsgegnerin gehören, von zwei auf eine(n) durch eine Änderung der Hauptsatzung zu verringern.

Die StaVO der Antragsgegnerin hatte mit Beschluss vom 21. September 2001 die Vorschrift des § 3 Abs. 2 der Hauptsatzung dahin geändert, dass die Zahl der Stadträte/innen von acht auf neun erhöht und die Stelle eines/r weiteren Stadtrates/rätin hauptamtlich verwaltet wird; daraufhin war mit Wirkung zum 1. Januar 2002 ein weiterer hauptamtlicher Stadtrat gewählt worden.

Nachdem dieser am 28. September 2003 zum Bürgermeister gewählt worden ist, soll die zum 1. April 2004 frei gewordene Stelle des hauptamtlichen Stadtrates neu besetzt werden.

Die Antragsteller reichten das "Bürgerbegehren zur Verkleinerung des Magistrats der Stadt A-Stadt" am 29. Dezember 2003 mit 3.209 Unterschriften bei der Antragsgegnerin ein.

Das Bürgerbegehren benennt folgende "zu entscheidende Frage:

Sind Sie dafür, dass die Stelle des/der weiteren hauptamtlichen Stadtrats/Stadträtin nicht wiederbesetzt und zur Abschaffung der Stelle die nachstehende Satzung in Kraft gesetzt wird?

"Satzung zur Änderung der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt

Artikel 1

§ 3 erhält folgende Fassung:

Der Magistrat arbeitet kollegial. Er besteht aus dem/der hauptamtlichen Bürgermeister/Bürgermeisterin, dem/der hauptamtlichen Ersten Stadtrat/Stadt-rätin und sieben ehrenamtlichen Stadträten/Stadträtinnen.

Artikel 2

Diese Satzung tritt am Tage nach ihrer Bekanntgabe in Kraft."

Begründung:

Die Stadt A-Stadt befindet sich in einer sehr schlechten finanziellen Lage. Im Jahre 2002 wurden 4,97 Mio. Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Trotz Erhöhung der Grundsteuer ist für 2003 mit einem weiteren Fehlbetrag von 3,41 Mio. Euro zu rechnen. Die Kredite steigen dramatisch an.

Um weiteren Steuererhöhungen und der Kürzung kommunaler Leistungen zu Lasten der Bevölkerung entgegenzuwirken, sollte vorrangig im politischen Bereich gespart werden.

Die Stelle des/der weiteren hauptamtlichen Stadtrats/Stadträtin wurde infolge der Rot-Grünen Koalitionsvereinbarung neu eingerichtet. Durch die Wahl des Amtsinhabers zum Bürgermeister wird sie zum 1. April 2004 wieder frei. Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, die Stelle abzuschaffen."

Die StaVO der Antragsgegnerin erklärte das Bürgerbegehren in ihrer Sitzung vom 30. Januar 2004 für unzulässig. Es richte sich gegen ihren im Herbst 2001 gefassten Beschluss zur Erweiterung des Magistrats um einen weiteren hauptamtlichen Stadtrat und zur entsprechenden Änderung der Hauptsatzung. Da es entgegen § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO nicht innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingereicht worden sei, sei es wegen Verfristung unzulässig. Aus der zur Entscheidung vorgelegten Frage ergebe sich weiterhin nicht eindeutig und zweifelsfrei, dass es sich um ein kassatorisches Bürgerbegehren handele. Die Bürger würden über den StaVO-Beschluss vom 21. September 2001 im Unklaren gelassen.

Die Antragsteller haben am 4. Februar 2004 beim Verwaltungsgericht Gießen - 8 E 412/04 - mit dem Ziel Klage erhoben, das Bürgerbegehren für zulässig erklären zu lassen.

Zur Begründung haben sie u.a. geltend gemacht, das Bürgerbegehren lasse den StaVO-Beschluss vom 21. September 2001 und dessen unmittelbare Konsequenzen (Wahl eines weiteren hauptamtlichen Stadtrats zum 1. Januar 2002) völlig unangetastet und verfolge lediglich das Ziel, nach einer drastischen Verschlechterung der finanziellen Lage der Stadt A-Stadt und dem absehbaren Freiwerden der Stelle für die Zukunft eine neue Regelung hinsichtlich der Größe des Magistrats zu erreichen. Es gehe nicht darum, die Einrichtung der Stelle rückgängig zu machen, sondern eine bereits bestehende Stelle abzuschaffen. Die damalige Einrichtung der Stelle möge zwar - etwa zur Einarbeitung des zukünftigen Bürgermeisterkandidaten - (noch) vertretbar gewesen sein, die Beibehaltung dieser Stelle sei jetzt, nachdem der Amtsinhaber zum Bürgermeister gewählt worden sei, angesichts der verschlechterten finanziellen Lage der Stadt aber nicht mehr vertretbar. Nach der Argumentation der StaVO wäre ein auf die Aufhebung oder Änderung einer seit langem bestehenden Satzung gerichtetes Bürgerbegehren nie zulässig, weil jede Satzung irgendwann einmal durch die StaVO beschlossen worden sei. Aus der Regelung des § 8 b Abs. 2 Nr. 4 HGO ergebe sich aber im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber Satzungen vom Grundsatz her durchaus als zulässigen Gegenstand eines Bürgerbegehrens ansehe. Die Ausschlussfrist von sechs Wochen solle lediglich verhindern, dass durch die Hinauszögerung der Einreichung der Unterschriften eines angekündigten Bürgerbegehrens die Ausführung eines StaVO-Beschlusses auf unbestimmte Zeit blockiert werde. Da der damalige Beschluss vom 21. September 2001 durch die Besetzung der Stelle des weiteren hauptamtlichen Stadtrates umgesetzt worden sei, bedürfe es dieses Schutzes nicht mehr.

Nachdem der Wahlvorbereitungsausschuss am Tag der Klageerhebung beschlossen hatte, die Stelle des weiteren hauptamtlichen Stadtrates öffentlich auszuschreiben, haben die Antragsteller am 12. Februar 2004 beim Verwaltungsgericht den Antrag gestellt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, vor einer rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache die - für den 29. oder 30. März 2004 geplante - Wahl des weiteren hauptamtlichen Stadtrats vorzunehmen. Dadurch würden vollendete Tatsachen geschaffen, bevor es zu einer Entscheidung über die Klage und gegebenenfalls zu einem Bürgerentscheid komme.

Die Antragsgegnerin hat in beiden erstinstanzlichen Verfahren im Wesentlichen geltend gemacht:

Das Bürgerbegehren sei gegen den Grundsatzbeschluss der StaVO vom 21. September 2001 über die Erweiterung des hauptamtlichen Magistrats gerichtet, der ohne zeitliche Befristung eine abstrakt-generelle Regelung über die Zahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder getroffen habe, die unabhängig von der jeweiligen konkreten Stellenbesetzung sei. Es komme auch nicht darauf an, ob das Bürgerbegehren diesen Beschluss rückwirkend oder mit Wirkung für die Zukunft aufheben wolle.

Allein die Veränderung einer Haushaltssituation könne dem Bürgerbegehren seinen kassatorischen Charakter nicht nehmen, zumal die haushaltswirtschaftliche Gesamtverantwortung gerade nicht zur Disposition eines Bürgerbegehrens stehe. Veränderte Umstände könnten ohnehin nur über eine erneute Befassung in der StaVO den Weg für ein Bürgerbegehren freimachen.

Die Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1 HGO solle Planungs- und Rechtssicherheit schaffen und im Interesse der Stabilität und Verlässlichkeit gemeindlicher Willensbildung verhindern, dass ein sachliches Regelungsprogramm der StaVO beliebig lange durch ein Bürgerbegehren in Frage gestellt werden könne. Die Erweiterung des Magistrats sei dauerhaft zum Zwecke der Entlastung der hauptamtlichen Magistratsmitglieder erfolgt und nicht lediglich zur Einarbeitung des potenziellen Bürgermeisterkandidaten. Dieser nicht durch ein Bürgerbegehren innerhalb der Ausschlussfrist angefochtene StaVO-Beschluss habe dem Magistrat und dem Bürgermeister als Planungsgrundlage für organisatorische und personelle Entscheidungen im Hinblick auf die Magistratserweiterung gedient, die nicht bereits nach 2 1/2 Jahren mit entsprechendem Aufwand wieder rückgängig gemacht werden sollten. Jedenfalls bis zum Ablauf der Wahlperiode des Kommunalparlaments habe die Verwaltung auf den Bestand dieses Beschlusses vertrauen dürfen.

Satzungsänderungen könnten auch unabhängig von der Ausschlussfrist zum Gegenstand von Bürgerbegehren gemacht werden, wenn die Satzungen vor der mit Wirkung zum 1. April 1993 eingeführten Regelung des § 8 b HGO beschlossen worden seien. Im Übrigen könne eine solche Angelegenheit auch dann wieder Gegenstand eines Bürgerbegehrens werden, wenn sich die StaVO erneut damit befasst habe. Dies sei hier aber nicht der Fall. Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO stünde einem Bürgerbegehren nur entgegen, soweit und solange ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehe und sich die entscheidungserheblichen Umstände nicht wesentlich verändert hätten, wären diese Voraussetzungen bei dem erst 2 1/2 Jahre zurückliegenden Grundsatzbeschluss nicht gegeben. Auch die eventuell analog heranzuziehenden Fristen gemäß § 8 b Abs. 4 Satz 1 bzw. Abs. 7 Satz 2 oder § 36 Satz 1 HGO wären nicht eingehalten.

Zudem sei der Bürgerwille durch das Bürgerbegehren unzulässig beeinflusst, weil der Eindruck erweckt werde, die Neuregelung werde im Zusammenhang mit der Wiederbesetzung der weiteren hauptamtlichen Stelle angestrebt und ziele nicht darauf ab, den Grundsatzbeschluss der StaVO vom 21. September 2001 mit ex nunc-Wirkung aufzuheben. Es werde der Eindruck erweckt, die StaVO habe über die Erweiterung des Magistrats noch keine grundsätzliche Entscheidung getroffen, die Schaffung dieser weiteren Stelle beruhe vielmehr allein auf einer (parteipolitischen) Koalitionsvereinbarung.

Mit Beschluss vom 26. März 2004 - 8 G 539/04 - hat das Verwaltungsgericht Gießen die beantragte einstweilige Anordnung auf Untersagung der Wahl eines weiteren (zweiten) hauptamtlichen Stadtrates bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens 8 E 412/04 erlassen.

Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Der Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die Wahl des weiteren hauptamtlichen Stadtrates letztlich zu einem drohenden Rechtsverlust führen würde, weil dann ein etwaiger Bürgerentscheid die Wiederbesetzung der freiwerdenden Stelle nicht mehr verhindern könne.

Es sei auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Regelung der Zahl der hauptamtlichen Beigeordneten sei einem Bürgerentscheid zugänglich. Die Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO stehe der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zur Verkleinerung des Magistrats nicht entgegen, weil dieses sich nicht gegen den StaVO-Beschluss vom 21. September 2001 richte. Dieser Beschluss sei durch die Besetzung der Stelle umgesetzt worden. Demgegenüber wolle das Bürgerbegehren nunmehr erreichen, dass diese Stelle nach dem Ausscheiden des derzeitigen Amtsinhabers zukünftig wegfalle. Es richte sich deshalb sowohl formell wie auch materiell nicht gegen den Beschluss vom 21. September 2001, weil es keine rückwirkenden Veränderungen anstrebe, sondern eine vom Status quo abweichende Größe des hauptamtlichen Magistrats für die Zukunft erreichen wolle. Es handele sich um ein initiierendes und nicht um ein kassatorisches Bürgerbegehren. Ob die Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 HGO zu beachten sei, könne nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Diese Frist diene der Rechtssicherheit und der Verwaltungseffektivität und wolle verhindern, dass Beschlüsse der Gemeindevertretung über einen längeren Zeitraum nicht vollzogen werden könnten oder nach erfolgter Ausführung unmittelbar rückgängig gemacht werden müssten. Die Umsetzung von Entscheidungen der gemeindlichen Organe solle nicht durch Einleitung eines Bürgerbegehrens über Gebühr verzögert oder gar konterkariert werden. Die Realisierung beschlossener gemeindlicher Vorhaben solle nicht auf unbegrenzte Zeit mit der Gefahr eines möglicherweise gegenteiligen Bürgerentscheids belastet werden, der u.U. sogar eine kostenträchtige Rückgängigmachung erforderlich machen könnte. Diese Gründe stünden aber hier der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht entgegen, weil die Änderung der die Größe des hauptamtlichen Magistrats festlegenden Hauptsatzung jederzeit möglich sei und deshalb ein Beschluss der Gemeindevertretung über die Zahl der hauptamtlichen Beigeordneten auch keinen Bestandsschutz in Bezug auf ein Bürgerbegehren besitze. Wenn sich - wie hier - ein Bürgerbegehren nicht gegen die erstmalige Umsetzung eines solchen Beschlusses richte, sondern lediglich eine neue Entscheidung über eine geänderte Zusammensetzung des hauptamtlichen Magistrats mit Wirkung für die Zukunft herbeiführen wolle, sei die Ausschlussfrist nicht zu beachten. Bestandsschutz für den hauptamtlichen Magistrat gegenüber einem Bürgerbegehren vermittele letztlich nur das Beamtenrecht für die gewählten Beigeordneten.

Die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ergebe sich nicht aus seiner Fragestellung, weil es sich nicht um ein kassatorisches Bürgerbegehren handele. Auch im Übrigen lägen weder eine irreführende Fragestellung noch sonstige Zulässigkeitsbedenken vor.

Gegen den ihr am 30. März 2004 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 5. April 2004 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig u.a. wie folgt begründet:

Das Bürgerbegehren richte sich gegen den StaVO-Beschluss vom 21. September 2001, weil dieser eine zeitlich nicht befristete, sondern eine dauerhafte abstrakte Grundentscheidung über die Erweiterung des Magistrats getroffen habe, die nicht durch die Besetzung einer Stelle umgesetzt worden sei. Das Bürgerbegehren wolle - wie das Verwaltungsgericht selbst ausführe - den Beschluss mit Wirkung für die Zukunft ungültig werden lassen. Die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens sei deshalb von der Einhaltung der Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO abhängig. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts, die Hauptsatzung könne jederzeit geändert werden, beziehe sich nur auf die Änderung durch die Gemeindevertretung bzw. die StaVO, stehe aber einem Bestandsschutz gegenüber der Aufhebung durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nicht entgegen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts könne grundsätzlich jede durch die StaVO beschlossene Satzung, die nicht in § 8 b Abs. 2 HGO aufgeführt sei, jederzeit mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden. Die Änderung mit Wirkung für die Zukunft sei bei Satzungen aber der Regelfall. Abstrakte Satzungsregelungen würden typischerweise in einer Vielzahl von unbestimmten Fällen wiederholt zur Anwendung kommen bzw. vollzogen und verfügten jedenfalls für den überschaubaren Zeitraum bestimmter politischer Mehrheiten über eine gewisse Stabilität und Verlässlichkeit. Diese würde durch die Möglichkeit einer zeitlich beliebigen Initiierung eines Bürgerbegehrens gegen derartige abstrakte Regelungen in Frage gestellt. Der Schutz durch die Ausschlussfrist sei grundsätzlich endgültig. Die in der HGO geregelte Zuständigkeit der Gemeindevertretung zum Erlass von Satzungen werde unterlaufen, wenn durch ein Bürgerbegehren unabhängig von einer zeitlichen Beschränkung jederzeit Satzungen inhaltlich verändert werden könnten. Auch angeblich veränderte finanzielle Rahmenbedingungen könnten dies nicht rechtfertigen.

Im Übrigen hat die Antragsgegnerin auf ihre Ausführungen in ihren Schriftsätzen vom 24. Februar und 16. März 2004 im Klageverfahren verwiesen, die sie ihrer Beschwerdebegründung in Kopie beigefügt hat. Das Verwaltungsgericht habe die dort vorgetragenen Argumente in weiten Teilen nicht gewürdigt.

Demgegenüber machen die Antragsteller u.a. noch geltend:

Die Beschwerde sei unzulässig, weil die StaVO den Magistrat nicht ordnungsgemäß zu ihrer Einlegung beauftragt habe.

Angesichts dessen, dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss das Bürgerbegehren nach summarischer Prüfung als zulässig eingestuft habe, könne es nicht so offenkundig unzulässig sein, dass sich ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren von vornherein ausschließen lasse. Deshalb sei eine Interessenabwägung vorzunehmen. Danach sei es der Antragsgegnerin eher zuzumuten, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens vorübergehend auf die Besetzung der Stelle eines hauptamtlichen Beigeordneten zu verzichten, als den Unterzeichnern des Bürgerbegehrens, nach vollzogener Wahl des weiteren hauptamtlichen Stadtrates ihr Ziel im Ergebnis nicht mehr verwirklichen zu können.

Die Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1 HGO werde von der Antragsgegnerin zu weit ausgelegt. Deren Ziel könne es nicht sein, Beschlüsse der StaVO nach Ablauf von sechs Wochen auf immer und ewig einer Änderung durch Bürgerbegehren und -entscheid zu entziehen. Bürgerbegehren seien nämlich gemäß § 8 b Abs. 1 HGO auf wichtige Angelegenheiten der Gemeinde beschränkt, über die im Regelfall die Gemeindevertretung zu beschließen habe. Folglich ließen sich zu den meisten Bürgerbegehren auch Beschlüsse der Gemeindevertretung konstruieren. Aber selbst bei einem gegen einen Beschluss der Gemeindevertretung gerichteten Bürgerbegehren stehe die Ausschlussfrist nicht entgegen, wenn diesem Beschluss durch Veränderung der Rahmenbedingungen sozusagen die Geschäftsgrundlage entzogen sei. Das aber sei hier der Fall. Bei Einrichtung der Stelle des weiteren hauptamtlichen Stadtrates seien nach dem seinerzeit bekannten Haushaltsplan 2001 und der Finanzplanung bis 2004 keine Fehlbeträge zu erwarten gewesen. Dies habe sich innerhalb von zwei Jahren dramatisch dahin verändert, dass nunmehr mit einem kumulierten Fehlbetrag von fast 16 Mio. Euro bis zum Jahr 2006 zu rechnen sei. Die StaVO habe deshalb im Februar 2003 ein Haushaltskonsolidierungskonzept mit u.a. dem Abbau von zwei Stellen jährlich und einer sechsmonatigen Stellenbesetzungssperre beschlossen.

Die Antragsgegnerin hat ergänzend zur Zulässigkeit der Beschwerde geltend gemacht, dass die Außenvertretungskompetenz des Magistrats gemäß § 71 HGO grundsätzlich unabhängig von der innergemeindlichen Willensbildung bestehe; vorsorglich sei die Beschwerdeeinlegung von der StaVO noch einmal genehmigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Streitakten des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und des Klageverfahrens 8 E 412/04 und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 26. März 2004 ist gemäß § 147 Abs. 1 und § 146 Abs. 4 VwGO zulässig. Die gegen die Befugnis des Magistrats zur Beschwerdeeinlegung erhobenen Bedenken der Antragsteller sind nicht berechtigt, weil dessen Außenvertretungskompetenz gemäß § 71 HGO grundsätzlich unabhängig von der innergemeindlichen Willensbildung besteht. Der Magistrat handelt deshalb prinzipiell auch bei Überschreitung seiner Kompetenzen wie im Fall des - hier von den Antragstellern behaupteten - Fehlens einer nach § 51 Nr. 18 HGO gemeindeverfassungsrechtlich erforderlichen ordnungsgemäßen Beschlussfassung der StaVO wirksam für die Stadt (vgl. Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 13. Juni 2001 - P. St. 1562 - StAnz. 2001 S. 2513 <2515> m.w.N.). Zudem hat sich der Magistrat der Antragsgegnerin auch nicht rechtsmissbräuchlich über einen etwa entgegenstehenden Willen der StaVO hinweggesetzt, diese hat vielmehr die Beschwerdeeinlegung vorsorglich nachträglich genehmigt.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat die von den Antragstellern beantragte auf die vorläufige Untersagung der Wahl eines weiteren (zweiten) hauptamtlichen Stadtrates gerichtete einstweilige Sicherungsordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Unrecht erlassen.

Die von der Antragsgegnerin unter dem 2. April 2004 dargelegten Beschwerdegründe, auf die die Prüfungskompetenz des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst in einer ersten Prüfungsstufe beschränkt ist (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 8 TG 2413/02 - NVwZ-RR 2003 S. 756 = juris m.w.N.), sind - in Anlehnung an die Darlegungsvoraussetzungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - geeignet, die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage zu stellen, dass die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses erfolgreich in Zweifel gezogen und es damit dem Senat auf einer zweiten Prüfungsstufe ermöglicht wird, über den einstweiligen Rechtsschutzantrag auf Grund einer eigenen uneingeschränkten und umfassenden Sachprüfung zu entscheiden.

Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerdebegründung überzeugende Einwände gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts erhoben, dass sich das Bürgerbegehren deshalb nicht gegen den StaVO-Beschluss vom 21. September 2001 richte, weil es keine rückwirkende Veränderung dieses bereits durch Besetzung der geschaffenen Stelle in die Praxis umgesetzten Beschlusses, sondern nach dem Ausscheiden des derzeitigen Amtsinhabers eine Verkleinerung des hauptamtlichen Magistrats nur mit Wirkung für die Zukunft erreichen wolle. Dem hat die Antragsgegnerin zu Recht entgegengehalten, dass dieser StaVO-Beschluss zur Änderung der Hauptsatzung eine zeitlich nicht befristete, abstrakte Grundentscheidung für die Magistratserweiterung darstelle, mit der Größe und Zusammensetzung des Magistrats auf Dauer festgelegt und die deshalb nicht durch eine konkrete Stellenbesetzung umgesetzt bzw. vollzogen worden sei.

Die Argumentation des Verwaltungsgerichts vermengt die einer Entscheidung durch Bürgerentscheid zugängliche kommunalverfassungsrechtliche, abstrakt-generell durch die Hauptsatzung zu regelnde Frage der Zahl der hauptamtlichen Beigeordneten mit den unter den Ausschlusstatbestand des § 8 b Abs. 2 Nr. 3 HGO fallenden konkreten Rechtsverhältnissen der Mitglieder des Gemeindevorstands. Weil die Bestimmung der Zahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder eine die "äußere Verfassung" der Gemeinde betreffende, in der Hauptsatzung festgeschriebene kommunalverfassungsrechtliche Grundentscheidung ist, die nicht die innere Organisation der Gemeindeverwaltung betrifft, sondern deren äußeren Rahmen setzt, fällt sie nicht unter den weiteren Ausschlusstatbestand des § 8 b Abs. 2 Nr. 2 HGO (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 30. September 2003 - 8 TG 2479/03 - NVwZ-RR 2004 S. 281 ff.). Eine solche Grundentscheidung ist naturgemäß auf Dauer angelegt und stellt sich nicht bei jedem Wechsel eines konkreten Amtsinhabers neu.

Wenn ein Bürgerbegehren eine Verkleinerung der so abstrakt-generell festgelegten Magistratsgröße auch nur für die Zukunft anstrebt, ist es im Sinne des § 8 b Abs. 2 Satz 1, 2. HS HGO gegen den der Regelung in der Hauptsatzung zu Grunde liegenden Beschluss der Gemeindevertretung gerichtet. Ein sog. kassatorisches Bürgerbegehren ist nämlich nicht nur dann anzunehmen, wenn es ausdrücklich die (rückwirkende) Aufhebung eines Beschlusses der Gemeindevertretung fordert, sondern inhaltlich auch dann, wenn es in seiner Zielsetzung auf dessen Korrektur ausgerichtet ist, für die bereits entschiedene Angelegenheit eine abweichende Sachentscheidung begehrt bzw. die durch den Beschluss getroffene Regelung durch eine wesentlich andere ersetzen will (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 14. November 1983 - 1 S 1204/83 - NVwZ 1985 S. 288 und vom 18. Juni 1990 - 1 S 657/90 - VBlBW 1990 S. 460 = juris; OVG NW, Urteil vom 28. Januar 2003 - 15 A 203/02 - NVwZ-RR 2003 S. 584 ff.; von Danwitz, DVBl. 1996 S. 134 <137>; Spies, Ute, Bürgerversammlung-Bürgerbegehren-Bürgerentscheid, 1999, S. 180 jeweils m.w.N.).

Zutreffend hat die Antragsgegnerin weiter dargelegt, dass sich die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung auch nicht aus Sinn und Zweck der sechswöchigen Ausschlussfrist, aus der jederzeitigen Abänderbarkeit der Hauptsatzung durch die StaVO und aus dem Gewicht und der Bedeutung eines Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids herleiten lässt.

Die 1992 eingeführte unmittelbare Wahl der Bürgermeister/Oberbürgermeister und Landräte sowie die ebenfalls eingeführten Bürgerbegehren/Bürgerentscheide sollten das die Hessische Gemeindeordnung bestimmende System der repräsentativen Demokratie, nach dem die Organe der Gemeinde grundsätzlich die Verantwortung für deren Verwaltung und Entwicklung tragen, durch einzelne plebiszitäre Elemente ergänzen, um eine stärkere Mitwirkung der Bürgerschaft am kommunalen Geschehen zu ermöglichen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung, LT/Ds. 13/1397 vom 6. Januar 1992 S. 22). Die Regelungen in § 8 b HGO mussten demgemäß dem Spannungsverhältnis zwischen der hohen demokratischen Legitimation von Bürgerbegehren/Bürgerentscheid einerseits und der Wahrung der Funktionsfähigkeit und Effizienz des gemeindlichen Verwaltungshandelns andererseits gerecht werden, die im Verantwortungsbereich der repräsentativ-demokratischen Gemeindeorgane liegen. So kommt etwa der hohe Rang direkt-plebiszitär demokratischer Entscheidungen dadurch zum Ausdruck, dass ein erfolgreiches Bürgerbegehren, dem die Gemeindevertretung nicht nach Absatz 4 Satz 3 dieser Vorschrift folgt, in einem Bürgerentscheid fortgeführt werden kann, der nach Absatz 7 Satz 1 mit der erforderlichen Mehrheit die Wirkung eines endgültigen Beschlusses der Gemeindevertretung hat und nach Absatz 7 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 für die Dauer von mindestens drei Jahren weder durch die Gemeindevertretung noch durch ein neues Bürgerbegehren abgeändert werden kann, also für diesen dreijährigen Zeitraum das Handeln der Gemeinde verbindlich bestimmt, während auf der anderen Seite ein Beschluss der Gemeindevertretung von vornherein einen solchen Bestandsschutz nicht genießt, sondern von einem Bürgerbegehren sofort in Frage gestellt und bei Erfolg aufgehoben werden kann. Andererseits wird die Funktionsfähigkeit der Verwaltung etwa nach Absatz 1 durch die Beschränkung eines Bürgerbegehrens auf wichtige Angelegenheiten der Gemeinde und insbesondere auch durch die Ausschlusstatbestände des Absatzes 2 geschützt.

Diesem Schutzzweck dient auch die sechswöchige Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO. Mit ihr soll im Interesse der Stabilität und Verlässlichkeit gemeindlicher Willensbildung und auch aus Gründen der Rechtssicherheit vermieden werden, dass die Ausführung von Beschlüssen der Gemeindevertretung in wichtigen Gemeindeangelegenheiten längere Zeit nicht in Angriff genommen und danach beliebig lange durch ein Bürgerbegehren in Frage gestellt werden kann. Die in dem der Gemeindeordnung zu Grunde liegenden System der repräsentativen Demokratie grundsätzlich vorrangige Verantwortlichkeit der Gemeindevertretung für die Effektivität und Sparsamkeit der Gemeindeverwaltung würde in Frage gestellt, wenn ein Bürgerbegehren auch ohne zeitlichen Zusammenhang mit einer "bürgerentscheidsfähigen" Beschlussfassung zulässig wäre, weil dann die Gefahr bestünde, dass sich ein möglicherweise erheblicher wirtschaftlicher und personeller Aufwand im nachhinein als überflüssig erwiese; nach Ablauf der Ausschlussfrist soll ein solcher Beschluss vielmehr als sichere Planungsgrundlage für das Verwaltungshandeln dienen können, und zwar grundsätzlich endgültig (vgl. u.a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14. November 1983 a.a.O. und OVG NW, Urteil vom 28. Januar 2003 a.a.O.).

Diesen Zielen läuft nicht nur eine spätere rückwirkende Aufhebung eines Beschlusses der Gemeindevertretung mit den dann erforderlichen Rückabwicklungsmaßnahmen zuwider, sondern auch eine Änderung für die Zukunft, die ebenfalls dazu führen kann, dass auf Dauer angelegte Umsetzungsmaßnahmen - wie hier etwa die an die Dezernentenzahl angepasste Verwaltungsorganisation - mit erheblichem Kosten- und Zeitaufwand rückgängig gemacht werden müssen.

Diesem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist wird es nicht gerecht, wenn das Verwaltungsgericht einen dadurch bewirkten Bestandsschutz eines Beschlusses der Gemeindevertretung gegenüber einem Bürgerbegehren/Bürgerentscheid mit der Begründung verneint, dass Änderungen der Hauptsatzung gemäß § 6 Abs. 2 HGO grundsätzlich jederzeit möglich seien. Diese Möglichkeit besteht nämlich - worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist - nur für die Gemeindevertretung selbst, der im Rahmen des repräsentativ-demokratischen Systems grundsätzlich die organschaftliche Befugnis der gemeindlichen Satzungsgebung zukommt und die durch die regelmäßig gleichbleibenden Mehrheitsverhältnisse während einer Wahlperiode eine gewisse Stabilität und Verlässlichkeit gewährleistet, wie dies gerade auch für eine wesentliche Änderung der Hauptsatzung in der "Sperrfrist" von einem Jahr vor Ablauf der Wahlzeit in § 6 Abs. 2 Satz 2 HGO zum Ausdruck kommt. Angesichts der in § 8 b HGO erfolgten Regelung des Spannungsverhältnisses zwischen direkter und repräsentativer Demokratie im Kommunalbereich können organschaftliche Befugnisse der für die Verwaltungseffizienz vorrangig verantwortlichen Gemeindevertretung nicht allein unter Hinweis auf Gewicht und Bedeutung, die der Gesetzgeber Bürgerbegehren und Bürgerentscheid im Hinblick auf den demokratischen Gesichtspunkt der unmittelbaren Bürgerbeteiligung zuerkannt hat, ohne Weiteres auf diese übertragen werden. Das würde zum einen den differenzierten gesetzlichen Kompetenzzuweisungen widersprechen und zum anderen außer Betracht lassen, dass die 1992 eingeführten plebiszitären Elemente das die Gemeindeordnung nach wie vor bestimmende repräsentativ-demokratische System nur "ergänzen" sollen.

Nach der allein gebotenen summarischen Prüfung im Rahmen der danach eröffneten zweiten, umfassenden Prüfungsstufe haben die Antragsteller auch mit ihrem Verweis auf die verschlechterte Finanzlage der Antragsgegnerin die Nichtanwendbarkeit der Ausschlussfrist im vorliegenden Fall und damit das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht.

Es ist den Antragstellern zwar zuzugeben, dass die plebiszitäre Entscheidungsform des Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids bei strikter Anwendung der Ausschlussfrist in erheblichem Umfang eingeschränkt wird.

Da gemäß § 8 b Abs. 1 HGO nur wichtige Angelegenheiten einem Bürgerbegehren/Bürgerentscheid zugänglich sind und ein erfolgreicher Bürgerentscheid gemäß § 8 b Abs. 7 Satz 1 HGO einen Beschluss der Gemeindevertretung ersetzt, können nur solche Angelegenheiten einem Bürgerbegehren/Bürgerentscheid unterfallen, die zur Zuständigkeit der Gemeindevertretung gehören (vgl. LT/Ds. 13/1397, S. 25 zu § 8 b HGO). Ein sog. initiierendes, fristfreies Bürgerbegehren kann danach nur ein von der Gemeindevertretung bisher "noch unbestelltes Feld bearbeiten" und "damit ausschließlich gemeindliche Aktivitäten" anstoßen (vgl. OVG NW, Urteil vom 28. Januar 2003 a.a.O.). Da dies bei Satzungsregelungen nie der Fall ist, weil ihnen immer ein Beschluss der Gemeindevertretung zu Grunde liegen muss, wären Bürgerbegehren, die auf eine Änderung von - jedenfalls nach dem Inkrafttreten des § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO am 1. April 1993 erlassenen - Gemeindesatzungen gerichtet sind, nur innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Erlass zulässig und danach für alle Zukunft nicht mehr möglich.

Dieses - bei Satzungsregelungen immer auftretende - "erhebliche Problem" (vgl. Spies a.a.O. S. 180) führt in Literatur und Rechtsprechung zu verschiedenen Lösungsansätzen.

So wird teilweise eine analoge Anwendung der Sperrfrist für die Änderung zustande gekommener Bürgerentscheide durch eine Beschlussfassung der Gemeindevertretung - nach § 8 b Abs. 7 Satz 2 HGO drei Jahre - in Erwägung gezogen, die aber von der überwiegenden Meinung - aus wohl zutreffenden Erwägungen - abgelehnt wird (vgl. Spies a.a.O. S. 181 f. m.w.N. auch auf die a.A.; OVG NW, Urteil vom 28. Januar 2003 a.a.O.).

Weiterhin soll etwa die Ausschlussfrist einem Bürgerbegehren nur entgegenstehen, soweit und solange ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Beschluss der Gemeindevertretung besteht und sich die entscheidungserheblichen Umstände nicht so wesentlich verändert haben, dass über einen neuen, nicht mehr gegenstandsgleichen Sachverhalt entschieden werden soll (vgl. Spies a.a.O. S. 181). Eine nachträglich eingetretene tatsächliche oder rechtliche Veränderung könne - ähnlich dem Wegfall der Geschäftsgrundlage (clausula rebus sic stantibus) bei einem Vertrag - einem Ratsbeschluss, in Hessen einem Beschluss der Gemeindevertretung, die Grundlage entziehen, damit die früher entschiedene Frage neu aufwerfen und die Angelegenheit wieder einem Bürgerbegehren öffnen (vgl. OVG NW, Urteil vom 28. Januar 2003 a.a.O. S. 585). Eine Nichtanwendbarkeit der Ausschlussfrist könne auch in dem ganz besonderen Ausnahmefall in Frage kommen, dass seit dem Ratsbeschluss eine so erhebliche Zeit verstrichen ist, dass die ursprüngliche Bewertung des Rates praktisch obsolet geworden sei (vgl. Leitfaden des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, 4. Aufl., Stand: November 2002, S. 12).

In diesem Zusammenhang ist weiter zu erwägen, ob durch eine solche Änderung der Sach- und Rechtslage ein Bürgerbegehren ohne Weiteres wieder zulässig wird, diese Frage also nach einer gemäß § 8 b Abs. 4 Satz 2 HGO ablehnenden Entscheidung der Gemeindevertretung gerichtlich voll überprüfbar ist, oder ob die Einschätzung des Erfordernisses einer Neubefassung dem repräsentativ-demokratischen Gemeindevertretungsorgan in eigener Verantwortlichkeit mit der Folge zusteht, dass der Weg für ein neues Bürgerbegehren nur wieder eröffnet wird, wenn nach erneuter Sachberatung ein neuer, wiederholender Grundsatzbeschluss der Gemeindevertretung ergeht (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13. April 1993 - 1 S 1076/92 - NVwZ-RR 1994 S. 110; Hess. VGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 - 6 TG 2264/96 - NVwZ 1997 S. 310; OVG NW, Urteil vom 28. Januar 2003 a.a.O. S. 585).

Diese Fragen bedürfen im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber keiner endgültigen Beantwortung, weil die von den Antragstellern geltend gemachte bloße Verschlechterung der gemeindlichen Haushaltslage bei summarischer Einschätzung auch unter Zugrundelegung dieser Lösungsansätze eine Nichtanwendbarkeit der Ausschlussfrist nicht rechtfertigen könnte.

Die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin hat eine erneute Sachbehandlung der in der Hauptsatzung geregelten Größe des Magistrats nicht durchgeführt und damit keinen wiederholenden Grundsatzbeschluss erlassen, der die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens innerhalb einer neuen Ausschlussfrist eröffnet hätte.

Da der Landesgesetzgeber eine solche Wiedereröffnungsmöglichkeit nicht vorgesehen, sondern durch Einfügung der Ausschlussfrist des § 8 b Abs. 3 Satz 1, 2. HS HGO vielmehr zu erkennen gegeben hat, dass Beschlüsse der Gemeindevertretung nach Ablauf dieser Frist als verlässliche Grundlage gemeindlichen Handelns grundsätzlich durch Bürgerbegehren/Bürgerentscheid nicht mehr angreifbar sein sollen, könnte eine unabhängig von einer erneuten sachlichen Befassung und Beschlussfassung der Gemeindevertretung eröffnete Möglichkeit für ein Bürgerbegehren allenfalls dann angenommen werden, wenn sich die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder/und rechtlichen Verhältnisse so unvorhersehbar und grundlegend geändert haben und dadurch eine so völlig neue Sachlage entstanden ist, dass ein früherer Beschluss der Gemeindevertretung nicht mehr als eine von deren Willen getragene Regelung des sich nunmehr völlig verändert darstellenden Problembereichs angesehen werden kann, dass also ein neuer Regelungsgegenstand entstanden und mithin nach der Formulierung im Urteil des OVG NW vom 28. Januar 2003 (a.a.O.) wieder ein "unbestelltes Feld zu bearbeiten" ist. Dann handelt es sich nämlich nicht mehr um ein fristgebundenes kassatorisches, sondern in Bezug auf diesen neuen Sachverhalt um ein initiierendes, gemeindliche Aktivitäten erneut anstoßendes Bürgerbegehren, auf das die Ausschlussfrist nicht anwendbar ist.

Eine solche unvorhersehbare und grundlegende Veränderung der Entscheidungsgrundlage des StaVO-Beschlusses vom 21. September 2001 kann hierin der bis zur Einreichung des Bürgerbegehrens am 29. Dezember 2003 nach dem Vortrag der Antragsteller eingetretenen Verschlechterung der Finanzlage der Antragsgegnerin nicht gesehen werden.

Eine Berücksichtigung der Haushaltslage kann zwar entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in ihrer in Bezug genommenen Klageerwiderung vom 24. Februar 2004 wohl nicht allein mit dem Argument ausgeschlossen werden, die haushaltswirtschaftliche Gesamtverantwortung stehe gemäß § 8 b Abs. 2 Nr. 4 HGO nicht zur Disposition eines Bürgerbegehrens. Dieser Ausschlusstatbestand dürfte sich nur auf unmittelbare Regelungen über Fragen der Haushaltswirtschaft und Abgabenerhebung, nicht aber auf mittelbar aus der Haushaltslage zu ziehende Konsequenzen im Rahmen einer plebiszitfähigen Entscheidung beziehen, wie schon dadurch zum Ausdruck kommt, dass ein Bürgerbegehren gemäß § 8 b Abs. 3 Satz 2 HGO "einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten" muss.

Die finanzielle Situation der Gemeinde - wie dies bei solchen Entscheidungen regelmäßig erforderlich ist - war aber schon bei der damaligen, bei Einreichung des Bürgerbegehrens nur etwas mehr als zwei Jahre zurückliegenden Beschlussfassung über die Erweiterung des hauptamtlichen Magistrats zu berücksichtigen und deren nunmehr geltend gemachte Verschlechterung war auch nicht so unvorhersehbar, dass die von der StaVO getroffene Regelung deshalb jetzt als gegenstandslos angesehen werden könnte. Im Gegenteil hat die StaVO durch den im Februar 2003 zur Konsolidierung des Haushalts u. a. beschlossenen Abbau von zwei Stellen pro Jahr und die sechsmonatige Stellenbesetzungssperre deutlich gemacht, dass sie trotz der veränderten Haushaltslage an der beschlossenen und nicht in Frage gestellten Magistratserweiterung festhält, diese also nach wie vor ihrem Willen entspricht. Dann aber kann ein Bürgerbegehren, das demgegenüber auf die Verringerung der Zahl der hauptamtlichen Stadträte/innen gerichtet ist, nicht als initiierendes, sondern nur als ein der Ausschlussfrist unterliegendes kassatorisches Bürgerbegehren angesehen werden.

Nach alledem ist auf die Beschwerde der Antragsgegnerin der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 und § 14 GKG a.F. i.V.m. §§ 71, 72 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) und berücksichtigt durch die Halbierung des Auffangstreitwertes den vorläufigen Charakter des hier nicht auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F. unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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