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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.12.2002
Aktenzeichen: 8 TG 2177/02
Rechtsgebiete: GewO, VwGO


Vorschriften:

GewO § 69
GewO § 70
VwGO § 80
VwGO § 80 a
VwGO § 123
1. Die Festsetzung eines Wochenmarkts nach § 69 GewO durch eine Gemeinde ist auch dann ein Verwaltungsakt, wenn diese zugunsten der Gemeinde selbst als Veranstalterin erteilt wird.

2. Bei gerichtlichen Sicherungsmaßnahmen nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO zum Schutz der aufschiebenden Wirkung des von einem Dritten gegen einen ihn belastenden Verwaltungsakt mit Drittwirkung eingelegten Rechtsmittels kommt es auf eine die Erfolgsaussichten des Rechtsmittel in der Hauptsache berücksichtigende Interessenabwägung nicht an.


8. Senat

8 TG 2177/02

Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Marktfestsetzung;

hier: Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe

am 3. Dezember 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 2002 - 5 G 687/02 (3) - dahingehend abgeändert, dass, anknüpfend an die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Festsetzungsbescheide der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2002, der Antragsgegnerin aufgegeben wird, die Durchführung der festgesetzten Wochenmärkte als Veranstalterin zu unterlassen, solange die aufschiebende Wirkung Bestand hat.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 13.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Antrag zu 1. der Antragstellerin, festzustellen, dass die Klage der Antragstellerin vom 11.04.2002 gegen die Festsetzung eines Wochenmarktes zu Gunsten der Antragsgegnerin als Veranstalterin vom 30.01.2002 auf dem Parkplatz vor der Maintal-Halle in Maintal-Dörnigheim, jeweils Dienstags von 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr, zur regelmäßigen Durchführung auf Dauer, und gegen die Festsetzung eines Wochenmarktes zu Gunsten der Antragsgegnerin als Veranstalterin ebenfalls vom 30.01.2002 auf dem Parkplatz am ehemaligen Rathaus in Alt-Bischofsheim, jeweils Freitags von 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr, zur regelmäßigen Durchführung auf Dauer, aufschiebende Wirkung hat, durch einen damit übereinstimmenden Feststellungsausspruch stattgegeben, den Antrag zu 2. der Antragstellerin, der Antragsgegnerin aufzugeben, von den Festsetzungen keinen Gebrauch zu machen, die von ihr begonnene Durchführung der im Antrag Nr. 1 aufgeführten Wochenmärkte einzustellen und künftig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage der Antragstellerin vom 11.04.2002 zu unterlassen, dagegen abgelehnt. Die gegen die Ablehnung des Antrags zu 2. gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und hat nach Maßgabe der vorstehenden Tenorierung auch in der Sache Erfolg. Ausgehend von der zu Recht getroffenen Feststellung, dass dem Widerspruch und der späteren Klage der Antragstellerin gegen die zu Gunsten der Stadt selbst ergangenen Festsetzungsbescheide gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt, hätte das Verwaltungsgericht der Antragstellerin auf der Grundlage der §§ 80, 80 a VwGO konsequenterweise auch Rechtsschutz gegen die - die aufschiebende Wirkung missachtende - faktische Vollziehung dieser Festsetzungsbescheide gewähren müssen.

Das Verwaltungsgericht hat stattdessen angenommen, der auf Respektierung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels abzielende Antrag zu 2. der Antragstellerin sei nach § 123 VwGO zu beurteilen und scheitere auf dieser Grundlage daran, dass die Antragstellerin das - für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche - Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht habe. Dies hält, wie die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung zu Recht geltend macht, der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf § 123 Abs. 1 VwGO wäre für den begehrten vorläufigen Rechtsschutz gegen die Vollziehung der Festsetzungsbescheide nur dann abzustellen, wenn es sich bei der streitigen Marktfestsetzung nicht um einen von der Antragstellerin als "Dritter" im Sinne des § 80 a VwGO mit Widerspruch und Klage angreifbaren Verwaltungsakt handelte. Nur unter dieser Voraussetzung kämen nämlich die §§ 80 und 80 a VwGO nicht zur Anwendung und wäre infolgedessen gemäß § 123 Abs. 5 VwGO der Weg für eine Rechtsschutzgewährung nach § 123 Absätze 1 bis 3 VwGO eröffnet. Davon, dass die Marktfestsetzung zu Gunsten der Antragsgegnerin kein Verwaltungsakt sei, geht aber das Verwaltungsgericht selbst nicht aus, wie seine auf die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels der Antragstellerin bezogenen Ausführungen zeigen. Das Verwaltungsgericht sieht in dieser Festsetzung vielmehr zu Recht einen von der Antragstellerin mit Widerspruch und Klage angreifbaren Verwaltungsakt. Der gegenteiligen Auffassung der Antragsgegnerin, bei der Marktfestsetzung zu Gunsten der Stadt handele es sich um eine "intrakorporale Umsetzungsmaßnahme", der mangels Außenwirkung die Qualität eines Verwaltungsakts abzusprechen sei, kann nicht zugestimmt werden. Soweit keine funktionale Identität der Aufgabenerfüllung vorliegt, können Regelungen mit Außenwirkung von einer Behörde auch gegenüber dem eigenen Rechtsträger getroffen werden. Um einen solchen Fall geht es hier. Denn die Stadt handelt einerseits - bei der Marktfestsetzung - als Festsetzungsbehörde auf Grund einer ihr als Pflichtaufgabe übertragenen gesetzlichen Zuständigkeit; und sie nimmt andererseits - in der Eigenschaft als Veranstalterin, die eine Marktfestsetzung nach § 69 der Gewerbeordnung (GewO) beantragt und erhält - eine Aufgabe wahr, die, wenn sie sich ihrer nicht freiwillig auf der Grundlage ihres Selbstverwaltungsrechts annähme, ebenso gut durch einen privaten Veranstalter erfüllt werden könnte. Stellt sich für diesen die begehrte Marktfestsetzung als ein begünstigender Verwaltungsakt dar, so kann für die Stadt als Veranstalterin nichts anderes gelten. Die Dinge liegen in dieser Hinsicht ebenso wie beispielsweise bei einer Baugenehmigung, die der Gemeinde von ihrer eigenen Bauaufsichtsbehörde für ein von ihr zu verwirklichendes Bauvorhaben erteilt wird (dazu: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 Rn. 117, unter Benennung weiterer instruktiver Beispiele).

Die Beurteilung auch des gegen die faktische Vollziehung der angefochtenen Marktfestsetzung gerichteten Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin nach den §§ 80, 80 a VwGO führt dazu, dass diesem Begehren zu entsprechen ist, ohne dass es hierfür auf eine wie immer geartete Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache noch ankäme. In der Missachtung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs eines betroffenen Dritten - hier der Antragstellerin - durch einen vollziehenden Begünstigten - hier die Antragsgegnerin - liegt ein per se rechtswidriges Verhalten, welches ohne Weiteres eine auf Aufhebung und Einstellung des Vollzugs gerichtete gerichtliche Anordnung rechtfertigt. Die Rechtsgrundlage für diese "Vollziehungsfolgenbeseitigung" ergibt sich bei der behördlichen Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts unter Missachtung oder Verkennung der aufschiebenden Wirkung des von dem Adressaten eines solchen Verwaltungsakts erhobenen Widerspruchs aus einer entsprechenden Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Durch eine Anordnung auf dieser Grundlage wird der in der Feststellung der aufschiebenden Wirkung bestehende Rechtsschutz, der sich wiederum auf eine analoge Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO stützt, folgerichtig ergänzt. Für die besondere Konstellation des faktischen Vollzugs eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung durch den begünstigten Adressaten des Verwaltungsakts, der die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Dritten missachtet, ergeben sich die entsprechenden Rechtsgrundlagen aus § 80 a VwGO. Nach § 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen. Die entsprechenden Befugnisse hat nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 2. Alt. VwGO auch das Gericht. Damit verbunden ist die Befugnis des Gerichts, gleichsam parallel zu den aus der entsprechenden Anwendung des § 80 Abs. 5 Sätze 1 und 3 VwGO folgenden Rechtsschutzmöglichkeiten auch bei faktischer Vollziehung eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung die aufschiebende Wirkung des von dem Dritten erhobenen Widerspruchs festzustellen und Maßnahmen zu treffen, die auf die Beseitigung bereits eingetretener Vollzugsfolgen bzw. das Unterbleiben weiteren Vollzugs abzielen. Dass gerade bei dieser Fallkonstellation die Beseitigung des die aufschiebende Wirkung missachtenden Vollzugs zusätzlich von dem Ergebnis einer durch die Prognose zu den Aussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache beeinflussten Interessenabwägung abhängen sollte (so aber z.B. OVG Weimar, Beschluss vom 28.07.1993 - 1 EO 1/93 - NVwZ 1994, 508, dort abgedruckter Leitsatz 2), ist nicht einsehbar. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Dritten, der durch einen den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakt seinerseits belastet wird, tritt - insoweit gilt für den Verwaltungsakt mit Drittwirkung nichts anderes als für einfach belastende Verwaltungsakte - ohne Rücksicht auf das materielle Recht im Sinne der Begründetheit des Rechtsbehelfs und, ausgehend von dem gesetzlich vorausgesetzten Interesse am Vollziehungsaufschub, ohne einzelfallbezogene Interessenabwägung ein. Zum Schutz dieser aufschiebenden Wirkung trifft das zuständige Gericht gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen. Solche Sicherungsmaßnahmen dann doch wieder von einer an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs ausgerichteten einzelfallbezogenen Interessenabwägung abhängig zu machen, erscheint systemwidrig (dazu im Einzelnen zutreffend: Schoch, NVwZ 1991, 1121, 1125; derselbe in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 a Rn. 53 ff.; Schenke, JZ 1996, 1155, 1164 f.). Auf eine Interessenabwägung unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache kann es nur dann ankommen, wenn die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts mit Drittwirkung von der Behörde zu Gunsten des begünstigten Adressaten besonders angeordnet wird. Zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes bedarf es dann nämlich einer besonderen gerichtlichen Aussetzungsentscheidung (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung), die unmittelbar auf § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu stützen ist. Um eine derartige Fallgestaltung geht es im vorliegenden Verfahren aber nicht.

Da die von dem Rechtsmittel der Antragstellerin ausgehende aufschiebende Wirkung von der Antragsgegnerin zu respektieren ist, muss eine Durchführung der festgesetzten Wochenmärkte durch die Antragsgegnerin solange unterbleiben, als die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels andauert. Mit dieser Maßgabe ist unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses auch dem Rechtsschutzantrag zu 2. der Antragstellerin zu entsprechen.

Als unterliegender Teil hat die Antragsgegnerin die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13, 14 GKG. Der Senat legt für die Bewertung des Interesses der Antragstellerin an einer gerichtlichen Anordnung, die die Respektierung der aufschiebenden Wirkung durch die Antragsgegnerin sichert, den vom Verwaltungsgericht zusammenfassend auf beide Rechtsschutzanträge bezogenen Streitwert zu Grunde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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