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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.08.2006
Aktenzeichen: 8 TG 592/06
Rechtsgebiete: HGO, HKO


Vorschriften:

HGO § 140
HKO § 53 Abs. 2
Gegen die Heranziehung zu einer Kreisumlage, die auf einem von der Kommunalaufsichtsbehörde im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 140 HGO festgesetzten Hebesatz beruht, kann eine kreisangehörige Gemeinde sich nicht auf die fehlende Eingriffsbefugnis der Aufsichtsbehörde berufen.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

8 TG 592/06 8 TG 593/06

In den Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalrechts/Finanzausgleich/Kreisumlage

hier: Beschwerden im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe

am 10. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerdeverfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen 8 TG 592/06 fortgeführt.

Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 10. Februar 2006 - 3 G 1893/05 und 3 G 2415/05 - werden zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten der Beschwerdeverfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung im Verfahren 3 G 2415/05 von 335.559,00 € auf 287.168,00 € ermäßigt und für die Beschwerdeverfahren bis zur Verbindung für das Verfahren 8 TG 593/06 auf 141.279,50 € und für das Verfahren 8 TG 592/06 auf 287.168,00 €, für die Zeit danach auf 428.447,50 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die antragstellende kreisangehörige Gemeinde Riedstadt wehrt sich gegen die Heranziehung zur Kreisumlage für die Jahre 2005 und 2006 durch den Antragsgegner, den Kreis Groß-Gerau.

Der Kreistag des Antragsgegners beschloss in seiner Sitzung vom 14. März 2005 den Doppelhaushalt 2005/2006. Dieser sah u. a. Fehlbeträge für 2005 von ca. 38,7 Mio. Euro und für 2006 von ca. 36,6 Mio. Euro, einen Anstieg der Nettoneuverschuldung insbesondere für die Fortführung der Schulsanierungsvorhaben und einen Kreisumlagesatz von jeweils 42 % der Umlagegrundlage vor.

Nachdem ihm die Haushaltssatzung zur Genehmigung vorgelegt worden war, wies das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt für das beigeladene Land Hessen den Antragsgegner mit Schreiben vom 22. April und 25. Mai 2005 u. a. darauf hin, dass wegen der defizitären Entwicklung seiner Haushalts- und Finanzlage bis zum Ende der beiden Planungsjahre eine Unterdeckung von ca. 101,8 Mio. Euro prognostiziert werde und seine finanzielle Leistungsfähigkeit deshalb erheblich gefährdet sei. Angesichts des Missverhältnisses zwischen Ausgaben und Einnahmen seien die für das Schulbauprogramm beabsichtigten Kreditaufnahmen und Verpflichtungsermächtigungen gemäß § 103 Abs. 2 Satz 3 und § 102 Abs. 4 Satz 2 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) nicht genehmigungsfähig. Zur Verbesserung der Einnahmeseite sei eine Erhöhung des Hebesatzes für die Kreisumlage für 2005 auf 45 % und für 2006 auf 47 % geboten und angesichts des bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) unterstellten Hebesatzes von 46 % und im Hinblick auf vergleichbare Landkreise auch vertretbar, selbst wenn im kommunalpolitischen Bereich dagegen Einwände erhoben würden. Bei unverändertem Ausgabevolumen sei eine deutliche Verbesserung der Einnahmesituation Voraussetzung für die Genehmigung der erheblichen Kreditaufnahmen. Die Haushaltssatzung sei im Interesse einer geordneten Haushaltswirtschaft und im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie dem Kreistag zur erneuten Beratung und Beschlussfassung vorzulegen. Bis dahin kämen die Bestimmungen des § 99 HGO über die vorläufige Haushaltsführung zur Anwendung.

Nachdem der Kreistag des Antragsgegners am 30. Mai 2005 sowohl die Kredithöhe wie auch den Kreisumlagehebesatz unverändert gelassen und Einsparungen von jeweils 2,5 Mio. Euro beschlossen hatte, erteilte das RP Darmstadt unter dem 1. Juli 2005 für die vorgesehenen Kreditaufnahmen und die Verpflichtungsermächtigungen eine beschränkte und mit Auflagen versehene Haushaltsgenehmigung unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Kreistag des Antragsgegners die Kreisumlagehebesätze in § 5 der Haushaltssatzung bis zum 15. Juli 2005 auf 44 % für 2005 und auf 46 % für 2006 erhöhen müsse.

In seiner Sitzung vom 11. Juli 2005 kam der Kreistag zwar den Auflagen für die Kreditaufnahmen und Verpflichtungsermächtigungen nach, lehnte aber eine Erhöhung der Kreisumlage ab.

Daraufhin wies das RP Darmstadt den Antragsgegner mit kommunalaufsichtsrechtlicher Anweisung vom 13. Juli 2005 gemäß § 54 der Hessischen Kreisordnung (HKO) i.V.m. § 139 HGO unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit an, durch den Kreistag den Kreisumlagehebesatz auf 44 % für 2005 und auf 46 % für 2006 bis zum 15. August 2005 zu erhöhen, und drohte andernfalls die Ersatzvornahme gemäß § 140 HGO an. Zur Begründung führte es u. a. ergänzend aus, der Haushalt werde nur durch die Erfüllung der Genehmigungsbedingung rechtswirksam und der Antragsgegner könne erst durch die damit bewirkte Beendigung der vorläufigen Haushaltsführung seine öffentlichen Aufgaben hinreichend wahrnehmen. Die Erhöhung des Kreisumlagehebesatzes müsse innerhalb der Frist des § 37 Abs. 5 FAG (bis zum 31. August des jeweiligen Haushaltsjahres) erfolgen.

Nachdem der Kreistag am 21. Juli 2005 die Erhöhung des Hebesatzes der Kreisumlage wieder abgelehnt hatte, erhob der Antragsgegner unter dem 25. Juli 2005 gegen die Verfügungen zur Erhöhung der Kreisumlage vom 1. und 13. Juli 2005 Widerspruch, weil diese nur zu einer Defizitverschiebung führe, und beantragte die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Dies lehnte das RP Darmstadt unter dem 28. Juli 2005 ab. Den Widerspruch wies es später mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2005 zurück; Klage wurde nicht erhoben.

Ebenfalls unter dem 28. Juli 2005 änderte das RP Darmstadt im Wege der kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme gemäß § 140 HGO i.V.m. § 54 HKO anstelle des Kreistages den § 5 Satz 1, 1. HS der Haushaltssatzung 2005/2006 dahin ab, dass der Hebesatz der Kreisumlage für 2005 auf 44 % und für 2006 auf 46 % festgesetzt wurde, so dass der Antragsgegner nach Veröffentlichung der geänderten Haushaltssatzung über einen genehmigten Haushalt verfüge und die vorläufige Haushaltsführung beenden könne.

Nach der am 11. August 2005 erfolgten Bekanntmachung der Haushaltssatzung beschloss der Kreistag des Antragsgegners am 15. August 2005, keine Klage gegen die Ersatzvornahme zu erheben, denn angesichts der erheblichen Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragsgegners und des deutlich unter dem Landesdurchschnitt von ca. 46 % liegenden Hebesatzes bestehe dafür wenig Aussicht auf Erfolg.

Mit den vorliegend streitigen Bescheiden vom 15. August und 2. November 2005 zog der Antragsgegner die Antragstellerin auf Grund der Hebesätze von 44 % und 46 % zu Kreisumlagen für das Jahr 2005 endgültig in Höhe von 6.216.294,00 € und für das Jahr 2006 vorläufig in Höhe von 6.604.853,00 € heran.

Dagegen erhob die Antragstellerin unter dem 8. September und 10. November 2005 hinsichtlich der Erhöhung der Kreisumlage Widersprüche und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung machte sie u. a. geltend, die Ersatzvornahme des RP Darmstadt greife unrechtmäßig in die Selbstverwaltungsautonomie des Kreises ein und deshalb sei die Satzung nicht wirksam zu Stande gekommen. Die ihr, der Antragstellerin, dadurch entstehenden Mehrausgaben seien nicht gedeckt und führten zu einer erdrosselnden Höhe der Kreisumlage.

Mit Bescheiden vom 15. September und 11. November 2005 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung ab; über die Widersprüche ist noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin hat am 21. Oktober und 21. Dezember 2005 beim Verwaltungsgericht Darmstadt hinsichtlich der Erhöhung der Kreisumlage einstweiligen Rechtsschutz beantragt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Festsetzung des Umlagesatzes durch die Kommunalaufsichtsbehörde im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 140 HGO sei rechtswidrig, so dass es an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage für die Heranziehung fehle. Eine Ersatzvornahme zur Vollziehung einer Anweisung setze einen Gesetzesverstoß durch Unterlassen voraus. Da der Kreistag demgegenüber aber eine Entscheidung getroffen und den Kreisumlagesatz auf 42 % festgesetzt habe, sei allenfalls eine Beanstandung gemäß § 138 HGO in Betracht gekommen. Der Beschlussfassung des Kreistages über die Umlagenhöhe sei eine komplexe, gesetzgeberische Abwägungs- und Prognoseentscheidung vorausgegangen, die sowohl vom Gericht wie auch von der staatlichen Aufsichtsbehörde nur eingeschränkt überprüft werden könne und einer kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme nicht zugänglich sei. Allein wegen dieses unrechtmäßigen Vorgehens der Aufsichtsbehörde werde ihr Selbstverwaltungsrecht ungerechtfertigt beeinträchtigt. Es komme deshalb im vorliegenden Eilverfahren nicht darauf an, ob es auch durch die nunmehr erreichte Höhe der Kreisumlage verletzt werde. Sie mache das Fehlen einer wirksamen Rechtsgrundlage, nicht aber die Unverhältnismäßigkeit der erhöhten Kreisumlage geltend.

Demgegenüber hat der Antragsgegner u. a. vorgetragen:

Die Antragstellerin habe eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts nicht schlüssig dargetan. Allein die Entziehung eigener Haushaltsmittel rechtfertige nicht die Annahme, durch die Anhebung der Kreisumlage fehle ihr etwa die erforderliche finanzielle Mindestausstattung einschließlich einer kleinen freien Spitze. Die Klärung der komplexen Rechtsfragen hinsichtlich der Festsetzung des Umlagesatzes im Wege einer kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme müssten dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Zudem dürften die Aufsichtsmittel der Beanstandung einerseits und der Anweisung/Ersatz-vornahme andererseits wohl unabhängig voneinander zur Verfügung stehen und auch Satzungsbestimmungen bzw. Regelungen des Haushaltsplans Gegenstand einer Ersatzvornahme sein. Schließlich sei er, der Antragsgegner, auch an die Anweisung und Ersatzvornahme des RP Darmstadt gebunden.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschlüssen vom 10. Februar 2006 - 3 G 1893/05 und 3 G 2415/05 - abgelehnt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach summarischer Prüfung bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzungsbescheide vom 15. August und 2. November 2005. Rechtsgrundlage für die Kreisumlage sei § 53 Abs. 2 HKO i.V.m. § 5 der veröffentlichten Haushaltssatzung des Antragsgegners. Diese stelle gegenüber der Antragstellerin eine wirksame Rechtsgrundlage dar. Ihr Vorbringen, das RP Darmstadt habe den Antragsgegner zu Unrecht zur Anhebung der Kreisumlage angewiesen und zu Unrecht die Ersatzvornahme angeordnet, begründe nicht deren Unwirksamkeit. Da der Antragsgegner gegen die Ersatzvornahme kein Rechtsmittel eingelegt habe, sei er an die Regelung dieses Verwaltungsaktes gebunden. Er habe deshalb die Haushaltssatzung in der geänderten Form am 11. August 2005 öffentlich bekannt gemacht. Sie sei nach summarischer Prüfung auch nicht nichtig. Selbst wenn die Anweisung des RP vom 13. Juli 2005 rechtswidrig wäre, stünde ein Anfechtungsrecht nicht der Antragstellerin zu, weil sie durch die Anweisung nicht in ihrem eigenen Selbstverwaltungsrecht verletzt sein könne. Sie könne sich im Rahmen dieses Verfahrens lediglich darauf berufen, durch die Festsetzung der Kreisumlage in ihrem Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigt zu sein. Dies mache sie jedoch im vorliegenden Eilverfahren gerade nicht geltend, denn sie wolle sich ausdrücklich nicht auf die Unverhältnismäßigkeit ihrer Heranziehung zu der erhöhten Kreisumlage berufen. Deshalb könne deren Vollziehung auch nicht eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben.

Gegen die am 16. Februar 2006 zugestellten Beschlüsse hat die Antragstellerin am 27. Februar 2006 die vorliegenden Beschwerden eingelegt.

Zur Begründung hat sie in den Beschwerdeschriftsätzen vom 27. Februar 2006 und in ergänzenden Schriftsätzen vom 13. März 2006 im Wesentlichen vorgetragen: Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die Heranziehung zur Kreisumlage in ihre Finanzhoheit eingreife und dass dieser Eingriff nicht gerechtfertigt sei, wenn und soweit eine gültige Rechtsgrundlage fehle. Die durch die kommunale Aufsichtsbehörde gemäß §§ 137, 140 HGO erfolgte Festsetzung des Umlagesatzes über 42 % hinaus sei rechtswidrig und verletze ihr Selbstverwaltungsrecht. Die kommunalaufsichtsrechtlichen Befugnisse beschränkten sich bei Haushaltssatzungen auf deren genehmigungspflichtige Teile, wie etwa die Kreditaufnahmen. Es handele sich insoweit um präventive Aufsichtsbefugnisse, die im eigenen kommunalen Wirkungskreis nicht auf Zweckmäßigkeitserwägungen erstreckt werden dürften. Dem Staat sei es verwehrt, gestaltend in die Kommunalsphäre einzugreifen und seine Auffassung zu den dort zu regelnden Angelegenheiten an die Stelle der Auffassung der kommunalen Körperschaft zu setzen. Die Festsetzung des Kreisumlagesatzes sei aber eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Landkreise, so dass diese nicht mit den repressiven kommunalaufsichtsrechtlichen Mitteln gemäß §§ 137 ff. HGO erfolgen dürfe. Die Aufsichtsbehörde sei im Bereich der Haushaltsplanung nicht berechtigt, ihre Beurteilung an die Stelle derjenigen der dazu originär berufenen kommunalen Gremien zu setzen, nämlich hier des Kreistages als der gewählten Volksvertretung.

Selbst ihre Anwendbarkeit unterstellt lägen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 139, 140 HGO nicht vor. Aus § 37 FAG könne keine Pflicht des Landkreises hergeleitet werden, Fehlbeträge im Kreishaushalt vollständig über die Kreisumlage zu refinanzieren und deshalb einen Umlagesatz in einer bestimmten Höhe festzusetzen; dadurch würden die kreisangehörigen Gemeinden in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt. Der Kreistag habe vielmehr eine abwägende, auch von politischen Wertungen beeinflusste Entscheidung zu treffen und dabei schonend auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Städte und Gemeinden Rücksicht zu nehmen. Diese zukunftsgerichtete Prognoseentscheidung unterliege nur in eingeschränktem Umfang einer Rechtskontrolle und könne nicht durch die kommunale Aufsichtsbehörde ersetzt werden. Deshalb sei hier allenfalls das aufsichtsbehördliche Mittel der Beanstandung gemäß § 138 HGO in Frage gekommen.

Die Antragstellerin beantragt - sinngemäß -,

die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 10. Februar 2006 - 3 G 1893/05 und 3 G 2415/05 - abzuändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche vom 8. September und 10. November 2005 gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 15. August und 2. November 2005 anzuordnen, soweit die Heranziehung zur Kreisumlage über den Betrag hinausgeht, der fällig wäre, wenn die Kreisumlage auf 42 v. H. festgesetzt wäre.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerden abzuweisen,

und wiederholt neben einem Bezug auf die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen weitgehend sein erstinstanzliches Vorbringen.

Für das beigeladene Land macht das RP Darmstadt im Wesentlichen geltend, die den Heranziehungsbescheiden zu Grunde liegende Haushaltssatzung in der durch die kommunalaufsichtsrechtliche Ersatzvornahme bewirkten und veröffentlichten Fassung sei nicht nichtig, also rechtswirksam. Die aufsichtsbehördlichen Maßnahmen seien in Bestandskraft erwachsen. Unabhängig davon seien sie auch rechtmäßig und verletzten weder den Antragsgegner noch die Antragstellerin in ihren Rechten. Der Antragsgegner, der als Landkreis über keine nennenswerten Steuereinnahmen verfüge und zur Finanzierung seines Bedarfs neben den Schlüsselzuweisungen ganz überwiegend auf die Kreisumlage angewiesen sei, sei gemäß § 37 Abs. 1 FAG verpflichtet gewesen, zum Ausgleich seines defizitären Haushalts eine erhöhte Kreisumlage zu erheben. Die das kommunale Selbstverwaltungsrecht im Rahmen der Gesetze ausgestaltende Kommunalaufsicht erstrecke sich auch auf die Gemeindewirtschaft und damit auf die Pflicht zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung, die der Antragsgegner durch Nichterhöhung der Kreisumlage auf Grund einer ermessensfehlerhaften Entscheidung seines Kreistages verletzt habe. Schließlich habe die Antragstellerin nicht vorgetragen, dass die Aufsichtsbehörde mit der Anhebung der Kreisumlage durch Einschnürung ihrer Finanzhoheit in den Kernbestand ihrer Selbstverwaltungsgarantie eingegriffen habe.

Zu diesen Ausführungen des Beigeladenen hat die Antragstellerin nochmals mit Schriftsatz vom 24. Mai 2006 Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der vorliegenden Streitakten einschließlich der Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Die gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden der Antragstellerin gegen die ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 16. Februar 2006 zugestellten Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 10. Februar 2006 sind innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 147 Abs. 1 VwGO am 27. Februar 2006 eingelegt und innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO mit den Beschwerdeschriftsätzen gleichen Datums und den ergänzenden Schriftsätzen vom 13. März 2006 rechtzeitig begründet worden; sie haben aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die frist- und formgerecht dargelegten Gründe des Beschwerdeführers, so dass es im Beschwerdeverfahren einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu einer Amtsermittlung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nur insoweit kommt, wie die den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Darlegung dazu Anlass gibt.

Die Beschwerdebegründung muss nach dieser Vorschrift neben einem bestimmten Antrag die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung so auseinandersetzen, dass tragende Erwägungen des Verwaltungsgerichts in Anlehnung an die Darlegungsvoraussetzungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass die Richtigkeit des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses erfolgreich in Zweifel gezogen wird.

Entsprechend den vom Gesetzgeber mit der Einführung der besonderen und fristgebundenen Begründungspflicht des Beschwerdeführers und der Einschränkung des obergerichtlichen Prüfungsumfangs verfolgten Zielen der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung des Beschwerdeverfahrens ist Vorbringen, das nach der einmonatigen Begründungsfrist geltend gemacht wird, grundsätzlich ausgeschlossen, soweit es nicht bereits form- und fristgerecht sowie im obigen Sinne hinreichend dargelegte Beschwerdegründe erläutert bzw. ergänzt.

Diesen Anforderungen werden die mit Schriftsätzen vom 27. Februar und 13. März 2006 dargelegten Beschwerdegründe der Antragstellerin zur Rechtswidrigkeit der kommunalaufsichtsrechtlichen Maßnahmen des RP Darmstadt gegenüber dem Antragsgegner nicht gerecht, weil sie die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht schlüssig in Zweifel ziehen. Das gilt auch für die ergänzende Begründung im Schriftsatz vom 24. Mai 2006; darüber hinausgehende Erwägungen sind wegen Ablaufs der Begründungsfrist nicht berücksichtigungsfähig.

Die vom Verwaltungsgericht angenommene Wirksamkeit der im Wege der kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme gemäß § 140 HGO i.V.m. § 54 HKO anstelle des Kreistages vom RP Darmstadt vorgenommenen Festsetzung der Hebesätze in § 5 der Haushaltssatzung 2005/2006 des Antragsgegners wird von den Einwänden der Antragstellerin nicht berührt.

Diese Satzungsänderung ist durch einen gegenüber dem Antragsgegner ergangenen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt in Form der Ersatzvornahme erfolgt. Für den Eintritt dieser rechtsgestaltenden Wirkung kommt es deshalb nur auf die Wirksamkeit dieses Verwaltungsaktes gegenüber dem Antragsgegner an, mit der Folge, dass die vom RP Darmstadt getroffene Regelung wie ein Beschluss des Kreistages wirkt. Die Wirksamkeit des dem Antragsgegner am 28. Juli 2005 per Telefax übermittelten und am 29. Juli 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Ersatzvornahmebescheides ist aber schon dadurch eingetreten, dass dagegen kein Rechtsmittel eingelegt worden ist, dem gegebenenfalls gemäß § 142 HGO i.V.m. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hätte zukommen können, die ohnehin bei dieser Vollstreckungsmaßnahme gemäß § 16 HAGVwGO ausgeschlossen gewesen wäre; zudem ist der Ersatzvornahmebescheid inzwischen gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit Ablauf des 29. August 2005 oder jedenfalls gemäß § 58 Abs. 2 VwGO mit Ablauf des 28. bzw. 31. Juli 2006 bestandskräftig geworden, so dass er auch deshalb seit seinem Erlass am 28./29. Juli 2005 wirksam (geblieben) ist.

Die Wirksamkeit dieser Ersatzvornahme vom 28. Juli 2005 hängt demgegenüber - wie bei jedem Verwaltungsakt - nicht von seiner Rechtmäßigkeit, also davon ab, ob das RP Darmstadt gegenüber dem Antragsgegner zum Erlass dieser repressiv-gestaltenden Aufsichtsmaßnahme im Bereich der Haushaltssatzung berechtigt war, oder ob es vielmehr - wie die Antragstellerin geltend macht - rechtswidrig in dessen in Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 137 Abs. 3 HV garantiertes Selbstverwaltungsrecht eingegriffen hat. Letzteres hätte lediglich zur Aufhebbarkeit der Ersatzvornahme gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 142 HGO auf Grund eines vom Antragsgegner eingelegten Rechtsmittels in Form eines Anfechtungswiderspruchs oder einer Anfechtungsklage geführt.

Die Ausführungen der Antragstellerin, das RP Darmstadt sei als kommunale Aufsichtsbehörde nicht befugt gewesen, im Wege der Ersatzvornahme die abwägende, zukunftsgerichtete und von politischen Wertungen beeinflusste Entscheidung des Kreistages über die Festsetzung des Hebesatzes der Kreisumlage zu ersetzen, sind deshalb für die Frage der Wirksamkeit der rechtsgestaltend in die Haushaltssatzung einwirkenden Ersatzvornahme nicht erheblich. Anhaltspunkte dafür, dass diese Gesichtspunkte nicht nur zur Rechtswidrigkeit, sondern sogar wegen eines besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehlers zur Nichtigkeit gemäß § 44 Abs. 1 HVwVfG führen könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

Die Ersatzvornahme dürfte im Gegenteil rechtmäßig erfolgt sein. Diese kommunalaufsichtsrechtliche Vollstreckungsmaßnahme gemäß § 140 HGO setzt nämlich lediglich voraus, dass die Kommune einer gemäß § 2 HVwVG vollziehbaren aufsichtsbehördlichen Anweisung gemäß § 139 HGO trotz einer Androhung entsprechend § 69 Abs. 1 HVwVG nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist nachgekommen ist.

Die - mit Ablauf des 13. Januar 2006 ohnehin bestandskräftig gewordene - aufsichtsbehördliche Anweisung des RP Darmstadt vom 13. Juli 2005 zur Festsetzung der erhöhten Hebesätze der Kreisumlage war gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 142 HGO sofort vollziehbar, so dass dem Widerspruch des Antragsgegners vom 25. Juli 2005 keine aufschiebende Wirkung zukam. Der Ablauf der bis zum 15. August 2005 gesetzten Frist musste nicht abgewartet werden, weil der Antragsgegner in seinem Widerspruchsschreiben vom 25. Juli 2005 die Befolgung der Anweisung ausdrücklich abgelehnt und mitgeteilt hatte, dass der Kreistag erst wieder am 10. Oktober 2005 zu seiner nächsten planmäßigen Sitzung zusammentreten werde. Schließlich können auch Gegenstand einer Ersatzvornahme gemäß § 140 HGO alle rechtserheblichen Erklärungen sein, zu denen die Gemeinde oder eines ihrer Organe fähig sind, also auch der Erlass oder einzelne Änderungen von gemeindlichen Satzungen, also auch von Haushaltssatzungen (vgl. Meiß, in Bennemann/Beinlich u.a., HGO, Stand: März 2006, Rdnrn. 5 und 8 zu § 140).

Schließlich sprechen - obwohl es vorliegend darauf nicht entscheidend ankommt - sogar erhebliche Gesichtspunkte für die Rechtmäßigkeit der kommunalaufsichtsbehördlichen Anweisung vom 13. Juli 2005. Das RP Darmstadt hatte gemäß § 103 Abs. 2 und § 102 Abs. 4 HGO i.V.m. § 52 Abs. 1 HKO über die Genehmigungsfähigkeit der vom Antragsgegner vorgesehenen Kreditaufnahmen und Verpflichtungsermächtigungen zu befinden und dabei - wie die Antragstellerin selbst ausführt - die Einhaltung der Grundsätze einer geordneten Haushaltswirtschaft zu prüfen. Es dürfte deshalb nicht zu beanstanden sein, dass es seine Haushaltsgenehmigung vom 1. Juli 2005 von der aufschiebenden Bedingung der Verbesserung der Einnahmesituation durch Erhöhung der Kreisumlage abhängig gemacht hat. Nachdem der Kreistag des Antragsgegners in seiner Sitzung vom 11. Juli 2005 zwar den Auflagen für die Kreditaufnahmen und die Verpflichtungsermächtigungen nachgekommen war, aber die Erhöhung der Kreisumlage abgelehnt und damit den Eintritt der aufschiebenden Bedingung verhindert hatte, war das RP Darmstadt zur Herbeiführung der Wirksamkeit der Haushaltssatzung und damit zur Beendigung der eingeschränkten vorläufigen Haushaltsführung gemäß § 99 HGO entsprechend seiner Androhung gehalten, den Eintritt dieser Bedingung zu erzwingen, um die im öffentlichen Interesse liegende ausreichende Aufgabenerfüllung des Antragsgegners zu ermöglichen.

Da danach die vom RP Darmstadt im Wege der kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme erfolgte Festsetzung der erhöhten Hebesätze für die Kreisumlage einschließlich der dafür gegebenen Begründung dem Antragsgegner wie eine Entscheidung seines Kreistages zuzurechnen ist (vgl. Meiß a.a.O., Rdnr. 5 zu § 140), könnte die Antragstellerin gegen die Heranziehung zu der darauf beruhenden Kreisumlage eine Verletzung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts auch im Rahmen einer Inzidentkontrolle der Festsetzung in der Haushaltssatzung lediglich damit begründen, dass ihr wegen deren Höhe die finanzielle Mindestausstattung einschließlich einer wenn auch kleinen freien Spitze entzogen werde und/oder dass die Festsetzung des Hebesatzes auf einer fehlerhaften Abwägung zwischen der Bedeutung der Aufgabenwahrnehmung des Antragsgegners und der dadurch verursachten Einschränkung ihrer kommunalen Finanzhoheit beruhe (vgl. dazu u. a. Hess. VGH, Urteil vom 27. Januar 1999 - 8 N 3392/94 - ESVGH 49 S. 132 ff. = NVwZ-RR 2000 S. 180 ff. = juris). Gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass sie gerade dies nicht geltend gemacht habe, hat die Antragstellerin jedoch zur Begründung ihrer Beschwerden keine Einwände erhoben, so dass diese Fragen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung des Senats entzogen sind.

Die Beschwerden der Antragstellerin sind nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen.

Die das erstinstanzliche Verfahren des VG Darmstadt - 3 G 2415/05 - einbeziehende Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 3 und § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GKG und ergibt sich aus der Differenz der Höhe der streitigen Kreisumlage unter Heranziehung des erhöhten Hebesatzes im Verhältnis zu der sich aus den ursprünglichen Hebesätzen von jeweils 42 % ergebenden Höhe; der danach errechnete Betrag wird wegen der Vorläufigkeit der vorliegenden Verfahren halbiert.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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