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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.10.2000
Aktenzeichen: 8 TZ 2310/00
Rechtsgebiete: GG, HKO


Vorschriften:

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
HKO § 44 Abs. 1 S. 3
HKO § 44 Abs. 4 S. 1
HKO § 44 Abs. 4 S. 2
HKO § 44 Abs. 4 S. 3
Eine unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans begründet eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter nur dann, wenn die unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans willkürlich, d.h. aufgrund einer durch sachliche Erwägungen nicht mehr gerechtfertigten Auslegung oder Anwendung des Geschäftsverteilungsplans geschehen ist (wie BVerwG).

Als allgemeiner Vertreter des Landrats vertritt der Erste Kreisbeigeordnete den Landrat in allen gesetzlich nicht anderweitig geregelten Bereichen der Selbstverwaltung des Landkreises, wenn ein Vertretungsfall vorliegt und der Erste Kreisbeigeordnete selbst nicht verhindert ist.

Es ist jedoch zulässig, dass der Landrat im Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises im Wege einer besonderen Vertretungsregelung für bestimmte eng umgrenzte Angelegenheiten einen anderen Beigeordneten als den Ersten Beigeordneten mit der Vertretung beauftragt.

Die Vertretung für ganze Dezernate fällt unter die allgemeine Vertretung im Sinne des § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO und kann daher dem Ersten Beigeordneten nicht wirksam entzogen werden.


Gründe:

1. Die Beschwerde ist nicht auf Grund eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen, denn die angefochtene Entscheidung ist nicht unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters getroffen worden.

Der Antragsgegner kann sich in Bezug auf den verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 29. Mai 2000 nicht mit Erfolg auf eine fehlerhafte Besetzung der Richterbank berufen. Dies gilt zunächst, soweit er solche Zweifel in Bezug auf die ehrenamtlichen Richter äußert, die an der Fassung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 29. Mai 2000 beteiligt waren. Ihm ist unklar, warum die ehrenamtliche Richterin B. übergangen worden ist. Wenn sie zum Zeitpunkt der Terminsladung zum 6. Juni 2000 zur Verfügung gestanden habe, sei sie anstelle von Frau L. für diesen Termin heranzuziehen gewesen mit der Folge, dass am 29. Mai 2000 die ehrenamtliche Richterbank mit L./W. anstelle W./F. hätte besetzt sein müssen.

Diese Vermutungen machen die Richterbank im Ergebnis nicht fehlerhaft. Das wäre nur dann der Fall, wenn eine unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans willkürlich, d.h. auf Grund einer durch sachliche Erwägungen nicht mehr gerechtfertigten Auslegung oder Anwendung des Geschäftsverteilungsplans geschehen wäre (vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 28. Juli 1998 - 11 B 20/98 - juris, und vom 21. Dezember 1994 - 1 B 176/93 - Buchholz 310 § 138 Nr. 1 VwGO Nr. 32 = juris; Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnrn. 5 und 6 zu § 138 VwGO). Ein bloßes Versehen oder ein Irrtum in Bezug auf die Richterbesetzung genügt insofern nicht. Anhaltspunkte dafür, dass hier die Richterbank im Bereich der ehrenamtlichen Richter willkürlich manipuliert worden wäre, bestehen nicht.

Die Antragstellerin hat unter Vorlage einer Kopie der Liste der ehrenamtlichen Verwaltungsrichter der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden dargelegt, dass die herangezogenen ehrenamtlichen Richter F. und W. heranzuziehen waren. Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Verfahren erstmals Termin auf den 16. Mai 2000 bestimmt (vgl. die Terminierungsverfügung vom 2. Mai 2000, Bl. 68 d. GA). Zu diesem Termin wurden als ehrenamtliche Richter Frau E. und Herr H. geladen. Frau E. erklärte sich für befangen. Die beiden nächsten ehrenamtlichen Richterinnen/Richter waren Frau R. und Frau H.. Beide waren bereits zu einem Termin für den 22. Mai 2000 geladen. Das Verwaltungsgericht berief deshalb anstelle von Frau E. für den angesetzten Termin am 16. Mai 2000 Frau B.. Mit Verfügung vom 2. Mai 2000 hob das Verwaltungsgericht den Termin am 16. Mai 2000 auf, da über die Selbstablehnung der ehrenamtlichen Richterin E. nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts eine andere Kammer zu befinden hatte, deren Entscheidung noch ausstand.

Neuer Verhandlungstermin wurde auf den 29. Mai 2000 bestimmt. Zu diesem Termin wurden die ehrenamtlichen Richter F. und W. geladen. Die beiden vorausgehenden ehrenamtlichen Richter S. und L. konnten für den 29. Mai 2000 nicht geladen werden, weil sie bereits für eine Verhandlung am 6. Juni 2000 berufen waren.

Es mag zwar zweifelhaft sein, warum Frau B. für den Termin vom 16. Mai 2000 geladen wurde, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2000, mit der dem Selbstablehnungsgesuch der ehrenamtlichen Richterin E. stattgegeben wurde, noch nicht ergangen war. Denn nur dadurch, dass Frau B. für einen Termin geladen wurde, der dann später aufgehoben werden musste, ergab sich, dass Frau B. für die Sitzung vom 29. Mai 2000 ausfiel.

Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Ladung von Frau B. zum Termin vom 16. Mai 2000 gerechtfertigt war, denn auch wenn dies eine unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans gewesen sein sollte, war diese nach Obigem jedenfalls nicht ohne sachlichen Grund, also nicht willkürlich. Entsprechendes gilt auch, soweit der Antragsgegner geltend macht, die Streitsache sei von einer nach der Geschäftsverteilung unzuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts verhandelt und entschieden worden. Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts, die den Beschluss gefasst hat, sei für Kommunalverfassungsrecht zuständig, nicht jedoch für das öffentliche Dienstrecht, hierfür sei die 8. Kammer zuständig. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts handele es sich hier nicht um ein Verfahren im Bereich des Kommunalrechts, sondern um eine beamtenrechtliche Streitigkeit. - Der beschließende Senat lässt offen, ob dies hier - entsprechend den Beschlüssen des 1. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. März 1983 (- I TH 64/82 - HessVGRspr. 1983, 55), 5. Juli 1990 (- 1 TG 1780/90 - NVwZ-RR 1990, 632) und vom 20. Mai 1992 (- 1 TH 633/92 - NVwZ-RR 1992, 498) - so gesehen werden muss. Denn auch wenn dem Antragsgegner insoweit zu folgen sein sollte, lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts ihre Zuständigkeit willkürlich, d.h. auf Grund einer durch sachliche Erwägungen nicht mehr gerechtfertigten Auslegung oder Anwendung des Geschäftsverteilungsplans angenommen hätte. Eine Zuordnung des Streitgegenstandes zum Kommunalrecht erscheint hier jedenfalls nicht unvertretbar, so dass nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von einer Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) auch in Bezug auf die Kammerzuständigkeit nicht auszugehen ist.

2. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts weicht nicht im Sinne von § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von den Beschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Juli 1990 (- 1 TG 1780/90 - NVwZ-RR 1990, 632) und vom 10. März 1983 (- I TH 64/82 - HessVGRspr. 1983, 55 f.) ab, denn diese Entscheidungen betrafen in wesentlicher Hinsicht andere Fälle. Im Beschluss vom 10. März 1983 ging es in Bezug auf die Rechtsverhältnisse in einer Gemeinde um die Organisationsverfügung eines Bürgermeisters, mit der einem hauptamtlichen Beigeordneten, der nicht für bestimmte Arbeitsgebiete von der Gemeindevertretung besonders gewählt worden war, ein bestimmter Aufgabenbereich entzogen worden war. Die Entscheidung betraf nicht die hier streitgegenständliche Frage, ob ein Landrat durch eine Organisationsverfügung anordnen durfte, dass ein ehrenamtlich tätiger Erster Beigeordneter ihn, den Landrat, im gesamten Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises nicht vertritt.

Entsprechendes gilt für den Beschluss vom 5. Juli 1990. Dort ging es darum, ob zum damaligen Zeitpunkt der Oberbürgermeister die Wahrnehmung seiner Aufgaben als allgemeine Polizeibehörde, also eine nicht dem Magistrat obliegende Aufgabe, einem Magistratsmitglied als (Anwesenheits-)Vertreter übertragen konnte. Abgesehen davon, dass auch diese Entscheidung nicht den Bereich der Kreisverwaltung betraf, ging es auch dort nicht um die Frage, ob der Bürgermeister (Oberbürgermeister) berechtigt war, in Bezug auf Selbstverwaltungs-Dezernate, die er selbst inne hatte, einen anderen Beigeordneten als den Ersten Beigeordneten zu seinem (Abwesenheits-)Vertreter zu bestimmen.

3. Dem Zulassungsantrag lassen sich auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses im Sinne von § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht entnehmen, denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis richtig. Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner zu Recht verpflichtet, seine Organisationsverfügung vom 11. Oktober 1999 in der derzeit aktuellen Fassung vorläufig dahingehend abzuändern, dass die Antragstellerin als Erste Kreisbeigeordnete den Antragsgegner als Landrat (neben der vollständigen Vertretung im Bereich der Landesverwaltung) im Bereich der Selbstverwaltung auch in allen jenen Bereichen als erste Vertreterin vertritt, die er sich selbst als Dezernat zugewiesen hat.

Ein Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gegeben, denn es ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten; die Amtszeit der ehrenamtlichen Beigeordneten - die Antragstellerin ist ehrenamtliche Beigeordnete - endet zum Ablauf der Wahlperiode in rund fünf Monaten. Bis zu diesem Zeitpunkt könnte mit einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung nicht gerechnet werden.

Zwar nimmt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung das Hauptsacheverfahren jedenfalls bis zum Ablauf der Wahlperiode vorweg, weil für die dann vergangene Zeit die im Wege der einstweiligen Anordnung durchgesetzte Änderung der Vertretungsregelung nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass die einstweilige Anordnung nicht hätte ergehen dürfen. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG - gilt jedoch das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung nicht, wenn die Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 20. Mai 1992, a.a.O.; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., 2000, Rdnr. 14 zu § 123).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, denn die Beschränkungen der Vertreterstellung der Antragstellerin, die die Organisationsverfügung des Landrats verursacht, könnten in einem späteren Hauptsacheverfahren für die Vergangenheit nicht mehr beseitigt werden; außerdem spricht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren.

Ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt vor. Die Antragstellerin kann vom Antragsgegner verlangen, dass er seine oben genannte Organisationsverfügung vorläufig dahingehend abändert, dass die Antragstellerin als Erste Kreisbeigeordnete den Antragsgegner als Landrat (neben der vollständigen Vertretung im Bereich des Landesverwaltung) im Bereich der Selbstverwaltung auch in all jenen Bereichen als erste Vertreterin vertritt, die er sich selbst als Dezernat zugewiesen hat. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

In der Hessischen Landkreisordnung - HKO - in der Fassung vom 1. April 1993 (GVBl. 1992 I. S. 569), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 1999 (GVBl. 2000 I. S. 2), sind für den Bereich der Landesverwaltung im Landkreis und den Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises jeweils gesonderte Regelungen in Bezug auf die Vertretung des Landrats getroffen. Dass der Landrat als Behörde der Landesverwaltung nach § 55 Abs. 6 Satz 2 HKO im Falle seiner Verhinderung von dem Ersten Kreisbeigeordneten vertreten wird, hat der Antragsgegner in seiner Organisationsverfügung beachtet, denn er hat angeordnet, dass er im Urlaubs-, Krankheits- und sonstigen Verhinderungsfalle im Bereich der Landesverwaltung mit Ausnahme des Brandschutzes von der Antragstellerin vertreten wird.

Aus § 55 Abs. 6 Satz 2 HKO kann jedoch nicht geschlossen werden, im Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises, die im ersten Teil der Hessischen Landkreisordnung Regelungen erfahren hat, sei der Landrat frei, wen er zum Vertreter bestimme. Vielmehr ist in § 44 Abs. 4 Satz 1 HKO geregelt, dass der Erste Kreisbeigeordnete der allgemeine Vertreter des Landrats ist; er soll als allgemeiner Vertreter nur tätig werden, wenn der Landrat verhindert ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind die übrigen Kreisbeigeordneten zur allgemeinen Vertretung des Landrats nur berufen, wenn der Erste Kreisbeigeordnete verhindert ist. Nach Satz 3 bestimmt der Kreisausschuss die Reihenfolge. Diese Regelungen zeigen, dass der Erste Kreisbeigeordnete im Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises durch den Landrat seiner Vertretungsstellung nicht beraubt werden darf. § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO macht nur dann einen Sinn, wenn damit klargestellt werden soll, dass der Erste Kreisbeigeordnete den Landrat in allen gesetzlich nicht anderweitig geregelten Bereichen der Selbstverwaltung des Landkreises vertritt, wenn ein Vertretungsfall vorliegt, also der Landrat verhindert ist, und wenn der Erste Kreisbeigeordnete selbst nicht verhindert ist. Hätte der Gesetzgeber durch diese Vorschrift dem Landrat das Recht einräumen wollen, nach Gutdünken in einzelnen oder allen Bereichen der Selbstverwaltung den Ersten Beigeordneten aus der Vertretungsregelung in der Geschäftsverteilung herauszulassen, so wäre § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO überflüssig.

Es kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, das in § 44 Abs. 1 Satz 3 HKO geregelte Recht des Landrats, die Geschäfte unter die Mitglieder des Kreisausschusses zu verteilen, gehe den genannten Regelungen in § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO vor. Denn dem stehen die eindeutigen Formulierungen in diesen Vorschriften entgegen. Danach "ist" der Erste Kreisbeigeordnete der allgemeine Vertreter des Landrats. Die übrigen Kreisbeigeordneten "sind" zur allgemeinen Vertretung des Landrats "nur" berufen, wenn der Erste Kreisbeigeordnete verhindert ist. Hätte der Landrat das Recht erhalten sollen, kraft seiner Geschäftsverteilungsbefugnis andere Kreisbeigeordnete als den Ersten Kreisbeigeordneten zu seinen Vertretern zu bestimmen, so hätte dies angesichts der klaren Formulierungen des Gesetzes zum Ausdruck kommen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Es ist im Übrigen auch selbstverständlich, dass der Landrat dann, wenn nichts anderes gesetzlich geregelt ist, die Dezernenten für die einzelnen Dezernate bestimmen darf. Dies ändert aber nichts daran, dass er - was die Vertretungsregelung betrifft - durch § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO dahin gebunden ist, dass er keine anderen Beigeordneten zu seinen Vertretern bestimmt, sondern insofern durch die gesetzliche Regelung der Erste Beigeordnete berufen ist.

Dieses Verständnis der genannten Vorschriften der Hessischen Landkreisordnung wird bestätigt durch die Kommentierungen zu der die Gemeinden betreffenden Parallelvorschrift des § 47 der Hessischen Gemeindeordnung - HGO -. Danach ist das Vertretungsrecht des Ersten Beigeordneten allgemein, d.h. ständig und umfassend. Es bezieht sich - soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist - auf alle Aufgaben und Befugnisse des Bürgermeisters (Schneider/Dreßler/Lüll, Hessische Gemeindeordnung, Stand: 14. Lieferung, Februar 1999, Anmerkung I. zu § 47). Die Vertretungsmacht des allgemein zuständigen Beigeordneten ist in der Außenwirkung so umfassend wie die des Bürgermeisters. Die Vertretungsbefugnis des Ersten Beigeordneten bei tatsächlicher Verhinderung wie bei rechtlicher Verhinderung des Bürgermeisters ist unbeschränkt und nicht beschränkbar (vgl. Schlempp, Hessische Gemeindeordnung, Stand: 20. Nachlieferung, August 1996, Anmerkung III. zu § 47).

Von der allgemeinen Vertretung zu unterscheiden ist die besondere Vertretung auf Grund eines Auftrags oder einer Vollmacht für bestimmte Angelegenheiten (ähnlich Schneider/Dreßler/Lüll, a.a.O., Anmerkung II zu § 47 HGO). Selbstverständlich ist es zulässig, dass der Landrat im Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises im Wege einer besonderen Vertretungsregelung für bestimmte Angelegenheiten einen anderen Beigeordneten als den Ersten Beigeordneten mit der Vertretung beauftragt. Dies kann sich jedoch nur auf eng umgrenzte Gegenstände, keinesfalls aber auf ganze Dezernate beziehen, weil andernfalls die in § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO getroffene Vertretungsregelung zu Lasten des Ersten Beigeordneten unterlaufen werden könnte. Die Vertretung für ganze Dezernate fällt danach unter die allgemeine Vertretung im Sinne des § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO und kann daher dem Ersten Beigeordneten nicht wirksam entzogen werden.

Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht, soweit das Verwaltungsgericht auf Seite 9 des angegriffenen Beschlusses einen Rechtsmittelverzicht der Antragstellerin verneint hat. Insofern wird entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen mit der Maßgabe, dass es in der zehntletzten Zeile auf Seite 9 des Beschlusses anstatt "Schreiben der Antragstellerin vom 01.11.1999" heißen muss: "Vermerk von Anfang November 1999 auf dem Schreiben des Antragsgegners vom 3. November 1999".

4. Der Antragsgegner hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt, denn er hat unter 4. auf Seite 10 des Zulassungsantrags keine bestimmte Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, die bisher durch ein oberstes Bundesgericht bzw. - bei landesrechtlichen Fragen - durch das zuständige Oberverwaltungsgericht noch ungeklärt und für die Entscheidung des Senats erheblich ist (vgl. zu diesen Anforderungen Hess. VGH, Beschluss vom 17. Juli 1998 - 8 UZ 2071/98 - S. 6 des amtlichen Umdrucks; BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - DÖV 1998, 117 = NJW 1997, 3328; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., 2000, Rdnr. 10 zu § 124). Mit der auf Seite 10 des Zulassungsantrags formulierten Frage, obergerichtlich klarzustellen, was unter den Begriff der "allgemeinen Vertretung" des Bürgermeisters bzw. des Landrats zu subsumieren ist bzw. inwieweit die Geschäftsverteilungsbefugnis der direkt Gewählten über die gesetzlich zugewiesenen Aufgabengebiete hinausreicht, hat der Antragsgegner keine bestimmte Rechtsfrage aufgeworfen, sondern den Senat aufgefordert, ein - umfassendes - Rechtsgutachten anzufertigen. Derartiges ist jedoch nicht Aufgabe des Rechtsmittelgerichts.

Soweit der Antragsgegner auf Seite 2 des Zulassungsantrags auf § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO verweist, dürfte es sich um ein Versehen handeln, denn der dort genannte Zulassungsgrund betrifft besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, wozu der Antragsgegner im Zulassungsantrag keine Ausführungen gemacht hat. Jedenfalls fehlt es insoweit an jeglicher Darlegung.

Nach allem ist der Beschwerdezulassungsantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 und § 14 sowie § 25 Abs. 2 Satz 2 Gerichtskostengesetz - GKG -. Es ist kein Grund ersichtlich, von der Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG abweichend ein Vielfaches des Auffangstreitwerts zugrunde zu legen. Die Bedeutung der Sache für die Antragstellerin erschöpft sich in der Klärung einer Rechtsfrage, die auch nur ihre Vertretungszuständigkeit betrifft.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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