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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.01.2000
Aktenzeichen: 8 TZ 4278/99
Rechtsgebiete: KWG


Vorschriften:

KWG § 49 S. 4
KWG § 50
Ein Bürgermeisterkandidat, der bei seiner Wahlwerbung falsche Angaben über seinen Familienstand macht, verstößt dadurch gegen seine Wahrheitspflicht, denn hinsichtlich des Familienstandes müssen von Wahlbewerbern zutreffende Angaben erwartet werden. Ein solcher Verstoß kann als Unregelmäßigkeit beim Wahlverfahren zur Ungültigkeit der Wahl führen.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg, denn der Antragsteller hat keine Gründe dargelegt, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist (§ 146 Abs. 5 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

1. Der Antragsteller hat in seinem Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) dargelegt, die für das für ihn negative Ergebnis ursächlich sind. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers unter anderem mit der Begründung abgelehnt, es fehle ein Grund für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung, weil ihm zugemutet werden könne, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Demgegenüber trägt der Antragsteller vor, er habe einen Anspruch und ein objektiv berechtigtes Interesse, möglichst umgehend in das Amt des Bürgermeisters eingeführt zu werden. Ihm würden seine Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten zu Unrecht seit etwa Oktober 1999 vorenthalten, ohne dass dies durch gemeindliche Interessen gerechtfertigt sei. Falls seine Wahl für ungültig erklärt werden sollte, sehe die Hessische Gemeindeordnung eine Vertretungsregelung vor, so dass Nachteile für die Gemeinde nicht zu erwarten seien.

Damit hat der Antragsteller hinsichtlich des Anordnungsgrundes keine ernstlichen Zweifel dargelegt, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass er in einem Beschwerdeverfahren obsiegt. In nahezu jedem Gerichtsverfahren hat die Dauer des Verfahrens zumindest für einen der Prozessbeteiligten nachteilige Folgen, die sich zwangsläufig daraus ergeben, dass der Streit noch nicht rechtsverbindlich entschieden ist. Einstweilige Anordnungen sind deshalb gemäß § 123 Abs. 1 VwGO auf die Fälle beschränkt, in denen erhebliche, nicht wieder gut zu machende Nachteile, drohende Gewalt oder ähnliche schwerwiegende Umstände dies notwendig erscheinen lassen. Das Interesse des Antragstellers, das Amt des Bürgermeisters aus beruflichen und persönlichen Gründen alsbald antreten zu können, ist zwar verständlich. Inwiefern es für ihn unzumutbar sein sollte, seiner Tätigkeit als Ministerialbeamter weiter nachzugehen, bis die Gültigkeit seiner Wahl zum Bürgermeister gerichtlich geklärt ist, hat der Antragsteller dem Gericht jedoch nicht deutlich machen können. Dies gilt um so mehr, als er zu Unrecht davon ausgeht, die Bürgermeisterwahl sei "unstreitig" zu seinen Gunsten ausgegangen, weil er die Mehrheit der Stimmen erhalten habe und innerhalb der Einspruchsfrist des § 25 Abs. 1 des Hessischen Kommunalwahlgesetzes - KWG - keine Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl eingegangen seien. Er verkennt dabei, dass die Gemeindevertretung nicht nur über Einsprüche gegen die Wahl zu beschließen, sondern selbst von Amts wegen ihre Gültigkeit zu überprüfen (§§ 50 Satz 1 erster Satzteil, 49 Satz 4 KWG) hat. Das ergibt sich schon aus der eindeutigen Formulierung in § 50 KWG, wonach über die Gültigkeit der Wahl und über Einsprüche zu beschließen ist, und zwar gerade im Interesse des von dem Antragsteller angesprochenen Schutzes des objektiven Wahlrechts. Die Prüfung führte dazu, dass die Gemeindevertretung die Wahl des Antragstellers mit Beschluss vom 30. September 1999 wegen seiner unwahren Angaben für ungültig erklärte.

Diese Entscheidung erscheint rechtsfehlerfrei, so dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts im Ergebnis jedenfalls auch deshalb keinen ernstlichen Zweifeln unterliegt, weil ein Anspruch auf den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht ist. Der ledige und kinderlose Antragsteller hat sich bei seiner Wahlwerbung als verheiratet und Vater eines Kindes dargestellt. Dadurch hat er sich wahrheitswidrige Werbeaussagen und eine Täuschung hinsichtlich solcher Tatsachen zu schulden kommen lassen, deren wahrheitsgemäße Darstellung von jedem Wahlbewerber erwartet werden muss. Ein solcher Verstoß gegen die Wahrheitspflicht ist als eine Unregelmäßigkeit im Sinne von § 50 Nr. 2 KWG anzusehen, sofern er Wahlgrundsätze oder -vorschriften verletzen kann. Hier lag ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl vor, denn der Antragsteller konnte als angeblicher verheirateter Familienvater für manche Wähler akzeptabler erscheinen als sein Konkurrent. Deshalb hat er die Chancengleichheit und damit den Grundsatz der gleichen Wahl durch seine unzutreffenden Angaben rechtserheblich verletzt. Dieser Verstoß kann bei einem Stimmenverhältnis von 52,04 % zu Gunsten des Antragstellers und 47,96 % für den Unterlegenen auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein (§ 50 Nr. 2 KWG). Jedenfalls lässt sich nicht ausschließen, dass sich etwas mehr als 2 % der Wähler für den Gegenkandidaten entschieden hätten oder ein Teil der Wähler nicht gewählt hätte, wenn die Wahrheit bekannt gewesen wäre.

2. Soweit der Antragsteller seinen Zulassungsantrag darauf stützt, dass es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handele (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), hat er keine grundsätzliche klärungsbedürftige Frage bezeichnet bzw. nicht im Sinne von § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO dargelegt. Mit einer Grundsatzrüge hätte eine über den Einzelfall hinausgehende noch ungeklärte Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert werden müssen, die im einstweiligen Anordnungsverfahren entscheidungserheblich wäre. Schon daran fehlt es. Soweit der Antragsteller meint, von einer Beschwerdeentscheidung könne eine Klarstellung erwartet werden, dass mit der Einführung der Direktwahlen die in § 46 Abs. 1 HGO bestimmte Frist - jedenfalls für die direkt Gewählten - keine bloße "Ordnungsvorschrift" ist, an die sich die Vertretungskörperschaften nicht zwingend halten müssten, sondern durch die für die direkt gewählten Personen die Fälligkeit ihres Anspruchs auf Amtsübernahme geregelt werde, beträfe dies nicht den Anordnungsgrund, gegen dessen Verneinung durch das Verwaltungsgericht sich der Antragsteller wendet, sondern den Anordnungsanspruch.

3. Wenn der Kläger schließlich meint, es lägen besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten vor, weil das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung darauf mehrfach hingewiesen habe, hat er nicht dargelegt, worin diese Schwierigkeiten bestehen sollen.

4. Die Kosten des erfolglosen Zulassungsantragsverfahrens hat der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 2 VwGO zu tragen.

Für die Streitwertbemessung ist gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchstabe b Gerichtskostengesetz - GKG - in diesem Verfahren, in dem es dem Antragsteller um die Begründung eines Amtsverhältnisses als Bürgermeister geht, die Hälfte des 13fachen Betrages des Endgrundgehaltes (A 15) zuzüglich ruhegehaltsfähiger Zulagen zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert der Senat diesen Betrag, ändert aber auch die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung entsprechend ab (§§ 14 Abs. 3 und Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 3 sowie 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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