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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.06.2000
Aktenzeichen: 8 TZ 439/00
Rechtsgebiete: VwGO, GewO, AMG


Vorschriften:

VwGO § 124 A Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 5
GewO § 35 Abs. 8
AMG § 14 Abs. 1
AMG § 18 Abs. 1
AMG § 69 Abs. 1
1. Die Begründung eines form- und fristgerecht gestellten Zulassungsantrags kann gemäß § 124 a Abs. 1 Sätze 1, 2 und 3 bzw. § 146 Abs. 5 Sätze 1 und 3 VwGO auch mit einem gesonderten Schriftsatz innerhalb der Antragsfrist nicht nur dem VG, sondern auch unmittelbar dem OVG/VGH gegenüber erfolgen.

2. Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes über den Widerruf der arzneimittelrechtlichen Herstellungserlaubnis und das Verbot des Inverkehrbringens davon betroffener Arzneimittel stellen keine die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 7 a ausschließende Sonderregelung gemäß § 35 Abs. 8 GewO dar.


Gründe:

Nachdem die Antragstellerin zu 1. und der Antragsgegner das Verfahren insoweit im Verlauf des Zulassungsverfahrens in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist es hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und ist entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 173 VwGO der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 14. Januar 2000 für wirkungslos zu erklären. Obwohl der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 22. März 2000 die seiner Auffassung nach durch Aufhebung der Vollziehungsanordnung gegenüber der Antragstellerin zu 1. eingetretene Erledigung nur auf das Zulassungsverfahren und nicht auf das Verfahren insgesamt bezogen hat (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 09. Juni 1992 - 5 B 166/91 - und vom 22. April 1994 - 9 C 456/93 - juris), betreffen die übereinstimmenden Erledigungserklärungen das gesamte Verfahren. Die als Antragstellerin und Zulassungsantragstellerin dispositionsbefugte Antragstellerin zu 1. hat mit Schriftsatz v. 24. März 2000 eine uneingeschränkte Erledigungserklärung abgegeben und die entsprechenden Erklärungen des Antragsgegners sind unter Berücksichtigung seines nachfolgenden Schriftsatzes v. 07. April 2000 als Zustimmung dazu auszulegen, weil dort - ebenfalls uneingeschränkt - von einer "Erledigung der Hauptsache" die Rede ist.

Im übrigen sind die schon am 28. Januar 2000 und damit vor der am 01. Februar 2000 erfolgten Zustellung des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses gestellten, dann aber mit Fax vom 03. Februar 2000 bestätigten und am 15. Februar 2000 ebenfalls per Fax begründeten Zulassungsanträge der Antragsteller zu 2. und 3. zwar zulässig, aber nicht begründet.

Den Antragstellern zu 2. und 3. fehlt nicht das als allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erforderliche und von Amts wegen zu prüfende Rechtsschutzinteresse. Zwar sind sie nach den Angaben in ihrem Schriftsatz vom 31. März 2000 derzeit weder selbständig noch unselbständig in dem von der sofort vollziehbaren Gewerbeuntersagung betroffenen Bereich des Herstellens und Inverkehrbringens bzw. Handels von und mit Arzneimitteln beschäftigt, sondern vielmehr "im Ruhestand" bzw. andersartig "ärztlich tätig". Es ergeben sich aber, und zwar auch angesichts ihres Lebensalters, aus dem Akteninhalt und ihrem Vorbringen im Übrigen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie die untersagten Tätigkeitsbereiche auf Dauer oder jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss eines noch einzuleitenden Klageverfahrens gegen die Untersagungsverfügung aufgegeben hätten oder aufgeben wollten. Hinzu kommt ihr rechtlich geschütztes Interesse, eine möglicherweise ungerechtfertigte diskriminierende Eintragung der vollziehbaren Gewerbeuntersagung gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 1 b GewO in das Gewerbezentralregister vorläufig zu verhindern (vgl. Hess VGH, Beschluss v. 31. August 1998 - 9 TG 2444/98 - GewArch. 1999 S. 38; juris).

Die danach zulässigen Anträge der Antragsteller zu 2. und 3. sind aber in der Sache abzulehnen, weil sie in ihrer Antragsbegründung vom 15. Februar 2000 keine Gründe gemäß § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt haben, aus denen die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 14. Januar 2000 zuzulassen wäre. Die am 15. Februar 2000 gerade noch innerhalb der Zweiwochenfrist des §146 Abs. 5 Satz 1 VwGO eingegangene Antragsbegründung ist berücksichtigungsfähig , obwohl sie entgegen dem Wortlaut des § 146 Abs. 5 Satz 1 und 3 VwGO, wonach der Antrag beim Verwaltungsgericht zu stellen und in ihm die Zulassungsgründe darzulegen sind, nicht dem Verwaltungsgericht, sondern dem entscheidenden Beschwerdegericht gegenüber abgegeben worden ist. Da das Ausgangsgericht im Verfahren auf Zulassung von Beschwerde bzw. Berufung gemäß § 146 Abs. 5 bzw. § 124 a VwGO - anders als etwa im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO - keine Abhilfebefugnis hat, hat das Erfordernis der Antragstellung beim Verwaltungsgericht nur die Funktion, das Verfahren dadurch zu beschleunigen, dass mit dem Zulassungsantrag zugleich die Streit- und gegebenenfalls Behördenakten dem Beschwerde- bzw. Berufungsgericht vorgelegt werden. Das Begründungserfordernis gemäß § 146 Abs. 5 Satz 3 bzw. § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO dient demgegenüber dem Zweck, die zweitinstanzliche Bearbeitung des Zulassungsantrages durch eine geordnete und zeitlich auf die Antragsfrist begrenzte Darlegung der Zulassungsgründe zu straffen und zu erleichtern, so dass die Antragsbegründung trotz des offensichtlich darauf hindeutenden Wortlauts nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht zwingend in der Antragsschrift selbst enthalten sein muss, sondern auch noch in einem gesonderten Schriftsatz, allerdings - wie hier - nur innerhalb der Antragsfrist abgegeben werden kann (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse v. 24. November 1999 - 8 UZ 993/99 - juris und vom 10. Dezember 1992 - 13 UZ 2020/92 - NVwZ 1993 S. 803). Dieser gesetzlichen Ausgestaltung des Beschwerde- bzw. Berufungszulassungsverfahrens widerspricht es deshalb nicht, wenn eine fristgerecht nachgereichte Begründung eines Zulassungsantrages - anders als nach der ausdrücklichen Regelung des § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO für des Revisionszulassungsverfahren (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juli 1997 - 9 B 552.97 - NVwZ 1997 S. 1209) - nicht beim Verwaltungsgericht, sondern direkt beim entscheidenden OVG/VGH eingereicht wird. Allerdings ist nach Fristablauf geltend gemachtes Vorbringen - wie hier in den Schriftsätzen vom 9. und 31. März 2000 - nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der der Entlastung des Rechtsmittelgerichts und der Verfahrensbeschleunigung dienenden Frist - und Darlegungserfordernisse im Zulassungsverfahren grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen, soweit es nicht lediglich eine bereits form- und fristgerechte und inhaltlich hinreichende Darlegung von Zulassungsgründen erläutert bzw. ergänzt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 24. November 1999 a.a.O.).

Der von den Antragstellern zu 2. und 3. unter Nr. 1. in erster Linie geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt sich aus ihrer danach berücksichtigungsfähigen Antragsbegründung vom 15. Februar 2000 nicht, denn sie haben darin keine erheblichen (überwiegenden) Gründe angeführt, nach denen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht nur hinsichtlich einzelner Begründungen, sondern im Ergebnis fehlerhaft ist und deshalb der Erfolg der Beschwerde nach summarischer Prüfung wahrscheinlicher erscheint als der Misserfolg (vgl. Hess. VGH, Beschluss v. 24. November 1999 a.a.O.).

Soweit sie sich dazu unter lit. a) auf die nach Erlass des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses eingetretenen neuen Tatsachen stützen, nämlich die Veräußerung und Abtretung ihrer Geschäftsanteile an der Antragstellerin zu 1., die Aufgabe ihrer Geschäftsführerfunktion und die Änderung der Firma dieser Gesellschaft, machen sie lediglich einen Wegfall der Umstände geltend, aus denen das Verwaltungsgericht ihrem eigenen Vorbringen nach die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zu 1., deren Verfahren zwischenzeitlich erledigt ist, hergeleitet hat. Denn sie tragen dazu vor, nach diesem Wechsel in Inhaberschaft und Geschäftsführung könne die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefahr einer Einflussnahme der Antragsteller zu 2. und 3. auf den neuen Kontroll- und Herstellungsleiter bzw. die neue Stufenplanbeauftragte der Antragstellerin zu 1. nicht mehr angenommen werden. Gründe, die gegen die Richtigkeit der ihnen selbst gegenüber gemäß Abs. 7 a des § 35 GewO ergangenen Entscheidung, also gegen die Annahme ihrer eigenen Unzuverlässigkeit für eine künftige Gewerbeausübung sprechen, haben die Antragsteller zu 2. und 3. damit nicht angeführt.

Die von ihnen weiter unter lit. b) ausführlich begründeten Einwände gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Vorschriften des § 18 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 4 und des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 des Arzneimittelgesetztes (AMG) über den Widerruf der arzneimittelrechtlichen Herstellungserlaubnis und das Verbot des Inverkehrbringens davon betroffener Arzneimittel stellten keine Sonderregelung i.S. § 35 Abs. 8 GewO dar und schlössen deshalb die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 bis 7 a GewO nicht aus, beziehen sich demgegenüber zwar auf eine "vorliegend entscheidende Rechtsfrage", geben aber keinen Anlass zu ernstlichen Zweifeln an der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht.

Die an Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte orientierte Argumentation der Antragsteller lässt zunächst den Wortlaut des § 35 Abs. 8 GewO unberücksichtigt. Danach besteht in beiden Varianten ein die Anwendbarkeit der Abs. 1 bis 7 a des § 35 GewO ausschließender Vorrang nur für solche Sonderregelungen, die - wie § 35 Abs. 1 GewO - "auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen". Die Untersagung eines Gewerbebetriebes wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden soll nach wie vor rechtlich möglich sein, sie soll nur nicht doppelspurig aufgrund zweier insoweit übereinstimmender gesetzlicher Regelungen erfolgen. Wenn ein Gewerbebetrieb nicht aufgrund einer spezialgesetzlichen Vorschrift wegen Unzuverlässigkeit eines Gewerbebetreibenden uneingeschränkt untersagt werden kann, muss dies nach § 35 GewO möglich sein (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung, Stand: 01. Juli 1999, Rdnr. 195 ff. zu § 35). Das aber ist hier der Fall, weil die spezialgesetzlichen Versagungs- bzw. Widerrufsgründe in § 18 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 AMG zwar u.a. in Nr. 4 der letzteren Vorschrift an das Fehlen der zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Zuverlässigkeit von Herstellungs-, Kontroll- oder Vertriebsleiter, nicht aber an die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden selbst anknüpfen und auch nicht die uneingeschränkte Untersagung des Gewerbes ermöglichen. Das bedeutet, dass insoweit nach Obigem ein Bedürfnis für die Anwendbarkeit des § 35 GewO besteht, wie die Antragsteller im 4. Absatz auf Seite 4 ihrer Antragsbegründung selbst einräumen, das sich hier auch daraus ergibt, dass ein arzneimittelrechtliches Vorgehen nach Benennung neuer arzneimittelrechtlich Verantwortlicher nicht mehr möglich war. Etwas anderes folgt - entgegen der in einem anderen Zusammenhang gemachten Ausführungen der Antragsteller am Ende des 2. Absatzes auf Seite 5 ihrer Antragsbegründung - auch nicht aus dem zum 1. April 1999 neu eingeführten Versagungsgrund in Nr. 6 a des § 14 Abs. 1 AMG, weil für diesen nicht die persönliche Unzuverlässigkeit des Herstellers als Gewerbetreibenden, sondern nur maßgeblich ist, ob er bzw. sein Betrieb technisch und vom aktuellen Wissensstand der Herstellungs-, Kontroll- und Vertriebsleiter in der Lage ist, diejenigen Arzneimittel, für die er die Herstellungserlaubnis beantragt hat, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik ordnungsgemäß herzustellen und zu prüfen.

Die Nichtanwendbarkeit des § 35 GewO auf den vorliegenden Fall kann auch nicht damit begründet werden, dass der Sachverhalt der Unzuverlässigkeit der nach Arzneimittelrecht verantwortlichen Personen arzneimittelrechtlich erkennbar erschöpfend geregelt sei. Geregelt ist dort nämlich nicht der - deshalb nach § 35 GewO zu beurteilende - Fall, dass eine persönliche Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers und/oder Inhabers eines Arzneimittelherstellungsbetriebes etwa daraus hergeleitet wird, dass er selbst auf Grund seiner Ausbildung zugleich als arzneimittelrechtlich Verantwortlicher in seinem Betrieb tätig geworden ist und dabei erhebliche Pflichtverstöße begangen oder aber dass er die bei ihm beschäftigten leitenden Personen dazu veranlasst hat, so dass die Bedenken gegen eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung nicht allein durch die Benennung neuer Herstellungs-, Kontroll- und Vertriebsleiter ausgeräumt werden können. Ob bei einer solchen Fallgestaltung die Untersagung des Gewerbes der Arzneimittelherstellung trotz Austausches der arzneimittelrechtlich Verantwortlichen noch wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden gerechtfertigt ist, ist im Einzelfall im Rahmen des Gewerbeuntersagungsverfahrens gemäß § 35 GewO zu prüfen und kann nicht von vornherein und generell durch Nichtanwendbarkeit dieser Vorschrift ausgeschlossen sein.

Soweit sich die Antragsteller in diesem Zusammenhang im 2. Absatz auf Seite 5 ihrer Antragsbegründung gegen die vom Verwaltungsgericht auf der Basis des Sachverhalts im Zeitpunkt seiner Entscheidung angenommene Gefahr der unzulässigen Einflussnahme der geschäftsführenden Antragsteller zu 2. und 3. auf die neuen arzneimittelrechtlich verantwortlichen Personen der Antragstellerin zu 1. wenden und dies als "spekulative, böswillige und diskriminierende Unterstellung" bezeichnen, können sie damit nach Obigem nicht die Unanwendbarkeit des § 35 GewO begründen, sondern lediglich eine fehlerhafte Anwendung dieser Vorschrift geltend machen.

Auch unter Einbeziehung dieser Ausführungen, mit denen die Antragsteller sich zunächst gegen die Annahme ihrer Unzuverlässigkeit durch das Verwaltungsgericht wenden, vermag schließlich ihr nachfolgendes Vorbringen zur unzureichenden Begründung des besonderen Vollzugsinteresses durch das Verwaltungsgericht, in dem sie den obigen Gesichtspunkt erneut aufgreifen, im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen.

Das Verwaltungsgericht hat die nach summarischer Prüfung bejahte Rechtmäßigkeit der gegen die Antragsteller zu 2. und 3. gerichteten Gewerbeuntersagung und die Aufrechterhaltung ihrer sofortigen Vollziehbarkeit u.a. damit begründet, dass diese als Kontrollleiter bzw. Herstellungsleiterin und Stufenplanbeauftragte gegen Bestimmungen, die den Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik im Bereich der Herstellung von gefrorenen Frischplasma-Produkten wiedergeben, bewusst verstoßen hätten und dass diese Verstöße und auch ihre im vorliegenden Eilverfahren abgegebenen Einlassungen die Annahme der Gefahr rechtfertigten, sie könnten aus finanziellen Erwägungen und auf Grund eines angemaßten transfusionsmedizinischen Fachwissens auch bei ihnen beschäftigte arzneimittelrechtlich Verantwortliche zu entsprechenden Verstößen gegen firmeneigene Verfahrensanweisungen, Richtlinien kompetenter Stellen und sogar gesetzliche Bestimmungen veranlassen, weil sie sich offensichtlich berechtigt fühlten, sich über Richtlinien kompetenterer Stellen, die den Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik wiedergeben, hinwegzusetzen. Sie böten deshalb nicht die Gewähr, dass sie in Zukunft ein ihrer bisherigen Tätigkeit entsprechendes Gewerbe ordnungsgemäß ausüben würden. Der Schutz der Allgemeinheit vor Lebens- und Gesundheitsgefahren durch nicht ordnungsgemäß hergestellte Plasmaprodukte gehe den finanziellen Interessen der Antragsteller vor, wenn - wie hier - durch Arzneimittel derart gravierende Gesundheitsschäden hervorgerufen und durch Sorgfaltspflichtverletzungen im Bereich der Herstellung von Plasmaprodukten, die auf Veranlassung der Antragsteller zu 2. und 3. geschähen, eine ganze Reihe teils lebensbedrohlicher Krankheiten übertragen werden könnten. Ergänzend kann darauf verwiesen werden, dass nach der Vorgeschichte weiterhin damit gerechnet werden konnte bzw. kann, dass die Antragsteller zu 2. und 3. im Falle einer künftigen Gewerbeausübung im untersagten Bereich auch selbst wieder die Tätigkeitsbereiche der arzneimittelrechtlich Verantwortlichen übernehmen und dabei wieder entsprechend gravierende Pflichtverstöße begehen könnten.

Das dagegen gerichtete Vorbringen der Antragsteller zu 2. und 3. ist nicht überzeugend. Sie haben gegen die Annahme und Bewertung der ihnen vom Verwaltungsgericht konkret zur Last gelegten Pflichtverstöße und zu den aufgeführten Indizien für eine zukünftig befürchtete unzulässige Einflussnahme auf arzneimittelrechtlich Verantwortliche keine substantiierten Einwände erhoben, sondern lediglich behauptet, "solche Veranlassungen von Sorgfaltspflichtverletzungen" seien "nie erfolgt" bzw. "bislang durch nichts belegt" und "auch nicht belegbar". Dass mittlerweile "bei der Antragstellerin zu 1. ein neuartiges Testverfahren verwendet wird", mag zwar für deren Gewerbebetrieb bedeutsam sein, spielt aber für die Gefahr von bewussten Sorgfaltspflichtverletzungen bei einer künftigen Gewerbeausübung durch die Antragsteller zu 2. und 3. keine Rolle. Auch die Berufung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90 - und die Wiedergabe der dort einleitend aufgestellten Rechtsgrundsätze spricht eher für als gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat - wie dort gefordert - nach Auswertung auch der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und auf Grund einer eigenständigen Bewertung der festgestellten Pflichtverstöße die Unzuverlässigkeit der Antragsteller im Bereich der Herstellung von Plasmaprodukten und im Hinblick auf die bei ihrer weiteren Gewerbeausübung drohenden gravierenden und teils lebensbedrohlichen Gesundheitsschäden ausdrücklich festgestellt, welche konkreten Gefahren Dritten ohne sofortige Vollziehung der Gewerbeuntersagung drohen. Dem steht nicht der vom Verwaltungsgericht formularmäßig bei Antragseingang geforderte und gewährte behördliche Vollstreckungsverzicht entgegen, weil dieser nur den regelmäßig kurzen Zeitraum bis zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über den Eilantrag, nicht aber das sich oft bis zur abschließenden rechtskräftigen Entscheidung über Jahre erstreckende und sich hier erst im Widerspruchsverfahren befindliche Hauptsachverfahren betrifft.

Der von den Antragstellern weiterhin unter Nr. 2. geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist in ihrer Antragsbegründung ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.

Der Umstand, dass die Kammer über die Rechtssache entschieden und sie nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen hat, hat für das Bestehen dieses Zulassungsgrundes weder indizierende noch gar bindende Wirkung, weil beide Vorschriften auf andere Rechtsfolgen gerichtet sind und die Schwierigkeiten der Rechtssache nicht aus der Sicht des Verwaltungsgerichts, sondern aus der Sicht des OVG/VGH unter Berücksichtigung der in der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung bereits geleisteten Vorarbeit zu beurteilen sind (vgl. OVG NW, Beschluss vom 31. Juli 1998 - 10 A 1329/98 - NVwZ 1999 S. 202 <204> und Hess. VGH, Beschluss vom 24. November 1999 a.a.O.).

Dementsprechend hat ein Antragsteller zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes darzutun, hinsichtlich welcher auf Grund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretender Fragen sich besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten ergeben sollen und worin die aus seiner Sicht vorliegende besondere tatsächliche oder rechtliche Problematik im Einzelnen bestehen soll (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. Juli 1998 - 13 UZ 2557/98 - DVBl. 1999 S. 119 f. <LS>). Dem wird der bloße Hinweis der Antragsteller auf die tatsächliche Komplexität des Falles, die durch die Länge der verwaltungsgerichtlichen Sachverhaltsdarstellung verdeutlicht werde, nicht gerecht; zumal die gründliche erstinstanzliche Aufarbeitung im Gegenteil geeignet ist, tatsächliche Schwierigkeiten des Falles eher zu verringern. Auch besondere rechtliche Schwierigkeiten können nicht einfach damit begründet werden, dass Geltung und Reichweite entscheidungserheblicher Normen nicht eindeutig seien und das Gewerbeuntersagungsverfahren "wegen arzneimittelrechtlicher Implikationen" einen höheren Schwierigkeitsgrad habe. Warum die Beantwortung der hier anstehenden Rechtsfragen überdurchschnittlich schwierig sein soll, wird nicht dargelegt, zumal diese Rechtsfragen nicht konkret genug formuliert werden. Schließlich ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die angeführte "lange Zeit" bis zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht geeignet, weil es dafür eine Vielzahl von Gründen geben und eine Bearbeitungszeit von etwa dreieinhalb Monaten auch im Eilverfahren grundsätzlich nicht als lang bezeichnet werden kann, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen.

Nach alledem waren die Zulassungsanträge der Antragsteller zu 2. und 3. mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO abzulehnen. Der auf das in der Hauptsache erledigte Verfahren der Antragstellerin zu 1. entfallende Kostenanteil ist dieser nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes gemäß § 161 Abs. 2 VwGO aufzuerlegen, weil ihr Rechtsschutzbegehren bei summarischer Prüfung nach obigen Ausführungen bis zu dem am 28. Januar 2000 erfolgten Wechsel ihrer Inhaber und ihrer Geschäftsführung offensichtlich aussichtslos war und sie durch diesen Wechsel die Aufhebung der behördlichen Vollziehungsanordnung ihr gegenüber und damit die Erledigung ihres Verfahrens selbst herbeigeführt hat.

Bei der das gesamte Verfahren gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG erfassenden Streitwertfestsetzung gemäß § 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1, § 20 Abs. 3 sowie § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Senat im Falle der Antragsteller zu 2. und 3. abweichend von der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung von einer gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erweiterten Gewerbeuntersagung ausgegangen, für die nach der ständigen Praxis der Hessischen Verwaltungsgerichte in Übereinstimmung mit dem von einer Arbeitsgruppe von Verwaltungsrichtern erarbeiteten Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. DVBl. 1996 S. 605 ff.) die sich für den Kläger ergebende Bedeutung der Sache nach Ermessen mit einem um 10.000,00 DM erhöhten Betrag gegenüber einer "normalen" Gewerbeuntersagung zu bewerten ist. Die den Antragstellern zu 1. und 2. gegenüber ausgesprochene Untersagung ist zwar nicht nach der zweiten Alternative dieser Vorschrift über das ausgeübte Gewerbe hinaus auf einzelne andere oder - wie üblicherweise - auf alle Gewerbe, sondern nach der ersten Alternative über die selbständige Gewerbeausübung hinaus auch auf die (unselbständige) Tätigkeit eines Vertretungsberechtigten oder Betriebsleiters erstreckt worden, was auch von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein kann. Im Interesse der pauschalierten Streitwertbemessung ist insoweit nicht zwischen dem Grad oder der Art der Erweiterung einer Gewerbeuntersagung zu differenzieren. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Eilverfahrens waren die sich danach ergebenden Hauptsachestreitwerte von 80.000,00 DM (2 x 30.000,00 DM zuzüglich 20.000,00 DM für die Antragstellerin zu 1.) bis zur Teilerledigung und danach von 60.000,00 DM zu halbieren.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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