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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 8 UE 1263/07
Rechtsgebiete: GG, GewO, HGO


Vorschriften:

GG Art. 28 Abs. 2 S. 1
GewO § 70
HGO § 121
1. Hessische Gemeinden waren auch schon vor der Neufassung des § 121 HGO im Jahre 2005 berechtigt, zuvor in kommunaler Regie veranstaltete Weihnachtsmärkte zu "privatisieren".

2. Eine solche Privatisierung setzt voraus, dass die Gemeinde sämtliche Rechte und Pflichten des Marktveranstalters, insbesondere das Recht der Auswahl der Marktbeschicker (§ 70 GewO), auf ein Privatrechtssubjekt überträgt und in Bezug auf den Markt nur noch die öffentlich-rechtlichen Pflichtaufgaben in gewerbe-, straßen- und ordnungsrechtlichen Angelegenheiten wahrnimmt.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UE 1263/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalrechts (Privatisierung eines Weihnachtsmarkts)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Schröder. Richter am Hess. VGH Jeuthe. ehrenamtliche Richterin Mörchen, ehrenamtlichen Richter Hoffmann

ohne mündliche Verhandlung am 17. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 13. März 2007 - 3 E 1555/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die in zweiter Instanz entstandenen Kosten einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit einer Feststellungsklage gegen die im Jahre 1997 vollzogene "Privatisierung" des Offenbacher Weihnachtsmarkts. Er ist Inhaber des Imbissbetriebs "Gittes Grillhütte", den er im März 2004 von einem anderen Marktbeschicker erworben hat.

Zuvor hatte die Beklagte mit Vertrag vom 26. September 1997 die Ausrichtung des bis dahin jahrzehntelang von ihr selbst veranstalteten Weihnachtsmarkts der Beigeladenen zu 1. übertragen, die ihrerseits mit Vertrag vom selben Tage der Beigeladenen zu 2. die Organisation und Durchführung des Weihnachtsmarkts zu den im Vertrag zwischen ihr und der Beklagten genannten Bedingungen übertrug. In dem Vertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. ist der Umfang der Übertragung wie folgt geregelt (Nr. 2. des Vertrages):

"Die Stadt A-Stadt überträgt dem Betreiber in eigener Verantwortung die Auswahl der Marktbeschicker, die Marktordnung und -werbung und die Marktdurchführung. Der Betreiber handelt für eigene Rechnung, er ist berechtigt, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Standgebühren von den Beschickern zu erheben. Ein Eintrittsgeld darf nicht erhoben werden. Die Stadt A-Stadt überwacht die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen durch den Betreiber, die Beschicker und die Besucher des Marktes."

Nachdem der Kläger für den Offenbacher Weihnachtsmarkt im Jahre 2004 durch die Beigelade zu 2. nicht zugelassen worden war, erwirkte er gegen sie ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 15. November 2004 - 20 O 446/04 -, mit dem ihr geboten wurde, den Kläger zum Weihnachtsmarkt 2004 auf einem Stellplatz mit bestimmten Eigenschaften zuzulassen.

Da die Beigeladene zu 2. im Jahre 2005 dem Kläger wiederum die Teilnahme am Weihnachtsmarkt versagt hatte, begehrte er im September 2005 beim Verwaltungsgericht Darmstadt vorläufigen Rechtsschutz, der ihm dort mit Beschluss vom 21. Oktober 2005 - 3 G 1585/05 - versagt wurde. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof bestätigte diese Entscheidung mit Senatsbeschluss vom 11. November 2005 - 8 TG 2798/05 -, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Im September 2005 hat der Kläger die vorliegende Klage beim Verwaltungsgericht Darmstadt erhoben. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, verbindliche Entscheidungen über Zulassungsanträge von Bewerbern hinsichtlich der Vergabe von Standplätzen bei Stadt- und Volksfesten durch die Beigeladene zu 2. treffen zu lassen. Vielmehr müsse sie diese Entscheidungen selbst treffen. Er meint, die Übertragung der Zulassungsentscheidung auf die Beigeladene zu 2. sei bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil es sich bei den Geschäftsführern der Beigeladenen zu 2. um befangene Konkurrenten des Klägers handele. Der Zulässigkeit einer Klage stehe der Senatsbeschluss vom 11. November 2005 nicht entgegen. Zum einen handele sich dabei lediglich um eine Entscheidung im Eilverfahren. Zum anderen sei die Frage nach wie vor nicht abschließend entschieden, ob es rechtlich zulässig ist, dass über die Zulassung zu vormals öffentlichen Einrichtungen, die für bestimmte Zwecke gewidmet seien, nunmehr Privatrechtssubjekte befinden könnten. Die geschäftsführenden Gesellschafter der Beigeladenen zu 2. seien persönlich involviert, da sie selbst Beschicker beziehungsweise Dienstleister des Offenbacher Weihnachtsmarkts seien.

Mit Urteil vom 13. März 2007 - 3 E 1555/05 - hat das Verwaltungsgericht Darmstadt die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung dieser Entscheidung und zur Darstellung des weiteren Vorbringens der Beteiligten in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

Seine mit Senatsbeschluss vom 21. Juni 2007 - 8 UZ 754/07 - zugelassene Berufung hat der Kläger nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 27. August 2007 mit einem am 24. August 2007 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22. August 2007 begründet. Er ist der Ansicht, der Offenbacher Weihnachtsmarkt sei auch nach Übertragung seiner Ausrichtung auf die Beigeladenen noch als öffentliche Einrichtung anzusehen, weil er jahrzehntelang als traditionelles bzw. traditionsbildendes Volksfest durch die Beklagte selbst ausgerichtet worden sei und bis zum heutigen Tag auf gemeindlichen Grundstücken stattfinde, die die Beklagte dafür nicht nur zur Verfügung stelle, sondern auch herrichte. Mit der Bereitstellung der notwendigen Versorgung- und Erschließungseinrichtungen erbringe die Beklagte einen wesentlichen Beitrag zu dieser Veranstaltung, die nach außen offenkundig ihrer Kontrolle, Ihrem Einfluss und ihre Verantwortlichkeit unterliege. Mit der Durchführung des Weihnachtsmarkts erfülle die Beklagte freie Selbstverwaltungsaufgaben und damit Daseinsvorsorge klassischer Prägung. Sie erscheine damit nicht als bloße Grundstücksvermieterin, die an der Veranstaltung sonst in keiner Weise beteiligt sei. Es sei der Beklagten zwar unbenommen, die Durchführung ihrer öffentlichen Einrichtung einer privaten natürlichen oder juristischen Person zu übertragen und dieser auch das Auswahlverfahren bezüglich der Bewerber zu überlassen. Nach den Grundsätzen der so genannten Zweistufentheorie müsse sie sich aber die wesentlichen Grundentscheidungen vorbehalten, insbesondere die Letztentscheidung über den gesetzlichen Zulassungsanspruch der potentiellen Marktbeschicker. Jedenfalls habe diese Entscheidung nicht der Beigeladenen zu 2. überlassen werden dürfen, weil deren Gesellschafter sich aus unterschiedlichen Gründen in einem Interessenkonflikt befänden, der sie als Bedienstete der Gemeinde gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 HVwVfG von der Mitwirkung ausschließen würde. Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Klägers wird auf die Berufungsschrift vom 22. August 2007 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, rechtsverbindliche Entscheidungen über Zulassungsanträge von Bewerbern hinsichtlich der Vergabe von Standplätzen bei Stadt- und Volksfesten der Stadt A-Stadt am Main durch die Beigeladene zu 2. treffen zu lassen, sondern dass die Beklagte die Entscheidung selbst zu treffen hat.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.

Die Beigeladenen beantragen sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen. Sie treten der Rechtserfassung des Klägers entgegen und bestreiten, dass die Beklagte selbst Versorgungs- und Erschließungseinrichtungen für den Weihnachtsmarkt bereitstelle. Auch stehe die Ausrichtung des Weihnachtsmarkts nicht unter ihrer Kontrolle. Vielmehr trete sie lediglich als Vermieterin der Fläche auf und erlasse einen Sondernutzungsbescheid. Weiteren Einfluss auf die Gestaltung des Marktes habe sie nicht. Wegen des weiteren Vorbringens der Beigeladenen wird auf den Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27. September 2007 Bezug genommen.

Alle Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Dem Senat liegen die Gerichtsakten 3 G 1585/05 des Verwaltungsgerichts Gießen (8 TG 2798/05 des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs; zwei Bände) sowie die beigezogenen Behördenakten (zwei Ordner) vor. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO), ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht begründet worden (§ 124a Abs. 3 S. 3 bis 5, Abs. 6 VwGO).

Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird (§ 122 Abs. 2 S. 3 VwGO), abgewiesen. Die Feststellungsklage ist unbegründet, weil sich die Beklagte des ihr vom Kläger unterstellten Entscheidungsrechts über Zulassungsanträge zum Weihnachtsmarkt durch die im Jahr 1997 mit der Beigeladenen zu 1. getroffene vertragliche Regelung zulässigerweise begeben und dem Weihnachtsmarkt den bis dahin bestehenden Charakter einer öffentlichen Einrichtung genommen hat. Mithin kann die Beklagte nicht an Stelle der seitdem als Marktveranstalterin auftretenden Beigeladenen zu 2. die dieser gemäß § 70 GewO zustehende Entscheidung über die Zulassung von Marktbeschickern zum oder ihren Ausschluss vom Weihnachtsmarkt treffen.

Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte damals rechtlich nicht daran gehindert, den bis dahin von ihr selbst veranstalteten Weihnachtsmarkt zu "privatisieren". Wie der Senat schon in seinem im Eilverfahren gleichen Rubrums gefassten Beschluss vom 11. November 2005 angedeutet hat, gehört die Ausrichtung eines traditionellen Volksfestes zu den freien Selbstverwaltungsaufgaben einer Gemeinde. Diese Veranstaltungen können zwar, müssen aber nicht als öffentliche Einrichtungen betrieben werden (VG Freiburg, Urteil vom 18. Dezember 2000 - 10 K 1666/00 -, GewArch 2001, 244 = juris; VG Stuttgart, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 4 K 2292/06 -, DÖV 2006, 835 = NVwZ 2007, 615 = juris Rdnr. 10; VG Minden, Urteil vom 26. April 2007 - 3 K 660/06 -, juris Rdnr. 24 ff.; jeweils m.w.N.). Ebenso wie es im Ermessen der Kommunen steht, solche freien Selbstverwaltungsaufgaben zu übernehmen, ist es ihr ihnen auch jederzeit möglich, sich dieser Aufgaben wieder zu entledigen. War eine Gemeinde allerdings bisher Veranstalterin eines Marktes - hier eines Weihnachtsmarktes -, kann sie sich ihrer aus § 70 GewO bzw. aus § 20 HGO folgenden Aufgabe, über die Zulassung von Marktbeschickern zu entscheiden, für die Zukunft nur durch eine so genannte materielle Privatisierung entledigen, also dadurch, dass sie ihre Rolle als Veranstalterin des Marktes gänzlich aufgibt (vgl. zum Begriff materielle Privatisierung in Abgrenzung zur formellen und zur funktionellen Privatisierung: Gröpl, Privatisierung von Messen, Märkten und Volksfesten, GewArch 1995, 367 [370 f.] m.w.N.; VG Stuttgart, a.a.O.). Im Unterschied zur funktionellen Privatisierung, die entweder in Form des so genannten Submissionsmodells oder in Form des Konzessionsmodells - der materiellen Privatisierung angenähert - erfolgen kann, besteht die materielle Privatisierung eines Marktes darin, dass die Kommune jegliche kommunalrechtliche Beziehung zu der Veranstaltung aufgibt und sich öffentlich-rechtlich auf die Wahrnehmung ihrer Pflichtaufgaben, die gewerberechtliche, straßenrechtliche und ordnungsrechtliche Vorbereitung und Überwachung der Veranstaltung, beschränkt. Dadurch entfällt der Anknüpfungspunkt für eine Anwendung der Zweistufentheorie (vgl. zu deren Anwendbarkeit auch BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 7 B 30.90 -, DÖV 1990, 977 = NVwZ 1991, 59 = juris Rdnrn. 3 ff.), die voraussetzt, dass ein öffentlich-rechtliches Rechtssubjekt (noch) bestimmenden Einfluss auf Entscheidungen des Veranstalters im Einzelfall hat und diesen im Durchgriff zwingen kann, bestimmte Personen zu einer öffentlichen Einrichtung zuzulassen.

Eine solche materielle Privatisierung des bis dahin von ihr veranstalteten Offenbacher Weihnachtsmarkts hat die Beklagte im Jahre 1997 durch Abschluss des Vertrags über die Vergabe dieses Marktes gegenüber der Beigeladenen zu 1. zugesagt und in den Folgejahren jeweils durch entsprechende Marktfestsetzungen und Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen an die Beigeladene zu 2. vollzogen. Sie hat damals durch die in Nr. 2 des Vertrages getroffene Regelung u. a. die Auswahl der Marktbeschicker übertragen und sich auch aller übrigen Aufgaben eines Marktveranstalters entledigt. Zwar hat sie in der folgenden Vertragsbestimmungen Mindeststandards für die künftige Verhaltensweise des Veranstalters festgelegt, sich jedoch nicht Entscheidungen im Einzelfall vorbehalten, sondern in Nr. 11 des Vertrages lediglich ein Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags bei erheblichen Pflichtverletzungen des Vertragspartners. Damit fehlt es ihr an der für eine Anwendung der Zweistufentheorie notwendigen Möglichkeit des Durchgriffs auf Einzelfallentscheidungen des Marktveranstalters, die für einen Erfolg der Klage erforderlich wäre.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte durch den Abschluss des Vertrages im Jahr 1997 dieser Möglichkeiten begeben hat. Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, ein traditionelles Volksfest auf einem gemeindeeigenen Grundstück mit zahlreichen gemeindlichen Auflagen an den Generalpächter/Sondernutzungserlaubnisnehmer sei grundsätzlich als eine öffentliche Einrichtung einer Gemeinde anzusehen, deren Wahrnehmung sie sich nicht mehr durch Privatisierung entziehen könne (Schalt, Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfestveranstaltungen, GewArch 2002, 137 [140] unter Hinweis auf Gröpl, a.a.O., und Hösch, Rechtsschutz gegen die Nichtzulassung zu festgesetzten Märkten, GewArch 1996, 402). Dies überzeugt jedoch nicht angesichts der Tatsache, dass Betätigungen der Gemeinden im Rahmen der Daseinsvorsorge in den Schutzbereich des Artikels 28 Abs. 2 S. 1 GG fallen, der den Gemeinden das Recht gewährleistet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln (Hahn, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab August 2005, GewArch 2007,1 [5] unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 11. November 2004 - 3 C 36.03 -, BVerwGE 122, 157 [162 f.] = juris Rdnr. 24). Das der Gemeinde bei ihrer Entscheidung darüber, ob eine Aufgabe der Daseinsvorsorge durch sie selbst oder eine andere Person wahrgenommen werden soll, zustehende Ermessen wird nicht dadurch für alle Zukunft gebunden, dass sich die Gemeinde einmal dafür entschieden hat, die Aufgabe selbst durch eine öffentliche Einrichtung wahrzunehmen. Besteht bei freien Selbstverwaltungsaufgaben - wie der Durchführung eines Weihnachtsmarkts - kein öffentliches Interesse an der eigenen Aufgabenwahrnehmung (mehr), weil ein privater Unternehmer die Aufgabe ebenso gut oder besser wahrnehmen kann , ist es nicht ermessensfehlerhaft, sondern unter Umständen sogar geboten, sich zu einer Privatisierung der Aufgabenwahrnehmung zu entschließen (Hahn, a.a.O.). Zwar galt der vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene, durch Gesetz vom 31. Januar 2005 mit Wirkung ab 10. Februar 2005 novellierte § 121 Abs. 1 HGO n.F. damals - im Jahre 1997 - noch nicht (vgl. zur Rechtslage vor dessen Inkrafttreten Hess. VGH, Beschluss vom 12. August 2004 - 8 TG 3522/03 -, GewArch 2004, 482 = DÖV 2005, 200 = juris Rdnr. 26). Auch wenn damals ein Grundsatz der Subsidiarität gemeindewirtschaftlicher Betätigung zu Gunsten privater Unternehmer noch nicht normiert war, waren hessische Gemeinden aber auch damals schon nicht gehindert, die Wahrnehmung freier Selbstverwaltungsaufgaben zu "privatisieren", wenn sie der Auffassung waren, dass der bisher durch eine öffentliche Einrichtung wahrgenommene Zweck ebenso gut und wirtschaftlich durch private Dritte erfüllt werden könne. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte damals Gebrauch gemacht. Im Übrigen wäre sie, sofern sie an ihrer damaligen Einschätzung der Sinnhaftigkeit einer Privatisierung festhalten sollte, woran kein Zweifel besteht, jedenfalls nach der jetzt geltenden Regelung des § 121 Abs. 1, Abs. 7 HGO n.F. für die Zukunft zu einer entsprechenden Überprüfung verpflichtet und berechtigt, nunmehr die bereits erfolgte Privatisierung durchzuführen. Ob Gemeinden unter der Geltung des § 121 Abs 1, Abs. 7 HGO n.F. in der Lage sind, überhaupt noch neue Volksfeste oder Märkte selbst zu veranstalten, ist hier nicht entscheidungserheblich und kann deshalb dahinstehen.

Der Kläger ist durch die Privatisierung des Offenbacher Weihnachtsmarkts nicht rechtswidrig in seiner Rechtsposition betroffen. Abgesehen davon, dass er seinen Imbissbetrieb erst 2004 erworben hat und erstmals zum Weihnachtsmarkt 2004 als Marktbeschicker aufgetreten ist, nachdem aufgrund des damaligen Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und anderer Gesetze vom 6. Juli 2004 (LT-Drucksache 16/2463) damit zu rechnen war, dass die vorher fehlende Subsidiaritätsregelung durch Änderung des § 121 HGO eingeführt werden würde, hat er durch die Privatisierung auch keine schwer wiegenden Nachteile erlitten. Zwar zeigen die von ihm gegen die Beigeladene zu 2. erwirkten rechtskräftigen Urteile des Landgerichts Darmstadt vom 15. November 2004 - 20 O 446/04 - (Bd. II Bl. 524 ff. BA) und vom 14. Juni 2006 - 20 O 312/05 - (letzteres bestätigt durch Urteil des OLG F-Stadt, Bd. II Bl. 238 ff. GA), dass der Kläger bei der Vergabe von Standplätzen durch die Beigeladene zu 2. nicht immer korrekt behandelt worden ist, was durchaus an einem Interessenkonflikt der für diese Beigeladene handelnden Personen liegen könnte. Die zitierten Urteile überzeugen den Senat jedoch auch davon, dass der Kläger dagegen im Zivilrechtsweg angemessenen Rechtsschutz erlangt hat und bei einer Wiederholung entsprechender Vorfälle erlangen kann. Dass die Rechtsbeziehungen zwischen ihm und der Beigeladenen zu 2. rein zivilrechtlicher Natur und deswegen die §§ 20 f. HVwVfG nicht anwendbar sind, liegt in der Natur der Sache. Wenn der Kläger deswegen auch keinen institutionalisierten Schutz vor einer Entscheidung durch voreingenommene Personen hat, kann er doch gegen sachlich ungerechtfertigte Entscheidungen der Beigeladenen zu 2. auch künftig angemessenen gerichtlichen Rechtsschutz im Zivilrechtsweg finden. Einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die erfolgte Privatisierung des Weihnachtsmarkts wegen möglicher Befangenheit der Entscheidungsträger der Beigeladenen zu 2. rückgängig macht, hat der Kläger jedenfalls nicht. Denn die Entscheidungen der Gemeinden darüber, ob sie Maßnahmen der Daseinsvorsorge selbst wahrnehmen oder durch private Dritte wahrnehmen lassen, werden ausschließlich im öffentlichen Interesse getroffen und nicht im Individualinteresse davon betroffener Privatpersonen.

Die in zweiter Instanz entstandenen Kosten hat der Kläger zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht billigem Ermessen, ihm auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Antrag gestellt und sich damit selbst einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung im vorläufigen Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es ist - soweit ersichtlich - bisher weder durch das Bundesverwaltungsgerichts noch durch Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte geklärt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Privatisierung bisheriger öffentlicher Einrichtungen von Gemeinden zulässig ist.

Ende der Entscheidung

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