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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: 8 UE 1913/06.A
Rechtsgebiete: AufenthG, Richtlinie 2004/83/EG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60a Abs. 1 S. 1
Richtlinie 2004/83/EG Art. 15 lit. c
1. Junge, allein stehende arbeitsfähige Männer aus Afghanistan können, auch wenn sie dort keinen familiären oder sozialen Rückhalt haben, nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage in ihr Heimatland abgeschoben werden, sofern nicht in ihrer Person begründete besondere individuelle Risiken bestehen, die sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan einem deutlich erhöhten Existenzrisiko aussetzen würden.

2. In Afghanistan herrscht derzeit kein Kriegszustand mit Folgewirkungen für die gesamte Bevölkerung, die zur Gewährung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. Anlass geben könnten.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UE 1913/06.A

Verkündet am 07. Februar 2008

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts/Afghanistan

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtliche Richterin Frau Albert, ehrenamtlichen Richter Herr Dillenberger

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 8. März 2006 - 2 E 2157/05. A - abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit sie nach teilweiser Klagerücknahme und Einstellung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht Gießen noch anhängig ist.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger auch insoweit zu tragen, als sie ihm nicht bereits durch das angegriffene Urteil auferlegt worden sind.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der im März 1988 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit und lebte in seinem Heimatland zuletzt in seinem Geburtsort M.-i S. Nach eigenen Angaben verließ er, nachdem seine verwitwete Mutter mit seinen drei Schwestern und seinem jüngeren Bruder schon geraume Zeit vorher ausgereist sei, Ende Mai 2005 mit Hilfe eines Schleppers über Pakistan sein Heimatland und reiste auf dem Luftweg nach Deutschland, ohne sich hier durch afghanische Ausweispapiere legitimieren zu können.

Am 2. Juni 2005 stellte der Kläger zur Niederschrift der Zentralen Ausländerbehörde in Gießen einen Asylantrag, den er bei einer persönlichen Anhörung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge am 13. Juni 2005 in Gießen wie folgt begründete: Als er elf oder zwölf Jahre alt gewesen sei, sei sein Vater, der einen Stoffladen betrieben habe, getötet worden. Ein Geschäftspartner seines Vaters habe der Familie Geldzahlungen verweigert, und sein ältester Bruder habe zu ihm gesagt, er wisse, wer ihren Vater umgebracht habe. Eines Tages seien sie nach Ladenschluss von bewaffneten Leuten, die mit einem Kastenwagen vorgefahren seien, überwältigt und auch gefoltert worden. Er sei bei der Aktion ohnmächtig geworden und habe danach seinen Bruder, der seitdem verschollen sei, nicht mehr wiedergesehen. Bei seiner Rückkehr nach Hause sei auch seine Mutter nicht mehr da gewesen. Niemand habe gewusst, wo sie hingegangen sei, auch nicht sein Großvater und sein Onkel, die er nach ihr gefragt habe. Er habe dann in einem Kaffeehaus gearbeitet. Eines Tages habe ihm ein Freund die Telefonnummer seiner Mutter gegeben und gesagt, seine Mutter habe ihn - den Freund - angerufen. Dadurch habe er erfahren, dass seine Mutter in Deutschland sei. Ein noch von seinem Vater erworbenes Haus, das inzwischen sein Großvater übernommen gehabt habe, sei vor seiner Ausreise verkauft worden. Er habe dann von seinem Anteil am Verkaufspreis in Höhe von 8.500 $ seine Ausreise aus Afghanistan finanziert. Er habe sich in Afghanistan nicht mehr sicher gefühlt, weil die Feinde seines Vaters seinen Bruder "irgendwie vielleicht nicht umgebracht", aber weggebracht hätten und ihm genau das gleiche Schicksal hätte widerfahren können.

Mit Bescheid vom 7. September 2005 - - lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt seien noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorlägen. Zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG vertrat das Bundesamt in der Begründung des Bescheids die Auffassung, eine extreme Gefahrenlage, die bei verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG zur Feststellung eines Verbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen könne, liege in Afghanistan, insbesondere im Raum K., derzeit nicht vor. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 7. September 2005 Bezug genommen.

Am 16. September 2005 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Gießen Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat ihn in der mündlichen Verhandlung am 8. März 2006 informatorisch gehört, wobei er im Wesentlichen seine Angaben bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestätigt hat. Seine Angaben zur Entführung und Folterung nach der Ermordung seines Vaters hat er dahin präzisiert, dass das dieselben Leute gewesen seien, die auch seinen Vater umgebracht hätten. Den Grund für ihr Vorgehen kenne er nicht. Sein Vater habe einen Geschäftspartner gehabt, der ihnen nach dessen Tod einen kleinen Anteil des Geschäftsvermögens gegeben habe. Damit hätten sein älterer Bruder und er ein kleines Geschäft eröffnet, vor dem sich die geschilderte Entführung abgespielt habe. Zur Situation seiner Mutter hat der Kläger bei der informatorischen Anhörung durch das Verwaltungsgericht ergänzend erklärt, als verwitwete Frau habe sie einen schlechten Ruf genossen, weil sie ohne Einverständnis ihrer Schwiegereltern das Land verlassen habe, so dass sich sein Großvater väterlicherseits, bei dem er gelebt habe, abfällig über sie und den Kläger selbst geäußert habe. Der damals schon verwitwete Großvater habe sich ihm gegenüber wie ein Tier verhalten und ihm zum Beispiel verboten, in sein Haus zu kommen. Bei seinen Onkeln und Tanten sei das genauso gewesen.

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung seine Klage auf die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG beschränkt und sie im übrigen zurückgenommen hatte, hat das Verwaltungsgericht Gießen mit Urteil vom 8. März 2006 - 2 E 2157/05. A - die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen, und im übrigen das Verfahren nach Klagerücknahme eingestellt. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts, wegen des Vorbringens und der Anträge der Beteiligten in erster Instanz sowie wegen der Begründung dieser Entscheidung wird auf das Urteil vom 8. März 2006 Bezug genommen.

Mit Beschluss seines damaligen Berichterstatters vom 16. August 2006 hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zugelassen. Mit einem am 11. September 2006 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte unter Bezugnahme auf den vom Kläger angegriffenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie auf ihren Zulassungsantrag unter Hinweis auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2006 - OVG 12 B 9.05 u.a. - die Auffassung vertreten, dass weder die Sicherheitslage in K. noch die Versorgungslage dort für gesunde Männer im Alter des Klägers eine Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG rechtfertigten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter entsprechender Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 8. März 2006 - 2 E 2157/05. A - in vollem Umfang abzuweisen, soweit sie nicht zurückgenommen wurde.

Der Kläger tritt der Berufung entgegen und behauptet, über keinerlei familiären Kontakte und keinen Rückhalt in Afghanistan zu verfügen, was nach der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg jedoch Voraussetzung für eine Wiedereingliederung von Rückkehrern aus dem Ausland in die afghanische Gesellschaft sei. Nach dem Ende der Taliban-Herrschaft und der völligen Zerstörung der Stadt K. seien soziale Strukturen, die dem Kläger eine Rückkehr nach Afghanistan ermöglichen würden, nicht mehr vorhanden. Im Süden des Landes fänden die schwersten Auseinandersetzungen seit 2001 statt, die Taliban stünden schon in den Provinzen kurz vor K.. Im Übrigen sei bei der Entscheidung über die Berufung die so genannte Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83 EG) zu berücksichtigen, nach der für eine analoge Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG niedrigere Maßstäbe zu setzen seien als nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze seines Bevollmächtigten vom 28. September 2006 und vom 29. Januar 2008 verwiesen.

Der Senat hat schriftliche Sachverständigengutachten des Journalisten Dr. M. A. vom 4. Dezember 2006 (Bd. II Bl. 162 ff. GA) und von B. vom 17. Januar 2007 (Bd. II Bl.199 ff. GA), eine schriftliche Stellungnahme des Herrn G. D. (Bd. II Bl. 230 ff.), der sich mit Schreiben vom 26. April 2007 (Bd. II Bl. 246 ff. GA) nochmals unaufgefordert zum Gutachten von Herrn Dr. A. vom 4. Dezember 2006 geäußert hat, und eine Auskunft des Auswärtigen Amts vom 29. Mai 2005 (Bd. II Bl. 261 ff. GA) eingeholt. Diese Dokumente sind ebenso wie die weiteren dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen - vgl. dazu die den Beteiligten übersandte Liste von Erkenntnisquellen (Bd. II Bl. 287 ff. GA) - und die dem Senat vorliegenden, den Kläger betreffenden Akten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (ein Hefter, Bl. 1 bis 67) zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands, insbesondere wegen des Ergebnisses einer durchgeführten informatorischen Befragung des Klägers, wird auf die Verhandlungsniederschrift Bezug genommen

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie nach Erlass des Zulassungsbeschlusses form- und fristgerecht begründet worden (§ 124 Abs. 3 VwGO).

Die Berufung ist auch begründet, denn das Verwaltungsgericht hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) zu Unrecht verpflichtet, gem. § 31 Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl. I S. 1361), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970), festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970), vorliegen; der Überprüfung dieser Entscheidung im Berufungsverfahren ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats zugrunde zu legen (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG).

Die maßgebende Rechtslage hat sich während des Berufungsverfahrens insofern geändert, als durch das zitierte Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 § 60 Abs. 7 AufenthG um einen neuen Satz 2 ergänzt und wie folgt neu gefasst worden ist:

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Gefahren nach Satz 1 oder Satz 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 zu berücksichtigen.

Diese Neufassung sollte im Wesentlichen der Umsetzung des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. L 304 vom 30. September 2004, S. 12) - künftig: Qualifikationsrichtlinie (QRL) - dienen.

Eine den ledigen und inzwischen volljährigen Kläger vor einer Abschiebung nach Afghanistan schützende Abschiebestoppregelung im Sinne der §§ 60 Abs. 7 S. 3 , 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG n.F. existiert in Hessen spätestens seit der Bekanntgabe der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 18./19. November 2004 und vom 23./24. Juni 2005 (vgl. Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 27. Juli 2005, StAnz. S. 3258) nicht mehr. Nach den von der Innenministerkonferenz damals beschlossenen Grundsätzen zur Rückführung und weiteren Behandlung der afghanischen Flüchtlinge hat der Kläger vorrangig mit zwangsweiser Abschiebung nach Afghanistan zu rechnen, da Ziff. 2. dieser Grundsätze folgendes regelt:

"Ebenfalls mit Vorrang zurückzuführen sind volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufhalten."

Durch diese Änderung der Anordnung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG ist keine durch verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu schließende Schutzlücke entstanden. Bei der Prüfung dieser Frage sind entgegen der Auffassung des Klägers auch nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie in vollem Umfang die strengen Anforderungen zu stellen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem im oben zitierten Gesetzentwurf angesprochenen Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 - (BVerwGE 114, 349 = juris Rdnr. 9 m.w.N.) aufgestellt hat:

"Nach § 53 Abs. 6 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Satz 1); Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt (Satz 2). Die oberste Landesbehörde kann nach dieser Bestimmung aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von sonstigen Ausländergruppen allgemein oder in einzelne Zielländer für längstens sechs Monate ausgesetzt wird (§ 54 Satz 1 AuslG); für längere Aussetzungen bedarf es des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern (§ 54 Satz 2 AuslG). Beruft sich der einzelne Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur im Rahmen eines generellen Abschiebestopps nach § 54 AuslG (Anspruch auf Duldung gemäß § 55 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 AuslG) erhalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (stRspr.; vgl. insbesondere Urteil vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324, 328; Urteil vom 19. November 1996 - BVerwG 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249, 258; Urteil vom 27. April 1998 - BVerwG 9 C 13.97 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 12 = NVwZ 1998, 973; Urteil vom 8. Dezember 1998 - BVerwG 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77, 80 f.; jeweils m.w.N.). Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG - als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards (vgl. auch das Urteil vom 24. Mai 2000 - BVerwG 9 C 34.99 - BVerwGE 111, 223, 228 f. zu Art. 9 EMRK unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Auslieferung) -, jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 2, § 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren."

Dem in dieser Entscheidung zitierten § 53 Abs. 6 AuslG entspricht jetzt § 60 Abs. 7 AufenthG, der vom Bundesverwaltungsgericht erwähnte § 54 AuslG ist inzwischen durch § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG ersetzt worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie in seinem Beschluss vom 14. November 2007 - 10 B 47.07 - (juris Rdnr. 3) klargestellt, dass es an seiner oben zitierten Rechtsprechung festhalten will, auf die sich auch die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf für das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 23. April 2007 ausdrücklich bezogen hat (BT-Drs. 16/5065, vgl. die Begründung für die später Gesetz gewordene Neufassung des § 60 Abs. 7 AufenthG (S. 187):

"Der neu gefasste Absatz 7 umfasst - wie bisher - Gefahren, die nicht bereits in den Regelungsbereich der vorangegangenen Absätze fallen, z. B. Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit allgemeinen Notlagen im Zielstaat (Satz 1) ...

Der neue Satz 3 übernimmt die Regelung des bisherigen Satzes 2 für allgemeine Gefahren (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2001, 1 C 2/01, BVerwGE 114, 379 ff.). Gefahren, von denen die Bevölkerung eines Landes oder Teile der Bevölkerung allgemein betroffen sind, können typischerweise auch Auslöser von Massenfluchten sein, z. B. im Zusammenhang mit Bürgerkriegen. Subsidiärer Schutz, der auf der Basis einer Einzelfallprüfung gewährt wird, ist nicht das geeignete Instrument zur Bewältigung eines Massenzustroms. Vielmehr sind hier nur gruppenspezifische Regelungen sinnvoll. Nach Satz 3 soll daher in diesen Fällen vorrangig Schutz in Form von Abschiebungsstoppregelungen durch die obersten Landesbehörden gewährt werden. Eine entsprechende Regelung ist bereits in § 60 Abs. 7 S. 2 des bestehenden Rechts enthalten ... ."

Der inzwischen volljährige Kläger wäre im Falle einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan zwar einer nicht unerheblichen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt, wie sie der überwiegende Teil der afghanischen Bevölkerung derzeit allgemein erleidet. Die Verwirklichung dieser Gefahren droht ihm jedoch nicht mit jenem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad, den das Bundesverwaltungsgericht für eine verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 3 (früher: S. 2) AufenthG voraussetzt (Beschluss vom 14. November 2007, a.a.O.):

"Danach setzt die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des Satzes 2 voraus, dass dem Ausländer im Falle seiner Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit extreme Gefahren drohen. Die hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts der allgemeinen Gefahr für den jeweiligen Ausländer markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint... Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten 'gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde'."

Den vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen lässt sich hierzu folgendes entnehmen:

Die Wirtschaftslage Afghanistans, eines der ärmsten Länder der Welt, ist nach Darstellung des Auswärtigen Amts (Lageberichte vom 19. November 2005, 13. Juli 2006 und 17. März 2007) "desolat". Die humanitäre Situation biete im Hinblick auf etwa vier Millionen - vornehmlich aus Pakistan - zurückgekehrte Flüchtlinge große Herausforderungen. Die Wohnraumversorgung sei unzureichend, Wohnraum sei knapp und die Preise in K. seien hoch. Die Versorgungslage in K. und anderen großen Städten habe sich zwar grundsätzlich verbessert, in anderen Gebieten sei sie aber weiter "nicht zufrieden stellend". Humanitäre Hilfe, die weiterhin von erheblicher Bedeutung sei, werde im Norden durch Zugangsprobleme, im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Die medizinische Versorgung sei völlig unzureichend, selbst in K.. Rückkehrer könnten "auf Schwierigkeiten stoßen", wenn sie außerhalb eines Familienverbandes oder nach längerer Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehrten, insbesondere wenn ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie örtliche Kenntnisse fehlten. Freiwillig zu ihren Angehörigen zurückkehrende Afghanen strapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung weiter. Bemühungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und anderer Einrichtungen um die Errichtung von Unterkünften hätten nur geringe Wirkung gehabt. Bis Ende 2003 seien knapp 70.000 Unterkünfte gebaut worden, 2004 wegen fehlender Finanzen nur noch 27.000. Die Fortsetzung dieser Hilfsmaßnahmen sei von neuen Unterstützungszusagen der Geberländer abhängig. Staatliche soziale Sicherungssysteme seien in Afghanistan nicht vorhanden. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gebe es nicht. Familien und Stämme übernähmen die soziale Absicherung.

Die Versorgungslage speziell in K. hat der Journalist und Autor Dr. A. in seinem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten vom 4. Dezember 2006 wie folgt dargestellt (Seite 22 ff.): Die Lebensbedingungen der Kabuler hätten sich seit dem Jahre 2001 drastisch verschlechtert. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen, nach denen in Afghanistan "kein Hahn kräht". Menschen, die Mangelernährung und Krankheiten erlägen, würden ohne viel Umstände verscharrt. Die durch das jahrelange Elend abgestumpfte Bevölkerung nehme solche Todesfälle oft fatalistisch hin. Die afghanische Hauptstadt sei in den letzten Jahren durch den Zustrom von Rückkehrern aus den Nachbarländern sowie Binnenflüchtlingen stark angewachsen. Nachdem K. im Gefolge der jahrelangen Bürgerkriege stark entvölkert worden sei - von ca. drei Millionen auf eine Million Einwohner zum Ende der Taliban-Herrschaft -, sei die Stadt in den darauf folgenden Jahren auf nach offiziellen Angaben geschätzte 4,5 Millionen Einwohner angewachsen. Grundsätzlich erhalte jede in K. eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von den UN eine einmalige Hilfe von 12 $ pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten sich selbst eine Unterkunft suchen. Weitere Hilfe durch die UN oder Nicht-Regierungs-Organisationen gebe es in K. momentan nicht. Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Ein einfaches Zimmer koste bis zu 20 US-Dollar im Monat. Dafür erhalte man eine Unterkunft in weitab vom Zentrum gelegenen Außenbezirken, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Ein durchschnittlicher Tageslohn betrage in K. ca. zwei US-Dollar, wobei es für allein stehende Rückkehrer schwierig sei, Gelegenheitsarbeiten zu finden. Rund 60 bis 70% der Kabuler Bevölkerung bezögen ihr Wasser aus selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, manche müssten eine bis eineinhalb Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heranzuschaffen, und selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.

Diese Darstellung der Versorgungslage hat B. in einem vom Senat eingeholten Gutachten vom 17. Januar 2007 (Bd. II Bl. 207 ff. GA, S. 4 ff.) im Wesentlichen bestätigt und die Situation als "hochproblematisch" bezeichnet. Der enorme Bevölkerungszuwachs habe in K. einen akuten Mangel an Wohnraum verursacht, so dass sich große Slumviertel gebildet hätten. Viele Menschen lebten in Ruinen. Nach Schätzungen der Caritas verfüge etwa eine Million Menschen in K. weder über ausreichenden und winterfesten Wohnraum noch über regelmäßiges Trinkwasser. Die hygienischen Verhältnisse in den Armenvierteln seien katastrophal. Das Rückkehrerprogramm "Return, Reception and Reintegration of Afghan Nationals to Afghanistan (RANA)" sei nach Auskunft der mit der Durchführung beauftragten Internationalen Organisation für Migration (IOM) bis 30. April 2007 begrenzt gewesen, wobei unklar sei, ob von diesem Programm auch abgeschobene Afghanen hätten profitieren können. Das Auswärtige Amt hat auf Anfrage des Senats im vorliegenden Verfahren mit Auskunft vom 29. Mai 2007 (Bd. II Bl. 261 f. GA) bestätigt, dass das RANA-Programm der Europäischen Union Ende April 2007 ausgelaufen sei.

Die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Nahrungsmitteln in Afghanistan, insbesondere in K., müssen nach Einschätzung von B. (Stellungnahme vom 17. Januar 2007) für die nicht wohlhabende Bevölkerung als unzureichend bezeichnet werden. Viele Menschen litten unter Mangel- und Unterernährung. Als Folge dieser desolaten Verhältnisse seien Infektionskrankheiten, Tuberkulose etc. weit verbreitet. Eine Behandlung sei in der Regel nicht möglich, weil die Gesundheitsversorgung in Afghanistan unzulänglich sei. Während auf dem Land oft überhaupt keine Versorgung gegeben sei, sei es in K., wo einige Krankenhäuser vorhanden seien, meist nur über Beziehungen oder gegen Bestechung möglich, auch tatsächlich behandelt zu werden. Diese Situation erkläre die geringe Lebenserwartung und eine der weltweit höchsten Kindersterblichkeitsraten. Ein erhebliches Problem sei die große Arbeitslosigkeit, vor allem in K.. Rückkehrer konkurrierten hier mit der übrigen Bevölkerung um die wenigen Arbeitsplätze. Oft bleibe nur eine gelegentliche Tätigkeit als Tagelöhner, doch auch hier sei der Markt hart umkämpft. Angesichts der enorm großen Zahl von Rückkehrern und der prekären Sicherheitslage im Land könne die Versorgung der bedürftigen Bevölkerung nicht durch Angebote von internationalen Hilfsorganisationen aufgefangen werden. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele Organisationen ihre Aktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken immer stärker einschränken müssten und die Bereitschaft zu einem weiteren Engagement daher stetig abnehme. Diese Einschätzung werde vom UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) geteilt.

Herr Georg David, der während einer Beurlaubung als Beamter des Bundesamts im Rahmen des RANA-Programms für IOM in K. für etwa ein Jahr bis 22. Mai 2006 tätig war und wegen dieser Tätigkeit von dem OVG Berlin-Brandenburg am 24. März 2006 als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist, hat auf Anfrage des Senats mit Schreiben vom 9. Februar 2007 zunächst erklärt, zur aktuellen Situation in Afghanistan nach seiner Rückkehr nach Deutschland keine Angaben machen zu können. In einer unaufgefordert eingesandten Stellungnahme vom 26. April 2007 hat er sich dann in Auseinandersetzung mit dem in dieser Sache eingeholten Sachverständigengutachten von Herrn Dr. A. ergänzend im Wesentlichen zur Arbeitsweise und den Arbeitsergebnissen der Mitarbeiter des RANA-Programms geäußert. Da dieses Programm inzwischen ausgelaufen ist und weitergehende Erkenntnisse aus den Darlegungen von Herrn D. deshalb nicht zu gewinnen sind, ist ein näheres Eingehen auf seine Darstellung nicht erforderlich und auch seine Vernehmung als sachverständiger Zeuge nicht angezeigt, zumal der vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einwand, die Schilderungen von Herrn D. seien wegen seiner Stellung als Beamte des Bundesamts wie Parteivorbringen zu werten, nicht von der Hand zu weisen ist. Der Senat misst deshalb seiner Darstellung keinerlei Beweiswert zu, zumal die von ihm gewonnenen Erfahrungen auch nicht mehr die erforderliche Aktualität haben.

Die Einschätzung der Versorgungslage und der Arbeitsmarktsituation in den vom Senat eingeholten Gutachten von Dr. A. und B. werden im Wesentlichen bestätigt durch die in die mündliche Verhandlung eingeführten Dokumente. Peter R. hat in seinem Gutachten für das OVG Rheinland-Pfalz zwar hoch qualifizierten Rückkehrern aus dem Ausland gute Chancen bei der Arbeitsplatzsuche in Afghanistan eingeräumt, jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass an- und ungelernte männliche Arbeitskräfte dort eine den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit finden, als gering bezeichnet. Weiter hat er darauf hingewiesen, dass in K. und mehr noch in den ländlichen Regionen Afghanistans die Rekrutierung von Arbeitskräften sehr stark von persönlichen Beziehungen geprägt werde und diese Beziehungsgeflechte sowohl in der Privatwirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung zu finden und stark ausgeprägt seien. Die internationale Organisation für Migration hat in ihrer Stellungnahme vom 23 November 2007 die Beschreibung der Wohnungssituation, wie sie in den vom Senat eingeholten Gutachten dargestellt worden ist, bestätigt und mit entsprechenden Zahlenangaben untermauert. Da der Kläger weder über eine Berufsausbildung noch über ein familiäres Netzwerk in Afghanistan verfügt, gehört er zu der Personengruppe, deren Integrationschancen in Afghanistan eher gering sind. Daran ändern seine hier erworbenen Sprachkenntnisse nach Einschätzung des Senats nichts, da sie - wie der Kläger selbst gesagt hat - nicht ausreichen dürften, um in Afghanistan als Dolmetscher oder Übersetzer tätig zu werden.

Zur Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in K., hat der Sachverständige Dr. A. in seinem Gutachten vom 4. Dezember 2006 (Seite 13 f.) ausgeführt, diese sei katastrophal. Im ganzen Land herrschten praktisch die Drogenmafia und die großen Kriegsfürsten. Weder die Regierung noch die ausländischen Truppen seien in der Lage, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Die Gefahr, durch Kriminalität, bei politisch motivierten Attentaten, als ziviles Opfer militärischer Auseinandersetzungen oder durch unterlassene Hilfeleistung und Machtmissbrauch seitens der Staatsorgane zu Schaden zu kommen, bestehe für jeden Afghanen, besonders jedoch für mittellose Rückkehrer. Staatliche Organe, beispielsweise Justiz oder Polizei, seien weder in der Lage noch bereit, jemanden zu schützen, der solchen Missständen zum Opfer falle. Polizei und Justiz seien vollständig korrupt und von den verschiedenen Mudjahedin-Parteien unterwandert. Selbst Präsident K. wage sich ohne US-amerikanische Leibwächter nicht auf die Straße. Auf seine eigenen Polizeikräfte oder einheimische Leibwächter könne er sich nicht verlassen. Während seines Aufenthalts in Afghanistan im Dezember 2005 habe er, Dr. A., festgestellt, dass in einem von mindestens 700.000 Menschen, zumeist Schiiten, bewohnten Stadtviertel weder Polizeikräfte noch ausländische Truppen oder Hilfsorganisationen präsent gewesen seien. Gerade hier oder in anderen Wohngebieten, die für die ausländischen Truppen "no-go"-Gebiete seien, müsse sich ein abgeschobener Asylbewerber zwangsläufig niederlassen. Es gebe dort keine neutrale Instanz, die ihn vor Gefahren schützen könne. Nacht für Nacht kämen in K. Menschen ums Leben, ohne dass diese Fälle je aufgeklärt würden.

Die in Afghanistan stationierte internationale Schutztruppe (International Security Assistance Force, ISAF) und die dort tätigen Hilfsorganisationen sind nach Darstellung von Dr. A. nicht in der Lage, ein gewisses Maß an Sicherheit und Schutz für die Bevölkerung zu gewährleisten. Bei seinem letzten Besuch in Afghanistan im Dezember 2005 habe er feststellen müssen, dass die ausländischen Schutztruppen und die Hilfsorganisationen sich hinter Betonabsperrungen verschanzt hätten, die oft die Gehwege und Teile der Straße einnähmen. Das Personal der europäischen Botschaften gehe aus Angst praktisch nie vor die Tür. Wenn man sich doch in der Stadt bewege, lasse man sich zum eigenen Schutz von Sicherheitskräften begleiten, jedoch nie von afghanischen, die allgemein als weniger zuverlässig betrachtet würden. Die ISAF-Präsenz sei relativ gering, selbst in der K. Innenstadt. Er selbst habe während seines Aufenthalts im Dezember 2005 dort nur einmal zwei gepanzerte Bundeswehr-Fahrzeuge auf Patrouille gesehen; darin hätten Soldaten gesessen, die sich mit entsicherten Waffen geschützt hätten. Ein weiteres Mal habe er ein US-amerikanisches Fahrzeug gesehen. Diese Auftritte, die sich nicht auf die Randgebiete K. erstreckten, hätten lediglich die Aufgabe, die Anwesenheit der ausländischen Truppen zu demonstrieren, aber sonst keinerlei praktische Auswirkungen.

Auch diese Darstellung von Dr. A. wird im Wesentlichen durch das Gutachten von B. vom 17. Januar 2007 (S. 1 ff.) bestätigt. Dort wird die Sicherheitslage in Afghanistan, die sich in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert habe, als prekär bezeichnet. 2006 sei das blutigste Jahr seit dem Sturz der Taliban gewesen und die zunehmende Gewalt beschränke sich nicht nur auf den Süden und Osten Afghanistans, die Berichte von Unruhen im Norden und Westen mehrten sich. Die kämpferischen Auseinandersetzungen spielten sich nicht nur in abgelegenen Regionen ab, sondern zum Beispiel im Distrikt G., ganze zwei Stunden von K. entfernt. Diese Gegend entwickle sich zur Zeit immer mehr zu einer "No-Go-Area", und internationale Hilfsorganisationen hätten sich selbst aus der Provinzhauptstadt G. zurückgezogen. Amnesty international hat in seinem Gutachten (vgl. dort S. 2 f.) 26 Bombenanschläge und Selbstmordattentate mit Personenschaden aufgelistet, die sich in der Zeit von Mai bis Dezember 2006 in den Städten K., M-i S., H. und K. ereignet hätten. Bewaffnete Raubüberfälle und Diebstähle seien an der Tagesordnung und würden nicht selten von Angehörigen der Sicherheitskräfte und der Polizei begangen. Rückkehrer aus westlichen Ländern seien besonders gefährdet, Opfer von Diebstählen, Raubüberfällen und Entführungen zu werden, da man bei ihnen Geld vermute.

Zusammenfassend lässt sich aus den verwerteten Erkenntnisquellen die auch aus den übrigen, hier nicht ausdrücklich zitierten Quellen gespeiste Erwartung ableiten, dass der Kläger als junger, allein stehender Afghane ohne nennenswertes Vermögen, ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne schwer wiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen im Falle einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland dort zwar keine Eingliederungshilfe durch den afghanischen Staat, ausländische Hilfsorganisationen oder die eigene Familie zu erwarten hätte, aber aufgrund seines Lebensalters und des Fehlens familiärer Bindungen mit daraus resultierenden Unterhaltslasten wahrscheinlich in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in K. oder auch in seiner Heimatstadt M-i S wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Zwar sprechen manche von den Gutachtern mitgeteilte Details auch für die gegenteilige Schlussfolgerung, jedoch lässt sich daraus allein nicht die für eine analoge Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit ableiten, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan dort verhungern würde oder ähnlich existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre. Angesichts der zahlreichen Rückkehrer nach Afghanistan und der ständig anwachsenden Bevölkerungszahlen insbesondere in K. ist der Senat davon überzeugt, dass dort trotz zahlreicher Todesfälle durch Mangelernährung und anderweitige Unterversorgung gerade für junge, arbeitsfähige Männer Überlebenschancen bestehen, auch wenn sie nicht durch eine bedarfsgerechte Ausbildung und familiäre oder sonstige Beziehungen begünstigt werden. Unter diesen Umständen kann es nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden, dass die obersten Landesbehörden dieser Personengruppe seit 2005 den früher kollektiv eingeräumten Abschiebungsschutz entzogen haben.

Wegen der angespannten Sicherheitslage ist zwar nicht auszuschließen, dass der Kläger, der nicht selbst besondere Gefährdungsmerkmale wie etwa eine in Afghanistan nicht verbreitete Religionszugehörigkeit aufweist, zufällig Opfer auch schwerster Gewalttaten wird, wie sie in beiden eingeholten Gutachten glaubhaft geschildert worden sind. Da diese Ereignisse zwar zahlreich, aber gemessen an der gesamten Einwohnerzahl Afghanistans bzw. der beiden als Rückkehroption in Betracht kommenden Städte doch nicht so häufig sind, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen wäre, dass der Kläger selbst Opfer von Selbstmordanschlägen, Bombenexplosionen oder vergleichbaren Ereignissen werden bzw. durch Raubüberfälle oder durch andere schwere Straftaten nachhaltig in seiner körperlichen Integrität verletzt werden oder seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage gänzlich verlustig gehen wird, kann nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden, dass der Kläger durch eine Abschiebung nach Afghanistan "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, a.a.O.).

Damit fehlt es für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG an einer für die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG n. F. erforderlichen extremen Gefährdungslage in Afghanistan, die einen Rückgriff auf die individuelle Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 S. 1 zur Schließung einer verfassungswidrigen Regelungslücke ermöglichen würde. Damit schließt sich der Senat erneut der von Oberwaltungsgerichten - soweit ersichtlich - bisher einheitlich vertretenen Ansicht an (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Mai 2006 - 12 B 9.05 -, juris Rdnr. 45; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. März 2007 - 20 A 5164/04. A. -, juris Rdnr. 25; Sächs. OVG, Urteil vom 23. August 2006 - A 1 B 58/06 -, AuAS 2007, 5, juris Rdnr. 23). Soweit in jüngster Zeit verschiedene Verwaltungsgerichte - wie das Verwaltungsgericht Gießen im vorliegenden Fall - die schwierige Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan haben ausreichen lassen, um allein stehenden männlichen Afghanen ohne familiären Hintergrund im Heimatland Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zuzusprechen (vgl. insbesondere VG München, Urteil vom 6. Dezember 2007 - M 23 K 07.50998 -, juris, VG Kassel, Urteil vom 24. Mai 2007 - 3 E 582/06.A -, juris, VG Koblenz, Urteil vom 11. April 2007 - 1 K 49 /07. KO -, juris), beruhen diese Entscheidungen auf einer Unterschreitung der Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht an die verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ermöglichende Extremgefahren gestellt hat.

Der Kläger genießt auch keinen subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG n.F., weil er bei einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan dort nicht als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre. Denn der derzeit anhaltende bewaffnete Konflikt in Afghanistan zwischen regulären afghanischen Einheiten und internationalen ISAF-Truppen einerseits und Taliban-Verbänden und anderen Aufständischen andererseits erreicht graduell und nach der Dichte der Militäraktionen nicht das Ausmaß, das § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG n.F. beziehungsweise der durch diese Vorschrift umgesetzte Art. 15 lit. c QRL voraussetzen. Art. 15 lit. c QRL statuiert - neben der in lit. a erwähnten drohenden Todesstrafe sowie der in lit. b angesprochenen Folter und bestimmten Formen drohender Bestrafung - eine weitere, alternative Voraussetzung für den Anspruch auf subsidiären Schutz und hat in der vom Kläger als ungenau angesehenen deutschen Fassung folgenden Wortlaut:

"Als ernsthafter Schaden gilt: ... eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts."

Mit den Auswirkungen des Art. 15 lit. c QRL auf die Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG hat sich das Bundesverwaltungsgericht bisher - soweit ersichtlich - noch nicht inhaltlich auseinandergesetzt. Der erkennende Senat hat sich damit bisher nur vor deren Umsetzung in das Aufenthaltsgesetz befasst und zu der hier interessierenden Frage mit Beschluss vom 26. Juni 2007 - 8 UZ 452/06.A - (AuAS 2007, 202 = NVwZ- RR 2008, 58 = juris Rdnr. 47 f.) folgendes ausgeführt:

"... ist nach dem am 10. Oktober 2006 erfolgten Ablauf der Umsetzungsfrist mit Art. 15 c) i.V.m. Art. 18 QRL ein neuer Unterfall zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinzugetreten, der bis zu seiner vollständigen Umsetzung in das deutsche Recht unmittelbar anzuwenden ist (vgl. u.a a. Hess. VGH, Urteil vom 9. November 2006 - 3 UE 3238/03.A - juris Rdnr. 20; Bayer. VGH, Urteil vom 26. Februar 2007 - 13 a B 06.31169 - juris Rdnr. 20), so dass im Anwendungsbereich dieses besonderen internationalen subsidiären Schutzes eine Differenzierung zwischen allgemeinen Gefahren und solchen nicht allgemeiner Art, der Maßstab einer extremen Gefahrenlage und das Erfordernis einer verfassungswidrigen Schutzlücke nicht heranzuziehen sein dürften (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21. Mai 2007 - 4 K 2563/07 - juris Rdnr. 18; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, Rdnr. 213 zu § 7, S. 708; Begründungszusammenhänge der Urteile des Hess. VGH vom 9. November 2006 und des Bayer. VGH vom 26. Februar 2007 jeweils a.a.O.; unklar OVG NW, Beschluss vom 21. März 2007 - 20 A 5164/04.A - juris Rdnr.30; eher a.A. OVG Schl.-H., Beschluss vom 22. Dezember 2006 - 1 LA 125/06 - juris Rdnr. 7).

Der Anwendungsbereich des subsidiären Schutzes unmittelbar aus Art. 15 c) QRL ist aber auf solche ernsthaften Schäden begrenzt, die in einem unmittelbaren Zusammenhang zu bewaffneten Konflikten und kriegsgleichen Zuständen ab einer bestimmten Größenordnung hinsichtlich Intensität und Dauer, wie etwa landesweiten Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen stehen, während die mit solchen Konflikten allgemein für die Bevölkerung mittelbar verbundenen nachteiligen Konsequenzen, wie etwa eine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage, jedenfalls hinsichtlich ihrer nachträglichen Auswirkungen nicht darunter fallen; eine in den Anwendungsbereich des Art. 15 c) QRL fallende gegenwärtige landesweite Bürgerkriegssituation ist danach sowohl für den Kongo (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 9. November 2006 a.a.O.) wie auch für den Irak abgelehnt worden (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom 26. Februar 2007 a.a.O.). Danach kann auch für Afghanistan nicht von einer derzeitigen landesweiten Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß Art. 15 c) QRL ausgegangen werden, da begrenzte Bandenkriege nicht darunter fallen und bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Taliban und anderen extremistischen Gruppierungen allenfalls im Süden und Süd-Osten des Landes, nicht aber in anderen Provinzen und vor allem nicht in der Hauptstadt Kabul stattfinden...."

Dem hat sich das Sächsische OVG mit seinem Beschluss vom 25. September 2007 - A 1 B 161/07 -(juris Rdnr. 11) angeschlossen.

An dieser Rechtsauffassung hält der Senat unter Berücksichtigung der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan auch nach der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie mit der Einschränkung fest, dass nunmehr wegen in § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG n.F. auch der subsidiäre Schutz in erster Linie durch Anordnungen der obersten Landesbehörden nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG n.F. zu gewährleisten und nur im Falle einer von diesen Behörden "sehenden Auges" ignorierten Extremgefahr durch Einzelentscheidungen des Bundesamts oder der Verwaltungsgerichte zu ersetzen ist. In dieser dem Wortlaut des § 60 Abs. 7 S. 2 und 3 AufenthG n.F. entsprechenden Auslegung sieht sich der Senat durch die Gesetzgebungsmotive bestätigt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 23. April 2007 (BT-Drs. 16/5065) enthält folgende Begründung für die später Gesetz gewordene Neufassung des § 60 Abs. 7 S. 2 und 3 AufenthG (S. 187):

"Der neu gefasste Absatz 7 umfasst ... außerdem die Tatbestandsmerkmale des Artikels 15 Buchstabe c der Qualifikationsrichtlinie, der die subsidiäre Schutzgewährung in Fällen willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten regelt (Satz 2). Subsidiärer Schutz wird in diesen Fällen nur Angehörigen der Zivilbevölkerung gewährt, nicht aber Personen mit Kombattantenstatus. Die Schutzgewährung setzt kriegerische Auseinandersetzungen zwischen zwei oder mehr Staaten oder innerhalb eines Staates voraus. Der völkerrechtliche Begriff 'bewaffneten Konflikts' wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen ab einer bestimmten Größenordnung in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen. Für innerstaatliche bewaffnete Konflikte ist ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit erforderlich. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Örtlich und zeitlich begrenzte Bandenkriege fallen regelmäßig nicht darunter. Allgemein mit dem bewaffneten Konflikt im Zusammenhang stehende Gefahren genügen allein nicht. Es muss für den Betroffenen eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben gegeben sein. Eine Verletzung der genannten Rechtsgüter muss gleichsam unausweichlich sein.

Der neue Satz 3 übernimmt die Regelung des bisherigen Satzes 2 für allgemeine Gefahren (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2001, 1 C 2/01, BVerwGE 114, 379 ff.). Gefahren, von denen die Bevölkerung eines Landes oder Teile der Bevölkerung allgemein betroffen sind, können typischerweise auch Auslöser von Massenfluchten sein, z. B. im Zusammenhang mit Bürgerkriegen. Subsidiärer Schutz, der auf der Basis einer Einzelfallprüfung gewährt wird, ist nicht das geeignete Instrument zur Bewältigung eines Massenzustroms. Vielmehr sind hier nur gruppenspezifische Regelungen sinnvoll. Nach Satz 3 soll daher in diesen Fällen vorrangig Schutz in Form von Abschiebungsstoppregelungen durch die obersten Landesbehörden gewährt werden. Eine entsprechende Regelung ist bereits in § 60 Abs. 7 S. 2 des bestehenden Rechts enthalten. Auch die Qualifikationsrichtlinie sieht für allgemeine Gefahren im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten Ausnahmeregelungen vor (vgl. Erwägungsgrund 26 der Richtlinie: 'Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, stellen für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre'."

Auf die Klärung der von dem Bevollmächtigten des Klägers in seinem letzten Schriftsatz vom 29. Januar 2008 problematisierten Frage, ob mit dem Tatbestandsmerkmal "infolge willkürlicher Gewalt" in der deutschen Übersetzung des Art. 15 lit. c QRL der Originaltext der Richtlinie richtig interpretiert und letztlich vom Gesetzgeber richtig umgesetzt worden ist, kommt es deshalb nicht entscheidend an. Die Frage kann daher offenbleiben.

Die vom Senat getroffene Entscheidung bedeutet nicht, dass eine Abschiebung des Klägers nach Afghanistan völlig bedenkenfrei möglich wäre. Aufgrund der vom Gesetzgeber durch § 60 Abs. 7 S. 3 i.V.m. § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG n.F. in Einklang mit supranationalem Recht getroffenen Entscheidung, die Risikoabwägung und die Verantwortung dafür bei bestimmten Gefährdungslagen und beim subsidiären Schutz von Flüchtlingen von der administrativen auf die politische Ebene zu verlagern, sind die Verwaltungsgerichte zu äußerster Zurückhaltung bei der Feststellung individueller Abschiebungsverbote bzw. -hindernisse nach § 60 Abs. 7 S. 1 und 2 AufenthG verpflichtet.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, weil er letztlich unterliegt (§ 154 Abs. 1 VwGO). Nicht Gegenstand der Kostenentscheidung sind die Kosten, die bereits das Verwaltungsgericht dem Kläger durch das insoweit rechtskräftige Urteil aufgrund seiner teilweisen Klagerücknahme auferlegt hat. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis des Klägers ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO). Insbesondere wirft die Rechtssache keine nicht geklärten Grundsatzfragen rechtlicher Art auf, nachdem das Bundesverwaltungsgericht nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie in seinem Beschluss vom 14. November 2007 - 10 B 47.07- (juris Rdnr. 3) klargestellt hat, dass es an seiner oben zitierten Rechtsprechung zu §§ 53 Abs. 6, 54 AuslG festhalten will, auf die sich auch die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf für das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 23. April 2007 ausdrücklich bezogen hat (BT-Drs. 16/5065, vgl. die oben zitierte Begründung für die später Gesetz gewordene Neufassung des § 60 Abs. 7 AufenthG (S. 187).

Ende der Entscheidung

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