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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 18.10.2007
Aktenzeichen: 8 UE 243/06
Rechtsgebiete: HSOG, HundeVO


Vorschriften:

HSOG § 40
HSOG § 43
HSOG § 71 a Abs. 1
HSOG § 1
HundeVO § 2
HundeVO § 14
Eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Hess. HundeVO, nach der auch die Gefahr, dass ein Hund einen Menschen in Gefahr drohender Weise anspringt, die Eigenschaft eines Hundes als gefährlicher Hund begründet, ist ausgeschlossen.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UE 243/06

Verkündet am 18.10.2007

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ordnungsrechts - Hundeverordnung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vors. Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Univ.- Prof. Dr. Horn, ehrenamtlicher Richter Dillenberger, ehrenamtlicher Richter Döring

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Oktober 2005 - 5 E 1998/03 (V) - aufgehoben und das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Oktober 2005 - 5 E 1235/04 (V) - abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Verfügungen der Beklagten vom 23. Oktober 2002, vom 30. Oktober 2002 und 11. November 2002 in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 28. März 2003 gefunden haben, rechtswidrig gewesen sind. Die Verfügungen der Beklagten vom 25. Oktober 2002 bezüglich des darin enthaltenen Kostenbescheids und vom 14. März 2003 werden unter entsprechender Abänderung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 12. Februar 2004 aufgehoben.

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin war im Jahre 2002 Eigentümerin und Halterin von zwei Schäferhunden und drei Schäferhundhuskys.

Aufgrund eines Vorfalls am 23. Oktober 2002 wurden die Hunde von der Beklagten sichergestellt und in das Tierheim F. verbracht. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 wurden die beiden Schäferhunde freigegeben und der Klägerin die Kosten für die Unterbringung dieser Hunde in Höhe von 60,- Euro aufgegeben. Die drei Mischlingshunde wurden auf Veranlassung der Beklagten einem Wesenstest unterzogen, dessen Ergebnis positiv ausfiel (Gutachten vom 28. Oktober und 1. November 2002). Mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 wurde die Sicherstellung vom 23. Oktober 2002 nochmals förmlich ausgesprochen und die weitere Verwahrung der Mischlingshunde im Tierheim angeordnet. Die Verfügung vom 11. November 2002 erklärt sodann ausdrücklich die Hunde als gefährliche Hunde im Sinne der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) und fordert die Klägerin unter anderem bei gleichzeitiger Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,- Euro dazu auf, eine Erlaubnis zum Halten gefährlicher Hunde zu beantragen. Nachdem die Klägerin dieser Anordnung nicht nachgekommen war, setzte die Beklagte unter dem 28. Februar 2003 das Zwangsgeld fest. Mit Bescheid vom 14. März 2003 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kosten für die Heimunterbringung der drei Mischlingshunde in der Zeit vom 23. Oktober 2002 bis zum 14. März 2003 in Höhe von 4260,- Euro geltend. Nachdem die Klägerin am 30. März 2003 die Erteilung einer Halteerlaubnis für gefährliche Hunde beantragt hatte, wurde die Zwangsgeldfestsetzung mit Bescheid vom 15. April 2003 aufgehoben. Daraufhin nahm die Klägerin ihren gegen den Festsetzungsbescheid gerichteten Widerspruch im Umfang der aufhebenden Verfügung zurück, erklärte jedoch, ihn insoweit aufrecht zu erhalten, wie es um die ihr entstandenen Kosten zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens gehe; diese habe die Beklagte zu tragen. Die im Übrigen gegen die vorstehend angeführten Verfügungen eingelegten Widersprüche der Klägerin wurden mit den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 28. März 2003 und 12. Februar 2004 zurückgewiesen.

Im September und im November 2003 wurden die Hunde aus dem Tierheim freigegeben.

Die nach der am 3. April 2003 bzw. am 18. Februar 2004 erfolgten Zustellung der Widerspruchsbescheide an die Klägerin am 23. April 2003 und 12. März 2004 erhobenen Klagen hatten keinen Erfolg. Mit den beiden angegriffenen Urteilen vom 10. Oktober 2005 (Az. 5 E 1998/03 (V); Az. 5 E 1235/04 (V)) wies das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Klagen, die gegen die Verfügungen der Beklagten vom 23. Oktober 2002, 25. Oktober 2002, 30. Oktober 2002 und 11. November 2002 in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 gefunden hatten, gerichtet waren, ebenso ab wie die Klagen, die gegen die Verfügungen der Beklagten vom 28. Februar 2003 und vom 14. März 2003 in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2004 gefunden hatten, erhoben worden waren.

Wegen des Sach- und Streitstandes bis zur Verkündung der erstinstanzlichen Urteile wird gemäß § 130 b Satz 1 VwGO auf die Tatbestände der angefochtenen Entscheidungen Bezug genommen, die sich der Senat zu Eigen macht.

Zur Begründung ihrer Urteile führt die Vorinstanz im Wesentlichen aus, dass die angegriffenen Bescheide rechtmäßig seien, weil die Beklagte die in Verwahrung genommenen Hunde zu Recht als gefährliche Hunde i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 HundeVO eingestuft habe. Zwar habe die Beweisaufnahme über die Vorgänge vom 23. Oktober 2006 ergeben, dass die Hunde weder einen Menschen gebissen noch in Gefahr drohender Weise angesprungen hätten. Doch hätten die Schilderungen der einvernommenen Zeugen zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts ein derart aggressives Verhalten der Hunde erwiesen, dass diese von der Beklagten als gefährlich eingeschätzt werden durften. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sei es für die Erfüllung des Tatbestandes der Gefährlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 HundeVO nicht erforderlich, dass die Zeugen erst ein Anspringen hätten abwarten müssen mit der Gefahr, dass sie gebissen worden wären.

Seien demnach die Hunde als gefährlich einzustufen, so bestünden gegen deren Sicherstellung am 23. Oktober 2002 keine Einwände. Die Beklagte sei dazu nach § 14 HundeVO i.V.m. § 40, 41 HSOG berechtigt gewesen, da sie davon hätte ausgehen dürfen, dass eine von den Hunden ausgehende gegenwärtige Gefahr abzuwenden gewesen war. Der Umstand, dass bis dahin niemand zu Schaden gekommen sei, hätte es nicht gerechtfertigt, die Hunde ohne weitere Erkenntnisse bei der Klägerin zu belassen. Zwar hätte sich das Verhalten der beiden Schäferhunde als nicht aggressiv herausgestellt. Dies hätte jedoch zum Zeitpunkt der Sicherstellung noch nicht entschieden werden können.

Vor diesem Hintergrund sei auch die Anforderung der Kosten für die Unterbringung der beiden Schäferhunde im Tierheim im Bescheid vom 25. Oktober 2002 in Höhe von 60,- Euro nicht zu beanstanden. Um drohenden Schaden abzuwenden, hätten die Beamten der Beklagten die Hunde zunächst in das Tierheim verbringen müssen, weil das Gelände, auf dem die Hunde bei der Klägerin untergebracht würden, nicht gegen das Weglaufen der Hunde gesichert sei. Deshalb hätte nicht ausgeschlossen werden können, dass die Hunde erneut ausbrechen und eine Gefahr darstellen würden, selbst wenn die beiden Schäferhunde im Ergebnis von dem einen der einvernommenen Zeugen als nicht gefährlich eingeschätzt worden seien. Daher sei die Unterbringung der Hunde die einzige verbliebene Möglichkeit gewesen. Die dafür anfallenden Kosten fielen gemäß § 43 Abs. 3 i.V.m. § 7 HSOG der Klägerin als Verantwortlicher zur Last. Die Höhe bemesse sich nach § 3 HVwKostG i.V.m. der zugehörigen Verwaltungsvorschrift.

Ebenfalls rechtmäßig sei die Verfügung der Beklagten vom 30. Oktober 2002. Die weitere Sicherstellung und Verwahrung der drei Mischlingshunde hätte gemäß § 14 Hunde VO i.V.m. §§ 40, 41 HSOG angeordnet werden dürfen, weil es sich bei diesen um gefährliche Hunde gehandelt habe und die Voraussetzungen, unter denen gefährliche Hunde von der Klägerin hätten gehalten werden dürfen, zum Zeitpunkt der Sicherstellung nicht vorgelegen hätten. Zudem hätte eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden, weil das Grundstück der Klägerin nicht ausbruchssicher ausgestattet gewesen sei.

Ebenso hätte die Beklagte der Klägerin die weiteren Belastungen in dem Bescheid vom 11. November 2002 aufgeben müssen. Da die Mischlingshunde als gefährlich zu qualifizieren gewesen seien, wäre die Klägerin insbesondere verpflichtet gewesen, gemäß § 1 Abs. 3 HundeVO die Erteilung einer Halteerlaubnis zu beantragen.

Auch die mit Bescheid vom 14. März 2003 erfolgte Auferlegung der Unterbringungskosten für die drei Hunde im Tierheim vom 23. Oktober 2002 bis zum 14. März 2003 in Höhe von 4260,- Euro sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe ab dem 23. Oktober 2002 die Voraussetzungen, unter denen nach der Hundeverordnung gefährliche Hunde gehalten werden dürften, nicht erfüllt. Daher habe die Behörde die Hunde nicht in ihrem Besitz belassen dürfen, sondern in das Tierheim verbringen müssen. Die dafür nach § 3 HVwKostG i.V.m. der zugehörigen Verwaltungsvorschrift in Rechnung gestellten Gebühren habe die Klägerin als Verantwortliche gemäß § 43 Abs. 3 i.V.m. § 7 HSOG zu tragen.

Schließlich habe die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass ihr die zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 28. Februar 2003 entstandenen Kosten von der Beklagten erstattet würden, weil die Voraussetzungen des § 80 HVwVfG für eine Kostenerstattung insoweit nicht gegeben seien.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die Berufung gegen seine beiden vorgenannten Urteile nach § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil bisher, soweit ersichtlich, nicht entschieden sei, dass ein Hund auch gefährlich i.S.d § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 HundeVO sein könne, wenn er weder einen Menschen gebissen noch in Gefahr drohender Weise angesprungen habe, sich aber aus seinem sonstigen Verhalten ergäbe, dass schon das Anspringen verhindert werden müsse, um nicht in die Gefahr zu geraten, eine Verletzung durch den Hund zu erleiden.

Die Klägerin hat gegen die ihrem Prozessbevollmächtigten am 27. Dezember 2005 zugestellten Urteile am 23. Januar 2006 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Berufung einlegen lassen und diese mit beim Verwaltungsgerichtshof am 27. Februar 2006 eingegangenen Schriftsätzen begründet. Die beiden Berufungsverfahren (Az. 8 UE 243/06 und 8 UE 247/06) wurden durch Beschluss vom 18. Oktober 2007 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen 8 UE 243/06 fortgesetzt (§ 125 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 VwGO).

Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Klägerin zunächst vor, dass das Gericht nicht den gesamten Akteninhalt ausgewertet und daher nicht die gebotene Sachverhaltsaufklärung betrieben habe. Die tatsächlichen Vorgänge am 23. Oktober 2002 würden sich, wie im Einzelnen näher auseinander gesetzt wird, anders darstellen, als sie das Verwaltungsgericht ausweislich der Urteilsbegründung seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Die Schilderung der tatsächlichen Geschehnisse, aus denen die Beklagte und das Verwaltungsgericht eine von den Hunden ausgehende Gefahr hergeleitet hätten, sei maßlos übertrieben. Zudem hätten sich die Bediensteten der Beklagten in dem Bemühen, die Hunde einzufangen, in einer Art und Weise verhalten, durch die die Hunde provoziert worden seien. Bei einem solchen Verhalten müssten Angriffe selbst durch sonst friedliche Hunde befürchtet werden. Ungeachtet dessen läge aber auch bei Annahme eines Sachverhaltes, von dem das Gericht ausgehe, kein Verstoß gegen die Hundeverordnung vor. Der Tatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 HundeVO sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die einvernommenen Zeugen seien, wie das Gericht in seiner Urteilsbegründung selbst ausführe, weder gebissen noch angesprungen worden. § 2 Abs. 2 Nr. 1 HundeVO verlange aber, dass der Hund in dieser Weise mindestens einmal einen gefährlichen Körperkontakt mit einem Menschen gehabt haben müsse, um ihn als gefährlich zu erkennen und etwa der Notwendigkeit einer Wesensprüfung und einer Halteerlaubnis zu unterwerfen. Ein so genanntes Drohverhalten reiche dafür nicht aus. Das Verwaltungsgericht unternehme daher in den angegriffenen Urteilen eine deutliche Ausweitung der Hundeverordnung auf weitere Sachverhalte, welche vom Wortlaut der Verordnung wie auch von ihrem Sinn und Zweck nicht erfasst sei. Dies verstoße gegen fundamentale, von der Verfassung vorgegebene Grundsätze. Eine Rechtsnorm, welche eine schwere, belastende Folge beinhalte, müsse hinreichend konkret sein, damit der belastete Betroffene die für ihn nachteilige Folge vermeiden könne. Dies wäre nicht gegeben, wenn sämtliche subjektiv als bedrohlich empfundenen Verhaltensweisen eines Hundes diese Folge nach sich ziehen würden. Die Einstufung der Hunde als gefährliche Hunde im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 HundeVO und deren Unterbringung im Tierheim auf Grund der Verfügungen der Beklagten vom 23. Oktober 2002, 30. Oktober 2002 und 11. November 2002 seien daher rechtswidrig gewesen. Somit könnte auch die der Klägerin in den Bescheiden der Beklagten vom 25. Oktober 2002 und vom 14. März 2003 auferlegte Kostenlast für die Unterbringung keinen Bestand haben. Im Übrigen sei die Unterbringung auch dann rechtswidrig gewesen, wenn die Hunde als gefährliche Hunde zu erkennen gewesen sein sollten. Da es allenfalls zu einem Vorfall gekommen sei und die Hunde bereits am 28. Oktober 2002 einen Wesenstest bestanden hätten, sei deren Unterbringung auf jeden Fall unverhältnismäßig gewesen. Außerdem verstoße die Unterbringung gegen den Gleichheitsgrundsatz. In der Verwaltungspraxis des Frankfurter Ordnungsamtes würden das erste Mal auffällige, nicht gelistete Hunde nicht ins Tierheim gebracht, sondern beim Halter belassen, der eine großzügige Frist, in der Regel von einem halben Jahr, erhalte, um einen Wesenstest durchführen zu lassen und die übrigen Bedingungen zu erfüllen. Demgegenüber sei die Klägerin massiv benachteiligt worden. Auch nach der positiven Wesenstestung hätte sie die Hunde nicht zurückerhalten. Das sei in Frankfurt bisher nicht so gehandhabt worden.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung nach entsprechenden Hinweisen ihr ursprüngliches Klagebegehren auf Befreiung von den Kosten des die Zwangsgeldfestsetzung der Beklagten vom 28. Februar 2003 betreffenden Widerspruchsverfahrens fallengelassen und beantragt,

unter Aufhebung bzw. Änderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Oktober 2005 - 5 E 1998/03 (V) und 5 E 1235/04 (V) - festzustellen, dass die Verfügungen der Beklagten vom 23. Oktober, 30. Oktober und 11. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 28. März 2003 rechtswidrig gewesen sind, sowie die Verfügungen der Beklagten vom 25. Oktober 2002 bezüglich des darin enthaltenen Kostenbescheids und die Verfügung der Beklagten vom 14. März 2003 unter entsprechender Abänderung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 12. Februar 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass der Bevollmächtigte der Klägerin bei der Darstellung und Bewertung des Sachverhalts, der Gegenstand der Verfügungen der Beklagten und der ausführlichen gerichtlichen Beweiserhebung gewesen sei, jeweils Ursache und Wirkung des Verhaltens bzw. des Unterlassens der Klägerin und der objektiv gebotenen entsprechenden gefahrenabwehrbehördlichen Reaktion der Beklagten verwechsele. Der Zweck der Hundeverordnung sei in § 1 Abs. 1 dahingehend beschrieben, dass Hunde so zu halten und zu führen seien, dass von ihnen keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgehe. Durch die Verwendung des Begriffs Gefahr werde zugleich ausgesagt, dass ein Schaden für die geschützten Rechtsgüter nicht bereits eingetreten sein müsse. Dementsprechend sei auch die Gefährlichkeit eines Hundes im Sinne des § 2 Abs. 2 HundeVO unter Berücksichtigung des Schutzzwecks, drohenden Schäden vorzubeugen, zu bestimmen. Das aggressive Verhalten der Hunde der Klägerin gegenüber den in dienstlichem Auftrag handelnden Bediensteten der Beklagten habe ein Einschreiten zur Gefahrenabwehr objektiv geboten. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie auf Stellungnahmen des Ordnungsamtes der Beklagten vom 20. März 2006 verwiesen. Dort wird erneut die akute Gefährdungslage vor Ort am 23. Oktober 2002 betont. Bezeichnenderweise habe der Angriff der Hunde nur unter Anwendung einer Schusswaffe abgewehrt werden können. Daher seien die Sicherstellung der Hunde am 23. Oktober 2002 und die Verwaltungsverfügungen vom 25. Oktober 2002, 30. Oktober 2002, 11. November 2002 und vom 14. März 2003 gerechtfertigt. Grundsätzlich gelte natürlich der Gleichbehandlungssatz. Der Bevollmächtigte der Klägerin habe aber keinen vergleichbaren Fall genannt. Außerdem müsse in jedem Einzelfall geprüft und entschieden werden, ob der Sachverhalt eine Sicherstellung erforderlich mache oder ob diese unterbleiben könne.

Dem Senat liegen die die Verfahren betreffenden Behördenakten sowie die die Eilverfahren der Beteiligten betreffenden Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (Az. 5 G 4790/02(V); 5 G 4992/02(V)) vor. Diese Vorgänge waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufungen sind zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie haben auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg und führen unter der im Tenor aufgewiesenen Aufhebung bzw. Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Oktober 2005 zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beklagtenverfügungen vom 23. Oktober 2002, 30. Oktober 2002 und 11. November 2002 sowie zur Aufhebung der angegriffenen Verfügungen der Beklagten vom 25. Oktober 2002 und 14. März 2003. Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen.

Die gegen die Verfügungen der Beklagten vom 23. Oktober 2002, 25. Oktober 2002, 30. Oktober 2002, 11. November 2002 und 14. März 2003 erhobenen Klagen sind zulässig und begründet. Die Sicherstellung der streitgegenständlichen Hunde, ihre Verwahrung im Tierheim und die Auferlegung der Unterbringungskosten in Höhe von 60,- Euro und 4260,- Euro sind rechtswidrig und verletzen, soweit nicht in Folge der Freigabe der Hunde aus dem Tierheim Erledigung eingetreten und die Klage deshalb in der mündlichen Verhandlung nach Hinweis des Senats auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) umgestellt worden ist, die Klägerin in ihren Rechten.

Bei den Hunden der Klägerin handelte es sich zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht um gefährliche Hunde im Sinne der Hundeverordnung. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 HundeVO zählen neben den in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundeVO definierten Hunden von besonders gefährlicher Wesensart und den in § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO gelisteten Hunden, deren insofern bestehende Gefährlichkeit gesetzlich vermutet wird (§ 71 a Abs. 1 HSOG), auch solche Hunde zu den gefährlichen Hunden, die einen Menschen gebissen oder in Gefahr drohender Weise angesprungen haben, sofern dies nicht aus begründetem Anlass geschah. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Wie die Beweisaufnahme in der Vorinstanz ergeben hat und zwischen den Beteiligten unstreitig ist, haben die Hunde der Klägerin weder im Verlauf des Streit auslösenden Vorfalls am 23. Oktober 2002 noch zu einem späteren Zeitpunkt einen Menschen gebissen oder in Gefahr drohender Weise angesprungen. Der Senat vermag der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die auch die Berufungszulassung begründete, nicht zu folgen, wonach ein Hund auch dann gefährlich i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 HundeVO sein könne, wenn er zwar weder einen Menschen gebissen noch in Gefahr drohender Weise angesprungen habe, sich aber aus seinem sonstigen Verhalten ergäbe, dass schon das Anspringen verhindert werden müsse, um nicht in die Gefahr zu geraten, durch den Hund eine Verletzung zu erleiden. Daher besteht insofern auch kein Bedarf an einer weiteren Aufklärung des tatsächlichen Vorfalls vom 23. Oktober 2002.

Die Ansicht der Vorinstanz findet in der Verordnung keine Grundlage. Sie nimmt die Gefährlichkeit eines Hundes nach § 2 Abs. 2 HundeVO unter einer Voraussetzung als gegeben an, die sich weder aus der vorgenannten Bestimmung noch aus ihrem rechtlichen Kontext herleiten lässt. § 2 Abs. 2 HundeVO stellt nach seinem eindeutigen Wortlaut ("Gefährlich sind auch die Hunde, die ...") bezüglich der Gefährlichkeit eines Hundes allein auf die unter den Nummern 1 bis 3 der Bestimmung im Einzelnen normierten Tatbestandsmerkmale ab (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - 11 UE 3488/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 629 ff. [631]). Das gilt sowohl für die Fassung der Vorschrift in der Hundeverordnung alter Fassung vom 10. Mai 2002, in Kraft getreten am 18. Mai 2002 (GVBl. I S. 90), als auch für diejenige in der gegenwärtig geltenden Hundeverordnung vom 22. Januar 2003, in Kraft seit dem 8. Februar 2003 (GVBl. I S. 54); der Wortlaut des § 2 Abs. 2 HundeVO ist in beiden Verordnungen identisch. Eine ergänzende Auslegung dieser Vorschrift, nach der die Gefährlichkeit eines nicht in § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO gelisteten Hundes auch durch ein Verhalten begründet werden könne, das keines der normierten Gefährlichkeitskriterien erfüllt, ist demnach ausgeschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 10. Mai 2005 (a.a.O.) entschieden, dass die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes, der einen der Tatbestände des § 2 Abs. 2 HundeVO erfüllt, nicht noch der zusätzlichen Anforderung unterliegt, dass in dem von dem Hund gezeigten Verhalten auch eine besondere, nicht artgerechte Aggressivität zutage treten müsse. Ebenso verwehrt die Bestimmung des § 2 Abs. 2 HundeVO eine Auslegung in gleichsam umgekehrter Richtung, nach der bereits eine erkennbare übersteigerte Aggressionsbereitschaft eines Hundes für die Feststellung seiner Gefährlichkeit genüge, ohne dass dessen Verhalten eines derjenigen Tatbestandsmerkmale aufweise, die in der Verordnungsnorm aufgeführt sind. Eine derartige Verschiebung der Gefährlichkeitsschwelle würde die Grenzen überschreiten, die der Normtext der Normanwendung setzt. Sie lässt sich auch nicht unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Hundeverordnung rechtfertigen. Zwar dient die Hundeverordnung der Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren (vgl. § 71 a Abs. 1 Satz 1 HSOG). Dementsprechend enthält § 1 Abs. 1 HundeVO die allgemeine Verhaltensregel, Hunde so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht. Bei der Hundeverordnung handelt es sich daher nicht um eine Verordnung zur Gefahrenabwehr im engeren Sinne des traditionellen polizeirechtlichen Begriffs, sondern um eine solche zur Gefahrenvorsorge im Vorfeld der Abwehr bereits bestehender Gefahren (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 27. Januar 2004 - 11 N 520/03 -, ESVGH 54, 249 f. - Leitsätze). Dieser Zweck der Gefahrenvorsorge kann jedoch nicht zur Stützung einer Rechtsauffassung herangezogen werden, die die Schwelle der nach der Hundeverordnung den zuständigen Behörden eröffneten Möglichkeiten, den von Hunden ausgehenden Gefahren vorzubeugen, noch weiter in das Gefahrenvorfeld verlegt, als das vom Verordnungsgeber im Einklang mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bestimmt ist. Mit der Festlegung der Kriterien, die einen Hund als gefährlichen Hund ausweisen mit der Folge, dass er den an diese Eigenschaft anknüpfenden, gesonderten Vorkehrungen der Hundeverordnung unterworfen ist, erfüllt der Verordnungsgeber seine Gefahrenvorsorgeaufgabe und definiert sie sogleich. Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 2 HundeVO gibt er zu erkennen, dass er bei Erfüllung der darin aufgeführten Tatbestandsmerkmale ohne weiteres, d.h. schon dann, aber auch nur dann die Eigenschaft der Gefährlichkeit als gegeben erachtet. Es ist deshalb nicht zulässig, den Anwendungsbereich dieser Bestimmung durch Rückgriff auf allgemeine Erwägungen zum Gefahrenvorsorgezweck der Hundeverordnung über ihren Wortlaut hinaus auszudehnen.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Rechtslage in Hessen von derjenigen in manchen anderen Bundesländern, wo die Kriterien, die die Gefährlichkeit eines Hundes wegen seiner Verhaltensauffälligkeit begründen, vager oder offener gefasst sind (vgl. z.B. § 2 Baden-Württembergische Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde vom 3. August 2000, GBl. S. 574; § 4 Abs. 1 Nr. 4 Gesetz über das Halten und Führen von Hunden in Berlin vom 29. September 2004, GVBl. S. 424, zuletzt geändert am 23. Juni 2005, GVBl. S. 338; § 1 Abs. 1 Bremisches Gesetz über das Halten von Hunden vom 2. Oktober 2001, GBl. S. 331; § 3 Abs. 2 Satz 1 Niedersächsisches Gesetz über das Halten von Hunden vom 12. Dezember 2002, GVBl. 2003 S. 2, zuletzt geändert am 30. Oktober 2003, GVBl. S. 367). Dort eröffnete Rechtsanwendungsspielräume weist die hessische Regelung gerade nicht auf. Insbesondere können die Nummern 1 bis 3 des § 2 Abs. 2 HundeVO nicht als bloße Regelbeispiele für die verhaltensbegründete Gefährlichkeit eines Hundes begriffen werden. Anders als etwa in Baden Württemberg verzichtet der hessische Verordnungsgeber hier auf die Beigabe des Wortes "insbesondere". Daher muss das Anspringen eines Menschen in Gefahr drohender Weise nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 HundeVO als die vom hessischen Verordnungsgeber festgelegte Mindestauffälligkeit eines Hundes begriffen werden, um ihn wegen seines Verhaltens gegenüber Menschen als einen gefährlichen Hund erkennen und behandeln zu können.

Anders als das Verwaltungsgericht meint, kann daher ein Hund nicht auch schon dann i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 HundeVO gefährlich sein, wenn er weder einen Menschen gebissen noch in Gefahr drohender Weise angesprungen hat, sich aber aus seinem sonstigen Verhalten die Gefahr eines Anspringens in Gefahr drohender Weise ergibt. Da im vorliegenden Fall die Hunde der Klägerin weder jemanden gebissen noch angesprungen haben, konnten sie daher nicht als gefährliche Hunde eingestuft werden.

Für die von der Klägerin angegriffenen Verfügungen der Beklagten folgt daraus, dass sie jedenfalls insoweit rechtswidrig sind, wie sie auf Rechtsgrundlagen gestützt sind, die die Gefährlichkeit eines Hundes nach § 2 HundeVO voraussetzen.

Dies trifft allerdings für die Sicherstellung der beiden Schäferhunde der Klägerin am 23. Oktober 2002 nicht zu. Den Behördenakten ist nirgends zu entnehmen, dass diese in der Annahme erfolgte, bei den beiden Schäferhunden handele es sich um gefährliche Hunde i.S.d. Hundeverordnung. Auch die in der Vorinstanz unternommene Beweisaufnahme hat insofern nichts anderes ergeben. So wurde die Verbringung der Schäferhunde ins Tierheim insbesondere nicht deshalb angeordnet und vollzogen, weil die Klägerin über eine nach § 1 Abs. 3, § 3 HundeVO erforderliche Erlaubnis zum Halten gefährlicher Hunde nicht verfügte.

Die insofern einschlägige Ermächtigung des § 14 Abs. 1 HundeVO i.V.m. §§ 40, 41 HSOG reicht jedoch weiter. Danach kann die Sicherstellung und Verwahrung von Hunden angeordnet werden, wenn die nach der Hundeverordnung bestehenden Verbote oder Gebote nicht eingehalten werden oder den Anordnungen oder Auflagen der zuständigen Behörde nicht nachgekommen wird. Eine Beschränkung dieser Befugnis auf gefährliche Hunde i.S.d. § 2 HundeVO ist weder dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck zu entnehmen. Ebenso wenig wie die noch intensivere Möglichkeit einer Tötungsanordnung nach § 14 Abs. 2 HundeVO ist die Möglichkeit einer Sicherstellungsanordnung nach § 14 Abs. 1 HundeVO tatbestandlich auf die Abwehr von Gefahren reduziert, die von einem gefährlichen Hund ausgehen. Die Vorschrift geht vielmehr davon aus und erstreckt darauf ihre Eingriffsermächtigung, dass auch von anderen ("ungefährlichen") Hunden im Einzelfall eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgehen kann. Dem entspricht die Pflicht gemäß § 1 Abs. 1 HundeVO, Hunde, auch ungefährliche, so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahr für Menschen oder Tiere ausgeht. Solche Gefahren können etwa dann entstehen, wenn Hunde nicht ausreichend beaufsichtigt werden oder aus Grundstücken oder Wohnungen entweichen können, weil diese gegen ein Weglaufen nicht genügend gesichert sind. Wie § 1 Abs. 2 HundeVO zeigt, ist allerdings das Laufenlassen eines Hundes außerhalb eines eingefriedeten Besitztums der Halterin oder des Halters nicht allein schon ein Sachverhalt, der eine abzuwehrende Gefahr im Sinne der Hundeverordnung begründet. Hingegen kann bei Vorliegen eines inadäquat aggressiven Verhaltens des Hundes im Einzelfall ein Eingreifen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr geboten sein. In einem solchen Fall kann sich auch eine Sicherstellung des Hundes nach § 14 HundeVO in Verbindung mit §§ 40, 41 HSOG als erforderliche Maßnahme erweisen (vgl. auch die Hinweise des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport zur Anwendung der Hundeverordnung vom 3. Juli 2002 - Az. LPP 72-L-021-a-02-27).

Nach diesen Maßgaben war vorliegend nach den weitgehend übereinstimmenden Zeugenaussagen in der Vorinstanz am 23. Oktober 2002 eine tatsächliche Situation entstanden, die die Bediensteten der Beklagten zunächst als eine abzuwehrende Gefahrenlage erkennen konnten. Die Einlassungen des Bevollmächtigten der Klägerin in der Berufungsbegründung zu diesen tatsächlichen Geschehnissen stehen dem nicht entgegen. Abgesehen davon, dass weder der Bevollmächtigte der Klägerin noch die Klägerin selbst zum Zeitpunkt der Vorfälle am Ort des Geschehens zugegen waren, fallen die behaupteten Abweichungen von den Schilderungen, die die Zeugen gegeben haben und die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidungsfindung zugrunde gelegt hat, nicht in einer Weise ins Gewicht, dass sie geeignet wären, die Einschätzung einer zunächst gegebenen Gefahrenlage als unrichtig zu erweisen. Demnach steht auch für den erkennenden Senat ohne Notwendigkeit einer erneuten Beweisaufnahme fest, dass sich die beiden, wegen des Herumstreunens der fünf freilaufenden Hunde der Klägerin herbeigerufenen Bediensteten der Beklagten am 23. Oktober 2002 unvermittelt mit einem derart aggressiven Verhalten der Tiere konfrontiert sahen, dass sie sich vor einem drohendem Angriff mit der zu befürchtenden Folge einer Bissverletzung nur durch den Einsatz von Pfefferspray, durch Schläge mit der Fangstange und einem Schuss mit der Dienstwaffe in den Boden zu schützen vermochten. An diesem Vorfall waren auch die beiden Schäferhunde beteiligt. Ob und inwieweit diese sich im Vergleich zu den drei Mischlingshunden zurückhaltender oder gar nicht aggressiv verhalten haben, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls war deren anschließende Sicherstellung und Verbringung ins Tierheim nach den Umständen nicht erforderlich, um eine von ihnen unmittelbar ausgehende Gefahr abzuwenden. Noch vor der Sicherstellung, an der herbeigerufene Kollegen der beiden Bediensteten der Beklagten unterstützend mitwirkten, traf die Klägerin und Halterin der Hunde am Ort des Vorfalls ein. Die Hunde hatten sich inzwischen auf das Grundstück, auf dem sie von der Klägerin untergebracht werden, zurückgezogen. Zu diesem Zeitpunkt war die Lage einer inadäquaten Aggression, die die Sicherstellung der Hunde zur unmittelbaren Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben oder Gesundheit eines Menschen nach § 14 Abs. 1 HundeVO in Verbindung mit §§ 40, 41 HSOG hätte rechtfertigen können, entfallen. Die Befürchtung einer fortdauernden Gefährdung reicht dafür nicht hin. Dieser Befürchtung hätte durch die Abgabe der Hunde an die Klägerin zur Beaufsichtigung begegnet werden können. Dass das Grundstück der Klägerin, auf dem die Hunde untergebracht werden, nach dem Augenschein der Bediensteten der Beklagten nur mangelhaft eingezäunt war, so dass ein erneutes Entweichen der Hunde möglich erschien, steht dem nicht entgegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten begründete dieser Umstand keine Gefahr für Dritte, die die Befugnis zur Sicherstellung nach § 14 Abs. 1 HundeVO in Verbindung mit §§ 40, 41 HSOG eröffnete. Ein (mögliches) Freilaufen der als ungefährlich, d.h. nicht nach § 2 HundeVO als gefährlich eingestuften Hunde außerhalb des eingefriedeten Bezirks der Klägerin stellt, wie vorstehend dargelegt, für sich gesehen keinen Tatbestand dar, an den die Hundeverordnung die Ermächtigung zu deren Sicherstellung und Verwahrung knüpft. Das Einfangen und Verbringen der Schäferhunde der Klägerin ins Tierheim war daher rechtswidrig.

Damit kann auch die Anforderung der Kosten für die Unterbringung dieser beiden Hunde mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 in Höhe von 60,- Euro keinen Bestand haben. Deren Geltendmachung gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 HSOG setzt voraus, dass die kostenpflichtige Sicherstellungsmaßnahme rechtmäßig war. Das ist, wie aufgewiesen, nicht der Fall. Der Kostenbescheid verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten und ist aufzuheben.

Ebenfalls rechtswidrig sind die Verfügungen der Beklagten in den Bescheiden vom 30. Oktober 2002 und vom 11. November 2002. Mit diesen wurde die "weitere Sicherstellung" der drei Schäferhundhuskys der Klägerin, "die durch den Außendienst des Ordnungsamtes am 23. Oktober 2002 verfügt und durchgeführt wurde", angeordnet sowie der Klägerin die Antragstellung zur Erteilung einer Halteerlaubnis und die Einhaltung weiterer Halterverpflichtungen nach der Hundeverordnung aufgegeben. Sämtliche Anordnungen wurden unter Verweis auf die entsprechenden Rechtsgrundlagen in der Hundeverordnung damit begründet, dass es sich bei diesen Mischlingshunden um gefährliche Hunde nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 HundeVO handele. Vorliegend haben die Hunde jedoch erwiesenermaßen einen Menschen weder gebissen noch angesprungen. Sie erfüllten daher, wie oben ausgeführt, keines der Merkmale, von dessen Vorliegen die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 1 HundeVO die Eigenschaft der Gefährlichkeit eines Hundes abhängig macht. Damit waren die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsnormen, die die Beklagte für den Erlass ihrer Anordnungen in den vorgenannten Bescheiden anführt, nicht gegeben, so dass sie einer gesetzmäßigen Grundlage entbehren.

Gleiches gilt für die mit Bescheid vom 14. März 2003 verfügte Auferlegung der Kosten für die Verwahrung der Schäferhundhuskys im Tierheim vom 23. Oktober 2002 bis 14. März 2003 in Höhe von 4260,- Euro. Auch dieser Kostenbescheid ist rechtswidrig und aufzuheben. Die Voraussetzungen der insoweit einschlägigen Rechtsgrundlage des § 43 Abs. 3 Satz 1 HSOG sind nicht gegeben. Die Klägerin ist zur Zahlung dieses Betrags nicht verpflichtet, weil die zugrunde liegende Sicherstellung und Verwahrung der Hunde rechtswidrig war. Die mit dem Bescheid vom 30. Oktober 2002 verfügte "weitere Sicherstellung" der drei Schäferhundhuskys umschließt ausdrücklich auch die bereits am 23. Oktober 2002 erfolgte Sicherstellung und begründet demzufolge auch diese mit der Einstufung der Hunde als gefährliche Hunde, für deren Halten der Klägerin eine dafür gemäß § 1 Abs. 3 HundeVO erforderliche Erlaubnis fehlte. Da, wie vorstehend dargelegt, keiner der Hunde den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 1 HundeVO erfüllt hat, durften die Hunde demnach nicht als gefährliche Hunde zur Unterbringung ins Tierheim verbracht werden. Folglich kann die Klägerin auch nicht mit den Unterbringungskosten belastet werden.

Die Beklagte ist nach alldem unterlegen. Sie hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, weil demgegenüber die Kosten für die teilweise Rücknahme der Klage nicht ins Gewicht fallen (§§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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