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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: 8 UE 3140/05.A
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
1. Bei einer geltend gemachten religiösen Verfolgungsgefährdung wegen eines in Deutschland vorgenommenen Glaubenswechsels vom Islam zum Christentum bedarf es einer gerichtlichen Prüfung der inneren, religiös-persönlichkeitsprägenden Beweggründe.

2. Eine solche Prüfung ist nur dann entbehrlich, wenn der in Deutschland nur formal vollzogene Glaubensübertritt allein für sich im islamischen Heimatland de schutzsuchenden Ausländers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit selbst dann zu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen führen würde, wenn er dort seine christliche Glaubenszugehörigkeit verheimlichen, verleugnen oder aufgeben würde; für eine derartige Verfolgungspraxis in Afghanistan sind konkrete Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

3. Einzelfall eines in Deutschland während des Asylklageverfahrens durchgeführten Glaubenswechsels afghanischer Staatsangehöriger, der nach gerichtlicher Überzeugung nicht auf einer ernsthaften, aus einem inneren Bedürfnis heraus erfolgten Gewissensentscheidung, sondern nur auf asyl- bzw. verfahrenstaktischen Erwägungen beruht.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UE 3140/05.A

Verkündet am 26. Juli 2007

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtliche Richterin Albert, ehrenamtliche Richterin Setton

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen des Klägers und der Klägerinnen gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2004 - 5 E 4600/03.A(2) und 5 E 4599/03.A(2) - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Abschiebungsandrohungen unter Nr. 4 der Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. und 4. September 2003 insoweit aufgehoben werden, als die Abschiebung nach Afghanistan angedroht wird.

Der Kläger und die Klägerinnen haben die Kosten der Berufungsverfahren zu je 1/8 zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger und die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger und die Klägerinnen, ein Ehepaar tadschikischer Volkszugehörigkeit und afghanischer Staatsangehörigkeit mit ihren sechs Töchtern, stammen aus H., einer Stadt und Provinz im Westen Afghanistans; der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. haben dort 1973 geheiratet.

Ihr Sohn, Herr K. J (Geburtsname seiner Mutter, der Klägerin zu 2.), geboren am 10. November 1981 in H., war nach seinen Angaben bereits am 25. Oktober 1997 über Teheran/Iran nach Deutschland eingereist und hatte im November 1997 einen Asylantrag gestellt. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, im Folgenden: Bundesamt) hatte er am 24. November 1997 u. a. angegeben:

Sein Vater sei in Afghanistan festgenommen worden und seine Mutter und seine sechs Schwestern lebten noch in Afghanistan. Sein Großvater sei vor 20 oder 25 Jahren zur Zeit D. Gouverneur der Provinz H. und eine bekannte Persönlichkeit gewesen. Unter Nadschibullah sei ihnen nichts geschehen. Auch als die Mudschaheddin die Macht übernommen hätten, seien sie immer noch eine angesehene Familie gewesen. Als die Taliban an die Macht gekommen seien, sei sein Großvater festgenommen worden. Sein Onkel sei Leibwächter und sein Großvater sei ein Bekannter von Ismail Khan gewesen. Sein Vater habe ein Autogeschäft in H.. Die Taliban seien gekommen und hätten die Autos einfach mitnehmen wollen. Als sein Vater ihnen die Autos nicht habe geben wollen, hätten sie ihn am 20. September 1997 festgenommen; seitdem habe er von ihm nichts mehr gehört, weil er dann auch einige Tage später am 15. Oktober 1997 von H. in den Iran mit dem Motorrad geflohen sei. Seine Mutter habe ihren Schmuck verkauft und ihn mit dem Geld nach Deutschland geschickt, damit er nicht von den Taliban festgenommen würde. Einerseits sei sein Vater festgenommen worden und andererseits würden viele Jungs festgenommen und es würde dann Geld von den Eltern verlangt oder sie würden vergewaltigt; auch ihn hätten sie mitnehmen wollen.

Auf seine Klage hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main das Bundesamt mit Urteil vom 12. März 1999 - 5 E 30762/98.A(2) - zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes (AuslG) für eine Abschiebung nach Afghanistan verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen; diese Entscheidung war mit Bescheid des Bundesamtes vom 21. Mai 1999 umgesetzt worden.

Die Klägerin zu 2. stellte im November 2001 einen Asylantrag auch für die Klägerinnen zu 4. und 7. und gab bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 21. November 2001 im Wesentlichen an:

Wo sich ihr Ehemann, der Kläger zu 1., derzeit aufhalte, wisse sie nicht. Sie habe noch einen am 10. November 1981 geborenen Sohn namens K., der jetzt in Deutschland lebe. Sie sei mit den Klägerinnen zu 4. und 7. hier eingereist, ihre anderen Töchter lebten noch in Afghanistan.

Sie habe mit ihren beiden Töchtern H. am 26. September 2001 verlassen und sei nach einem Zwischenaufenthalt von 26 Tagen im Iran mit Hilfe eines Schleppers nach Deutschland eingereist.

Sie habe in Afghanistan zwölf Jahre lang die Schule besucht, das Abitur gemacht und als Lehrerin gearbeitet. Sie habe in Afghanistan einer Frauenorganisation angehört, politisch gegen die Taliban gearbeitet und unter anderem auch Flugblätter verteilt. Sie sei Lehrerin und ihr Ehemann sei unter Nadschibullah Mitglied der "Parcham-Partei" gewesen. Sie seien eine Intellektuellenfamilie, alle hätten studiert.

Als sie eines Tages bei ihrer Schwester gewesen sei, seien die Taliban in ihr Haus eingedrungen, in dem sie viele Bücher gehabt hätten, u. a. auch von Marx, Mao und Lenin. Eine Nachbarin habe sie benachrichtigt, dass die Taliban ihr Haus durchsucht und das Fernsehgerät und alle möglichen Dinge mitgenommen hätten. Ihr Schwager habe ihr gesagt, sie dürften jetzt nicht mehr nach Hause zurückkehren. Ihr Leben sie in Gefahr. Er habe dann einen Schlepper organisiert, der sie in den Iran gebracht habe. Der Rest ihrer Familie befinde sich noch in Afghanistan.

Auch unter den Mudschaheddin hätten sie sehr gelitten, denn diese verträten die Meinung, wer studiert habe, sei ein Heide. Ihr Ehemann sei oft aufs Revier mitgenommen, verhört und geschlagen worden. Sie hätten damals keine Ruhe gehabt, obwohl sie nie Waffen in die Hand genommen und niemandem etwas angetan hätten.

Auf die Nachrichten über die Veränderungen in ihrem Land in den letzten Tagen angesprochen, empfinde sie, dass alles auf dem Weg der Besserung sei und es hoffentlich so weitergehe. Im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan wären sie völlig mittellos, weil sie alles verkauft hätten. Sie wolle auch ihre Kinder und ihren Ehemann nach Deutschland holen. Sie habe keinen Kontakt zu ihrer Familie.

Nachdem die Klägerinnen zu 3., 5. und 6. nach Angaben der Klägerin zu 2. am 15. Februar 2002 nachgereist und in den Asylantrag einbezogen worden waren, stellte der Kläger zu 1. im April 2002 einen Asylantrag und gab bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 11. April 2002 dazu im Wesentlichen an:

Seine Ehefrau sei in Deutschland und betreibe mit ihren Kindern ein Asylverfahren. Sein Vater sei verstorben und seine Mutter lebe ebenfalls hier in Deutschland, wie auch zwei Brüder und zwei Schwestern von ihm.

Er sei von seiner Heimatstadt H. mit dem Pkw in den Iran und weiter mit dem Bus nach Teheran gefahren und von dort am 29. März 2002 mit dem Flugzeug über den Flughafen C-Stadt nach Deutschland eingereist. Er sei illegal zu Fuß über die grüne Grenze in den Iran gegangen. Seine Ausreise sei durch Vermittlung seines Schwagers durch einen afghanischen und einen iranischen Fluchthelfer organisiert worden.

Er habe in Afghanistan nach einer Schulzeit von zwölf Jahren das Abitur gemacht und dann noch ein zusätzliches Qualifikationsjahr auf einer Lehrerakademie. Er habe von 1981 bis 1983 als einfacher Soldat Wehrdienst absolviert. Von 1984 bis 1995 sei er als Staatsbediensteter für das Transportministerium beim afghanischen Zoll in der Grenzstadt T zu Turkmenistan beschäftigt gewesen. Er habe die Lkw kontrolliert und die Frachtpapiere abgestempelt. Als die Taliban 1995 an die Macht gekommen seien, hätten sie ihn entlassen. Er sei aktives Mitglied der DVPA gewesen und habe an seiner Arbeitsstelle 1985/86 ca. 25 bis 30 Personen, und zwar überwiegend Lkw-Fahrer, nicht in der Öffentlichkeit, sondern in einem separaten geschlossenen Zimmer neu für die DVPA geworben. Die Mudschaheddin hätten ihn in Ruhe weiter arbeiten lassen, weil er keinem etwas zu Leide getan, keine Bestechungsgelder angenommen und niemanden drangsaliert habe. Sie hätten von seiner Tätigkeit für die DVPA nichts gewusst und er sei für sie nicht so wichtig gewesen. Es habe auch Mudschaheddin gegeben, die zwar offiziell die größten Feinde der Nadschibullah-Regierung gewesen seien, insgeheim aber doch mit ihr zusammengearbeitet hätten, wenn es ihnen aus wirtschaftlichen oder aus anderen Gründen nützlich erschienen sei. Er sei zur Zeit des Nadschibullah-Regimes auch einmal von einer Mudschaheddin-Gruppe geschnappt und zusammengeschlagen worden. Es seien aber einige Lkw-Fahrer dazwischen gegangen, die ihn gekannt hätten.

Er habe Afghanistan verlassen, weil sein Leben durch die Mudschaheddin bedroht sei, die in H. die Taliban verjagt hätten und dort wieder an der Macht seien. Sie seien etwa zwei Monate vor seiner Ausreise zu ihm gekommen und hätten ihm mit dem Tode gedroht. Das sei die Gruppe gewesen, die ihn damals bedroht habe, als die Lkw-Fahrer ihm geholfen hätten. Anlass für die Ausreise seiner Familie sei die Hausdurchsuchung durch die Taliban gewesen; er sei nicht gleichzeitig mit ihnen ausgereist, weil er ja schließlich noch seine Ländereien und sein Eigentum habe verkaufen müssen. Von den Einkünften dieser Ländereien habe er in den letzten sieben Jahren vor seiner Ausreise gelebt.

Nachdem die Klägerin zu 8. am 3. Februar 2003 in C-Stadt geboren und in das Asylverfahren der Klägerin zu 2. einbezogen worden war, lehnte das Bundesamt mit Bescheiden vom 3. und 4. September 2003 die Asylanträge des Klägers und der Klägerinnen ab, verneinte die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG, forderte die Klägerinnen und den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihnen die Abschiebung nach Afghanistan an.

Die Asylanträge seien in Anwendung der Drittstaatenregelung abzulehnen, weil die Klägerinnen und der Kläger ihre Einreise auf dem Luftweg nicht hätten beweisen können.

Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 AuslG seien nicht erfüllt. Nachdem Ende des Jahres 2001 die Herrschaft der Taliban im Wesentlichen zerschlagen worden sei, seien die Befürchtungen des Klägers und der Klägerinnen vor einer Verfolgung durch diese nunmehr unbegründet; das gelte auf Grund der derzeitigen allgemeinen Lage auch für eine befürchtete Nachstellung seitens der Mudschaheddin. In besonders armen Gegenden Zentralafghanistans, in der von Ismail Khan autoritär regierten Stadt H. und in der Hauptstadt Kabul sei es relativ ruhig. Auch die Zugehörigkeit der Klägerinnen und des Klägers zur Volksgruppe der Tadschiken führe nicht zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr. Die Klägerinnen und der Kläger könnten eventuelle Beeinträchtigungen vermeiden, indem sie sich in K. niederließen, wo sie keinerlei Nachteile zu befürchten hätten. Es gebe keine Berichte über ethnisch oder religiös motivierte Übergriffe oder Diskriminierungen in dem von der Übergangsregierung mit Hilfe der ISAF kontrollierten Kabul. Den Klägerinnen drohe auch keine generelle landesweite Verfolgung wegen ihres Geschlechts, da sie zumindest im Raum K. hiervor hinreichend sicher seien. Es lägen auch keine Abschiebungshindernisse vor, weil zumindest für diesen Bereich derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage ausgegangen werden könne.

Der Kläger und die Klägerinnen haben am 18. September 2003 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klagen erhoben und diese im Wesentlichen zunächst damit begründet, dass sie ihre Einreise auf dem Luftweg glaubhaft und in allen Einzelheiten dargelegt hätten. Als früheres Mitglied der DVPA müsse der Kläger auch in seiner Heimatregion H. Verfolgung durch den extrem fundamentalistischen Mudschaheddin-Kommandanten Ismail Khan befürchten; dasselbe gelte für die anderen Regionen Afghanistans, in denen ebenfalls die ehemaligen Mudschaheddin-Kommandanten herrschten. Diese Verfolgungsgefährdung treffe auch die Klägerinnen auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft nach wie vor bestehenden Sippenhaft. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 2. selbst als Lehrerin und Intellektuelle gegen die Taliban und radikal-islamische Mudschaheddin-Gruppen aufgetreten sei. Auch in der Hauptstadt Kabul werde noch nach der Sharia geurteilt. Die meisten Minister der Übergangsregierung seien ehemalige Mudschaheddin. Es sei auch von einem Wiedererstarken der Taliban auszugehen. Der Kläger als ehemaliger Staatsbediensteter unter Nadschibullah und langjähriges Mitglied der DVPA müsse befürchten, als solcher erkannt und politisch verfolgt zu werden.

Nachdem ihre Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - gleichzeitig mit den Terminsladungen - mit Beschlüssen vom 10. und 11. März 2004 mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt worden waren, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Mai 2004 zunächst ergänzend klargestellt, dass er kein Zöllner, sondern ein Beamter des Transportministeriums gewesen sei und in der Grenzstadt T. in der Versandabfertigung importierter Waren gearbeitet habe. Er habe in diesem staatlichen Betrieb sieben Jahre in H. und elf Jahre in T. bis 1992 gearbeitet, dann sei die Abteilung aufgelöst worden. Bis zur Ausreise habe er den Lebensunterhalt aus eigenen Ländereien und aus gelegentlichem Handel mit Autos bestritten.

Außerdem erklärten der Kläger und die Klägerinnen unter Vorlage entsprechender Unterlagen in afghanischer bzw. englischer Sprache, sie seien mittlerweile zum Christentum konvertiert.

Daraufhin ist die mündliche Verhandlung ausgesetzt und dem Kläger und den Klägerinnen die Vorlage von Unterlagen aufgegeben worden, aus denen sich ergebe, welcher Kirche sie angehörten bzw. wann sie in diese Kirche eintreten wollten und wie diese Kirche als christliche Kirche einzuordnen sei. Zudem sollten sie nochmals dartun, ob davon sämtliche Familienmitglieder betroffen seien.

Mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 18. Juni 2004 legten der Kläger und die Klägerinnen zu 2., 4. und 5. Bescheinigungen der Persisch-Christlichen Gemeinde "Licht und Hoffnung" in Deutschland e. V. in ........ T/B. K. ( A.) über ihre am 5. Juni 2004 erfolgte Taufe auf das Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus sowie Bescheinigungen des Friedensrates des Volkes von Afghanistan in beglaubigten Übersetzungen aus der englischen Sprache vor, wonach sie christliche Mitglieder dieser Organisation seien.

Mit weiteren anwaltlichen Schriftsätzen vom 21. Juli 2004 haben sie mitgeteilt, sie seien zwischenzeitlich in die freikirchliche evangelische persische Gemeinde "Neuer Bund" neu aufgenommen worden, die zum freikirchlichen evangelischen Gemeindewerk in Deutschland e. V. gehöre und nur aus konvertierten Iranern bzw. Afghanen bestehe. Die Gemeinde lege Wert darauf, dass die Gemeindemitglieder zunächst die christlichen Grundsätze kennen lernten, erst dann werde eine Taufe vorgenommen.

Dazu haben sie ergänzend vorgetragen, zwar sei in § 2 der neuen afghanischen Verfassung geregelt, dass die Religion Afghanistans der Islam sei und die Anhänger anderer Religionen religiöse Freiheiten im Rahmen des Gesetzes genössen, dies bedeute jedoch lediglich, dass nach islamischer Auffassung eventuell noch die Mitglieder der anderen "Buchreligionen", nämlich Juden und Christen, toleriert würden, während Anhänger anderer Überzeugungen oder gar "Ketzer" und "Ungläubige" auch in Zukunft mit religiöser Verfolgung rechnen müssten. Bei der freikirchlichen evangelischen persischen Gemeinde "Neuer Bund" handele es sich jedoch um keine in Afghanistan anerkannte christliche Kirche, vielmehr werde sie für eine politische Gruppe gehalten, die dort selbstverständlich verboten sei. Zudem gelte in Afghanistan nach wie vor die Sharia, die für den Glaubenswechsel die Todesstrafe vorsehe, weil dieser als politischer Hochverrat angesehen werde.

Mit am 18. November 2004 "im schriftlichen Verfahren" erlassenen Urteilen - 5 E 4599 und 4600/03.A - hat das Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main unter Aufhebung der Bescheide des Bundesamtes vom 3. und 4. September 2003 und unter Abweisung der Klagen im Übrigen die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bezüglich der Klägerinnen und des Klägers für eine Abschiebung nach Afghanistan vorliegen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger und die Klägerinnen zu 2., 4. und 5. hätten durch Vorlage einer Bescheinigung der Persisch-Christlichen Gemeinde "Licht und Hoffnung" glaubhaft gemacht, dass sie am 5. Juni 2004 auf das Bekenntnis ihres Glaubens an Jesus Christus getauft worden seien. Sie seien somit heute Christen und hätten ihren moslemischen Glauben aufgegeben. Ausweislich der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22. April 2004 sei zwar zur tatsächlichen Situation von Konvertiten in Afghanistan wenig bekannt, da eine Konversion praktisch nicht vorkomme. In einem bekannten Fall, in dem sich ein Kommandant zum Christentum bekannt habe, sei dieser aber von der eigenen Familie und von Vertretern der konservativen Geistlichkeit offen bedroht worden. Auch sei eine offene Ausübung der Religion für Konvertiten in Afghanistan kaum möglich, da die Gefahr von Repressionen bestehe. Angesichts der derzeit in Afghanistan noch insgesamt labilen Lage bestünden dort nach Ansicht des Gerichts für zurückkehrende Konvertiten nicht abschätzbare Gefahren, die einer derzeitigen Abschiebung entgegenstünden. Dies möge anders sein, wenn sich die Situation in Afghanistan weiter stabilisiert habe. Bezüglich der übrigen Klägerinnen bestünden Abschiebungshindernisse, da sie minderjährig seien, ihrer Eltern bedürften und ohne sie nicht nach Afghanistan zurückkehren könnten.

Im Übrigen seien die Klagen abzuweisen. Den Klägerinnen und dem Kläger stünden weder Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) noch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 AuslG zu; das Gericht folge insoweit in vollem Umfang den Gründen der angefochtenen Bescheide.

Auf Antrag des Klägers und der Klägerinnen hat der Berichterstatter des Senats mit Beschlüssen vom 8. Dezember 2005 - 8 UZ 3721 und 3722/04.A - die Berufungen des Klägers und der Klägerinnen gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2004 zugelassen, weil die angefochtenen Urteile zu der Ablehnung der Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG - jetzt § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) - "nicht mit Gründen versehen" seien, denn das Verwaltungsgericht habe insoweit auf die Erwägungen der Ablehnungsbescheide vom 3. und 4. September 2003 Bezug genommen, in denen sich aber keine Ausführungen zu einer möglichen religiösen Verfolgung wegen der erst während des sich anschließenden Klageverfahrens im Jahre 2004 erfolgten Konversion zum Christentum fänden.

Der Kläger und die Klägerinnen haben nach Zustellung der Zulassungsbeschlüsse am 16. Dezember 2005 innerhalb der bis zum 15. Februar 2006 verlängerten Begründungsfrist ihre Berufungen - 8 UE 3140 und 3143/05.A - am 14. Februar 2006 unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens noch im Wesentlichen wie folgt begründet:

Sie seien nicht nur christlich getauft worden, sondern nach ihrer Mitgliedschaft in der persisch-christlichen Gemeinde "Licht und Hoffnung" in die freikirchliche evangelische persische Gemeinde "Neuer Bund" eingetreten, die zum freikirchlichen evangelischen Gemeindewerk in Deutschland e.V. gehöre und nur aus konvertierten Iranern bzw. Afghanen bestehe. Es sei unter den derzeitigen Umständen aber bereits zweifelhaft, ob in Afghanistan Christen als religiöse Minderheit anerkannt würden und ob sie ihre Religion mit nicht öffentlicher Wirkung praktizieren dürften. Etwas anderes gelte jedenfalls für evangelische Christen, die - wie sie - häufig einer Kirche mit Basis im Ausland angehörten, was den Verdacht der Spionage und der missionarischen Tätigkeit begründe. Zum christlichen Glauben übergetretene Muslime dürften in Afghanistan nicht nur durch staatliche Organe, sondern auch durch die radikal-islamischen Organisationen genauestens überwacht werden, da hier praktisch wieder nach der Sharia geurteilt werde. Oberster Richter Afghanistans sei der Richter S. gewesen, ein extremer Fundamentalist, der Richterposten mit ehemaligen Mudschaheddin besetzt habe. Die Konversion vom Islam zum Christentum werde in Afghanistan als Apostasie ("Abfall vom Glauben") angesehen und mit schwerster Bestrafung sanktioniert. Nach islamischem Verständnis stelle Apostasie einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem dar, der ggf. mit der Todesstrafe bedroht sei. Selbst wenn eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung verneint werde, seien für die Klägerinnen und den Kläger jedenfalls Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG festzustellen. Ihnen drohe auf Grund ihres Beitritts zu einer evangelischen Freikirche in Afghanistan landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Ihnen drohe nicht nur die Gefahr der Verurteilung zu einer langen Freiheitsstrafe oder gar zur Todesstrafe, sie müssten darüber hinaus mit Anschlägen auf ihr Leben durch radikal-islamische Gruppierungen und Organisationen rechnen.

Nach Verbindung ihrer Berufungsverfahren beantragen der Kläger und Klägerinnen,

unter Abänderung der angefochtenen Urteile des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2004 - 5 E 4599/03.A und 5 E 4600/03.A - das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägerinnen und dem Kläger bezüglich Afghanistan die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen.

Die Beklagte und der Beteiligte haben sich am Verfahren nicht beteiligt und keine Anträge gestellt.

Auf schriftliche Anfragen des Berichterstatters des Senats vom 30. März 2007 (vgl. Bd. I, Bl. 173 ff. der Streitakte) zu den Umständen der Konversion des Klägers und der Klägerinnen zum Christentum hat der A. der persisch-christlichen Gemeinde e.V. "Licht und Hoffnung" unter dem 5. April 2007 eine schriftliche Auskunft erteilt (Bd. II, Bl. 180 ff. der Streitakte), während die Pastorin M. M. der persischen Gemeinde "Neuer Bund" am 16. April 2007 lediglich eine telefonische Mitteilung gemacht hat (vgl. Vermerk des Berichterstatters, Bd. II, Bl. 193 der Streitakte); wegen des Inhalts wird auf die schriftliche Auskunft und den Telefonvermerk verwiesen.

Die Beteiligten sind zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung auf die Heranziehung der im Anhang aufgeführten Erkenntnismittel hingewiesen worden.

In der Sitzung am 12. Juli 2007 sind der Kläger und die Klägerinnen zu 2., 4. und 5. zu ihrer Konversion zum Christentum angehört und ist der Zeuge A. dazu vernommen worden; wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.

Neben den Streitakten beider Gerichtsverfahren haben dem Senat als Beiakten die den Kläger und die Klägerinnen betreffenden Asylakten des Bundesamtes sowie zusätzlich die den Sohn des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2., Herrn K.J., betreffende Asylakte (Az.: 2292142-423) vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Liste der eingeführten Erkenntnismittel

1. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom

3. November 2004 (Stand: Oktober 2004)

21. Juni 2005 (Stand: Mai 2005)

29. November 2005 (Stand: November 2005)

13. Juli 2006 (Stand: Mai 2006)

17. März 2007 (Stand: Februar 2007)

2. Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Hamburg vom 22. Dezember 2004

3. Gutachten Dr. M. Danesch an VG Braunschweig vom 13. Mai 2004

4. Zeitungsberichte - RP online vom 19. März 2006

"Afghane droht Todesstrafe - weil er Christ wurde"

- FR online vom 21. März 2006

"Christ droht Todesstrafe"

- FR vom 22. März 2006

"Berlin sorgt sich um Christen in Kabul"

"Brüche in Afghanistan"

"Religionswechsel umstritten"

- Die Zeit vom 30. März 2006

"Wer ist Abdul Rahman?"

- Der Spiegel vom 27. März 2006

"Zusammenprall der Welten"

- Der Spiegel vom 3. April 2006

"Ohne Ziel, ohne Halt"

- Das Parlament vom 3. April 2006

"Religionsfreiheit auf afghanisch"

Entscheidungsgründe:

Die zugelassenen Berufungen des Klägers und der Klägerinnen sind auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß § 124 a Abs. 6 und Abs. 3 Sätze 3 bis 5 VwGO nach Fristverlängerung form- und fristgerecht begründet worden.

Die auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2814), - AufenthG - beschränkten Berufungen sind jedoch nicht begründet, denn dem Kläger und den Klägerinnen steht nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl. I S. 1361), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354), - AsylVfG - maßgeblichen gegenwärtigen Sach- und Rechtslage Ansprüche auf Anerkennung als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) - GK - nicht zu.

Nach Überzeugung des Senats kann nach dem gesamten Vorbringen des Klägers und der Klägerinnen, der Aussagen des Zeugen A. und unter Berücksichtigung der sonstigen Erkenntnismittel nicht davon ausgegangen werden, dass ihnen bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit landesweit eine die Flüchtlingsanerkennung rechtfertigende Verfolgung droht.

Eine zur Anwendung des sogenannten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs führende Vorverfolgung lässt sich dem Vorbringen des Klägers und der Klägerinnen nicht entnehmen.

Das ergibt sich hinsichtlich der von der Klägerin zu 2. in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 21. November 2001 als Ausreiseanlass bezeichneten Bedrohung durch die Taliban als Folge einer Hausdurchsuchung schon daraus, dass nach deren Entmachtung Ende 2001 eine von ihnen ausgehende landesweite Verfolgungsgefährdung nicht mehr besteht, auch wenn in den östlichen, südöstlichen, südlichen und teilweise auch westlichen Landesteilen nach wie vor Kämpfe mit den Sicherheitskräften und auch im übrigen Land vereinzelte Terroranschläge und Entführungen stattfinden (vgl. u. a. Auswärtiges Amt [AA], Lagebericht vom 17. März 2007, Stand: Februar 2007, S. 4 f.).

Abgesehen davon sind die Angaben des Klägers und der Klägerin zu 2. zu ihrer angeblichen Vorverfolgung auch unter Berücksichtigung des Vortrags ihres damals fast 16-jährigen Sohnes K. in seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. November 1997 so ungenau, ungereimt und widersprüchlich, dass an ihrer Glaubwürdigkeit erhebliche Zweifel bestehen und sie jedenfalls eine ausreisebegründende berechtigte Verfolgungsfurcht nicht glaubhaft gemacht haben.

Die noch von der Klägerin herangezogene und vom Kläger als ihr Ausreiseanlass bestätigte Hausdurchsuchung durch die Taliban müsste angesichts der am 26. September 2001 angeblich ohne Rückkehr nach Hause erfolgten Ausreise der Klägerin in einer Zeit erfolgt sein, als sich die Taliban nach den Anschlägen vom 11. September 2001 schon heftigen Angriffen der Nordallianz und der USA mit ihren Verbündeten ausgesetzt sahen, so dass eine Verfolgung wegen des Besitzes kommunistischer Literatur und moderner Medien wenig wahrscheinlich erscheint. Zudem will der Kläger von den Taliban 1995 aus dem Staatsdienst entlassen und soll er nach den Angaben seines Sohnes im September/Oktober 1997 mindestens etwa einen Monat lang festgenommen worden sein, weil er ihnen keine Autos aus seinem Autogeschäft habe geben wollen, ohne dass dies den Kläger in den folgenden vier Jahren zur Ausreise veranlasst hätte. Zu einer Entlassung aus dem Staatsdienst und seinen angeblichen früheren DVPA-Aktivitäten hat der Sohn des Klägers dagegen nichts mitgeteilt, während umgekehrt der Kläger und die Klägerin die von ihrem Sohn geschilderte Festnahme des Klägers und die angeblich zur Ausreise des Sohnes im Oktober 1997 führende Bedrohung mit seiner Festnahme, Vergewaltigung und Erpressung der Eltern nicht erwähnt haben, obwohl dadurch die jeweils geschilderte Furcht vor Verfolgung durch die Taliban nachvollziehbarer und gewichtiger erschienen wäre.

Nachdem die Taliban im Zeitpunkt seiner Ausreise Ende März 2002 als quasi-staatliche Herrschaftsmacht endgültig entmachtet waren, hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 11. April 2002 nunmehr als Ausreisegrund eine angeblich zwei Monate vorher ausgestoßene Todesdrohung seitens einer Mudschaheddin-Gruppe in H. angeführt, obwohl er zuvor auf Nachfragen vorgetragen hatte, die Mudschaheddin hätten ihn nach ihrer Machtübernahme 1992 im Staatsdienst in der Grenzstadt T. belassen, weil er keinem etwas zu Leide getan habe, für sie nicht so wichtig gewesen sei und sie von seinen Werbeaktivitäten für die DVPA nichts gewusst hätten; trotzdem will er noch zur Zeit des Nadschibullah-Regimes, also vor April 1992, von einer Mudschaheddin-Gruppe "geschnappt" und geschlagen und von LKW-Fahrern, also in T., gerettet worden sein. Einen plausiblen Grund für diesen Angriff hat er allerdings nicht angegeben. Ausgerechnet diese Gruppe soll ihn dann etwa zehn Jahre später im meilenweit entfernten H. - wiederum ohne einen vom Kläger angegebenen Grund - mit dem Tode bedroht haben; das erscheint kaum nachvollziehbar.

Hinzu kommt, dass sein Sohn vorgetragen hat, ihre Familie sei auch noch unter den Mudschaheddin angesehen und sein Onkel sei Leibwächter sowie sein von den Taliban festgenommener Großvater sei ein Bekannter I. K. gewesen, also des fundamentalistisch-tadschikischen Mudschaheddin-Führers, der nach der Vertreibung der Taliban in H. wieder sein repressives autoritäres Regime übernommen und damit für relative Sicherheit und einen wirtschaftlichen Aufschwung gesorgt hatte (vgl. u.a. Hess. VGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - 8 UE 185/02.A - juris Rdnr. 94).

Danach erscheint der Teil der Angaben des Klägers glaubhafter, wonach er zunächst in Afghanistan geblieben sei, um seine Ländereien und sein gesamtes Hab und Gut zu verkaufen, und dann ausgereist sei, weil er mit seiner bereits seit längerer Zeit in Deutschland lebenden Familie habe zusammen sein wollen.

Selbst wenn der Kläger tatsächlich Mitglied des tadschikisch dominierten Parcham-Flügels der - im April 1992 bereits in "Watan" umbenannten - (kommunistischen) DVPA gewesen sein sollte, obwohl er in seiner Anhörung vor dem Bundesamt keine klaren Angaben zu dem Zeitraum seiner Mitgliedschaft machen konnte, erscheint angesichts seiner danach völlig untergeordneten und unauffälligen Stellung in der Partei ein daraus resultierendes Verfolgungsgeschehen vor seiner Ausreise ebenso wenig wahrscheinlich wie eine beachtliche Verfolgungsgefahr im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan. Nach der in ständiger Rechtsprechung vertretener Auffassung des Senats ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ehemaliger afghanischer DVPA-Mitglieder auch nach Entmachtung der Taliban nicht schon wegen der bloßen, einfachen Mitgliedschaft in DVPA, Geheimdienst, Militär oder sonstigen Regierungsstellen anzunehmen; bedroht sind danach nur solche DVPA-Mitglieder oder Regierungsmitarbeiter, die unter dem früheren kommunistischen Regime eine ranghohe Stellung eingenommen hatten, in dieser Tätigkeit deutlich und für einen größeren Personenkreis erkennbar nach außen getreten sind und durch die Ausübung ihrer Funktion - insbesondere im Militär und Geheimdienst - für die Tötung oder Verfolgung von Mudschaheddin verantwortlich gemacht werden könnten (vgl. u.a. Hess. VGH, Urteil vom 11. November 2004 - 8 UE 2759/01.A - juris m.w.N.).

Dafür, dass die Klägerin zu 2. als Lehrerin und Intellektuelle nicht nur gegen die Taliban, sondern auch gegen radikal-islamische Mudschaheddin-Gruppen aufgetreten ist, wie erstmals in der anwaltlichen Klagebegründung vom 6. Oktober 2003 behauptet wird, ergeben sich aus ihrer Anhörung vor dem Bundesamt keine Anhaltspunkte. Dort hat sie nach der Niederschrift lediglich pauschal und nach Obigem wenig überzeugend angegeben, auch unter den Mudschaheddin hätten sie sehr gelitten und ihr Ehemann, der Kläger, sei oft aufs Revier mitgenommen, verhört und geschlagen worden. Davon wiederum hat der Kläger selbst nicht berichtet, er hat vielmehr angegeben, er sei - abgesehen von dem einen (wenig glaubhaften) Vorfall - von den Mudschaheddin in Ruhe gelassen worden, weil er auch keinem von denen etwas angetan habe.

Nach dem somit zu Grunde zu legenden Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit kann eine erhebliche Verfolgungsgefährdung des Klägers und der Klägerinnen im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan auch im Übrigen nicht angenommen werden.

Da die Klägerinnen im Familienverband und nicht als alleinstehende Frauen ohne familiären, insbesondere männlichen Schutz nach Afghanistan zurückkehren würden (vgl. dazu Hess. VGH, Urteil vom 1. März 2006 - 8 UE 3766/04.A - juris Rdnrn. 43 ff.), besteht eine solche geschlechtsspezifische Verfolgungsgefahr gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG weder landesweit noch für ihre Heimatregion H., wo sich die Situation auch für Frauen seit der Amtsenthebung Ismail Khans als Provinzgouverneur im September 2004 ausgehend von einem niedrigen Niveau leicht gebessert hat und im Januar 2005 sogar eine Anlaufstelle für schutzsuchende Frauen eingerichtet worden ist. In der Region H. werden traditionell Mädchen und Frauen Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten zwar nicht verwehrt, sie werden aber in ihrer sonstigen Bewegungs- und Handlungsfreiheit auf Grund des traditionellen Verhaltenskodex stark eingeschränkt (vgl. AA, Lageberichte vom 29. November 2005, Stand: November 2005, S. 16, 29 f.; vom 13. Juli 2006, Stand: Mai 2006, S. 12, 21 f.; vom 17. März 2007, Stand: Februar 2007, S. 17 f.). Zu diesen Einschränkungen hat das Bundesamt in seinen Ablehnungsbescheiden vom 3. und 4. September 2003 in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung und unter Berufung auf gutachterliche Äußerungen zutreffend ausgeführt, der Umstand, dass Frauen in Afghanistan traditionell in vielen Bereichen benachteiligt würden, begründe noch keine Verfolgungsgefahr, weil die asylrechtliche - und damit auch die flüchtlingsrechtliche - Beurteilung nicht am weltanschaulichen Toleranz- und Neutralitätsgebot des Grundgesetzes gemessen werde könne, so dass es auch einem aus dem westlichen Ausland nach Afghanistan zurückkehrenden afghanischen Staatsangehörigen grundsätzlich zumutbar sei, die dort allgemein geltenden Vorschriften und herrschenden Wertvorstellungen zu beachten; zumindest für den Bereich der Hauptstadt Kabul bestehe bei Einhaltung dieser Regeln keine Gefährdungslage oder eine Gefahr von die Menschenwürde verletzenden Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1986 - 9 C 16/85 - BVerwGE 74 S. 31 [37] = juris Rdnr. 20; Hamb. OVG, Urteil vom 11. April 2003 - 1 Bf 104/01.A - juris Rdnrn. 25 - 29; Hess. VGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 - 8 UZ 452/06.A - Beschlussabdruck S. 9 ff.).

Dem Kläger und den Klägerinnen zu 2., 4. und 5. kann schließlich Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG auch nicht wegen ihres durch die Taufe am 5. Juni 2004 formal vollzogenen Glaubenswechsels vom Islam zum Christentum zuerkannt werden, denn dieser beruhte nach der aus dem gesamten Akteninhalt und der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2007 gewonnenen Überzeugung des Senats nicht auf einer ernsthaften, aus einem inneren Bedürfnis heraus erfolgten Gewissensentscheidung, sondern nur auf asyl- bzw. verfahrenstaktischen Erwägungen.

Das Erfordernis einer Prüfung der inneren, religiös-persönlichkeitsprägenden Beweggründe für einen in Deutschland vorgenommenen Glaubenswechsel vom Islam zum Christentum ergibt sich aus der Notwendigkeit der gerichtlichen Überzeugungsbildung über eine deshalb geltend gemachte religiöse Verfolgungsgefährdung. Denn nur wenn verlässlich festgestellt werden kann, dass eine Konversion auf einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne einer ernsthaften Gewissensentscheidung, auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung und nicht lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht, kann davon ausgegangen werden, dass ein Verschweigen, Verleugnen oder die Aufgabe der neuen Glaubenszugehörigkeit zur Vermeidung staatlicher oder nicht staatlicher Repressionen im Heimatland den Betroffenen grundsätzlich und in aller Regel unter Verletzung seiner Menschenwürde existenziell und in seiner sittlichen Person treffen und ihn in eine ausweglose Lage bringen würde und ihm deshalb nicht zugemutet werden kann (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2007 - 8 UZ 452/06.A - und - 8 UZ 1463/06.A - Beschlussabdrucke S. 8 bzw. S. 4 und die zu Grunde liegenden Urteile des VG Kassel vom 15. Dezember 2005 - 3 E 2960/03.A - Urteilsabdruck S. 14 und vom 4. Mai 2006 - 3 E 762/04 - Urteilsabdruck S. 8; zweifelnd: BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 1994 - 2 BvR 1426/91 - InfAuslR 1995 S. 210 f. = juris Rdnrn. 14 f.; vgl. aber auch: BVerwG; Urteile vom 18. Februar 1986 a.a.O. BVerwGE 74 S. 38 = juris Rdnr. 21 und vom 20. Januar 2004 - 1 C 9/03 - BVerwGE 120 S. 16 ff. = InfAuslR 2004 S. 319 ff. = NVwZ 2004 S. 1000 ff. = juris Rdnr. 12; Funke-Kaiser, in GK zum AsylVfG 1992, Stand: Februar 2007, Rdnr. 31 zu § 28). Nur bei einem in diesem Sinne ernsthaften Glaubenswechsel könnte das Gericht zu der Überzeugung gelangen, dass der schutzsuchende Ausländer bei einer Rückkehr in sein islamisches Heimatland von seiner neuen christlichen Glaubensüberzeugung nicht ablassen könnte (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2006 - 22 K 350/05.A - juris Rdnr. 63).

Bei einer geltend gemachten Verfolgungsgefährdung wegen eines in Deutschland erfolgten Glaubenswechsels entspricht diese Prüfung einer häufig zwar nicht näher begründeten, aber weit verbreiteten verwaltungsgerichtlichen Praxis (vgl. u.a. VG Ansbach, Urteil vom 29. März 2000 - AN 9 K 98.32719 - juris Rdnr. 32; VG Minden, Urteil vom 23. Mai 2005 - 9 K 5381/03.A - juris Rdnr. 49; VG Oldenburg, Urteil vom 3. August 2005 - 7 A 4142/03 - juris Kurztext, Orientierungssätze 2. und 3., Urteilsabdruck S. 5; VG Darmstadt, Urteil vom 10. November 2005 - 5 E 1749/03.A (4) - juris, Urteilsabdruck S. 7 f.; VG Kassel, Urteile vom 15. Dezember 2005 - 3 E 2960/03.A - Urteilsabdruck S.11 ff. und vom 4. Mai 2006 - 3 E 762/04.A - Urteilsabdruck S. 6 ff.; VG Düsseldorf, Urteile vom 15. August 2006 a.a.O. juris Rdnr. 61 f. und vom 29. August 2006 - 2 K 3001/06.A - juris Rdnr. 37 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 19. Oktober 2006 - A 6 K 10335/04 - juris Rdnr. 32; VG Meinigen, Urteil vom 10. Januar 2007 - 5 K 20256/03.Me - juris Rdnr. 30).

Eine solche Prüfung wäre nur dann entbehrlich, wenn der in Deutschland nur formal vollzogene Übertritt vom islamischen zum christlichen Glauben allein für sich im islamischen Heimatland des schutzsuchenden Ausländers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit selbst dann zu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen führen würde, wenn er dort seine christliche Glaubenszugehörigkeit verheimlichen, verleugnen oder aufgeben würde (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 1994 a.a.O. juris Rdnr. 14; BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2004 a.a.O. juris Rdnr. 10). Das würde aber nicht nur eine in diesem Sinne dort regelmäßig und mit hinreichender Dichte geübte Verfolgungspraxis, sondern auch voraussetzen, dass die allein in Deutschland stattgefundenen Geschehnisse den staatlichen Stellen oder maßgeblichen Gruppen im Heimatland des Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bekannt werden.

Weder dem klägerischen Vorbringen noch gerichtlichen Entscheidungen oder tatsächlichen Erkenntnissen lassen sich aber konkrete Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass eine derartige Verfolgungspraxis wegen eines im Ausland nur formal getätigten Religionswechsels in Afghanistan beachtlich wahrscheinlich sein könnte.

Zwar wird darüber berichtet, dass vom Islam zum Christentum übergetretene Konvertiten dort gezwungen seien, ihre Religion allenfalls im häuslichen Rahmen auszuüben, auch wenn Repressionen in städtischen Gebieten wegen der größeren Anonymität weniger zu befürchten seien als in Dorfgebieten (vgl. AA, Lagebericht vom 17. März 2007 S. 14 f.), dass sie sich sogar verstecken und ihren Glauben verheimlichen müssten (vgl. AA, Auskunft an VG Hamburg vom 22. Dezember 2004, unter Berufung auf Angaben der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission [AIHRC]) und dass für eine Konvertitin praktisch nicht einmal eine heimliche Glaubensausübung möglich sei (vgl. Gutachten Dr. Danesch an VG Braunschweig vom 13. Mai 2004 S. 2). Diese Auskünfte beziehen sich aber nur auf solche Gefährdungssituationen, die für zum Christentum konvertierte Afghanen dadurch entstehen, dass sie ihren neuen Glauben in ihrem Heimatland beibehalten und dort auch praktizieren. Das gilt auch für den zunächst einzigen nach Angaben der VN-Mission UNAMA (United Nations Assistance Mission for Afghanistan) bekannt gewordenen Fall eines Kommandanten, der sich, wie auch seine Frau, offen zum Christentum bekenne und laut UNAMA und Amnesty International Anfang 2003 von seiner eigenen Familie und Vertretern der konservativen Geistlichkeit offen bedroht worden sei (vgl. AA, Lagebericht vom 21. Juni 2005 S. 20).

Eine andere Beurteilung rechtfertigt selbst der weltweit beachtete Fall des - möglicherweise psychisch kranken - A R nicht, der 1990/91 in einem Flüchtlingslager in Pakistan bei einer christlichen Organisation gearbeitet und sich dort habe taufen lassen, nach seiner 2003 erfolgten freiwilligen Rückkehr aus Deutschland oder Belgien Mitte März 2006 nach einem familiären Sorgerechtsstreit in Kabul wegen Apostasie angezeigt und angeklagt und wegen der drohenden Todesstrafe nach internationalem Druck Ende März 2006 freigelassen und in Italien aufgenommen worden ist (vgl. u.a. AA, Lagebericht vom 13. Juli 2006 S. 19; Die Zeit vom 30. März 2006; Der Spiegel vom 27. März 2006 S. 116 ff. und vom 3. April 2006 S. 118 ff.). Er soll nämlich nach den Presseberichten ausweislich der Anzeige seiner Familie versucht haben, sie mit Gewalt zu missionieren (vgl. Der Spiegel vom 27. März 2006 S. 117), ein Angebot der Staatsanwaltschaft, die Anklage fallen zu lassen, wenn er wieder zum Islam zurückkehre, abgelehnt haben (vgl. RP-online vom 19. März 2006) und vor Gericht beteuert haben, lieber zu sterben als dem Christentum abzuschwören (vgl. FR-online vom 21. März 2006 und Die Zeit vom 30. März 2006).

Die danach entscheidungserhebliche Frage, ob die Konversion des Klägers und der Klägerinnen zu 2., 4. und 5. auf einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne eines ernst gemeinten religiösen Einstellungswandels mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung und nicht lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht, bedarf einer umfassenden und erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 1994 a.a.O. juris 2. Orientierungssatz). Dabei tragen der Kläger und die Klägerinnen die Darlegungs- und Beweislast für diese von ihnen als Verfolgungsgründe geltend gemachten und sich im Inland und in ihren persönlichen Bereich abspielenden Vorgänge (vgl. auch VG Darmstadt a.a.O.). Die Prüfung dieser inneren Tatsachen kann im Wege richterlicher Überzeugungsbildung im Einzelfall nur auf Grund einer wertenden Betrachtung nach außen erkennbarer Umstände und der Überzeugungskraft dazu abgegebener Erklärungen erfolgen, wie etwa zur Entwicklung des Kontaktes zu dem neuen Glauben, zur Glaubensbetätigung und zu Kenntnissen über die neuen Glaubensinhalte (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 - 8 UZ 452/06.A - Beschlussabdruck S. 9; Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, Rdnrn. 218 f. zu § 1).

Der Kläger und die Klägerinnen haben den Senat in ihrer persönlichen Anhörung am 12. Juli 2007 unter Berücksichtigung der anschließenden Zeugenaussage und des sonstigen Akteninhalts jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass ihrem in Deutschland durchgeführten Glaubensübertritt eine im obigen Sinne ernsthafte Gewissensentscheidung zu Grunde liegt. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass sie durch eine Verheimlichung, Verleugnung oder Aufgabe ihrer christlichen Glaubenszugehörigkeit als religiös geprägte Persönlichkeiten in ihrer Menschenwürde verletzt, in ähnlich schwerer Weise wie bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit oder die physische Freiheit in Mitleidenschaft gezogen würden und durch ihre religiöse Prägung bei einer Rückkehr nach Afghanistan deshalb in eine ausweglose Lage gerieten.

Für einen rein asyl- bzw. verfahrenstaktischen Glaubenswechsel sprechen schon der Zeitpunkt und der äußere Geschehensablauf, der zu der am 5. Juni 2004 durchgeführten Taufe des Klägers und der Klägerinnen zu 2., 4. und 5. in der persisch-christlichen Gemeinde e.V. "Licht und Hoffnung" in T./B. K. geführt hat.

Obwohl der Kläger in seiner Anhörung vor dem Senat am 12. Juli 2007 (erstmals) behauptet hat, sich schon in Afghanistan für das Christentum interessiert zu haben, haben er und die Klägerinnen nach ihrer Einreise Ende 2001/Anfang 2002 sich weder nach außen erkennbar um eine Hinwendung zum Christentum bemüht oder gar Kontakt mit einer christlichen Gemeinde aufgenommen noch in ihren Anhörungen vor dem Bundesamt im November 2001 bzw. April 2002 noch in ihren Klagebegründungen vom 6. Oktober 2003 ein Wort zu ihrer religiösen Entwicklung oder Einstellung verloren. Sie haben sich vielmehr ausschließlich auf die angebliche - von ihrem fast 16-jährigen Sohn in seinen Anhörung im November 1997 auch nicht andeutungsweise erwähnte - frühere Tätigkeit des Klägers als Staatsbediensteter unter dem Präsidenten Nadschibullah und seine frühere Mitgliedschaft in der DVPA berufen und eine Bescheinigung eines in Hamburg wohnhaften vormaligen "Präsidenten der 'Watan-Partei' in der Provinz H" vom 27. Oktober 2003 über seine aktive Mitgliedschaft vorgelegt, die - wie oben ausgeführt - wenig glaubhaft, jedenfalls aber unbedeutend war. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht etwa ein halbes Jahr später - zeitgleich mit den Terminsladungen - mit Beschluss vom 10. März 2004 den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, es sei nichts dafür ersichtlich, dass ihm heute wegen seiner über zwölf Jahre zurückliegenden Aktivitäten für die DVPA Verfolgungsmaßnahmen drohten. Er sei nach seinen eigenen Angaben kein derart exponiertes DVPA-Mitglied, dass er deshalb heute noch Racheaktionen befürchten müsse. Es fällt auf, dass der Kläger und die Klägerinnen - nach dem vorher seit ihrer etwa 2 bzw. 2 1/2 Jahre zurückliegenden Einreise keine entsprechenden Aktivitäten erkennbar geworden waren - nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung und nach der Zeugenaussage des Pastors A. ausgerechnet im März 2004, also gerade im Zeitpunkt der PKH-Ablehnung und Terminsladung mit ihrem im Wesentlichen aus 12 Lehrbriefen bestehenden Bibelfernkurs zur Vorbereitung ihrer Taufe begonnen haben.

Welche inneren Beweggründe sie demgegenüber zu diesem Schritt veranlasst haben könnten, haben sie nicht überzeugend deutlich gemacht. Dass sich der Kläger schon in Afghanistan für das Christentum interessiert und in Gießen christliche Literatur besessen und gelesen haben könnte, erscheint mangels konkreter Angaben und angesichts seiner zweijährigen Untätigkeit in Bezug auf eine Kontaktaufnahme zu einer christlichen Religionsgemeinschaften wenig glaubhaft und nicht überzeugend. Von einem erwachsenen Moslem, der etwa 40 bis 50 Jahre im islamischen Kulturkreis groß geworden ist und gelebt hat, kann aber erwartet werden, dass er seinen inneren religiösen Einstellungswandel, die dahin führenden Einflüsse und Überlegungen engagiert, differenziert und anschaulich in allen Einzelheiten schildern kann (vgl. auch VG Kassel, Urteile vom 15. Dezember 2005 und 4. Mai 2006 a.a.O.), zumal wenn er eine akademische Ausbildung absolviert hat und sich als Intellektueller versteht. Der Kläger und die Klägerinnen haben aber - ohne nähere Darlegung ihrer Motive - lediglich angegeben, zu der persisch-christlichen Gemeinde e.V. "Licht und Hoffnung" in B. K. über ihren Nachbarn in C-Stadt, Herrn H., Kontakt aufgenommen zu haben, der nach Angaben des Klägers seit 17 Jahren Christ gewesen sein soll, während der Kontakt nach Aussage des Zeugen A. im Zusammenhang mit einem von Herrn H. selbst absolvierten Bibelfernkurs hergestellt worden sei.

Schon diese Umstände der Kontaktaufnahme des Klägers und der Klägerinnen mit einer von ihrem Wohnort weit entfernten christlichen Gemeinde erwecken den Eindruck, dass es ihnen nicht um ein tiefes inneres Bedürfnis nach den christlichen Glaubensinhalten und der Teilnahme an der christlichen Gemeinschaft, sondern allein um die Verbesserung der Erfolgsaussichten ihrer laufenden und im Zeitpunkt dieser Kontaktaufnahme gerade seitens des Gerichts als aussichtslos angesehenen und terminierten Asylklageverfahren ging.

Dieser Eindruck wird auch durch die weitere Entwicklung verstärkt.

Entsprechend dem Konzept der persisch-christlichen Gemeinde e.V. "Licht und Hoffnung", das aus einem - nach der Aussage des Zeugen in Deutschland in rund 850 Exemplaren in persischer und ungefähr 1.200 Exemplaren in deutscher Sprache abgefassten und u.a. an Interessenten in Asylbewerberheimen verschickten - Flyer hervorgeht, fand der Anfang September 2004, also nach etwa einem halben Jahr beendete Bibelunterricht neben dem per Post zugesandten Bibelfernkurs nur durch Hausbesuche des Zeugen statt (nach dessen Aussage alle zwei bis drei Wochen, nach Angabe des Klägers alle zwei bis drei Monate). Der Kläger und die Klägerinnen trafen so nicht mit anderen Gemeindemitgliedern zusammen und waren nur anlässlich ihrer Taufe am 5. Juni 2004, die durch Fotos dokumentiert worden ist, in der Kirche in B. K. anwesend.

Dieses Konzept, das auf Mission und Betreuung, nicht aber auf ein eigenes christliches Gemeindeleben ausgerichtet ist, denn nach Taufvorbereitung und Taufe soll eine Hilfe zur Integration in schon bestehende Gemeinden gegeben werden, kann leicht zu einem nur asyltaktischen Glaubenswechsel genutzt werden, etwa vergleichbar der in der Presse erwähnten hamburgischen afghanisch-christlichen Kirchen, sog. Freichristlichen Gemeinden, die sich vor allem um Asylbewerber kümmern, ihnen sog. "Taufakten" und "übernatürliche Jüngerschaften" anbieten, um sie vor Abschiebung zu schützen (vgl. Die Zeit vom 22. März 2006; vgl. auch den Fall des VG Meiningen, Urteil vom 16. November 2006 - 8 K 20532/03.Me - juris Rdnrn. 3 und 15, das allerdings allein auf Grund der Vorlage eines Taufscheins und einer Stellungnahme der "Afghanischen freikirchlichen Gemeinschaft" in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde H.-A. angenommen hat, der in Deutschland drei Jahre nach Erhebung der Asylklage vorgenommene Glaubensübertritt eines afghanischen Staatsangehörigen beruhe auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel).

Entsprechend diesem Gesamteindruck haben der Kläger und die Klägerinnen erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am 18. Mai 2004 geltend gemacht, sie seien zum Christentum konvertiert, während ihr damit ebenfalls erstmals konfrontierter Verfahrensbevollmächtigter auf die erst bevorstehende Konversion hingewiesen und gemutmaßt hat, es handele sich wohl um eine katholische Kirche, obwohl die persisch-christliche Gemeinde e.V. "Licht und Hoffnung" sich nach der schriftlichen Auskunft des Zeugen vom 5. April 2007 als freikirchliche Gemeinde bzw. Mission versteht und ebenfalls dem Glaubensbekenntnis der Evangelischen Allianz folgt; auch diese Unsicherheit über die Konfessionszugehörigkeit ihrer Gemeinde spricht nicht für eine ernsthafte Zuwendung des Klägers und der Klägerinnen zur christlichen Glaubensgemeinschaft.

Dementsprechend haben sie ihre Taufbescheinigungen mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 18. Juni 2004 entgegen einer mit der Aussetzung der mündlichen Verhandlung verbundenen verwaltungsgerichtlichen Aufforderung ohne nähere Angaben dazu vorgelegt, unter welchen Voraussetzungen ihre Taufe in welche christliche Kirche erfolgt ist, denn dazu war die bloße Bezeichnung nicht ausreichend, und dazu, ob von der Taufe sämtliche Familienmitglieder betroffen waren.

Der Kläger und die Klägerinnen haben des weiteren in ihrer Anhörung vor dem Senat zwar zum Aufbau der Bibel, zur Leidensgeschichte Christi und zu christlichen Feiertagen wenn auch teilweise zögerlich, mit gegenseitiger Unterstützung und oft erst auf gerichtliche Nachfrage weitgehend zutreffende Angaben gemacht; ihr aus dem Akteninhalt, aus ihren Angaben und aus den Zeugenaussagen sich ergebendes Verhalten im Anschluss an ihre Taufe bestärkt aber dennoch die sich schon aus der Vorgeschichte ergebenden Zweifel an einer aus ihrem inneren Bedürfnis heraus erfolgten ernst gemeinten Zuwendung zum christlichen Glauben in einem solchen Maße, dass der Senat davon letztlich nicht überzeugt ist.

Obwohl sie mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 21. Juli 2004 mitgeteilt hatten, dass sie - entsprechend der Empfehlung des Zeugen - nunmehr neu in die freikirchliche evangelisch-persische Gemeinde "Neuer Bund" im N. in C-Stadt aufgenommen worden seien, und obwohl sie sich noch in ihrer Berufungsbegründung vom 14. Februar 2006 auf die besondere Gefährdung wegen ihrer Mitgliedschaft in dieser freikirchlich-evangelischen Gemeinde berufen haben, hat deren Pastorin M. auf eine Anfrage des Berichterstatters des Senats in einem Telefongespräch vom 16. April 2007 mitgeteilt, dass der Kläger und die Klägerinnen seit etwa zwei Jahren dort nicht mehr erschienen seien und ihr mitgeteilt hätten, "woanders hin", d.h. in eine andere Gemeinde gegangen zu sein. Nachdem sie auf die Mitteilung über den Inhalt dieses Gesprächs überhaupt nicht reagiert hatten, hat der Kläger auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2007 dann dazu erklärt, die Pastorin habe ihm vorgeworfen, er sei ein Agent des persischen Geheimdienstes, sie sollten besser wegbleiben. Sie gehörten jetzt keiner Gemeinde mehr an. Selbst wenn der etwas abenteuerlich klingende Vorwurf der Pastorin M. tatsächlich erhoben worden sein sollte, hätten sich der Kläger und die Klägerinnen aber eine andere ortsnahe christliche Gemeinde suchen und sich dieser anschließen können, denn nach Aussage des Zeugen gibt es in C-Stadt sogar eine weitere persische Gemeinde. Dass sie dies - auch entgegen dem Konzept der persisch-christlichen Gemeinde e.V. "Licht und Hoffnung" - nicht getan haben, deutet auf ein so erhebliches Desinteresse auch an der Betätigung ihrer angeblichen christlichen Glaubensüberzeugung hin, dass diese dem Senat insgesamt nicht glaubhaft erscheint.

Eine andere Einschätzung ihrer Glaubensbetätigung lässt sich trotz seiner weitgehend zutreffenden Darstellung des Ablaufs einer katholischen Messfeier auch nicht aus der vom Kläger in der Anhörung aufgestellten Behauptung herleiten, sie besuchten gelegentlich eine katholische Kirche in der Nachbarschaft. Es war ihnen nämlich nicht möglich, deren Namen, deren Anschrift oder den Namen des Pfarrers zu benennen, so dass sie auch insoweit ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen sind. Schließlich kann auch das gelegentliche Zusammensitzen mit ihrem Nachbarn, Herrn H., nicht als "Hauskirche" und als gemeinschaftliche Betätigung ihrer christlichen Glaubensüberzeugung angesehen werden.

Nach alledem haben der Kläger und die Klägerinnen zu 2., 4. und 5. den Senat nicht davon überzeugen können, dass ihr durch die Taufbescheinigungen dokumentierter Glaubenswechsel auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung beruht, so dass ihnen ein Verschweigen, Verleugnen oder die Aufgabe ihrer nur formalen Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan zur Vermeidung staatlicher oder nichtstaatlicher Repressionen zugemutet werden kann.

Da somit auch für die Klägerinnen zu 3. und 6. bis 8. keine Verfolgungsgefährdung wegen der in Afghanistan praktizierten Sippenhaft anzunehmen ist, steht auch ihnen ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu.

Die in den Ablehnungsbescheiden des Bundesamtes vom 3. und 4. September 2003 unter Nr. 4 des jeweiligen Entscheidungssatzes enthaltenen Abschiebungsandrohungen sind insoweit aufzuheben, als Afghanistan dort als Zielland angegeben worden ist, denn dem Kläger und den Klägerinnen ist in den angefochtenen Urteilen des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2004 rechtskräftig Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, jetzt § 60 Abs. 7 AufenthG für eine Abschiebung nach Afghanistan zuerkannt worden und nunmehr ist gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bei allen Abschiebungsverboten in der Androhung der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

Nach alledem sind die Berufungen mit dieser Maßgabe mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 3 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage der gerichtlichen Prüfungspflicht für den Fall einer in Deutschland erfolgten Konversion zum Christentum und einer daraus hergeleiteten Verfolgungsgefährdung im islamischen Heimatland zugelassen.

Ende der Entscheidung

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