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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 8 UE 3339/04.A
Rechtsgebiete: Richtlinie 2004/83/EG, GG, AufenthG


Vorschriften:

Richtlinie 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1b
Richtlinie 2004/83/EG Art. 38 Abs. 1
GG Art. 16a Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 1
1. Die Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) ist nach Ablauf der Umsetzungsfrist in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht. Art. 10 Abs. 1 b) dieser Richtlinie erweitert den asyl- und aufenthaltsrechtlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit auf die Religionsausübung in der Öffentlichkeit.

2. Im übrigen Einzelfall einer nicht vorverfolgten Protestantin aus China, die wegen öffentlich wahrnehmbarer religiöser Aktivitäten in einer protestantlichen Freikirche in Deutschland bei einer Rückkehr nach China politische Verfolgung aus religiösen Gründen zu erwarten hat.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UE 3339/04.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtliche Richterin Setton, ehrenamtliche Richterin Albert ohne weitere mündliche Verhandlung am 12. Juli 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 4. Dezember 2003 - 2 E 160/02.A (1) - und des die Klägerin betreffenden Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. Januar 2002 verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die am ... 1974 in Z geborene ledige Klägerin ist chinesische Staatsangehörige und protestantische Christin. Sie verließ ihr Heimatland am 25. Februar 2001 auf dem Luftweg und reiste am selben Tage mit einem am 1. August 2000 ausgestellten gültigen chinesischen Reisepass und einem im Dezember 2000 vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in S ausgestellten Besuchervisum über den Flughafen B-Stadt ins Bundesgebiet ein.

Mit Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 21. März 2001 zeigte die Klägerin dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ihre Absicht an, einen Asylantrag zu stellen. Sie werde als evangelische Christin aufgrund ihres Glaubens in China verfolgt. Der Pastor ihrer Kirchengemeinde, Herr K Y H, sei in der Zwischenzeit untergetaucht. Sie selbst sei in W Lehrerin an einer staatlichen Schule gewesen. Diesen Posten habe sie verloren, weil sie evangelische Christin sei. Dies sei in der Weise geschehen, dass sie zum Schulleiter zitiert worden sei, der ihr eröffnet habe, dass sie aufgrund ihres evangelischen Glaubens ihre Tätigkeit als Lehrerin an der staatlichen Schule aufgeben müsse. Dies habe sich am 25. September 2000 ereignet. Ihren Glauben habe sie in China durch Bibellektüre und regelmäßigen Gottesdienstbesuch bis Mai 1999 praktiziert. Danach sei die Kirche durch staatliche Behörden- und Parteiorganisationen geschlossen und die Ausübung des evangelischen Ritus untersagt worden. Sie habe dann wie die übrige christliche Bevölkerung ihren evangelischen Glauben im Untergrund ausgeübt, man habe sich privat im Kreise von Glaubensgenossen getroffen und den Gottesdienst geheim gefeiert. Die evangelischen Christen hätten aber auch in der Zurückgezogenheit des Privaten ihren Glauben nicht ausüben können. Vielmehr seien seitens der staatlichen Autoritäten Kontrollen durchgeführt worden. Sie selbst sei in eine dieser Kontrollen geraten und auf der Stelle festgenommen worden. Ihr sei eröffnet worden, dass es verboten sei, den christlichen Glauben auszuüben. Dies gelte auch für den privaten Bereich. Gegen Zahlung einer Geldstrafe sei sie wieder auf freien Fuß gesetzt worden, sie habe sich aber nicht davon abhalten lassen, den christlichen Glauben weiterhin im Privatbereich auszuüben, und sei in der Folgezeit glücklicherweise dabei nicht von staatlichen Stellen ertappt worden. Den Lehrerberuf habe sie aufgeben müssen und habe sich seither als Sekretärin in einem privaten Unternehmen durchgeschlagen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 21. März 2001 (Bl. 9 f. der die Klägerin betreffenden Beiakten des Bundesamts) Bezug genommen.

Bei einer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 12. April 2001 erklärte die Klägerin im wesentlichen Folgendes: Ihre Eltern und zwei jüngere Brüder lebten gemeinsam in China. Ihr Vater betreibe dort ein kleines Warenhaus. Angehörige außerhalb Chinas habe sie nicht. Von 1996 bis 1999 habe sie an der Pädagogischen Fachhochschule der Provinz Z nebenberuflich Geographie studiert. Seit 1993 sei sie Lehrerin für Chinesisch an der Staatlichen Schule L in W gewesen. Nach ihrer Zusatzausbildung in Geographie habe sie beide Fächer in derselben Schule unterrichtet und habe monatlich - je nach Prämie - zwischen 1000 und 2000 Yuan verdient. Am 25. Februar 2001 sei sie von S aus nach B-Stadt geflogen und dort um 17.00 Uhr eingetroffen. Eine Nacht sei sie von der Grenzpolizei festgehalten worden und habe dann zu Freunden nach Nordhausen fahren können. Nachdem sie in der Zeitung von einer Rechtsanwaltskanzlei gelesen habe, habe sie dort angerufen und ihren Fall geschildert. Bei dieser Gelegenheit habe sie erfahren, dass sie einen Asylantrag stellen könne, was sie dann am 29. März 2001 auch getan habe. Wegen des Berufsverbots verweise sie auf das zitierte Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten. Ihre Verhaftung habe Ende Oktober 1999 stattgefunden. Anlässlich eines Gottesdienstes seien sie und andere Gläubige festgenommen worden. Ihr Vater sei um sie besorgt gewesen und habe seine Beziehungen eingesetzt. Durch Hinterlegung von 5000 Yuan als Geldstrafe habe er erreicht, dass sie allein in eine Zelle eingesperrt worden sei. Dort habe sie eine Nacht bleiben müssen und sei am nächsten Tag frei gekommen. Die anderen Inhaftierten seien noch im Gefängnis geblieben und misshandelt worden. Während der Inhaftierung habe sie keine Nahrung erhalten und infolge von Schock und Kälte eine Grippe mit hohem Fieber davongetragen. Ihr Vater habe einen Bekannten aufgesucht, der bei der Regierung arbeitet. Über ihn habe man Verbindungen zur Polizei aufnehmen wollen, um zu erreichen, dass die Polizei mit ihm die Sache regele. Welche Funktionen der Bekannte ihres Vaters ausübe, wisse sie nicht genau. Während ihrer Inhaftierung sei sie nicht geschlagen worden. Auf dem Weg zum Polizeirevier sei sie befragt worden. Die Routinebefragung sei noch im Gange gewesen, als ihr Vater gekommen sei, um die Sache mit der Strafe zu regeln. Nach ihrer Freilassung sei sie in der Schule von der Schulleitung zur Rede gestellt und auch in der wöchentlich stattfindenden Lehrerkonferenz von der Schulleitung öffentlich angegriffen worden. Sie sei damals Mitglied im Jugendverband der Kommunistischen Partei gewesen und habe einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei gestellt. Die Schulleitung habe sie zwingen wollen, ihren Glauben aufzugeben, weil sie sonst nicht in die Partei aufgenommen werden könne. Sie habe öffentlich Selbstkritik vor der Lehrerschaft und in der Schulversammlung üben sollen. Am 24. September 2000 habe wieder eine Razzia in der Kirche stattgefunden. Sie sei nicht verhaftet, aber am nächsten Tag von der Schulleitung entlassen worden, weil sie wiederum an einem Gottesdienst teilgenommen hätte. Davon habe die Schulleitung erfahren. Die Entlassung sei mit der Begründung erfolgt, sie sei unbelehrbar. Man habe ihr gesagt, sie dürfe nicht mehr unterrichten und sei suspendiert. Sie habe auch kein Gehalt mehr bekommen. Nach außen sei es keine Kündigung gewesen, aber eine endgültige Lösung des Falles sei bislang nicht erfolgt. Es gebe ein Gesetz, wonach ein Lehrer, der einen Monat nicht in der Schule anwesend sei, automatisch als entlassen gelte. Zum christlichen Glauben sei sie dadurch gekommen, dass sie als Kind von einer Tante in den Gottesdienst mitgenommen worden sei. Ab September 1998 habe sie sich intensiver mit der Kirche beschäftigt. Im März 1999 sei sie in die Gemeinde aufgenommen worden und habe dann regelmäßig an Gottesdiensten in der Kirche teilgenommen. Man habe kein Kreuz vor dem Gebäude aufstellen dürfen. Zur katholischen Kirche hätten sie kein gutes Verhältnis gehabt. Man habe sich nicht vertragen. Die Protestanten glaubten an Jesus und die katholische Kirche an die Gottesmutter Maria. In ihrem Ort seien die meisten Einwohner evangelisch. In dem kleinen Ort L gebe es nur evangelische Christen, in der Umgebung gebe es aber auch Katholiken. Wie viele Einwohner der Ort habe, sei ihr nicht bekannt. Politisch habe sie sich nicht betätigt. Wie der Leiter der Kirche in der Provinz heiße, wisse sie nicht. Sie kenne nur den Leiter der Kirche in der Stadt. Wegen weiterer Einzelheiten der Anhörung der Klägerin durch das Bundesamt wird auf die Niederschrift vom 29. März 2001 (Band I, Bl. 20 ff. der Beiakten des Bundesamtes) Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 15. Januar 2002 - -, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Klägerin ab, es stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; für den Fall des bestandskräftigen Abschlusses des Anerkennungsverfahrens drohte die Behörde der Klägerin die Abschiebung in die Volksrepublik China an. Der Bescheid wurde der Bevollmächtigten der Klägerin am 16. Januar 2002 zugestellt.

Am 29. Januar 2002 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat sie behauptet, sie sei in China wegen ihrer Religionszugehörigkeit politisch verfolgt worden und müsse bei einer Rückkehr weitere Verfolgungsmaßnahmen fürchten. Sie hat sich dabei auf eine Reihe als Kopien der Originale und in Übersetzung vorgelegter Dokumente berufen, darunter eine Mitteilung über eine Anordnung des Religionsamts der Nationalitäten des Kreises W vom 14. Februar 2003 (Band I, Bl. 114 f. GA), eine Mitteilung der Kommission für Bildungswesen des Kreises W vom 15. März 2001 über den Ausschluss der Klägerin aus dem Dienstverhältnis als Lehrerin (Band I, Bl. 116 f. GA) und einen Haftbefehl des Amts für öffentliche Sicherheit der Stadt R vom 13. April 2001 (Band I, Bl. 118 f. GA).

Im Rahmen einer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden am 4. Dezember 2003 hat die Klägerin ihr tatsächliches Vorbringen ergänzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Sitzung (Band I, Bl. 138 ff. GA) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat die Klage mit der Bevollmächtigten der Klägerin am 15. Dezember 2003 zugestelltem Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2003 abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihr Heimatland nicht aufgrund politischer Verfolgung verlassen. Zwar habe sie an verbotenen Gottesdiensten teilgenommen, was den Heimatbehörden bekannt gewesen sei. Jedoch sei sie im Unterschied zu anderen Christen nicht festgenommen worden, was darauf schließen lasse, dass die Polizei kein Verfolgungsinteresse gehabt habe. Dafür spreche auch, dass sie ihr Heimatland mit ihrem eigenen Reisepass über einen offiziellen Grenzübergang habe verlassen können. Dass die Klägerin im Hinblick auf ihre Religionsausübung von ihrer Lehrtätigkeit suspendiert worden sei, stelle keine asylrelevante Verfolgung dar, weil keine Anhaltspunkte dafür sprächen, dass ihr dadurch ihre Lebensgrundlage vollständig entzogen worden sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer durch den Berichterstatter mit Beschluss vom 2. November 2004 zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und behauptet unter Vorlage einer Erklärung des Pastors A. vom 1. Dezember 2004 (Band II, Bl. 220 f. GA), der Prediger K H, Verantwortlicher der Hauskirche der Klägerin, sei in China verhaftet worden, nachdem er wie die Klägerin nach der polizeilichen Durchsuchung am 24. September 2000 zunächst untergetaucht sei. Nach Ermittlungen zu diesem Vorfall habe die Polizei den in erster Instanz vorgelegten Haftbefehl vom 13. April 2001 gegen die Klägerin erlassen, dessen Kopie der Rechtsanwalt des Pastors H in den Strafakten vorgefunden habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze ihrer Bevollmächtigten vom 8. Dezember 2004 und vom 30. Juni 2005 sowie auf die mit diesen Schriftsätzen vorgelegten Dokumente verwiesen.

Die Klägerin beantragt (Bd. II, Bl. 278; Bd. III, Bl. 417 GA),

das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 4. Dezember 2003 und des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. Januar 2002 zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 15. Januar 2002 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt.

In der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2005 ist die Klägerin informatorisch gehört und Herr A. alias Z L als Zeuge vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der informatorischen Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 13. Juli 2005 Bezug genommen.

Aufgrund eines in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beweisbeschlusses, der in der Folgezeit mehrfach abgeändert worden ist, hat sich der Senat bemüht, sachverständige Auskünfte über die Echtheit der von der Klägerin im Asylverfahren vorgelegten chinesischen Urkunden zu erhalten. Das zunächst um Auskunft gebetene Auswärtige Amt hat mit Schreiben vom 23 August 2005 (Band II Blatt 295 GA) erklärt, nach Mitteilung des Deutschen Generalkonsulats in Shanghai könnten die erbetenen Informationen nicht ohne Offenlegung der Identität der Klägerin gegenüber staatlichen Stellen in China ermittelt werden. Nachdem daraufhin die Klägerin mit Rücksicht auf ihre noch in China lebenden Angehörigen ihre Zustimmung zur Bekanntgabe ihrer Personalien gegenüber chinesischen Behörden nicht erteilt hatte, hat der Senat auf ihre Anregung mit Beschluss vom 18. November 2005 (Band II Blatt 314 f.) die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte Deutsche Sektion e.V. um Auskunft über die Echtheit der vorgelegten Urkunden gebeten, deren Erteilung nach mehrfachem Mahnungen letztlich mit Schreiben vom 16. November 2006 (Band II Blatt 359 f.) unter Hinweis auf das Fehlen geeigneter Sachverständiger abgelehnt worden ist. Ein durch den Berichterstatter mit Schreiben vom 20. Juli 2005 von Amts wegen an das CHINA-Zentrum e.V. gerichtetes Auskunftsersuchen (Band II Blatt 287 GA) ist mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 (Band II Blatt 326 GA) beantwortet worden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung erklärt. Die Klägerin hat im Zusammenhang mit ihrer Einverständniserklärung ihr Vorbringen ergänzt und macht geltend, als Mitbegründerin und aktive Mitarbeiterin der im Januar 2006 gegründeten "B of L C C in Frankfurt e.V." im Falle einer Rückkehr nach China auch wegen dieser religiösen Betätigung im Ausland mit staatlichen Repressalien rechnen zu müssen, zumal diese Kirchengemeinde auf einer Internetseite auch ihren Namen mit Foto veröffentlicht habe. Die Klägerin beruft sich auf die Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie), deren Regelungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bei der Asylanerkennung nach Artikel 16a GG und für die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu beachten seien. Wegen weiterer Einzelheiten ihres ergänzenden Vorbringens wird auf die Schriftsätze ihrer Bevollmächtigten vom 20. Dezember 2006 (Band III Blatt 376 ff. GA) und vom 23. März 2007 (Band III Blatt 404 ff. GA) sowie die darin bezeichneten Anlagen Bezug genommen.

Das Auswärtige Amt hat auf Anfrage des Berichterstatters mit Schreiben vom 1. März 2007 (Band III Blatt 399 GA) mitgeteilt, ihm lägen keine Informationen zur Tätigkeit von "B of L C C" in China vor.

Dem Senat liegen die die Klägerin und den vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 25. Februar 1998 - 2281254-479 - unter dem chinesischen Namen Z L als asylberechtigt anerkannten Zeugen A. betreffenden Akten des Bundesamtes vor.

Dem Senat liegen ferner zur Situation der Christen in China folgende noch aktuelle Erkenntnisquellen vor, auf die die Beteiligten mit Schreiben vom 6. Juli 2005 hingewiesen worden sind:

Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 27. Mai 2003 (Volksrepublik China, Lageübersicht mit Schwerpunkt Tibet);

FAZ vom 21. November 2003 ("Kirchen geschlossen");

taz vom 4. Dezember 2003 (Christen in China/Zwei Verhaftungen);

Frankfurter Rundschau vom 17. März 2004 (Christliche Chinesen vor Gericht);

FAZ vom 26. Februar 2004 (Verhaftung zweier Christen in der Provinz Zhejiang);

Auswärtiges Amt, Lagebericht China vom 25. Oktober 2004;

amnesty international, Auskunft an VG Bremen vom 19. April 2005.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung kann ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO). Dabei ist der Senat anders besetzt als in der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2005, weil die beiden damals herangezogenen ehrenamtlichen Richter dem Senat seit dem Ablauf ihrer Amtszeit Ende Dezember 2006 nicht mehr angehören.

Die zugelassene Berufung, die die Klägerin nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses vom 2. November 2004 - 8 UZ 26/04.A - am 10. November 2004 mit dem am 9. Dezember 2004 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 8. Dezember 2004 innerhalb der Monatsfrist ordnungsgemäß begründet hat (§ 124a Abs. 3 Satz 4, Abs. 6 VwGO; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Bestimmung bzw. zur Anwendbarkeit der Vorgängervorschrift in § 124a Abs. 3 VwGO a. F. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1998 - 9 C 34.97 - [Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 1]; Hess. VGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 UE 3402/97.A - [ESVGH 48, 136, 137 f.]; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. Rdnr. 66 ff. zu § 124 a VwGO m. w. N.), ist zulässig.

Die Berufung ist begründet, denn entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG anzuerkennen und gemäß § 31 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl. I S. 1361), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12. August 2005 (BGBl. I Seite 2354), festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union vom 7. Dezember 2006 (BGBl I S. 2814), vorliegen.

Es ist sehr zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen, ob die Klägerin ihr Heimatland im Jahre 2001 als politisch Verfolgte verlassen hat und deswegen auf sie der "herabgestufte" Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen ist mit der Folge, dass sie schon dann als Asylberechtigte und als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anzuerkennen ist, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ohne wesentliche Änderung fortbestehen (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, BVerfGE 80, 315 [345]; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1995 - 9 C 279.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 176 = NVwZ 1996, 82 [83]; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., Rdnr. 6 zu § 60 AufenthG m.w.N.).

Was die behauptete Vorverfolgung angeht, ist unter Berücksichtigung des Ergebnisses der informatorischen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts davon auszugehen, dass sie, die damals als Lehrerin an einer staatlichen Schule beschäftigt war, ab September 1998 intensiveren Kontakt mit der protestantischen Kirche aufgenommen hat und im März 1999 in die Kirchengemeinde in L aufgenommen worden ist. Nach dem Ergebnis der ergänzenden informatorischen Anhörung der Klägerin und der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat handelte es sich dabei nicht um eine offiziell registrierte Gemeinde z. B. des protestantischen Chinesischen Christlichen Rats der Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung, sondern um eine nicht registrierte sogenannte Hauskirche (vgl. dazu Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 25. Oktober 2004, Seite 21; amnesty international vom 19. April 2005, Seite 1 f.). Das Auswärtige Amt schätzt, dass die Zahl der Untergrundprotestanten in China die Zahl der offiziell registrierten Protestanten deutlich - etwa um das Fünffache - übersteigt. In früheren Lageberichten wurde die Gesamtzahl der in China registrierten Protestanten mit insgesamt 10 Millionen (im Jahre 2000) und die Zahl der nicht registrierten Christen in sogenannten Hauskirchen mit 30 Millionen angegeben. Nach der Darstellung der Klägerin bei der informatorischen Anhörung durch das Verwaltungsgericht hat die Regierung im Mai 1999 angeordnet, die Kirchen zu schließen, so dass dort auch keine Veranstaltungen mehr durchgeführt werden konnten (Band I Bl. 133 GA). Man habe dann Hausgottesdienste in Privathäusern veranstaltet (Bl. 10 BA, Bl. 133 GA). Bei einem dieser Gottesdienste sei sie Ende Oktober 1999 mit anderen protestantischen Christen festgenommen worden, im Unterschied zu den übrigen Inhaftierten jedoch auf Intervention ihres Vaters und Zahlung einer Geldstrafe nach einer im Gefängnis verbrachten Nacht wieder freigelassen worden (Bl. 26 BA). Eine weitere behördliche Kontrolle eines Hausgottesdienstes in einem Privathaus in L habe am 24. September 2000 stattgefunden (Bl. 133 GA). Durch einen Wachmann gewarnt, habe man sich entschlossen, den Ort zu verlassen und durch einen Hinterausgang zu fliehen. Sie sei damals nicht festgenommen worden, man habe sie aber auf der Flucht erkannt. Eine zunächst mit ihr geflohene Glaubensschwester, die schwanger gewesen sei, sei bei dieser Gelegenheit festgenommen und im Gefängnis geschlagen worden mit der Folge, dass sie eine Fehlgeburt erlitten habe. Sie selbst sei am folgenden Tag zur Schulleitung zitiert und vom Dienst suspendiert worden. Sie habe aufgrund dieser Situation ihren Heimatort verlassen und in Hangzhou, ihrem früheren Studienort, eine Tätigkeit als Schreibkraft bei einer privaten Firma angenommen. Ihre Religionszugehörigkeit habe sie in Hangzhou niemandem offenbart. Nachdem sie in Hangzhou von einer Person aus ihrem Heimatort gesehen worden sei, habe sie Angst gehabt, verraten zu werden. Bereits vor dem 24. September 2000 habe sie ein Freund aus Deutschland eingeladen. Als sie das Besuchervisum beantragt habe, habe sie China nicht unbedingt verlassen wollen. Dieser Entschluss sei erst nach Erhalt des Visums, das am 29. Dezember 2000 ausgestellt worden sei, gefasst worden.

Bei der informatorischen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie die knapp drei Monate zwischen dem geschilderten Vorfall in Hangzhou und ihrer Ausreise nach Deutschland wie folgt dargestellt: Anfang November 2000 sei sie nach Shanghai gereist und habe dort von ihren Ersparnissen und dem Erlös von Gelegenheitsarbeiten gelebt, die sonst keiner machen wolle und für deren Erledigung man keinen Personalausweis vorlegen müsse. In Shanghai habe sie keinen festen Wohnsitz gehabt, sondern habe mit den jeweiligen Arbeitgebern vereinbart, dass sie von ihnen einen Schlafplatz gestellt bekam. Im Hotel habe sie nicht wohnen können, weil man da seinen Namen angeben müsse. Auch auf der Straße habe sie sich nicht aufhalten können, weil sie da aufgefallen wäre. Während ihres Aufenthalts in Shanghai habe sie von einem Freund, der damals in Bonn gelebt habe und selbst Protestant sei, eine persönliche Einladung nach Deutschland und ein Flugticket erhalten, das sie selbst in einem Reisebüro habe abholen können. Der Freund habe es dort gebucht. Es habe sich um ein Rückflugticket gehandelt. Die Einladung und einen Krankenversicherungsnachweis sowie eine persönliche Bürgschaft des Freundes habe sie Ende Januar oder im Februar 2001 bei dem Deutschen Generalkonsulat in Shanghai vorgelegt, um ein Besuchervisum zu erhalten. Wenn in den Akten vom 29. Dezember 2000 als Antragsdatum beim Generalkonsulat die Rede sei, beruhe dies auf einem Missverständnis, weil sie sich da nach dem chinesischen Kalender orientiert habe. Einige Tage nach der Antragstellung habe sie ihren Reisepass mit Visum persönlich beim Generalkonsulat abgeholt und habe mit dem Visum die Möglichkeit gehabt, 2000 US-Dollar an Devisen zu erhalten. Die Hälfte davon habe sie in D-Mark eingetauscht, die andere Hälfte habe sie einem Bekannten zukommen lassen, der mithilfe ihres Reisepasses dieses Geld getauscht habe. Am 25. Februar 2001 sei sie dann mit einem Flugzeug der Air China direkt von Shanghai nach B-Stadt geflogen, nachdem sie bei der Grenzkontrolle am Flughafen Shanghai ihren Reisepass und ein Ausreiseformular sowie das Flugticket vorgelegt habe. In dem Ausreiseformular habe sie falsche Angaben zu ihrer Adresse und ihrer Telefonnummer gemacht. Ob die von ihr angegebenen Daten in ein Datensystem eingegeben worden seien, könne sie nicht sagen. Die Grenzkontrolle sei so abgelaufen, dass die genannten Papiere einem Grenzbeamten vorgelegt worden seien, der sie angeschaut habe. Dann habe man weitergehen können. Bei ihrer Ausreise aus China habe sie noch nicht die Absicht gehabt, einen Asylantrag zu stellen. Diesen Antrag habe sie erst gestellt, als sie durch eine Zeitungsannonce erfahren habe, dass ein Anwaltsbüro ihr helfen könne. Dies sei das Büro gewesen, das sie zunächst im Asylverfahren vertreten habe.

Diese Angaben der Klägerin zur Frage ihrer Vorverfolgung hält der Senat trotz einiger Ungereimtheiten in ihrem Vortrag bei beiden informatorischen Anhörungen für im Kern glaubhaft. Zwar ist es beispielsweise schwer verständlich, dass die Klägerin einerseits behauptet hat, eine Zusatzausbildung als Geographielehrerin absolviert zu haben und in dieser Funktion auch tätig geworden zu sein, dass sie andererseits aber zu den Einwohnerzahlen der Städte Hangzhou und Shanghai nichts zu sagen wusste; insoweit hat sie angegeben, sie wisse nur, "dass in Shanghai sehr viele Leute leben". Nicht leicht nachvollziehbar sind auch ihre Angaben zur planmäßigen Verleugnung ihrer wahren Identität während ihrer Aufenthalte in Hangzhou und Shanghai, wenn man andererseits berücksichtigt, dass die Klägerin nach ihrer Darstellung den äußerst riskanten Ausreiseweg über einen offiziellen Grenzkontrollpunkt am Flughafen Shanghai gewählt, dabei ihren echten Reisepass mit richtigem Namen vorgelegt und zur Ausreise ein chinesisches Flugzeug benutzt hat, nachdem sie zuvor schon unter Vorlage ihres echten Reisepasses Devisen eingetauscht hatte bzw. hatte eintauschen lassen, was nach den in China herrschenden Verhältnissen kaum ohne staatliche Kontrolle möglich gewesen sein dürfte.

Gleichwohl erscheint ihr Vorbringen zu den Folgen ihrer religiösen Betätigung in L dem Senat im Wesentlichen glaubhaft, zumal es mit der vorhandenen Quellenlage vereinbar ist und insbesondere durch den Zeugen A. bei seiner Vernehmung als Zeuge in der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2005 bestätigt worden ist. Herr A. hat bekundet, er habe zwar die Klägerin in China noch nicht gekannt, er hat aber aus eigener Kenntnis bestätigt, dass damals - gemeint ist die Zeit der Ausreise der Klägerin aus China - viele Kirchen zerstört und verbrannt wurden in dieser Gegend (W). Die zerstörten Kirchen seien nicht Kirchen im europäischen Sinne gewesen, sondern geräumige Häuser, die von mehreren Gläubigen gemeinsam finanziert und der Gemeinde zur Verfügung gestellt worden seien. Er habe inzwischen den Kontakt zu dem von der Klägerin erwähnten Pastor H verloren. Bei seiner Vernehmung als Zeuge hat sich Herr A. ausdrücklich auf seine schriftliche Erklärung vom 1. Dezember 2004 (Band II Bl. 220 GA) bezogen, in der er ebenfalls von diesen Vorfällen berichtet hat. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage ist nicht zu zweifeln, zumal er bei seiner Vernehmung betont jeden Eindruck vermieden hat, die Klägerin sei in China oder inzwischen in B-Stadt ein wichtiges Mitglied der von ihm angesprochenen religiösen Gemeinschaften. Unter diesen Umständen kann die schriftliche Erklärung des Zeugen vom 1. Dezember 2004 nicht als Gefälligkeitsattest gewertet werden, zumal er in der mündlichen Verhandlung ausführlich und sehr detailliert erklärt hat, warum er der Klägerin keine führende Tätigkeit in der Gemeinde - auch in B-Stadt - bescheinigen könne.

Dennoch ergibt das Vorbringen der Klägerin zu ihren Vorfluchtgründen keine asylbegründende oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft fördernde Vorverfolgung aus religiösen Gründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist religiöse oder religiös motivierte Verfolgung nur unter besonderen Voraussetzungen als politische Verfolgung im Sinne des Asylgrundrechts aufzufassen (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 u.a., BVerfGE 76, 143 [158 f.]):

"...Sie ist dies allerdings nicht schon dann, wenn die Religionsfreiheit, gemessen an der umfassenden Gewährleistung, wie sie Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält (vgl. dazu BVerfGE 24, 236 (245 f., 248)) Eingriffen und Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Vielmehr müssen die Eingriffe und Beeinträchtigungen eine Schwere und Intensität aufweisen, die die Menschenwürde verletzt (vgl. BVerfGE 54, 341 (357). Sie müssen ein solches Gewicht haben, dass sie in den elementaren Bereich der sittlichen Person eingreifen, in dem für ein menschenwürdiges Dasein die Selbstbestimmung möglich bleiben muss, sollen nicht die metaphysischen Grundlagen menschlicher Existenz zerstört werden (vgl. auch BVerfGE 74, 31 (40). Diese Eingrenzung widerstreitet nicht, sondern entspricht der humanitären Intention des Asylrechts; diese ist darauf gerichtet, demjenigen Aufnahme und Schutz zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfGE 74, 51 (64).

...Politische Verfolgung ist demnach etwa dann gegeben, wenn vom Heimat- oder Aufenthaltsstaat des Verfolgten ergriffene oder ihm zurechenbare Maßnahmen darauf gerichtet sind, die Angehörigen einer religiösen Gruppe sei es physisch zu vernichten oder mit vergleichbar schweren Sanktionen (etwa Austreibung oder Vorenthaltung elementarer Lebensgrundlagen) zu bedrohen, sei es ihrer religiösen Identität zu berauben, indem ihnen z. B. unter Androhung von Strafen an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe tragender inhaltlicher Religionsüberzeugung zugemutet wird oder sie daran gehindert werden, ihren eigenen Glauben, so wie sie ihn verstehen, im privaten Bereich und unter sich zu bekennen. Ihre Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich, wie etwa der häusliche Gottesdienst, aber auch die Möglichkeit zum Reden über den eigenen Glauben und zum religiösen Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich, ferner das Gebet und der Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen dort, wo man sich nach Treu und Glauben unter sich wissen darf, gehören unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde wie nach internationalem Standard zu dem elementaren Bereich, den der Mensch als 'religiöses Existenzminimum' zu seinem Leben- und Bestehenkönnen als sittliche Person benötigt (vgl. BVerwGE 74, 31 (38, 40); vgl. auch BVerwG DVBl. 1986, S., 834 (836...); sie gehören zu dem unentziehbaren Kern seiner Privatsphäre ('privacy'), gehen aber nicht darüber hinaus. Eine Befugnis des Staates zu Eingriffen in diese religiösen Betätigungsformen könnte nur angenommen werden, sofern etwa die besondere Art und Weise des Bekenntnisses oder der Glaubensbekundung in erheblich friedensstörender Weise in die Lebenssphäre anderer Bürger hinübergriffe oder mit dem Grundbestand des ordre public nicht vereinbar wäre (z. B. Witwenverbrennungen oder Kindesopfer). Weitergehende Verbote oder sonst eingreifende Maßnahmen würden die Grenze zur politischen Verfolgung grundsätzlich überschreiten; das gilt jedenfalls dann, wenn sie mit Strafsanktionen für Leib, Leben oder die persönliche Freiheit verbunden sind. "

Das Bundesverwaltungsgericht hat - daran anknüpfend - den asylrechtlich geschützten Bereich der Religionsfreiheit in seinem Urteil vom 25. Januar 1995 - 9 C 279.94 -, (Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 176) wie folgt definiert:

"Soweit das Berufungsgericht den von ihm verwerteten Erkenntnismitteln allerdings entnehmen will, daß 'das Schwergewicht des bestraften Verhaltens im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich' gelegen und somit das asylrechtlich geschützte 'forum internum' betroffen habe, liegt dieser Einschätzung offensichtlich eine rechtlich fehlerhafte Abgrenzung des asylrechtlich geschützten Innenbereichs privater Glaubensausübung gegenüber der zwar ebenfalls zur Religionsfreiheit gehörenden, asylrechtlich aber nicht geschützten Außensphäre öffentlicher Glaubensbetätigung zugrunde. So hat etwa das Tragen des Kalima-Abzeichens und das Anbringen der Kalima in einem - jedermann zugänglichen - Geschäft entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Öffentlichkeitsbezug. Das Gleiche gilt für religiöse Diskussionen am Arbeitsplatz, für die Verwendung von Hochzeitskarten - ebenso wie beispielsweise von Geschäftseröffnungsanzeigen - oder für die geschäftliche Benutzung eines Quittungsblocks mit islamischen Aufschriften sowie für die Benutzung des Friedensgrußes, soweit diese Verhaltensweisen - wozu Feststellungen fehlen - nicht ausnahmsweise ausschließlich unter Glaubensgenossen erfolgen..."

Zwar reichten die von der Klägerin geschilderten behördlichen Maßnahmen gegen die Hauskirchengemeinde L im Oktober 1999 und September 2000 nahe an den so definierten asylrechtlich geschützten Bereich der Religionsfreiheit heran, weil durch die dargestellten behördlichen Razzien die Glaubensausübung unter Angehörigen der protestantischen Religionsgemeinschaft im häuslich-kommunikativen Bereich, nämlich in einer Privatwohnung unterbunden werden sollten. Allerdings dürften die gegen die Klägerin gerichteten behördlichen Maßnahmen trotz ihrer Strenge nicht von genügender Intensität gewesen sein, um daraus eine Vorverfolgung aus religiösen Gründen ableiten zu können. Zwar hat sich die Klägerin nach ihrer Darstellung am 24. September 2000 nur durch Flucht der vorläufigen Festnahme entziehen können und ist dann anlässlich ihrer Vorsprache am folgenden Tage in ihrer Schule vom Dienst suspendiert worden, jedoch sind keine weiteren behördlichen Maßnahmen getroffen worden, die die Klägerin in ihrer persönlichen Freiheit oder ihrer Existenz bedroht hätten. Insbesondere ist ihr der damals schon erteilte Reisepass belassen worden und sind keine aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen gegen sie verhängt worden, was sich daran zeigt, dass sie Gelegenheit hatte, vorläufig in ihren früheren Studienort Hangzhou überzusiedeln und dort ihren Lebensunterhalt durch eine kaufmännische Tätigkeit in einem Privatunternehmen zu sichern. Dass sie dabei nach ihrer Darstellung ihre Religionszugehörigkeit gegenüber Dritten - offenbar aus Angst vor Entdeckung - nicht preisgegeben hat, ist nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts asylrechtlich unerheblich, weil sie mit derart öffentlichen religiösen Äußerungen ohnehin den Bereich des asylrechtlich geschützten forum internum verlassen hätte. Gleiches gilt für ihre Entlassung aus dem Schuldienst, weil diese nicht (nur) auf ihre eigene Religionsausübung, sondern nach ihrer eigenen Darstellung in der mündlichen Verhandlung auch darauf zurückzuführen sein dürfte, dass sie von ihr unterrichtete Schüler - wenn auch auf freiwilliger Basis - mit in Gottesdienste genommen hatte.

Ob an dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum asyl- und aufenthaltsrechtlichen Schutz der Religionsfreiheit festgehalten werden kann, nachdem Art. 10 Abs. 1 b) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. L 304 vom 30. September 2004, Seite 12) - künftig: Qualifikationsrichtlinie - nach Ablauf der Umsetzungsfrist (Artikel 38 Abs. 1 Qualifikationsrichtlinie) am 10. Oktober 2006 innerstaatlich unmittelbar anzuwendendes Recht ist (Ruffert in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Rdnr. 73 ff. zu Art. 249 EGV), ist allerdings zweifelhaft. Artikel 10 Abs. 1 b) Qualifikationsrichtlinie hat folgenden Wortlaut:

"Der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind".

Unter Zugrundelegung dieser Definition wären jedenfalls die von der Klägerin auf September 2000 datierten Vorgänge in einer Hauskirche in L - Razzia und anschließende Inhaftierung der Gottesdienstteilnehmer - asyl- und aufenthaltsrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen, die zur Anerkennung als Asylberechtigte beziehungsweise zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 60 Abs. 1 AufenthG führen würden, sofern sie zum Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin noch für sie relevante Folgen für Leben, Gesundheit und ähnlich gewichtige Rechtsgüter gehabt haben sollten. Denn nach der Definition in der Qualifikationsrichtlinie beschränkt sich der geschützte Bereich der Religionsausübung nicht mehr auf die reine Privatsphäre, sondern umfasst auch die öffentliche Religionsausübung und religiöse Meinungsäußerungen über den Bereich der jeweiligen Glaubensgemeinschaft hinaus, denen die von der Klägerin geschilderten behördlichen Maßnahmen in L aus staatlicher Sicht möglicherweise gegolten haben.

Freilich müsste die Klägerin damals - auch unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie und auch im Hinblick auf § 60 Abs. 1 AufenthG - landesweit politischer Verfolgung aus religiösen Gründen ausgesetzt gewesen sein, um von einer Vorverfolgung ausgehen zu können (Renner, a.a.O. Rdnr. 8 zu § 60 AufenthG m.w.N.). Einen die Annahme landesweiter politischer Verfolgung ausschließende inländische Fluchtalternative dürfte damals in Hangzhou und schließlich in Shanghai bestanden haben, wohin die Klägerin aus Furcht vor Verhaftung und neuerlicher religiöser Verfolgung geflohen ist. Zwar musste sie nach ihrer Darstellung in beiden Städten unter erbärmlichen Verhältnissen und ohne Kontakte zu einer Religionsgemeinschaft leben, akute Lebensgefahr oder die Gefahr erneuter Verhaftung bestand jedoch offenbar nicht, jedenfalls ist sie nicht glaubhaft gemacht. Immerhin war ihr die Reisepass belassen worden und ihre Bewegungsfreiheit in beiden Städten nicht erkennbar eingeschränkt, obgleich die Klägerin aus eigenem Antrieb Außenkontakte vermieden hat. Auch insofern ist allerdings ihr Vorbringen nicht schlüssig, denn sie hat bei ihrer informatorischen Anhörung durch den Senat geschildert, dass sie in Shanghai planmäßig ihrer Ausreise nach Deutschland vorbereitet, mehrfach das Deutsche Generalkonsulat aufgesucht und sich mithilfe des Reisepasses mit dem erteilten Visum mit Devisen versorgt habe, um dann schließlich trotz des vermeintlichen Verhaftungsrisikos unter Verwendung ihres echten Reisepasses vom Flughafen Shanghai aus mit einem chinesischen Flugzeug nach Deutschland zu reisen. Deswegen geht der Senat davon aus, dass die Klägerin in beiden Städten, insbesondere auch in Shanghai, bis zu ihrer Ausreise aus China vor einer Wiederholung erlittener Verfolgungsmaßnahmen hinreichend sicher war.

Allerdings ist in Betracht zu ziehen, dass eine inländische Fluchtalternative, wie sie in Hangzhou und Shanghai bestanden haben dürfte, nur dann die Versagung von Asyl rechtfertigt, wenn festgestellt werden kann, dass die Aufrechterhaltung einer bestimmten Struktur im Sinne eines für die Ausübung der Kulthandlungen notwendigen Gruppenzusammenhalts nicht zu den schlechthin unverzichtbaren Voraussetzungen der Religionsausübung gehört (BVerfG, Beschluss vom 30. Dezember 1991 - 2 BvR 406/91 u. a. -, InfAuslR 1992, 219). In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem ausgeführt:

"Besteht in diesem Sinne am Ort der mutmaßlichen inländischen Fluchtalternative hinreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung, so kommt es ferner entscheidend darauf an, ob der Asylsuchende im Zeitpunkt seiner Flucht dort sonstigen, an seinem Herkunftsort so nicht gegebenen Nachteilen und Gefährdungen ausgesetzt wäre, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkämen. Keine inländische Fluchtalternative liegt mithin dann vor, wenn sich die Betroffenen derartigen Nachteilen und Gefahren nur durch Aufgabe einer das religiöse Existenzminimum wahrenden Lebensweise entziehen könnten....

Die erkennende Kammer hat auf dieser Grundlage bereits mehrfach entschieden, dass an einem Ort, an dem das religiöse Existenzminimum nicht gesichert ist, keine inländische Fluchtalternative besteht..."

Die Klägerin hat derartige Beschränkungen ihres religiösen Existenzminimums in H und S im Berufungsverfahren nicht dargelegt. Sie hat nicht einmal behauptet, in den beiden Städten Kontakte zu religiösen Gruppierungen aufgenommen oder auch nur angestrebt zu haben bzw. daran durch staatliche Maßnahmen gehindert worden zu sein. Ihre religiöse Enthaltsamkeit in den letzten drei Monaten ihres Aufenthalts in China beruhte nach ihrer Darstellung auf eigenem Entschluss und zuletzt wohl auch auf der Erwägung, dass die bevorstehende Ausreise aus China etwaigen Kontakten zu dortigen religiösen Gemeinschaften ohnehin ein Ende bereiten würde. Es kann mithin nicht festgestellt werden, dass sie an den beiden Orten ihrer inländischen Fluchtalternativen durch staatliche Maßnahmen oder Verhaltensweisen anderer Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG an der Religionsausübung gehindert war.

Die Klägerin ist allerdings auch als nicht vorverfolgte Asylbewerberin als Asylberechtigte und als politischer Flüchtling i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG anzuerkennen, weil ihr aufgrund der nach ihrer Ausreise eingetretenen glaubhaft gemachten Umstände bei einer Rückkehr nach China politische Verfolgung aus religiösen Gründen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Aufgrund ihres Vorbringens muss die Klägerin - zumindest - wegen nach ihrer Ausreise aus China eingetretener Umstände als aus religiösen Gründen politisch verfolgte Person angesehen werden.

Dies ergibt sich allerdings nicht schon aus von der Klägerin in erster Instanz als Telekopien der Originale und in Übersetzung vorgelegten chinesischen Dokumenten, darunter eine Mitteilung über eine Anordnung des Religionsamts der Nationalitäten des Kreises W vom 14. Februar 2003 (Band I, Bl. 114 f. GA), eine Mitteilung der Kommission für Bildungswesen des Kreises W vom 15. März 2001 über den Ausschluss der Klägerin aus dem Dienstverhältnis als Lehrerin (Band I, Bl. 116 f. GA) und ein Haftbefehl des Amts für öffentliche Sicherheit der Stadt R vom 13. April 2001 (Band I, Bl. 118 f. GA).

Das Dokument vom 14. Februar 2003, das eine an den "Treffpunkt L" adressierte behördliche Aufforderung zur sofortigen Einstellung sämtlicher illegaler religiöser Aktivitäten wiedergibt, bedarf hier keiner näheren Erörterung, weil ungeachtet der Echtheit der vorgelegten Urkunde ihr Inhalt mit den Erkenntnissen übereinstimmt, die der Senat zur staatlichen Reaktion chinesischer Behörden auf nicht erlaubte religiöse Aktivitäten aus vorliegenden anderen Auskünften und Dokumenten gewinnen kann, worauf später noch einzugehen ist.

Die speziell auf die Klägerin bezogenen weiteren Dokumente, die Mitteilung über ihren Ausschluss aus dem Dienstverhältnis als Lehrerin vom 5. März 2001 und der Haftbefehl vom 13. April 2001, können zur Überzeugungsbildung des Senats nicht herangezogen werden, weil die Echtheit dieser Dokumente aus Gründen, die die Klägerin zu vertreten hat, nicht hat überprüft werden können, und weil aus vorliegenden Auskünften des Auswärtigen Amts bekannt ist, dass derartige Dokumente leicht gefälscht werden können und häufig als Fälschungen zur Vorlage in Asylverfahren ins Ausland übermittelt werden.

Es handelt sich dabei ausnahmslos um Telekopien von Originalen, die sich zum Teil bei für den Senat unerreichbaren chinesischen Behördenakten befinden und für eine sachverständige Begutachtung nicht zur Verfügung stehen. Das dem Senat hierzu vorliegende Auskunftsmaterial zeigt, dass Versuche, Kopien chinesischer Dokumente von deutschen Auslandsvertretungen auf ihre Echtheit überprüfen zu lassen, wenig Erfolg versprechend sind. Die Auskünfte des Auswärtigen Amtes in derartigen Fällen ergeben regelmäßig Zweifel an der Echtheit der in Kopie vorgelegten Dokumente, die sich auf bestimmte formale Abweichungen von vorliegenden Musterurkunden beziehen, wobei allerdings regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann, dass den deutschen Auslandsvertretungen unbekannte lokale Besonderheiten am jeweiligen Ausstellungsort zu solchen Abweichungen geführt haben.

Der Versuch des Senats, durch eine Auskunft des Auswärtigen Amts konkrete Erkenntnisse über die Echtheit der von der Klägerin vorgelegten Dokumente zu gewinnen, sind an der - wenn auch aus nachvollziehbaren Motiven erfolgten - Weigerung der Klägerin gescheitert, der für notwendig gehaltenen Weitergabe ihrer Personalien an chinesischen Behörden durch das Deutsche Generalkonsulat in S zuzustimmen. Der auf ihre Anregung unternommene Versuch des Senats, eine sachverständige Äußerung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zur Echtheit dieser Dokumente herbeizuführen, ist wegen Fehlens eines geeigneten Sachverständigen erfolglos geblieben. Die erteilte Auskunft des CHINA-Zentrums e.V. vom 14. Dezember 2005 ist inhaltlich nichtssagend und trägt zur Überzeugungsbildung des Senats nicht bei, zumal die erteilte Auskunft sich nicht zu der entscheidenden Frage äußert, wie die Meinungsbildung des Verfassers dieses Schreibens zur Echtheit der Dokumente zu Stande gekommen ist, obgleich die Originale der Urkunden nicht zur Verfügung standen.

Unter diesen Umständen kann aufgrund der vorgelegten Dokumente nicht zu Gunsten der Klägerin, die die materielle Beweislast für die Richtigkeit ihres klagebegründenden Vortrags trägt, davon ausgegangen werden, dass es sich bei den als Telekopien vorgelegten chinesischen Dokumenten um echte öffentliche Urkunden handelt, so dass weder ihre Entlassung aus dem Schuldienst aus religiösen Gründen noch das Ergehen eines Haftbefehls nach ihrer Ausreise aus China auf diesem Wege glaubhaft gemacht ist.

Es ist jedoch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Klägerin im Fall einer Rückkehr nach China dort wegen ihrer Auslandsaktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere wegen ihrer durch die mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2006 vorgelegten Urkunden glaubhaft gemachten Mitwirkung an der Gründung und dem Aufbau der B of L C C in Frankfurt e.V. als mittlerweile führendes Mitglied einer chinesischen Untergrundkirche erkannt und verfolgt werden würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin chinesischen Behörden aufgrund dieser Auslandstätigkeiten, die durch den Internetauftritt der Kirche öffentlich gemacht werden, auffallen wird und bei einer Einreise nach China mit Verhaftung und anderen schwer wiegenden Eingriffen in ihre Rechte rechnen muss, wird dadurch erhöht, dass sie bereits vor ihrer Ausreise aus China mindestens zweimal als Angehörige einer Untergrundkirche aufgefallen und in Konflikt mit den dortigen Behörden geraten ist.

Das Vorbringen der Klägerin zu ihren religiösen Aktivitäten in China und nach ihrer Ausreise in Deutschland ist glaubhaft.

Eine Überprüfung der Plausibilität der Angaben der Klägerin anhand der vorliegenden Erkenntnisquellen ergibt, dass der von der Klägerin geschilderte Ablauf durchaus der typischen Verhaltensweise chinesischer Behörden gegenüber nicht registrierten Protestanten entspricht.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat in ihrem zitierten Lagebericht vom 27. Mai 2003 zum Umgang Chinas mit religiösen Gruppen Folgendes ausgeführt (Seiten 10 f.):

"Die Politik der Regierung gegenüber Religionsgemeinschaften ist geprägt von der Absicht, keine Institutionen zu tolerieren, die eine Autorität außerhalb der Kontrolle der Kommunistischen Partei darstellen. Das Recht auf Religionsfreiheit ist in der chinesischen Verfassung festgeschrieben. Dennoch wird es von Behörden und Sicherheitskräften systematisch verletzt. AnhängerInnen verschiedener Kirchen und religiöser Gruppen werden staatlich verfolgt. Das US-Department of State hat China neben Burma, Iran, Irak, Nordkorea und Sudan in seine Liste der 'besonders besorgniserregenden Länder' in Sachen Religionsfreiheit aufgenommen...

Offiziell anerkannt sind Buddhismus, Taoismus, Islam, Protestantismus und Katholizismus. Die Mitgliedszahlen der Religionsgemeinschaften sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Die Regierung kämpft nicht gegen diese Entwicklung als solche an, sondern konzentriert ihre Anstrengungen auf die Überwachung und Regulierung der anerkannten Gemeinschaften. Waren Buddhismus und Taoismus als traditionelle chinesische Religion früher noch in einer privilegierten Stellung, so verstärkte die Regierung die Kontrolle, als deren Anhängerschaft angewachsen war. Gezielt geht sie gegen nicht registrierte, als boshafte Kulte oder Sekten deklarierte Gruppierungen vor. Dazu zählen in erster Linie die Meditationsbewegung Falun Gong und protestantische und katholische Untergrundkirchen. Besonders ins Visier der Behörden geraten sind in den letzten Jahren die nicht registrierten christlichen Gemeinschaften in Peking und den Provinzen Henan, Shandung und Guangxi (Protestanten) sowie diejenige in Hebei (Katholiken). Die Existenz dieser illegalen Gemeinschaften ist größtenteils auf die strengen Auflagen für eine Registrierung und die staatliche Kontrolle, die diese zur Folge hat, zurückzuführen. Kleine Gemeinschaften, sogenannte Familienkirchen, werden in der Regel toleriert, solange sie nicht wachsen und keine engen Kontakte zu anderen nicht registrierten Gruppen unterhalten.

Die Verletzung der Religionsfreiheit geschieht mit Mitteln, die von Diskriminierung bis zu harter Repression reichen. Angehörigen der Nationalen Volksarmee ist es beispielsweise untersagt, religiös aktiv zu sein. Parteizugehörigkeit und religiöser Glaube werden von den Spitzen der KPC als unvereinbar betrachtet, was es Gläubigen stark erschwert, ein Regierungsamt zu erwerben. Gläubige werden auf vielfältige Art in der Religionsausübung behindert. Repression in Form von langen Gefängnisstrafen bis hin zu Todesurteilen... wird vor allem gegenüber denjenigen ausgeübt, die als Führungspersonen verbotener Religionsgemeinschaften identifiziert werden. Die Entsendung in Lager zur 'Umerziehung zur Arbeit' wird jedoch ausgiebig auch bei gewöhnlichen Mitgliedern angewandt...."

In der Auskunft von amnesty international an das Verwaltungsgericht Bremen vom 19. April 2005 (Seite 1 f.) wird zur Situation der Christen in China Folgendes ausgeführt:

"In der Volksrepublik China wird die Religionsfreiheit offiziell in der Verfassung garantiert. In der Praxis müssen Glaubensgemeinschaften aber offiziell gemeldet werden und Kontrollen des Personals, der Aktivitäten und der Finanzen nach dem von Sondergesetzen vorgeschriebenen Kriterien über sich ergehen lassen. Zuständig für die Registrierung ist ein eigene, beim Staatsrat angesiedelte Behörde: Das Büro für Religiöse Angelegenheiten. Nicht nur die religiösen Gruppen, sondern auch die Orte der Religionsausübung müssen bei den Behörden registriert werden. Die staatlich garantierte Religionsfreiheit schützt alle legitimen religiösen Aktivitäten der staatlich anerkannten religiösen Gruppen.

Für die christlichen Kirchen in der Volksrepublik China bedeutet dies, dass nur die religiösen Aktivitäten, die im Rahmen der vom Staat registrierten (und kontrollierten) Organisationen stattfinden, als legitim angesehen werden, während alle außerhalb dieser Organisationen fallenden religiösen Aktivitäten, z. B. der sog. Untergrundkirche, illegal sind und daher strafrechtlich verfolgt werden können. So geben die chinesischen Behörden an, dass sich auch religiöse Gruppen registrieren lassen können, die unabhängig von den offiziellen 'patriotischen' Religionsorganisationen sind, z. B. den protestantischen Chinesischen Christlichen Rat der Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung, die Praxis sieht aber oft anders aus. Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen die Registrierung verweigert wurde oder eine Registrierung nicht erwünscht war. Das System der Registrierung wurde durch Erlass des Dekrets 145 vom 31.01.1994 eingeführt...

Dies zeigt, dass sich die chinesische Regierung zum Ziel gesetzt hat, jegliche Manifestation von Religiosität, die sich ihrer Kontrolle entzieht, zu unterdrücken und sich zu diesem Zweck einer entschiedenen, systematischen und harten Strafverfolgung bedient.

Bei den vom Kläger angegebenen Bibelstunden dürfte es sich um Treffen einer nicht offiziell registrierten religiösen Gruppe an einem nicht registrierten Ort gehandelt haben. Ein solches Treffen war bereits vor dem vom Kläger genannten Datum 13.01.2003 illegal. Bis heute hat sich an der Regierungspolitik wenig geändert. Vielmehr wurden die Restriktionen Ende 2004 in einem neuen Regierungsdekret erneut festgeschrieben...

Bei Missachtung der entsprechenden Verordnungen drohen Gläubigen Repressionsmaßnahmen. So besteht die Möglichkeit, unter dem Vorwurf der 'Störung der öffentlichen Ordnung', Personen lediglich auf administrative Anordnung hin bis zu vier Jahre zur 'Umerziehung durch Arbeit' zu inhaftieren. In schwerwiegenden Fällen besteht die Möglichkeit der Verfolgung mittels des Strafrechts. § 300 des Chinesischen Strafgesetzbuches droht demjenigen Strafe, der die 'Durchführung staatlicher Gesetze oder Verwaltungsvorschriften sabotiert, indem er religiöse Sekten oder Organisationen, die Irrlehren bzw. abwegige Doktrinen verbreiteten, organisiert...'."

Presseberichte über behördliche Maßnahmen gegen christliche Untergrundkirchen in China liegen nur spärlich vor, weisen aber in die Richtung, dass - mit regionalen Unterschieden - eine konsequente Kampagne gegen nicht registrierte christliche Hauskirchen im Gange ist, in deren Verlauf es zu zahlreichen Verhaftungen und Verurteilungen gekommen sein soll. Die FAZ hat am 21. November 2003 unter Bezugnahme auf eine dpa-Meldung berichtet, dass in der Provinz J in Ostchina 125 sog. Hauskirchen geschlossen worden seien. Die taz hat in ihrer Ausgabe vom 4. Dezember 2003 unter der Überschrift "Zwei Verhaftungen" über die Verhaftung zweier christlicher Bürgerrechtler berichtet, die inhaftiert wurden, weil sie den Abriss mehrerer Kirchen untersucht hätten. Die Frankfurter Rundschau hat in ihrer Ausgabe vom 17. März 2004 über ein Gerichtsverfahren gegen drei christliche Bürgerrechtler in Ostchina berichtet, denen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen "Verrat von Staatsgeheimnissen", unter anderem im Internet, vorgeworfen worden sei. In ihrer Ausgabe vom 26. Februar 2004 hat die FAZ über eine gleichartige Anklage mit der möglichen Folge einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe gegen zwei namentlich genannte Aktivisten berichtet. Einer der beiden Angeklagten habe an einer Dokumentation über die Unterdrückung der Hauskirchen in der zentralchinesischen Provinz Z, aus der die Klägerin stammt, gearbeitet. Dort sei die Polizei im Jahre 2003 gegen die Hauskirchen vorgegangen und habe mehr als 300 Gläubige verhaftet. Diese Presseinformationen bestätigen die Einschätzung der zitierten fachkundigen Stellungnahmen, wonach in China von amtlicher Seite ein gezielter Unterdrückungsfeldzug gegen nicht registrierte protestantische Hauskirchen geführt wird und Aktivisten dieser Kirchen mit aller Härte bestraft werden.

Auch den von der Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 23. März 2007 (Band III Bl. 412 ff.) vorgelegten Dokumenten, insbesondere dem Menschenrechtsreport Nr. 33 der Gesellschaft für bedrohte Völker vom April 2004 (Band III Bl. 430 ff. GA) und dem Lagebericht 2006 von amnesty International (Band III Bl. 450 ff. GA) ist zu entnehmen, dass in der Volksrepublik China die Religionsfreiheit zwar offiziell in der Verfassung garantiert ist, in der Praxis aber nach wie vor nur religiösen Organisationen, die offiziell registriert sind, ein gewisses Maß an Religionsfreiheit gewährt ist, während die übrigen Religionsgemeinschaften, insbesondere so genannte Hauskirchen, massiven Übergriffen staatlicher Stellen bis hin zur Bestrafung ihrer führenden Mitglieder ausgesetzt sind.

Eine juristische Handhabe für derartige Strafverfolgungsmaßnahmen bietet § 300 des neuen chinesischen Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1998, dessen Grundtatbestand in deutscher Übersetzung wie folgt lautet (Band III Bl. 429 GA)

"Wer die Durchführung staatlicher Gesetze oder Verwaltungsvorschriften sabotiert, indem er huidaomen [= religiöse Sekten und geheimen Gesellschaften] oder Organisationen, die Irrlehren bzw. abwegige Doktrinen verbreiteten, organisiert und sich ihrer bedient oder Aberglauben ausnutzt, wird mit zeitiger Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu sieben Jahren bestraft; liegen besonders ernste und schwer wiegende Tatumstände vor, ergeht zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sieben Jahren..."

Die Weite und Unbestimmtheit dieses Straftatbestandes und der Strafandrohung eröffnet den chinesischen Behörden im Zusammenhang mit der Definitionsmacht des Staatlichen Amtes für Religiöse Angelegenheiten die Möglichkeit, nahezu jede nicht offiziell registrierte und damit akzeptierte religiöse Betätigung mit strafrechtlichen Sanktionen zu überziehen. Die Aufgaben des Staatlichen Amtes für Religiöse Angelegenheiten werden in offiziellen Verlautbarungen wie folgt beschrieben (http://german.china.org.cn; Abdruck Band III Bl. 424 GA):

"Das Amt verwaltet die religiösen Angelegenheiten und hat die Aufgabe, die Richtlinien und die Politik über religiöse Angelegenheiten sowie die Maßnahmen zu ihrer Durchführung festzulegen und sie in die Tat umzusetzen. Außerdem hat es die Aufgabe, die Verhältnisse der Religionen im In- und Ausland zu untersuchen und sich mit deren aktueller Lage vertraut zu machen, theoretische Fragen der Religion zu erforschen und Vorschläge und Meinungen zu einer entsprechenden Politik zu unterbreiten, religiöse Tätigkeiten auf die Bahn der Gesetze und Verordnungen und der Politik zu leiten und die Glaubensfreiheit der Bürger in Übereinstimmung mit dem Gesetz zu gewährleisten...".

Da nach dieser offiziellen Definition zu den Aufgaben des Amtes die Untersuchung der Verhältnisse der Religionen im In- und Ausland, also auch die Auslandsaufklärung gehört und es im Ausland agierende chinesische Religionsgemeinschaften wie die B of L C C in Frankfurt e.V. mit ihren Internetauftritten geradezu darauf anlegen, offizielle chinesische Stellen zu provozieren und auf sich aufmerksam zu machen, muss mit großer Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass der Internetauftritt dieser Kirche den maßgebenden chinesischen Stellen bereits bekannt ist oder bekannt werden wird und die Mitgliedschaft der Klägerin in dieser Kirche ihr bei einer Rückkehr nach China als Verstoß gegen § 300 des chinesischen Strafgesetzbuches angelastet werden wird. Die Wahrscheinlichkeit derartiger Sanktionen ist bei der Klägerin besonders groß, weil sie schon vor ihrer Ausreise aus China für die dortigen Behörden in religiöser Hinsicht kein "unbeschriebenes Blatt", sondern als Mitglied einer verbotenen Hauskirche aufgefallen und bekannt war.

Es erscheint unter diesen Umständen glaubhaft, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach China tatsächlich verhaftet und bestraft würde, weil sie sich in der beanstandeten Weise religiös betätigt hat und dies auch in Deutschland in intensivierter Form tut. Selbst wenn sich solche Maßnahmen ausschließlich auf die in Deutschland nach der Ausreise aus China entfalteten religiösen Betätigungen mit Öffentlichkeitsbezug (Internetauftritt) beziehen sollten, könnten sie nicht als asyl- und aufenthaltsrechtlich irrelevant angesehen werden. Denn an der den asyl- und aufenthaltsrechtlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit einschränkenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O., vgl. oben S. 14 ff.) kann nach Überzeugung des Senats unter der Geltung des Art. 10 Abs. 1 b) Qualifikationsrichtlinie nicht festgehalten werden. Die Qualifikationsrichtlinie stellt nunmehr die Religionsfreiheit auch über den bisher nach dieser Rechtsprechung allein geschützten Kernbereich (forum internum) hinaus unter den mindestens zu gewährleistenden Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Dem ist nicht nur bei der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG Rechnung zu tragen, sondern auch bei der Entscheidung über die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass in der Präambel zur Qualifikationsrichtlinie mehrfach von einer gemeinsamen Asylpolitik und einem "Gemeinsamen Europäischen Asylsystem" als Ziel der Richtlinie die Rede ist (vgl. etwa Nr. 1, 2 und 4 der Präambel). Zum anderen ist schon in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Verfolgtenbegriff i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG hinsichtlich der Mindestanforderungen weitgehend demjenigen der Genfer Flüchtlingskonvention angeglichen worden (BVerwG, Urteile vom 15. März 1988 - 9 C 278.86 -, BVerwGE 79, 143, juris Rdnrn. 16 f., und vom 21. Januar 1992 - 1 C 21.87 - , BVerwGE 89, 296, juris Rdnrn. 14 ff., jeweils m.w.N.; Renner, a.a.O., Rdnrn. 119 f., 136 f. zu Art. 16a GG).

Ausschlussgründe für die Asylanerkennung sind bei der Klägerin nicht gegeben, insbesondere unterfällt sie als unmittelbar auf dem Luftwege aus China ins Bundesgebiet eingereiste Asylbewerberin nicht der Drittstaatenregelung (Art.16a Abs. 2, 3 GG) und ist sie mit ihren Nachfluchtgründen nicht von der Ausschlussregelung in § 28 Abs. 1 AsylVfG erfasst.

Durch eigenes Verhalten vom sicheren Ausland aus provozierte politische Verfolgung im Herkunftsland ist gemäß § 28 Abs. 1 AsylVfG dann asylrechtlich irrelevant, wenn der Entschluss zur Schaffung solcher Nachfluchtgründe nicht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51, juris Rdnrn 41 ff.; BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258; juris Rdnr. 11); danach asylrechtlich unbeachtliche Nachfluchtgründe werden gleichwohl von Art. 33 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention erfasst und sind daher bei der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG ohnehin zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen (vgl. Renner, a.a.O., Rdnr. 9 zu § 60 AufenthG m.w.N).. Es besteht aber auch kein Zweifel, dass die religiösen Aktivitäten der Klägerin in Deutschland, auch soweit sie sich an die Öffentlichkeit richten, einer festen und schon im Herkunftsland betätigten religiösen Überzeugung entspringen, die die Klägerin im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht hat. Ihrer eigenen Darstellung bei den verschiedenen Anhörungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ist zu entnehmen, dass sie in China unter Inkaufnahme erheblicher Gefährdungen einer intensiven, wenn auch lediglich im Innenbereich der Religionsgemeinschaft wirkenden religiösen Betätigung in einer Hauskirche nachgegangen ist und dass sie wegen ihrer religiösen Betätigung ihren Beruf als Lehrerin aufgegeben hat, um letztlich im Ausland Zuflucht zu suchen. An der Glaubhaftigkeit dieser Darstellung ist nicht zu zweifeln, obgleich gewisse, bereits angesprochene Ungereimtheiten bei der Schilderung ihrer Lebensverhältnisse in der letzten Phase vor der Ausreise aus China nicht übersehen werden können. Für den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben spricht zum einen, dass die Klägerin bei allen Anhörungen ihre Tätigkeit in der Hauskirche in L sehr zurückhaltend und keinesfalls übertrieben dargestellt und dass sie nicht den Versuch unternommen hat, sich als religiöse Führungskraft darzustellen. Zum anderen sprechen für den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben ihre in der Bundesrepublik Deutschland nach der glaubhaften Aussage des Zeugen A. relativ nahtlos aufgenommenen religiösen Aktivitäten und ihre inzwischen in der B of L C C in Frankfurt e.V. wahrgenommenen Leitungsfunktionen, die sie im Laufe des Gerichtsverfahrens entscheidungserheblich ausgebaut hat. Dieses Verhalten der Klägerin bestärkt den Senat in der Annahme, dass sich bei ihr bereits in China eine über mehrere Jahre konstant betätigte religiöse Überzeugung gebildet hatte.

Dass die Klägerin mit ihrer Tätigkeit in der B of L C C in Frankfurt e.V. den bisher nach der durch Artikel 10 Abs. 1 b) Qualifikationsrichtlinie überholten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 [158 f.]) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Januar 1995 - 9 C 279.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 176) asylrechtlich geschützten Bereich des forum internum verlassen und - gezielt - in die Öffentlichkeit gewirkt hat, kann ihr nach Ablauf der Umsetzungsfrist aufgrund der Qualifikationsrichtlinie nicht mehr entgegengehalten werden.

Mithin ist sie als Asylberechtigte anzuerkennen. Zugleich ist die Verpflichtung zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG auszusprechen, da die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG weitgehend identisch mit denen des Art. 16a GG sind und das Feststellungsbegehren im Hinblick auf § 60 Abs. 1 AufenthG notwendiger Bestandteil des Asylbegehrens ist (§ 13 Abs. 2 AsylVfG; vgl. hierzu und zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG Renner, a.a.O., Rdnrn. 6 ff. zu § 60 AufenthG).

Über den Hilfsantrag auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ist demnach nicht zu entscheiden.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte als unterliegende Beteiligte zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG). Das Urteil ist wegen der Kosten mit Abwendungsbefugnis durch Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO).

Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die getroffene Entscheidung beruht auf der tragenden Erwägung, dass nach Vorliegen der Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung das Art. 10 Abs. 1 b) Qualifikationsrichtlinie an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 u.a., BVerfGE 76, 143 [158 f.]) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Januar 1995 - 9 C 279.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 176) zum asylrechtlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit nicht mehr festgehalten werden kann. Diese Frage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und für eine unbestimmte Vielzahl von Asylverfahren von Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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