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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 8 UE 746/07
Rechtsgebiete: GG, HGO, KWG


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 2
GG Art. 28 Abs. 1 S. 2
HGO § 55
HGO § 62
KWG § 1
KWG § 10
KWG § 22
1. In Hessen sind bei mittelbaren Wahlen durch die Gemeindevertretung - hier entschieden für die Wahl von Ausschussmitgliedern - im Unterschied zu unmittelbaren Wahlen gemeinsame Wahlvorschläge von Parteien bzw. Fraktionen zulässig; auf diese Vorschläge ist die Mehrheitsklausel (§ 22 Abs. 4 KWG) abwendbar.

2. Die Ausschüsse hessischer Gemeindevertretungen müssen zwar nach den aus dem Bundesverfassungsrecht abgeleiteten Spiegelbildlichkeitsprinzip grundsätzlich verkleinerte Abbildungen des Plenums sein. Eine Einschränkung dieses Prinzips ist jedoch gerechtfertigt, wenn sich mehrere Fraktionen der Gemeindevertretung zu einer auf Dauer angelegten Zusammenarbeit zusammengeschlossen und einen gemeinsamen Wahlvorschlag gemacht haben, um durch Vorabzuteilung eines weiteren Sitzes eine "stabile parlamentarische Mehrheit" auch in den Ausschüssen sicherzustellen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UE 746/07

Verkündet am 6. Mai 2008

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalrechts/Anfechtung der Wahlen zu Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung und der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richter am Hess. VGH Schröder, ehrenamtlichen Richter Döring, ehrenamtlichen Richter Dr. Goßmann

aufgrund der mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Februar 2007 - 3 E 1313/06 - einschließlich der Kostenentscheidung abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Stadtverordnetenversammlung der Stadt A-Stadt und Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen (im Folgenden: Grüne).

Nach der am 26. März 2006 erfolgten Kommunalwahl gehörten von den 37 Mitgliedern der Beklagten 16 der CDU, 15 der SPD und jeweils drei der FDP und den Grünen an.

In der konstituierenden Sitzung der Beklagten am 27. April 2006 wurden die Mitglieder ihrer vier Fachausschüsse (zweimal sieben und zweimal fünf Mitglieder) sowie die zehn ehrenamtlichen Magistratsmitglieder gewählt. Zu jedem der fünf Wahlvorgänge lagen ein gemeinsamer Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU und FDP sowie jeweils eigene Wahlvorschläge der anderen beiden Fraktionen vor. Der gemeinsame Wahlvorschlag von CDU und FDP erhielt jeweils vorab einen zusätzlichen Sitz nach der sog. Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG, wodurch die Grünen nicht an Losentscheiden für die letzten Ausschusssitze teilnahmen, die so der FDP zugeteilt wurden, und weder in den Ausschüssen noch im ehrenamtlichen Magistrat einen Sitz erhielten. In den siebenköpfigen Ausschüssen erhielten der gemeinsame Wahlvorschlag von CDU und FDP jeweils vier und die SPD jeweils drei Sitze, in den fünfköpfigen Ausschüssen jeweils drei bzw. zwei Sitze . Im zehnköpfigen ehrenamtlichen Magistrat entfielen auf CDU/FDP sechs und auf die SPD vier Sitze.

Gegen dieses Wahlergebnis erhob der Kläger gegenüber dem Stadtverordnetenvorsteher unter dem 23. Mai 2006 Widerspruch, weil die Zusammensetzung der Ausschüsse nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 die durch den Wähler bestimmten Kräfteverhältnisse widerspiegeln müsse. Durch die hier mit dem Ziel der Reststimmenverwertung gebildete Zählgemeinschaft von CDU und FDP, die vor der Wahl getrennt aufgetreten seien und auch unterschiedliche politische Ziele verfolgten, sei dagegen verstoßen und der Minderheitenschutz missachtet worden. Entsprechendes gelte für die Besetzung des Magistrats, in dem trotz gleicher Stimmenzahl die FDP mit zwei Sitzen vertreten sei, während die Grünen keinen Sitz erhalten hätten.

Aufgrund der Entscheidung der Beklagten in ihrer Sitzung vom 13. Juni 2006 wies der Stadtverordnetenvorsteher den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2006 zurück. Nach der Gesetzeslage in Hessen seien Wahlvorschläge gemäß § 55 Abs. 3 HGO aus der Mitte der Gemeindevertretung zu unterbreiten und deshalb gemeinsame Wahlvorschläge zulässig. Für diese gelte auch § 22 Abs. 4 KWG, da diese Vorschrift nur entsprechend anzuwenden sei. Den politischen Kräften in den "Kommunalparlamenten" stehe nichts im Wege, mit der Aufstellung gemeinsamer Wahlvorschläge darauf zu spekulieren, dadurch mehr als die Hälfte der Stimmen und so mehr als die Hälfte der zu vergebenden Sitze zu erhalten.

Der Kläger hat am 22. August 2006 beim Verwaltungsgericht Kassel Klage auf Feststellung erhoben, dass die am 27. April 2006 von der Beklagten durchgeführten Wahlen für die vier Ausschüsse und den ehrenamtlichen Magistrat ungültig seien, später um den Hilfsantrag ergänzt, dass deren Ergebnisse neu festzustellen seien. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Klage sei als kommunalrechtliche Wahlprüfungsklage gemäß § 55 Abs. 6 HGO zulässig, weil ihm als Stadtverordneten ein objektives Wahlbeanstandungsrecht zustehe.

Sie sei auch begründet, denn das Zweckbündnis von CDU und FDP sei offensichtlich allein deshalb gebildet worden, um sich einen ungerechtfertigten Vorteil bei der Sitzverteilung gemäß § 55 Abs. 4 HGO i.V.m. § 22 Abs. 4 KWG zu verschaffen. Diese Vorschrift kenne aber schon ihrem Wortlaut nach keine Zuteilung eines weiteren Sitzes an einen gemeinsamen Wahlvorschlag, sondern nur an den "Wahlvorschlag einer Partei oder Wählergruppe". Das Wahlverfahren widerspreche auch dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes, nach dem nicht allein die Ausschüsse der Vertretungskörperschaft das Stärkeverhältnis der Fraktionen widerspiegeln müssten. Dementsprechend habe das Bundesverwaltungsgericht mit Grundsatzurteil vom 10. Dezember 2003 die Bildung von Zählgemeinschaften zum Zwecke der Gewinnung zusätzlicher Sitze für rechtswidrig erklärt. Obwohl das Urteil zur nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung ergangen sei, sei es auch in Hessen anwendbar, weil es allein auf das Grundgesetz gestützt sei. Durch den Verweis in § 55 Abs. 1 HGO auf die Verhältniswahl verlange das hessische Gesetz, dass das Stärkeverhältnis der Fraktionen in die Ausschüsse und in den ehrenamtlichen Magistrat transportiert werde, wie dies auch für das Benennungsverfahren gemäß § 62 Abs. 2 HGO für die Ausschüsse geregelt sei. Im Umkehrschluss zu der Regelung über die Möglichkeit eines von allen Gemeindevertretern getragenen einheitlichen Wahlvorschlags in § 55 Abs. 2 HGO ergebe sich, dass für alle anderen Fälle der Verhältniswahl gemeinsame Wahlvorschläge/Zählgemeinschaften mit dem Verhältniswahlverfahren unvereinbar seien. Der Regelungsgehalt der allgemein gehaltenen Vorschrift des § 55 Abs. 3 HGO beschränke sich demgegenüber nur darauf, dass die Wahlvorschläge für die von der Gemeindevertretung vorzunehmenden Wahlen nur aus den Reihen ihrer Mitglieder kommen dürften und dass der Gemeindevorstand - als Ausnahme zu § 66 Abs. 1 Nr. 2 HGO - nicht verpflichtet oder berechtigt sei, der Gemeindevertretung Wahlvorschläge zu unterbreiten. Es seien damit auch Wahlvorschläge sonstiger Außenstehender ausgeschlossen. Das Spiegelbildlichkeitsprinzip sei auch auf den Magistrat anwendbar, weil dieser einer demokratischen Legitimation bedürfe. Selbst wenn die Wahl trotz des gemeinsamen Wahlvorschlags als gültig angesehen werden sollte, müsse jedenfalls ihr Ergebnis unter verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 22 Abs. 4 KWG neu festgestellt werden. Die Vorschrift des § 22 Abs. 4 KWG könne nur auf den Wahlvorschlag einer Fraktion oder politischen Gruppierung, nicht aber auf einen gemeinsamen Wahlvorschlag mehrerer Fraktionen anwendbar sein, denn dies widerspräche dem Wählerwillen und den Grundsätzen des Minderheitenschutzes. So habe das Bundesverwaltungsgericht bereits 1991 zu einer entsprechenden rheinland-pfälzischen Regelung entschieden, dass es gegen den nach Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG auch für Kommunalwahlen geltenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl verstoße, wenn eine solche Vorabzuteilung auch auf Listenverbindungen erstreckt werde, weil dies zu einer echten Doppelbewertung der Stimmen führe. Es solle lediglich einer Wählermehrheit zum Erfolg verholfen werden, die sich auf eine Partei oder Wählergruppe konzentriere. Bei einer Listenverbindung solle hingegen gebündelten, nicht deckungsgleichen Wählerinteressen, die erst infolge des Verbundes die Stimmenmehrheit hinter sich vereinigten, die Sitzmehrheit verschafft werden. Bei einer solchen bloßen "Zählgemeinschaft" bestehe kein innerer Grund für einen Vorabausgleich und die darin liegende Doppelbewertung, denn dadurch würde nicht vorrangig einem mehrheitlichen Wählerwillen Rechnung getragen. Zwar sei ein gemeinsamer Wahlvorschlag nicht mit einer Listenverbindung identisch, er diene aber im Ergebnis in gleicher Weise ausschließlich dem Zweck, ein seine Träger begünstigendes Berechnungsverfahren zu wählen.

Der Kläger hat beantragt,

1. es wird feststellt, dass die am 27. April 2006 von der Beklagten vollzogenen Wahlen für den Haupt- und Finanzausschuss, den Bau-, Planungs- und Umweltausschuss, den Ausschuss für Werbung, Wirtschaft und Verkehr und den Ausschuss für Kultur, Sport, Jugend und Soziales sowie für die ehrenamtlichen Stadträtinnen und Stadträte ungültig sind,

2. hilfsweise, die Beklagte wird verurteilt, die Ergebnisse der am 27. April 2006 vollzogenen Wahlen für die genannten Ausschüsse und die ehrenamtlichen Stadträtinnen und Stadträte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen;

und zur Begründung u. a. vorgetragen:

In Hessen seien gemeinsame Wahlvorschläge nach nahezu einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur zulässig, weil Wahlvorschläge "aus der Mitte der Gemeindevertretung" unterbreitet würden und es dabei keinerlei Bezug auf Fraktionen oder politische Gruppen gebe, sie also keiner inhaltlichen, ergebnisorientierten Beschränkung unterlägen. Deshalb kämen sie auch in den Genuss des § 22 Abs. 4 KWG, wenn auf sie mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen entfielen. Zudem seien in Hessen gemeinsame Wahlvorschläge üblicherweise keine einmaligen Zählgemeinschaften zur Erringung von Ausschusssitzen, sondern Ausdruck politischer Mehrheiten, die eine Gemeinde über die gesamte Wahlperiode prägten. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 könne jedenfalls nicht für die Wahl des ehrenamtlichen Magistrats herangezogen werden, weil dieser eher die "Regierung" einer Gemeinde darstelle, nicht aber ein verkleinertes Abbild des Parlaments bzw. der Gemeindevertretung. Der Wortlaut des § 22 Abs. 4 KWG könne nicht für die Ansicht des Klägers sprechen, weil diese Vorschrift für die hier fraglichen "mittelbaren" Wahlen, bei denen es keine "Parteien" gebe, nur entsprechend anzuwenden sei. Es sei auch zwischen einer Listenverbindung und einem "gemeinsamen Wahlvorschlag" zu unterscheiden.

Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Urteil vom 8. Februar 2007 - 3 E 1313/06 - festgestellt, dass die am 27. April 2006 von der Beklagten durchgeführten Wahlen für den Haupt- und Finanzausschuss, den Bau-, Planungs- und Umweltausschuss, den Ausschuss für Werbung, Wirtschaft und Verkehr und den Ausschuss für Kultur, Sport, Jugend und Soziales ungültig sind, und die Beklagte verurteilt, das Ergebnis der am 27. April 2006 von der Beklagten durchgeführten Wahl der ehrenamtlichen Beigeordneten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzustellen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Wahlen zur Besetzung der Ausschüsse seien ungültig, weil allein zur Erlangung eines zusätzlichen Sitzes gebildete gemeinsame Wahlvorschläge mehrerer Fraktionen, wie hier der CDU und der FDP, wegen eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes unzulässig seien. Die in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG getroffene und durch Art. 28 Abs. 2 GG auf die Ebene der Gemeinden übertragene Grundentscheidung der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie habe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folge, dass die Gemeindevertretung, auch wenn sie kein Parlament, sondern ein Organ der Selbstverwaltungskörperschaft sei, die Gemeindebürger repräsentiere. Diese Repräsentation vollziehe sich nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschüssen als fachlich spezialisierte Untergliederungen und für ihr jeweiliges Aufgabengebiet verkleinerte Abbilder des Plenums, so dass sie in ihrer Zusammensetzung die Zusammensetzung der Gemeindevertretung widerspiegeln müssten. Die Ausschüsse dürften nicht unabhängig von dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen besetzt werden, über das die Gemeindebürger bei der Wahl der Mitglieder der Gemeindevertretung mit entschieden hätten. Dieser aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie folgende Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gewinne bei den sog. beschließenden Ausschüssen erhöhte Bedeutung. Es widerspreche dem Demokratieprinzip, wenn die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen (nur) ein Spiegelbild der Kräfteverhältnisse der hinter gemeinsamen Wahlvorschlägen stehenden Zusammenschlüsse zu den daran nicht beteiligten Fraktionen seien. So gebildete Zählgemeinschaften seien weder als solche vom Volk gewählt worden noch verfolgten sie über die Ausschusswahlen hinaus gemeinsame politische Ziele. Diese Grundsätze des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 seien auch in Hessen zu berücksichtigen, weil sie sich ausschließlich aus Bundesrecht ergäben. Die kommunalrechtlichen Vorschriften in Hessen enthielten zwar keine ausdrücklichen Regelungen über die Zulässigkeit gemeinsamer Wahlvorschläge, denn § 10 Abs. 4 KWG betreffe nur sog. Listenverbindungen. Es sei nach § 55 Abs. 3 HGO zwar möglich, dass einzelne oder mehrere Mitglieder verschiedener Fraktionen unabhängig von ihrer Fraktionszugehörigkeit gemeinsam einen Wahlvorschlag einreichten und diesem ihre Stimme gäben, ebenfalls könnten Mitglieder einer Fraktion Kandidaten anderer Fraktionen wählen. Diese mit einer Wahl naturgemäß einhergehenden Unwägbarkeiten entbänden aber nicht davon, bei der Gestaltung des Wahlverfahrens die Grundentscheidung der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auch auf der Ebene der Gemeinde zu respektieren. Soweit in der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit bisher gemeinsame Wahlvorschläge mehrerer Fraktionen für zulässig erachtet worden seien, sei dies in Abgrenzung zu § 10 Abs. 4 KWG nicht mit Blick auf die Vorgaben des Grundgesetzes erfolgt. Danach seien die Wahlen zu den vier Ausschüssen ungültig, weil sie wegen des gemeinsamen Wahlvorschlags von CDU und FDP nicht das Kräfteverhältnis der einzelnen Fraktionen zueinander widerspiegelten.

Insbesondere nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 wäre die Zulässigkeit gemeinsamer Wahlvorschläge allerdings dann anders zu beurteilen, wenn sie sich nicht als bloße "Zählgemeinschaften" darstellten, sondern ihre Grundlage in einer verfestigten Form der Zusammenarbeit - etwa einem Koalitionsvertrag - hätten, was hier jedoch nicht der Fall sei.

Die ebenfalls am 27. April 2006 durchgeführte Wahl der zehn ehrenamtlichen Beigeordneten sei zwar ebenfalls auf der Grundlage eines gemeinsamen Wahlvorschlages von CDU und FDP erfolgt, erweise sich aber dennoch als gültig, weil das Erfordernis der Spiegelbildlichkeit nicht auf den Gemeindevorstand als Verwaltungsbehörde übertragen werden könne. Dieses eigenständige Organ der Gemeinde unterliege nicht dem Grundsatz der Repräsentation und erhalte seine demokratische Legitimation dadurch, dass die Wahl der Beigeordneten gemäß § 39a Abs. 1 S. 1 HGO durch die gesamte Gemeindevertretung erfolge.

Auf den Hilfsantrag des Klägers sei das Ergebnis der Wahl jedoch insoweit neu festzustellen, weil zugunsten des gemeinsamen Wahlvorschlags von CDU und FDP zu Unrecht von der Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG Gebrauch gemacht worden sei. Diese Mehrheitsklausel sei zwar auch bei mittelbaren Wahlen der ehrenamtlichen Beigeordneten anzuwenden. Dem stehe bei einem gemeinsamen Wahlvorschlag auch ihr Wortlaut nicht entgegen, denn bei mittelbaren Wahlen sei sie über § 55 Abs. 4 HGO nur entsprechend anzuwenden. Hier seien die Wahlvorschläge aus der Mitte der Gemeindevertretung einzureichen, so dass das Wahlvorschlagsrecht nicht an die Fraktionen gebunden sei und sowohl von einzelnen Personen als auch fraktionsübergreifend wahrgenommen werden könne. Es komme deshalb allein darauf an, dass es sich um "einen" Wahlvorschlag handele. Es verstoße jedoch gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, einem gemeinsamen Wahlvorschlag, der ohne verfestigte Form des Zusammenwirkens allein zur Erlangung eines Vorteils bei der Sitzverteilung eingereicht worden sei ("Zählgemeinschaft"), in Anwendung der Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG vorab einen Sitz zuzuteilen. Der Vorabausgleich führe zu einer echten Doppelbewertung der Stimmen. Der innere Grund für diese Korrektur fehle jedoch bei einer bloßen Zählgemeinschaft, bei der es nicht darum gehe, einer Wählermehrheit zum Erfolg zu verhelfen, die sich auf eine Partei oder Wählergruppe konzentriere. Vielmehr solle gebündelten, nicht deckungsgleichen Wählerinteressen, die erst infolge des Verbundes die Stimmenmehrheit hinter sich vereinigten, die Sitzmehrheit verschafft werden. Der Vorabausgleich trage in diesem Falle nicht einem mehrheitlichen Wählerwillen Rechnung, sondern nur dem Umstand, dass die Parteien oder Wählergruppen ein sie begünstigendes Berechnungsverfahren gewählt hätten. Maßgeblich sei also nicht, ob das Zusammenwirken in Form einer Listenverbindung oder durch einen gemeinsamen Wahlvorschlag erfolge, es komme vielmehr ausschließlich darauf an, ob es sich um eine bloße Zählgemeinschaft handele, die allein zur Erlangung eines rechnerischen Vorteils bei der Sitzverteilung gebildet worden sei, oder ob eine verfestigte Form des Zusammenwirkens gegeben sei, die sich nicht allein in der Gewinnung zusätzlicher Sitze erschöpfe, sondern der dauerhaften Verfolgung gemeinsamer politischer Ziele diene. Die Vorschrift des § 22 Abs. 4 KWG könne deshalb bundes- und landesverfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass sie auf gemeinsame Wahlvorschläge in Form von bloßen Zählgemeinschaften keine Anwendung finde. Im vorliegenden Fall handele es sich bei dem gemeinsamen Wahlvorschlag von CDU und FDP jedoch um eine bloße Zählgemeinschaft in diesem Sinne. Eine Vereinbarung, eine auf Dauer angelegte Verbindung zur politischen Zusammenarbeit einzugehen, wie dies etwa in Form eines Koalitionsvertrages hätte erfolgen können, sei zwischen CDU und FDP nicht geschlossen worden.

Mit Beschluss vom 5. März 2007 hat das Verwaltungsgericht die am 27. April 2006 gewählten Mitglieder der Ausschüsse und des ehrenamtlichen Magistrats gemäß § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen.

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 27. Februar 2007 die "Vereinbarung einer Arbeitsgemeinschaft zwischen der CDU und der FDP Hombergs für die Legislaturperiode 2006 - 2011" vom 3. April 2006 und entsprechende Presseveröffentlichungen vom 6. und 12. April 2006 eingereicht hatte, hat sie gegen dieses, ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 13. März 2007 zugestellte Urteil am 2. April 2007 die in dem Urteil zugelassene Berufung eingelegt und diese am 12. Mai 2007 im Wesentlichen folgendermaßen begründet:

Da die Träger des gemeinsamen Wahlvorschlags eine Koalitionsvereinbarung getroffen hätten, sei das Urteil bereits nach der darin geäußerten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts unzutreffend. Im Übrigen ergebe sich aus § 55 Abs. 3 HGO, dass Wahlvorschläge einzelner Stadtverordneter sowie gemeinsame Wahlvorschläge mehrerer Stadtverordneter zulässig und die Gemeindevertreter nach § 35 Abs. 1 HGO weder an Aufträge oder Wünsche der Wähler noch etwa an die der Parteien oder Wählergruppen gebunden seien, auf deren Vorschlag sie kandidiert hätten. Wenn ein solcher Wahlvorschlag die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinige, sei § 22 Abs. 4 KWG unabhängig davon anwendbar, welche Motivation den jeweiligen Mandatsträger geleitet habe, diesem Wahlvorschlag seine Stimme zu geben. Der vom Verwaltungsgericht reklamierte "einheitliche Gestaltungswille" der Wähler komme dadurch zum Ausdruck, dass hier die Mehrheit der Mitglieder der Beklagten dem Wahlvorschlag von CDU und FDP ihre Stimme gegeben hätten. Für eine Benachteiligung derartiger Wahlvorschläge für den Fall, dass die betreffenden Fraktionen nicht auch eine Vereinbarung über sachpolitische Zusammenarbeit abgeschlossen hätten, gebe es keine rechtliche Grundlage. Wenn das Verwaltungsgericht meine, die Vorschrift des § 22 Abs. 4 KWG gegen ihren klaren Wortlaut und gegen die hierzu ergangene obergerichtliche Rechtsprechung "bundes- und verfassungskonform" auslegen zu müssen, hätte es das Verfahren nach Art. 100 GG oder Art. 133 HV aussetzen und den Verfassungsgerichten zur Entscheidung vorlegen müssen.

Die Beklagte hat den Antrag gestellt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Februar 2007 abzuweisen,

hilfsweise,

das Verfahren gemäß Art. 133 der Verfassung des Landes Hessen (Hess. Verfassung) dem Hessischen Staatsgerichtshof vorzulegen (§ 41 StGHG).

Der Kläger hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Während der Wahlzeit von 2001 bis 2006 habe es zwar eine lose Arbeitsgemeinschaft der Fraktionen von SPD und Grünen gegeben, während CDU und FDP als Träger der streitigen gemeinsamen Wahlvorschläge und Koalitionäre nach der Kommunalwahl 2006 vor der Wahl eine politische Zusammenarbeit nicht einmal angedeutet, geschweige denn ausdrücklich als eine auf Dauer angelegte politische Koalition angekündigt hätten, so dass diese nicht vom politischen Willen der Wählerinnen und Wähler bei ihrer Stimmabgabe getragen worden sein könne. Das Verwaltungsgericht halte zudem gemeinsame Wahlvorschläge fälschlich nicht generell, sondern nur dann für unzulässig, wenn sie sich als bloße Zählgemeinschaften darstellten. Gemeinsame Wahlvorschläge mehrerer durch Koalitionsvertrag miteinander verbundener Fraktionen blieben aber unabhängig davon immer Wahlvorschläge, die ausschließlich zum Zwecke der Erlangung eines zusätzlichen Sitzes gebildet würden. Die Formulierungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 10. Dezember 2003 wollten im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts gerade zum Ausdruck bringen, dass gemeinsame Wahlvorschläge (generell) unzulässig seien. Die dortige Formulierung beziehe sich lediglich auf den konkret entschiedenen Fall. Hier komme hinzu, dass die Zählgemeinschaft von CDU und FDP trotz ihrer späteren Vereinbarung als Koalition nicht vom Volk gewählt worden sei. Die vom Bundesverwaltungsgericht herausgestellten Prinzipien ließen es nicht zu, die hinter dem gemeinsamen Wahlvorschlag stehenden Koalitionsfraktionen als einheitliches politisches Kräfte- und Meinungsspektrum anzusehen, welches bei der Abbildung der Stärkeverhältnisse der Gemeindevertretung in den Ausschüssen berücksichtigt werden könnte. Der auch vom Bundesverfassungsgericht gebrauchte Gruppenbegriff beschränke sich auf Gruppierungen fraktionsloser Abgeordneter und schließe nicht zugleich Zusammenschlüsse von Fraktionen ein. Das von der Gemeindeordnung bereitgestellte Wahlverfahren müsse gewährleisten, dass den Anforderungen des Prinzips der demokratischen Repräsentation Rechnung getragen werde. Auch eine auf Dauer angelegte kommunalpolitische Zusammenarbeit rechtfertige grundsätzlich nicht die Verletzung des von dem Prinzip der demokratischen Repräsentation geforderten Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit. Der Normgehalt des § 55 Abs. 3 HGO werde überdehnt, wenn daraus die Zulässigkeit gemeinsamer Wahlvorschläge abgeleitet werde. Die Worte "aufgrund von Wahlvorschlägen aus der Mitte der Gemeindevertretung" seien auf einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD eingefügt worden, weil man habe erreichen wollen, dass die Gemeindevertreter genau wissen, wer zur Wahl steht. Es habe auch klargestellt werden sollen, dass aus der Sicht der Gemeindevertretung außenstehende Dritte, wie Gemeindevorstand, Ortsbeirat und Ausländerbeirat oder einzelne Bürger, der Gewerbeverein oder andere Interessenvertretungen, nicht berechtigt seien, Wahlvorschläge für die von der Gemeindevertretung durchzuführenden Wahlen vorzulegen. Das Verbot von Listenverbindungen nach § 10 Abs. 4 KWG habe einen wesentlichen Grund in der Verhinderung eines Verstoßes gegen die Chancengleichheit wegen der Doppelgewichtung von Stimmen, die mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl unvereinbar sei. Die gleiche Auswirkung habe die Vorabzuteilung eines Sitzes in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 4 KWG bei gemeinsamen Wahlvorschlägen. Das Prinzip der Spiegelbildlichkeit gelte nicht nur für Ausschüsse, sondern auch für den ehrenamtlichen Teil des Magistrats. Dieselben Grundsätze seien deshalb für die Wahl der ehrenamtlichen Mitglieder des Magistrats anzuwenden, zumal diese auf der gleichen gesetzlichen Grundlage erfolgten wie die Ausschusswahlen. Es sei nicht vorstellbar, dass die Anwendung derselben Normen zu unterschiedlichen Ergebnissen führe, je nachdem, ob Mitglieder der Ausschüsse oder des ehrenamtlichen Magistrats zu wählen seien. Die Legitimation des Magistrats müsse sich über demokratische Wahlen auf die Gesamtheit der Bürger der Gemeinde zurückführen lassen. Diese Anforderungen der Verfassung würden aber nur erfüllt, wenn die Stärkeverhältnisse der Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung per Verhältniswahl unverfälscht in den ehrenamtlichen Magistrat transportiert würden. Deswegen sei der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 erneut herausgestellte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auch für die Wahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder in Hessen anwendbar.

Dem Senat liegt ein Hefter Behördenakten der Beklagten vor, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht begründet worden (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 2 und 3 VwGO).

Die Berufung ist auch begründet, so dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Februar 2007 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen ist, und zwar wegen der nachträglich bekannt gewordenen, für die Dauer der gesamten Wahlperiode vereinbarten Zusammenarbeit der Fraktionen von CDU und FDP.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind bei mittelbaren Wahlen durch die Gemeindevertretung - im Unterschied zu unmittelbaren Wahlen durch die wahlberechtigten Bürger - gemeinsame Wahlvorschläge zulässig; auf diese ist die Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG mit der Folge der Vorabzuteilung eines Sitzes anwendbar. Die dazu von den Beklagten vertretene und in Hessen herkömmlich von Literatur und Rechtsprechung geteilte Auffassung lässt sich mit dem Gedanken der repräsentativen Demokratie, dem freien Mandat der Abgeordneten und dem der Funktionsfähigkeit staatlicher Organe dienenden Mehrheitsprinzip begründen:

In einer ersten Stufe sind gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch in Kreisen und Gemeinden in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen Volksvertretungen zu wählen, denn gemäß Art. 20 Abs. 2 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird von diesem u. a. in Wahlen ausgeübt. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken und nach § 1 des Parteiengesetzes als verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit ihrer freien, dauernden Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes eine ihnen nach dem Grundgesetz obliegende und von ihm verbürgte öffentliche Aufgabe erfüllen. Dazu beteiligen sie sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden und nehmen auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss.

Diese Vorgaben sind in Hessen im Kommunalwahlgesetz dadurch umgesetzt, dass nach § 1 Abs. 1 KWG Gemeindevertretungen, Ortsbeiräte und Kreistage von den Wahlberechtigten in freier, allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen einer mit einer Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt werden. Die Wahlvorschläge können entsprechend ihrer Aufgabe der politischen Willensbildung und Einflussnahme gemäß § 10 Abs. 2 KWG (nur) von Parteien im Sinne des Art. 21 des Grundgesetzes und von Wählergruppen eingereicht werden.

Daraus ergibt sich zunächst, dass auf dieser ersten Stufe der unmittelbaren Wahl der Volksvertretung (hier: Gemeindevertretung) durch die Bürger eine gemeinsame Wahlliste mehrerer Parteien nicht zulässig ist. Die Wähler sollen in die Lage versetzt werden, frei zwischen den durch einzelne Parteien (im kommunalen Bereich auch einzelne Wählergruppen) vertretenen politischen Zielsetzungen wählen zu können, was bei einer gemeinsamen Wahlliste mehrerer Parteien nicht möglich wäre, weil diese mehrere unterschiedliche politische Zielsetzungen verbinden würde. Um diese Wahlfreiheit weiterhin zu gewährleisten, ist in § 10 Abs. 4 KWG für den Normalfall auch die Verbindung von Wahlvorschlägen mehrerer Parteien oder Wählergruppen verboten. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht in dem von den Beteiligten zitierten Urteil vom 29. November 1991 - 7 C 13.91 - (DVBl. 1992 S. 431 ff. = NVwZ 1992 S. 488 f. = DÖV 1992 S. 830 f. = juris Rdnrn. 8 und 14) das Problem aufgeworfen, ob die Zulassung von Listenverbindungen verschiedener Parteien oder Wählergruppen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat es aber in dem entschiedenen Fall offenlassen können, weil jedenfalls die Anwendung der Mehrheitsklausel zwar auf verbundene Listen "ein und derselben Partei oder Wählergruppe" unproblematisch sein dürfte, nicht aber - wie im dortigen Fall - auf eine Verbindung von Wahlvorschlägen unterschiedlicher Parteien, weil dadurch nicht deutungsgleichen Wählerinteressen ohne inneren Grund ein Vorabausgleich und damit eine Sitzmehrheit verschafft werden soll (a.a.O.. juris Rdnr. 11). Diese Vorabzuteilung eines Sitzes an eine Mehrheitsfraktion erfüllt den Zweck, den Wählerwillen im Sinne des demokratischen Grundsatzes der Mehrheitsentscheidung Rechnung zu tragen und die Funktionsfähigkeit des Parlaments durch eine stabile parlamentarische Mehrheitsbildung zu sichern (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Dezember 2004 - 2 BvE 3/02 -, BVerfGE 112 S. 118 ff. = DVBl. 2005 S. 185 ff. = NJW 2005 S. 203 ff. = juris Rdnr. 64).

Es ist danach folgerichtig, dass auf dieser ersten Stufe der unmittelbaren Wahl der Gemeindevertreter die Vorabzuteilung eines "weiteren Sitzes" gemäß § 22 Abs. 4 KWG nur für den Fall vorgesehen ist, dass "der Wahlvorschlag einer Partei oder Wählergruppe", auf den mehr als die Hälfte der Stimmen entfallen ist, nach der Berechnung nicht mehr als die Hälfte der insgesamt zu vergebenden Sitze erhalten würde. Diese Vorschrift ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 1991 (a.a.O., juris Rdnrn. 10 f.) grundsätzlich verfassungskonform. Zwar führe dieser Vorteilsausgleich zu einer echten Doppelbewertung der Stimmen, dies sei aber unproblematisch, weil damit eine durch die Berechnung entstandene Erfolgswertungleichheit der Stimmen ausgeräumt und einer auf eine Partei oder Wählergruppe konzentrierten Wählermehrheit zum Erfolg verholfen werden solle; dementsprechend sei dies sogar dann unproblematisch, wenn Listen verbunden seien, wenn sie von "ein und derselben Partei oder Wählergruppe stammen" (wie dies im Bund mit den Landeslisten geschehe oder wie in Hessen in dem Sonderfall des § 10 Abs. 3 und 4 KWG, in dem ein Wahlkreis in Wahlbereiche aufgeteilt sei und eine Partei deshalb mehrere Wahlvorschläge einreichen könne).

Auf dieser ersten Stufe der unmittelbaren Wahl der Volksvertretung kommt danach die in Art. 20 Abs. 2 GG angesprochene Volkssouveränität dadurch zum Ausdruck, dass der auf die politische Zielsetzung einzelner Parteien gerichtete Wählerwille der Bürger die Zusammensetzung der Volksvertretung nach den Mehrheitsverhältnissen der Parteien untereinander bestimmt. Um das zu gewährleisten, sind sowohl gemeinsame Wahllisten mehrerer Parteien gemäß § 10 Abs. 2 und 4 KWG als auch die Verbindung der Wahllisten einzelner Parteien unzulässig.

Nach dem Gedanken der repräsentativen Demokratie beschränkt sich die Einflussnahme der Bürger - auch im Interesse der Funktionsfähigkeit staatlicher Organe - auf diese erste Stufe mit der Folge, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes ihre Stimme "abgegeben" haben. Auf der zweiten Stufe werden nicht nur die (gesetzgeberischen) Sachentscheidungen durch die "Volksvertreter" getroffen, sondern auch im Wege mittelbarer Wahlen weitere Gremien wie Ausschüsse, Regierung usw. gebildet. Dabei steht den "Volksvertretern" als Bundestagsangeordnete gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und als hessische Gemeindevertreter gemäß § 35 Abs. 1 HGO ein sog. freies Mandat zu, d. h. sie sind als Vertreter des ganzen Volkes bzw. der Gemeindebürger an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen bzw. üben ihre Tätigkeit nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung aus und sind an Aufträge und Wünsche der Wähler nicht gebunden. In diesem Sinne ist die Regelung des § 55 Abs. 3 HGO, wonach die mittelbaren Wahlen "aufgrund von Wahlvorschlägen aus der Mitte der Gemeindevertretung" stattfinden, dahin zu verstehen, dass die Gemeindevertreter hinsichtlich der Wahlvorschläge völlig frei, insbesondere also auch gemeinsame Wahlvorschläge mehrerer Gruppen oder Fraktionen ohne weiteres zulässig sind. Da § 55 Abs. 3 HGO von diesem Verständnis ausgehend als abschließende spezielle Regelung über Wahlvorschläge für mittelbare Wahlen durch die Gemeindevertreter anzusehen ist, bezieht sich die für Wahlen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl geltende Verweisung in § 55 Abs. 4 HGO auf eine entsprechende Anwendung des direkt nur für unmittelbare Wahlen geltenden Kommunalwahlgesetzes jedenfalls nicht auf die Regelung des Wahlvorschlagsrechts gemäß § 10 KWG, so dass auch das Verbot gemeinsamer Wahllisten mehrerer Parteien bzw. gemeinsamer Wahlvorschläge mehrerer Fraktionen nach § 10 Abs. 2 KWG bei mittelbaren Wahlen schon gesetzessystematisch nicht anwendbar ist.

Deshalb bezieht sich die in § 55 Abs. 4 HGO ausdrücklich angesprochene entsprechende Verweisung auf § 22 Abs. 4 KWG auch nicht nur auf den Wahlvorschlag "einer Partei oder Wählergruppe", weil diese Einschränkung mit der Regelung in § 10 Abs. 2 KWG für unmittelbare Wahlen korrespondiert. Mit dieser Mehrheitsklausel soll daher auch nicht einem mehrheitlichen Wählerwillen der Gemeindebürger, sondern dem mehrheitlichen Wählerwillen der Gemeindevertreter Rechnung getragen werden.

Diese Betrachtungsweise lässt sich mit dem bundesverfassungsgerichtlich entwickelten sog. Spiegelbildlichkeitsprinzip vereinbaren. Nach diesem Prinzip sollen die Ausschüsse als Untergliederung des Parlaments als verkleinertes Abbild des Plenums grundsätzlich dessen parteipolitische, dem Stärkeverhältnis der Fraktionen entsprechende Zusammensetzung spiegelbildlich abbilden, um allen Abgeordneten den gleichen Anteil an der Repräsentanz des Volkes und gleiche Mitwirkungsbefugnisse auch in verkleinerten Gremien zu verschaffen, die wesentliche Teile der dem Parlament zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen (vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80 S. 188 ff. = DVBl. 1989 S. 820 ff. = NVwZ 1990 S. 253 ff. = juris Rdnr. 113, Urteil vom 8. Dezember 2004, a.a.O. juris Rdnr. 54); dieses aus dem Abgeordnetenstatus gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitete Recht auf gleiche Mitwirkungsbefugnisse in den Ausschüssen soll auch Gruppierungen fraktionsloser Abgeordneter zustehen, die sich wegen gleicher Parteizugehörigkeit oder auf Grund eines Wahlbündnisses zusammengeschlossen haben, wenn auf sie bei der gegebenen Größe der Ausschüsse und auf der Grundlage des vom Bundestag jeweils angewendeten Proportionalverfahrens ein oder mehrere Sitze entfielen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1991 - 2 BvE 1/91 - BVerfGE 84 S. 304 ff. = DVBl. 1991 S. 992 ff. = juris Rdnrn. 99 ff.). Das die grundsätzlich gleichen Mitwirkungsrechte aller Volksvertreter sichernde Spiegelbildlichkeitsprinzip dient damit insbesondere auch dem Minderheitenschutz.

Dieses Spiegelbildlichkeitsprinzip hat das Bundesverwaltungsgericht mit dem von dem Kläger herangezogenen Grundsatzurteil vom 10. Dezember 2003 - 8 C 18.03 - (BVerwGE 119 S. 305 ff. = DVBl. 2004 S. 439 ff. = NVwZ 2004 S. 621 ff. = juris) auf die Ebene der Gemeinden übertragen. Die Gemeindevertretung repräsentiere die Gemeindebürger, auch wenn sie kein Parlament, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft sei. Diese Repräsentation vollziehe sich nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschüssen der Gemeindevertretung. Aus dem Prinzip der demokratischen Repräsentation und der Einbeziehung der Gemeindevertreter in dieses Prinzip folge, dass Ausschüsse nicht unabhängig von dem Stärkeverhältnis der Fraktionen besetzt werden dürften, über das die Gemeindebürger bei der Wahl der Gemeindevertreter mit entschieden hätten. Als verkleinerte Abbilder des Plenums müssten die Ausschüsse in ihrer Zusammensetzung das im Plenum wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln, so dass die einzelnen Fraktionen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Ausschussbesetzung nach Maßgabe ihrer jeweiligen Mitgliederzahl hätten. Diese für die Besetzung der Ausschüsse der Gemeindevertretung geltenden bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben beschränkten das freie Mandat der jeweiligen Gemeindevertreter in zulässiger Weise zur Durchsetzung der angeführten verfassungsrechtlichen Prinzipien und damit auch zur Sicherung des Rechts der Minderheit auf eine ihrem Gewicht entsprechende Repräsentation in den Ausschüssen. Auch wenn die Ausschussmitglieder nicht von den Fraktionen entsprechend ihrer Stärkeverhältnisse benannt, sondern in der Gemeindevertretung gewählt würden, wobei wegen des Wahlverhaltens der einzelnen Gemeindevertreter naturgemäß gewisse Unwägbarkeiten entstünden, seien bei der Gestaltung des Wahlverfahrens die Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auch auf der Ebene der Gemeinden zu respektieren.

Um ein in diesem Sinne möglichst proporzgenaues Abbild der politischen Kräfteverhältnisse der Gemeindevertretung auch in den Ausschüssen zu erzielen, kann § 55 Abs. 3 HGO den Gemeindevertretern die Aufstellung von Wahlvorschlägen für mittelbare Wahlen nicht im obigen Sinne völlig freistellen, sondern muss unter Heranziehung des Spiegelbildlichkeitsprinzips einschränkend ausgelegt werden: Da § 55 Abs. 3 HGO nur generell (sowohl für Mehrheits- wie auch für Verhältniswahlen) regelt, dass Wahlvorschläge nur aus der Mitte der Gemeindevertretung erfolgen dürfen, aber keine nähere Bestimmung über die Urheberschaft und Zusammensetzung der Vorschläge trifft, ordnet für den speziellen Fall einer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl § 55 Abs. 4 HGO eine entsprechende Anwendung des Kommunalwahlgesetzes auch hinsichtlich der Regelung des § 10 KWG über die nähere Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts an. Eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 2 KWG ergibt danach, dass Wahlvorschläge nur von einzelnen Fraktionen politischer Parteien und von Wählergruppen eingereicht werden können, also weder gemeinsame Wahlvorschläge noch gemäß § 10 Abs. 4 KWG Verbindungen einzelner Wahlvorschläge zulässig sind. Damit entspricht die hessische im Ergebnis der nordrhein-westfälischen Regelung, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 war. Damit werden die zur unmittelbaren Wahl auf der ersten Stufe geltenden Grundsätze spiegelbildlich auf die mittelbare Wahl der Ausschüsse übertragen, um auch hier das auf dem Bürgerwillen beruhende Kräfteverhältnis zwischen den von den Parteien/Fraktionen verkörperten verschiedenen politischen Zielsetzungen widerzuspiegeln. Damit beschränkt sich auch die entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 4 KWG auf den Wahlvorschlag einer Fraktion einer politischen Partei oder Wählergruppe und kann in den Ausschüssen nicht zu einer Verfälschung des Wählerwillens der Gemeindebürger führen.

Diese Auslegung wird der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 10. Dezember 2003 (a.a.O., juris Rdnr. 15) gerecht, dass die Sitzverteilung in den Ausschüssen den politischen Stärkeverhältnisse nach Fraktionen oder Gruppen der vom Volk gewählten Vertreter entsprechen müsse.

Je kleiner das zu wählende Gremium und je vielgestaltiger das politische Kräfteverhältnis im Plenum ist, desto weniger ist aber eine proporzgenaue Abbildung in den Ausschüssen oder sonstigen Gremien möglich; es kann sowohl die Mehrheit einer Mehrheitsfraktion verloren gehen als auch die Beteiligung einer Minderheitsfraktion. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 8. Dezember 2004 (a.a.O., juris Rdnrn. 64 ff.) ausgeführt, der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gelte nicht uneingeschränkt. Er müsse im Konfliktfall mit dem Prinzip stabiler parlamentarischer Mehrheitsbildung in Einklang gebracht werden. Der gleichheitsgerechte Status von Abgeordneten und Fraktionen lasse bei Vorliegen besonderer Gründe Differenzierungen zu. Die für die Teilnahme am Prozess der parlamentarischen Willensbildung geltenden Gleichheitsanforderungen würden durch das Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments und durch den demokratischen Grundsatz der Mehrheitsentscheidung begrenzt. Kollidierten der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit und der Grundsatz, dass bei Sachentscheidungen die die Regierung tragende parlamentarische Mehrheit sich auch in verkleinerten Abbildungen des Bundestages durchsetzen können müsse, so seien beide Grundsätze zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Das Prinzip der proportionalen Repräsentation ende als Gleichheitsanspruch und Minderheitenschutz gleichsam dort, wo Entscheidungen in der Sache getroffen werden, demokratische Willensbildung als Mehrheitswille in Erscheinung treten müsse und eine stabile parlamentarische Mehrheit im Einklang mit den die Regierung bildenden politischen Kräften erforderlich sei. Verkleinerte Abbildungen des Bundestages müssten deshalb zwar personell dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gehorchen, Abweichungen seien aber in begrenztem Umfang gerechtfertigt, wenn im verkleinerten Gremium nur dadurch Sachentscheidungen ermöglicht würden, die eine realistische Aussicht hätten, mit dem Willen einer im Plenum bestehenden politischen "Regierungsmehrheit" überein zu stimmen.

Nach diesen Grundsätzen ist auch bei mittelbaren Wahlen die entsprechende Anwendung der Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG gerechtfertigt, zumal sie für den extremen Fall eines zu wählenden zweiköpfigen Gremiums gem. § 55 Abs. 4 ausgeschlossen ist.

Die für das vorliegende Verfahren entscheidungserhebliche Frage, ob aus diesen Gründen eine Einschränkung des Spiegelbildlichkeitsprinzips auch für den Fall gerechtfertig ist, dass sich mehrere Fraktionen zu einer "die Regierung tragenden parlamentarischen Mehrheit" bzw. zu einer "politischen 'Regierungsmehrheit'" im Sinne einer auf Dauer angelegten politischen Zusammenarbeit zusammengeschlossen und zu dem Zweck einen gemeinsamen Wahlvorschlag gemacht haben, um durch die Vorabzuteilung eines zusätzlichen Sitzes auch in den Ausschüssen eine "stabile parlamentarische Mehrheit" zu erreichen (so VG Oldenburg, Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 A 195/07 - juris zur Niedersächsischen Gemeindeordnung), ist deshalb zu bejahen.

Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass es bei der Anwendung des Spiegelbildlichkeitsprinzips auf mittelbare Wahlen in erster Linie um die Mitwirkungsgleichheit der Abgeordneten gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und weniger um den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien als Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und um das Prinzip der repräsentativen Demokratie und den Schutz der parlamentarischen Minderheit geht (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1991, a.a.O., juris Rdnrn. 103 ff.) und dass auf dieser zweiten Ebene nach Durchführung der unmittelbaren Wahlen das freie Mandat der "Volksvertreter", die die Fraktionen in Ausübung dieses freien Mandats auf Grund eigener Entscheidung gebildet haben, im Wesentlichen auch dem Zweck dient, unabhängig vom Wählerauftrag die Funktionsfähigkeit staatlicher Organe herbeizuführen, so dass auch Koalitionen oder Kooperationen gebildet werden können, die nicht unmittelbar als solche vom Volk gewählt worden sind. Danach sind auch im kommunalen Bereich in begrenztem Umfang Abweichungen vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gerechtfertigt, wenn nur dadurch im verkleinerten Gremium Sachentscheidungen ermöglicht werden, die eine realistische Aussicht auf Übereinstimmung mit dem Mehrheitswillen im Plenum haben, oder wenn nur dadurch bei Sachentscheidungen der demokratisch gebildete Mehrheitswille in Erscheinung treten kann (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 3. Juli 2007, a.a.O., juris Rdnr. 26).

In Hessen kommt hinzu, dass mit der Kommunalverfassungsrechtsnovelle 1999 die Fünf-Prozent-Sperrklausel gestrichen und das Panaschieren und Kumulieren in das hessische Kommunalwahlgesetz eingeführt worden ist, was auch kleinsten politischen Gruppierungen den Einzug in die "Kommunalparlamente" ermöglicht, so dass wegen der erhöhten Zahl der vertretenen politischen Gruppen zur Sicherung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit kommunaler Organe nicht nur gerechtfertig erscheint, die Fraktionsmindestgröße zu erhöhen (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 22. März 2007 - 8 N 2359/06 -, HGZ 2007 S. 253; LKRZ 2007 S. 262; juris Rdnr. 63), sondern auch die Bildung gemeinsamer Wahlvorschläge für mittelbare Wahlen mit dem Ziel zuzulassen, in den zu wählenden Gremien eine stabile politische Mehrheit für eine längerfristig geplante Zusammenarbeit zu sichern.

Dem entspricht es, dass das Bundesverwaltungsgericht in dem Grundsatzurteil vom 10. Dezember 2003 (a.a.O., juris Rdnr. 15 ff.) - nur - gemeinsame Wahlvorschläge solcher bloßen Zählgemeinschaften für unzulässig hält, die weder als solche vom Volk gewählt wurden noch über die Ausschusswahlen hinausgehende gemeinsame politische Ziele verfolgen, bei denen also allein die Gewinnung von zusätzlichen Ausschusssitzen Grund des Zusammenschlusses ist. Dementsprechend ist in dem früheren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 1991 (a.a.O., juris Rdnr. 11) ausgeführt, dass für solche bloßen "Zählgemeinschaften" kein innerer Grund für einen Vorabausgleich und die darin liegende Doppelbewertung der Stimmen bestehe.

In diesem Sinne kann die "entsprechende Anwendung" des Kommunalwahlgesetzes gem. § 55 Abs. 4 Satz 1 HGO ausgelegt werden, also dahin, dass Wahlvorschläge gem. § 10 Abs. 2 KWG von einzelnen Fraktionen oder nur dann gemeinsam von mehreren Fraktionen eingereicht werden können, wenn einem solchen gemeinsamen Wahlvorschlag eine verfestigte Form der politischen Zusammenarbeit zugrunde liegt.

Da hier nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Februar 2007 bekannt geworden ist, dass bereits vor den hier streitigen (mittelbaren) Ausschusswahlen vom 27. April 2006 eine "Arbeitsgemeinschaft CDU/FDP" am 3. April 2006 vereinbart und kurz darauf öffentlich bekannt geworden ist, waren die gemeinsamen Wahlvorschläge von CDU und FDP für die im Berufungsverfahren noch umstrittenen Ausschusswahlen unter Anwendung der Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG rechtmäßig. Daher ist auf die Berufung der beklagten Stadtverordnetenversammlung der Stadt A-Stadt das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Februar 2007 abzuändern und die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, so dass dem Kläger die in beiden Instanzen entstandenen Kosten aufzuerlegen sind.

Da sich die Beigeladenen nicht durch eigene Rechtsmittel oder eigene Antragstellung dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO unterworfen haben, sind ihre außergerichtlichen Kosten gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist wegen Fehlens von Zulassungsgründen nicht zuzulassen, insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil sich der Senat den Rechtsauffassungen von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht anschließt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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