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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 8 UE 876/07
Rechtsgebiete: GG, HGO, KWG
Vorschriften:
GG Art. 20 Abs. 2 | |
GG Art. 28 Abs. 1 S. 2 | |
HGO § 55 | |
HGO § 62 | |
KWG § 1 | |
KWG § 10 | |
KWG § 22 |
2. Die Ausschüsse hessischer Gemeindevertretungen müssen zwar nach dem aus dem Bundesverfassungsrecht abgeleiteten Spiegelbildlichkeitsprinzip grundsätzlich verkleinerte Abbildungen des Plenums sein. Eine Einschränkung dieses Prinzips ist jedoch gerechtfertigt, wenn sich mehrere Fraktionen der Gemeindevertretung zu einer auf Dauer angelegten Zusammenarbeit zusammengeschlossen und einen gemeinsamen Wahlvorschlag gemacht haben, um durch Zuteilung eines weiteren Sitzes eine "stabile parlamentarische Mehrheit" auch in den Ausschüssen sicherzustellen.
3. Zur Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die Wahl ehrenamtlicher Mitglieder eines Gemeindevorstands (offen gelassen).
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 6. Mai 2008
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Kommunalrechts/Anfechtung der Wahlen zu Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung und der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -8. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richter am Hess. VGH Schröder ehrenamtlichen Richter Döring, ehrenamtlichen Richter Dr. Goßmann
aufgrund der mündlichen Verhandlung
am 6. Mai 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2007 - 7 E 2932/06 (2) - wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu je einem Drittel zu tragen; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger und die Klägerinnen (im Folgenden: Kläger) sind Mitglieder der beklagten Stadtverordnetenversammlung der Stadt A-Stadt, bilden dort die Fraktion "Bürgerbündnis Für Frankfurt" (BFF) und greifen mit ihrer Klage die Gültigkeit der von der Beklagten am 8. Mai 2006 durchgeführten Wahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder an.
Nach der am 26. März 2006 erfolgten Kommunalwahl gehören von den 93 Mitgliedern der Beklagten 34 der CDU, 22 der SPD, 14 den Grünen, sechs der FDP, sechs der Linken/ WASG, vier der FAG, drei dem BFF und jeweils ein Mitglied der ÖkoLinX-ARL, der E.L., der NPD und den REPs an. In der zweiten Sitzung der Beklagten am 18. Mai 2006 fand u. a. die Wahl der 14 ehrenamtlichen Magistratsmitglieder statt. Dabei lagen ein gemeinsamer Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU und Grünen sowie jeweils eigene Wahlvorschläge der Fraktionen der SPD, der Linken, der FDP, der FAG und des BFF vor. Der gemeinsame Wahlvorschlag von CDU und Grünen erhielt vorab einen zusätzlichen Sitz nach der sog. Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG und kam dadurch auf acht Sitze, während die SPD drei Sitze und die Linke, die FDP und die FAG jeweils einen Sitz erhielten; der letzte Sitz war zwischen FAG und BFF verlost worden.
Gegen diese Wahl der ehrenamtlichen Stadträte erhoben die Kläger durch ihre Bevollmächtigten am 12. Juni 2006 Widerspruch, der nach entsprechendem Beschluss der Beklagten vom 22. Juni 2006 mit Widerspruchsbescheid des Stadtverordnetenvorstehers vom 29. Juni 2006, den Bevollmächtigten der Kläger zugestellt am 8. Juli 2006, zurückgewiesen wurde.
Die Kläger haben am 31. Juli 2006 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage auf die Feststellung erhoben, dass die am 18. Mai 2006 von der Beklagten durchgeführte Wahl der ehrenamtlichen Stadträte ungültig sei, später um den Hilfsantrag ergänzt, dass das Ergebnis der Wahl neu festzustellen sei.
Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht:
Die zulässige kommunalrechtliche Wahlprüfungsklage sei begründet, denn die Verteilung der Stellen der ehrenamtlichen Stadträte spiegele nicht die Stärkeverhältnisse der Fraktionen in der Beklagten wider. Das Wahlverfahren widerspreche deshalb dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes, wonach nicht allein die Ausschüsse der Vertretungskörperschaft, sondern auch der ehrenamtliche Magistrat das Stärkeverhältnis der Fraktionen widerspiegeln müsse. Auch für die Wahl der ehrenamtlichen Stadträte seien die Grundsätze des Demokratieprinzips und des Minderheitenschutzes uneingeschränkt gültig. Sowohl Magistrat wie auch Stadtverordnetenversammlung gehörten der gemeindlichen Verwaltung an und stünden einander nicht wie Exekutive und Legislative gegenüber. An den kommunalen Verwaltungsentscheidungen sollten möglichst alle politischen Gruppierungen der Stadtverordnetenversammlung mitwirken können. In Hessen vollziehe sich die Repräsentation der Wahlbevölkerung nicht allein in der Vertretungskörperschaft, sondern neben deren Ausschüssen auch im ehrenamtlichen Teil des Verwaltungsorgans. Dies habe seine konkrete landesgesetzliche Ausprägung darin gefunden, dass die Hessische Gemeindeordnung für die Wahlen sowohl der Ausschüsse als auch der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder nach § 55 HGO mit der entsprechenden Anwendung bestimmter Regeln des Kommunalwahlgesetzes ein gemeinsames Wahlverfahren nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vorschreibe, mit denen gemeinsame Wahlvorschläge/Zählgemeinschaften -abgesehen von dem Sonderfall des einheitlichen Wahlvorschlags gemäß § 55 Abs. 2 HGO - nicht vereinbar seien. Auch der historische Gesetzgeber habe großen Wert darauf gelegt, dass sich die Stärkeverhältnisse der politischen Parteien und Gruppen der Stadtverordnetenversammlung in dem Magistratskollegium widerspiegelten. Ein Benennungsverfahren für den ehrenamtlichen Magistrat sei nur deshalb nicht vorgesehen worden, weil ein Organ wie der Gemeindevorstand, der in weitem Umfange an der Ausübung öffentlicher Gewalt beteiligt sei, nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einer demokratischen Legitimation durch einen Wahlakt der Gemeindevertretung in ihrer Gesamtheit bedürfe.
Die Kläger haben beantragt,
festzustellen, dass die am 18. Mai 2006 von der Beklagten vollzogene Wahl der ehrenamtlichen Stadträte ungültig ist,
hilfsweise,
die Beklagten zu verurteilen, das Ergebnis der am 18. Mai 2006 vollzogenen Wahl der ehrenamtlichen Stadträtinnen und Stadträte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:
Die Wahl der ehrenamtlichen Stadträte sei rechtmäßig erfolgt. In Hessen kämen die Wahlvorschläge gemäß § 55 Abs. 3 HGO aus der Mitte der Stadtverordnetenversammlung. Die offene Formulierung dieser Regelung stelle es in die alleinige Entscheidung der Stadtverordneten, ob und in welcher Zusammensetzung sie Wahlvorschläge einreichten. Es seien ebenso Wahlvorschläge einzelner Stadtverordneter wie mehrerer Personen zulässig. Wahlvorschläge der Fraktionen stellten nur eine mögliche Form dar und seien als Wahlvorschläge der sie unterzeichnenden Stadtverordneten zu werten. Wenn ihnen die Einreichung gemeinsamer Wahlvorschläge untersagt würde, läge darin ein Verstoß gegen das durch § 35 HGO gesicherte freie Mandat der Stadtverordneten. Entgegen der Auffassung der Kläger beschränke sich die Regelung des § 55 Abs. 3 HGO nicht lediglich auf den Ausschluss von Wahlvorschlägen außenstehender Dritter, sondern stelle eine bewusste Regelung in Abgrenzung zu den einschlägigen Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes in § 10 Abs. 1 und 2 KWG dar. Während dort nur Wahlvorschläge von Parteien und Wählergruppen zugelassen seien, werde nach § 55 Abs. 3 HGO bei der Beigeordnetenwahl diese Eingrenzung nicht vorgenommen. Die Zulässigkeit gemeinsamer Wahlvorschläge stehe in der Tradition der Ausgestaltung der Verhältniswahl in der Hessischen Gemeindeordnung und finde ihren Ausdruck in § 55 Abs. 3 HGO. Der Gesetzgeber habe keine Privilegierung der in der Gemeindevertretung vorhandenen Fraktionen und Gruppierungen beabsichtigt, sondern es den Gemeindevertretern überlassen, bei mittelbaren Wahlen die Bildung und Zusammensetzung von Wahlvorschlägen eigenständig festzulegen. Die Heranziehung der Grundsätze des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003, das zu der davon abweichenden nordrhein-westfälischen Regelung ergangen, sei schon deshalb für Hessen nicht möglich; zudem betreffe diese Entscheidung das Verhältnis der Stadtverordnetenversammlung zu ihren Ausschüssen, nicht aber zu dem Magistrat als einer Verwaltungsbehörde mit Exekutivbefugnissen. Diese bestehe aus Beamten, so dass der Aspekt des politisch zusammengesetzten und dementsprechend auch ausgerichteten Organs hier gerade nicht zum Tragen komme. Zutreffend habe deshalb auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil vom 17. Oktober 1991 entschieden, dass der Gemeindevorstand kein Spiegelbild der in der Gemeindevertretung repräsentierten Parteien und Zusammenschlüsse darstellen müsse. Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 habe zudem ein Fall zugrunde gelegen, bei dem der gemeinsame Wahlvorschlag ohne verfestigte Form des Zusammenwirkens allein zur Erlangung eines Vorteils bei einer Ausschussbesetzung eingereicht worden sei. Im vorliegenden Fall habe aber wegen einer Koalitionsvereinbarung eine andere Konstellation bestanden. Ein gemeinsamer Wahlvorschlag stelle auch keine unzulässige Listenverbindung dar, weil bei diesem die Reihenfolge der zur Wahl gestellten Kandidaten von vornherein feststehe. Das Argument der Kläger, § 22 Abs. 4 KWG könne schon aufgrund seines Wortlauts nicht auf einen gemeinsamen Wahlvorschlag angewendet werden, gehe fehl, weil es hier nicht um die unmittelbare Anwendung bei einer Kommunalwahl, sondern nur um die in § 55 Abs. 4 HGO vorgesehene entsprechende Anwendung im Rahmen einer durch die Stadtverordnetenversammlung durchzuführenden Wahl gehe. Die Zulässigkeit gemeinsamer Wahlvorschläge ergebe sich gerade daraus, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der möglichen Probleme die Anwendung des § 22 Abs. 4 KWG nur für den Fall ausgeschlossen habe, dass lediglich zwei Stellen zu besetzen seien.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die am 18. Mai 2006 gewählten ehrenamtlichen Stadträte mit Beschluss vom 28. Dezember 2006 gemäß § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen und mit Urteil vom 31. Januar 2007 - 7 E 2932/06(2) - die Klage abgewiesen. Das Gericht hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der gemeinsame Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU und Grünen sei gemäß § 55 Abs. 3 HGO zulässig gewesen. Dabei handele es sich nicht um eine nach § 10 Abs. 4 KWG unzulässige Listenverbindung, weil die Reihenfolge der Kandidaten von vornherein festgelegt und damit die Unmittelbarkeit und Klarheit der Wahl gewährleistet sei. Auch die Grundsätze der Verhältniswahl stünden einem gemeinsamen Wahlvorschlag nicht entgegen. Obwohl die Rechtsprechung und Literatur in Hessen stets von der Zulässigkeit gemeinsamer Wahlvorschläge mehrerer Fraktionen ausgegangen sei, habe der Gesetzgeber keine Regelung über die Unzulässigkeit gemeinsamer Wahlvorschläge getroffen. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 ableiten, die sich mit der Zusammensetzung von Gemeinderatsausschüssen befasst habe. Die dort aufgestellten Grundsätze ließen sich - abgesehen von den unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen - nicht auf die Wahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder übertragen, denn der Magistrat sei kein Teil der Gemeindevertretung, sondern stelle das Verwaltungsorgan der Gemeinde dar. Die gewählten Mitglieder des ehrenamtlichen Magistrats gehörten auch nicht mehr der Gemeindevertretung an. Eine proporzgenaue Repräsentation der politischen Kräfte der Stadtverordnetenversammlung sei nach einem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs für den ehrenamtlichen Magistrat nicht erforderlich. Zudem habe der gemeinsame Wahlvorschlag hier auch nicht allein der Gewinnung eines rechnerischen Vorteils gedient, da eine zuvor verabredete und für die gesamte Wahlperiode projektierte Zusammenarbeit vorgelegen und auch nach der Wahl fortbestanden habe. Dem gemeinsamen Wahlvorschlag sei auch gemäß § 22 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HGO in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ein weiterer Sitz zugeteilt worden. Die Vorschrift sei für die Wahlen durch die Gemeindevertretung gemäß § 55 Abs. 4 Satz 1 HGO nur entsprechend anwendbar, so dass alle nach § 55 Abs. 3 HGO zulässigen Wahlvorschläge zu berücksichtigen seien. Aus der Einschränkung der Anwendbarkeit auf den Sonderfall der Besetzung von lediglich zwei Stellen durch das Wahlrechtsänderungsgesetz vom 16. Juni 1988 folge im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber, dem die Bedenken gegen die uneingeschränkte Anwendbarkeit des § 22 Abs. 4 KWG bekannt gewesen seien, im Übrigen von der Zulässigkeit des Sitzverteilungsverfahrens nach dieser Vorschrift ausgegangen sei.
Gegen das ihren Verfahrensbevollmächtigten am 15. März 2007 zugestellte Urteil haben die Kläger am 12. April 2007 die in dem Urteil zugelassene Berufung eingelegt, die sie am 14. Mai 2007 im Wesentlichen wie folgt begründet haben:
Zum Sachverhalt sei zu ergänzen, dass es in der Wahlzeit 2001 bis 2006 eine schriftlich vereinbarte "Allparteienkoalition" zwischen CDU, SPD, Grünen und FDP in der Beklagten gegeben habe. CDU und Grüne hätten als Träger des streitigen gemeinsamen Wahlvorschlags und Koalitionäre nach der Kommunalwahl 2006 vor der Wahl eine politische Zusammenarbeit nicht einmal angedeutet, geschweige denn ausdrücklich angekündigt, schon gar nicht als dauerhafte politische Koalition, so dass eine solche nicht vom Wählerwillen getragen sei.
Im rechtlichen Bereich überdehne das Verwaltungsgericht den Gehalt des § 55 Abs. 3 HGO, der sich mit gemeinsamen Wahlvorschlägen nicht befasse. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe sich, dass weder die Zulassung noch die Nichtzulassung gemeinsamer Wahlvorschläge bei mittelbaren Wahlen durch die Gemeindevertretung Regelungsgegenstand und Regelungszweck dieser Vorschrift sei. Es sei dem Gesetzgeber ausschließlich darum gegangen, für die Gemeindevertreter durch Wahlvorschläge unverrückbar und zweifelsfrei Gewissheit darüber herzustellen, welche Personen zur Wahl stünden, und klarzustellen, dass außenstehende Dritte nicht berechtigt seien, Wahlvorschläge für von der Gemeindevertretung durchzuführende Wahlen vorzulegen. Die Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2006 über das Prinzip der Spiegelbildlichkeit seien nicht nur auf die Wahl von Ausschüssen, sondern auch auf die Wahl des ehrenamtlichen Magistrats übertragbar.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2007 - 7 E 2932/06(2) - festzustellen, dass die am 18. Mai 2006 von der Beklagten vollzogene Wahl der ehrenamtlichen Stadträtinnen und Stadträte ungültig ist,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, das Ergebnis der am 18. Mai 2006 von der Beklagten vollzogenen Wahl der ehrenamtlichen Stadträtinnen und Stadträte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzustellen,
und die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Wahlwiderspruchsverfahren als Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und hat zur Begründung u. a. geltend gemacht:
Es sei wirklichkeitsfremd, wenn die Kläger behaupten wollten, den Wählern sei nicht bekannt, dass Koalitionen gerade auch nach Wahlen gebildet würden. Das Verwaltungsgericht habe § 55 Abs. 3 HGO zutreffend dahin ausgelegt, dass eine nähere Ausgestaltung der Zusammensetzung der Wahlvorschläge, insbesondere ein Verbot einzelner Formen, der Regelung nicht zu entnehmen sei; ein solches könne und dürfte auch nicht hineininterpretiert werden. Listenverbindungen und gemeinsamen Wahlvorschlägen dürften nicht gleichgesetzt werden. Zwar könne einer bloßen Zählgemeinschaft, die ihre Grundlage nicht in einer verfestigten Form der Zusammenarbeit habe und nicht an der parlamentarischen Willensbildung teilnehme, im Ergebnis eine der Listenverbindung entsprechende Wirkung beigelegt werden. Hier liege jedoch eine Koalitionsvereinbarung vor. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit könne nicht auf den ehrenamtlichen Magistrat übertragen werden. Letztlich laufe die Argumentation der Kläger darauf hinaus, dass die Regelung des § 55 Abs. 3 HGO rechtswidrig sei, so dass eine unzulässige Normenkontrollklage vorliege. Der auf einer verabredeten Koalition beruhende gemeinsame Wahlvorschlag führe nicht zu einem Verstoß gegen die Chancengleichheit, und zwar unabhängig davon, ob die potentielle Zusammenarbeit schon vor der Kommunalwahl verabredet oder möglich gewesen sei.
Entscheidungsgründe:
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Kläger ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht begründet worden (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 2 und 3 VwGO).
Die Berufung der klagenden Stadtverordneten der Fraktion BFF in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt A-Stadt gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar ist jedoch unbegründet. Die von den Klägern angegriffene Wahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als gültig angesehen worden.
Dabei ist letztlich nicht entscheidungserheblich, ob der in dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 für die Ausschusswahlen herangezogene Spiegelbildlichkeitsgrundsatz auch für die Wahl der ehrenamtlichen Mitglieder des Magistrats anzuwenden ist, da dem hier umstrittenen gemeinsamen Wahlvorschlag eine auf Dauer geplante politische Zusammenarbeit zugrunde lag, so dass dieser Vorschlag auch bei Anwendung dieses Grundsatzes zulässig wäre.
Entgegen der Auffassung der Kläger sind bei mittelbaren Wahlen durch die Gemeindevertretung - im Unterschied zu unmittelbaren Wahlen durch die wahlberechtigten B. - gemeinsame Wahlvorschläge zulässig; auf diese ist die Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG mit der Folge der Vorabzuteilung eines Sitzes anwendbar. Die dazu von den Beklagten vertretene und in Hessen herkömmlich von Literatur und Rechtsprechung geteilte Auffassung lässt sich mit dem Gedanken der repräsentativen Demokratie, dem freien Mandat der Abgeordneten und dem der Funktionsfähigkeit staatlicher Organe dienenden Mehrheitsprinzip begründen:
In einer ersten Stufe sind gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch in Kreisen und Gemeinden in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen Volksvertretungen zu wählen, denn gemäß Art. 20 Abs. 2 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird von diesem u. a. in Wahlen ausgeübt. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken und nach § 1 des Parteiengesetzes als verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit ihrer freien, dauernden Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes eine ihnen nach dem Grundgesetz obliegende und von ihm verbürgte öffentliche Aufgabe erfüllen. Dazu beteiligen sie sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden und nehmen auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss.
Diese Vorgaben sind in Hessen im Kommunalwahlgesetz dadurch umgesetzt, dass nach § 1 Abs. 1 KWG Gemeindevertretungen, Ortsbeiräte und Kreistage von den Wahlberechtigten in freier, allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen einer mit einer Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt werden. Die Wahlvorschläge können entsprechend ihrer Aufgabe der politischen Willensbildung und Einflussnahme gemäß § 10 Abs. 2 KWG (nur) von Parteien im Sinne des Art. 21 des Grundgesetzes und von Wählergruppen eingereicht werden.
Daraus ergibt sich zunächst, dass auf dieser ersten Stufe der unmittelbaren Wahl der Volksvertretung (hier: Gemeindevertretung) durch die B. eine gemeinsame Wahlliste mehrerer Parteien nicht zulässig ist. Die Wähler sollen in die Lage versetzt werden, frei zwischen den durch einzelne Parteien (im kommunalen Bereich auch einzelne Wählergruppen) vertretenen politischen Zielsetzungen wählen zu können, was bei einer gemeinsamen Wahlliste mehrerer Parteien nicht möglich wäre, weil diese mehrere unterschiedliche politische Zielsetzungen verbinden würde. Um diese Wahlfreiheit weiterhin zu gewährleisten, ist in § 10 Abs. 4 KWG für den Normalfall auch die Verbindung von Wahlvorschlägen mehrerer Parteien oder Wählergruppen verboten. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29. November 1991 - 7 C 13.91 - (DVBl. 1992 S. 431 ff. = NVwZ 1992 S. 488 f. = DÖV 1992 S. 830 f. = juris Rdnrn. 8 und 14) das Problem aufgeworfen, ob die Zulassung von Listenverbindungen verschiedener Parteien oder Wählergruppen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat es aber in dem entschiedenen Fall offenlassen können, weil jedenfalls die Anwendung der Mehrheitsklausel zwar auf verbundene Listen "ein und derselben Partei oder Wählergruppe" unproblematisch sein dürfte, nicht aber - wie im dortigen Fall - auf eine Verbindung von Wahlvorschlägen unterschiedlicher Parteien, weil dadurch nicht deutungsgleichen Wählerinteressen ohne inneren Grund ein Vorabausgleich und damit eine Sitzmehrheit verschafft werden soll (a.a.O., juris Rdnr. 11). Diese Vorabzuteilung eines Sitzes an eine Mehrheitsfraktion erfüllt den Zweck, dem Wählerwillen im Sinne des demokratischen Grundsatzes der Mehrheitsentscheidung Rechnung zu tragen und die Funktionsfähigkeit des Parlaments durch eine stabile parlamentarische Mehrheitsbildung zu sichern (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Dezember 2004 - 2 BvE 3/02 -, BVerfGE 112 S. 118 ff. = DVBl. 2005 S. 185 ff. = NJW 2005 S. 203 ff. = juris Rdnr. 64).
Es ist danach folgerichtig, dass auf dieser ersten Stufe der unmittelbaren Wahl der Gemeindevertreter die Vorabzuteilung eines "weiteren Sitzes" gemäß § 22 Abs. 4 KWG nur für den Fall vorgesehen ist, dass "der Wahlvorschlag einer Partei oder Wählergruppe", auf den mehr als die Hälfte der Stimmen entfallen ist, nach der Berechnung nicht mehr als die Hälfte der insgesamt zu vergebenden Sitze erhalten würde. Diese Vorschrift ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 1991 (a.a.O., juris Rdnrn. 10 f.) grundsätzlich verfassungskonform. Zwar führe dieser Vorteilsausgleich zu einer echten Doppelbewertung der Stimmen, dies sei aber unproblematisch, weil damit eine durch die Berechnung entstandene Erfolgswertungleichheit der Stimmen ausgeräumt und einer auf eine Partei oder Wählergruppe konzentrierten Wählermehrheit zum Erfolg verholfen werden solle; dementsprechend sei dies sogar dann unproblematisch, wenn Listen verbunden seien, wenn sie von "ein und derselben Partei oder Wählergruppe stammen" (wie dies im Bund mit den Landeslisten geschehe oder wie in Hessen in dem Sonderfall des § 10 Abs. 3 und 4 KWG, in dem ein Wahlkreis in Wahlbereiche aufgeteilt sei und eine Partei deshalb mehrere Wahlvorschläge einreichen könne).
Auf dieser ersten Stufe der unmittelbaren Wahl der Volksvertretung kommt danach die in Art. 20 Abs. 2 GG angesprochene Volkssouveränität dadurch zum Ausdruck, dass der auf die politische Zielsetzung einzelner Parteien gerichtete Wählerwille der B. die Zusammensetzung der Volksvertretung nach den Mehrheitsverhältnissen der Parteien untereinander bestimmt. Um das zu gewährleisten, sind sowohl gemeinsame Wahllisten mehrerer Parteien gemäß § 10 Abs. 2 und 4 KWG als auch die Verbindung der Wahllisten einzelner Parteien unzulässig.
Nach dem Gedanken der repräsentativen Demokratie beschränkt sich die Einflussnahme der B. - auch im Interesse der Funktionsfähigkeit staatlicher Organe - auf diese erste Stufe mit der Folge, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes ihre Stimme "abgegeben" haben. Auf der zweiten Stufe werden nicht nur die (gesetzgeberischen) Sachentscheidungen durch die "Volksvertreter" getroffen, sondern auch im Wege mittelbarer Wahlen weitere Gremien wie Ausschüsse, Regierung usw. gebildet. Dabei steht den "Volksvertretern" als Bundestagsangeordneten gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und als hessischen Gemeindevertretern gemäß § 35 Abs. 1 HGO ein sog. freies Mandat zu, d. h. sie sind als Vertreter des ganzen Volkes bzw. der Gemeindebürger an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen bzw. üben ihre Tätigkeit nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung aus und sind an Aufträge und Wünsche der Wähler nicht gebunden. In diesem Sinne ist die Regelung des § 55 Abs. 3 HGO, wonach die mittelbaren Wahlen "aufgrund von Wahlvorschlägen aus der Mitte der Gemeindevertretung" stattfinden, dahin zu verstehen, dass die Gemeindevertreter hinsichtlich der Wahlvorschläge völlig frei, insbesondere also auch gemeinsame Wahlvorschläge mehrerer Gruppen oder Fraktionen ohne weiteres zulässig sind. Da § 55 Abs. 3 HGO von diesem Verständnis ausgehend als abschließende spezielle Regelung über Wahlvorschläge für mittelbare Wahlen durch die Gemeindevertreter anzusehen ist, bezieht sich die für Wahlen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl geltende Verweisung in § 55 Abs. 4 HGO auf eine entsprechende Anwendung des direkt nur für unmittelbare Wahlen geltenden Kommunalwahlgesetzes jedenfalls nicht auf die Regelung des Wahlvorschlagsrechts gemäß § 10 KWG, so dass auch das Verbot gemeinsamer Wahllisten mehrerer Parteien bzw. gemeinsamer Wahlvorschläge mehrerer Fraktionen nach § 10 Abs. 2 KWG bei mittelbaren Wahlen schon gesetzessystematisch nicht anwendbar ist.
Deshalb bezieht sich die in § 55 Abs. 4 HGO ausdrücklich angesprochene entsprechende Verweisung auf § 22 Abs. 4 KWG auch nicht nur auf den Wahlvorschlag "einer Partei oder Wählergruppe", weil diese Einschränkung mit der Regelung in § 10 Abs. 2 KWG für unmittelbare Wahlen korrespondiert. Mit dieser Mehrheitsklausel soll daher auch nicht einem mehrheitlichen Wählerwillen der Gemeindebürger, sondern dem mehrheitlichen Wählerwillen der Gemeindevertreter Rechnung getragen werden.
Diese Betrachtungsweise lässt sich mit dem bundesverfassungsgerichtlich entwickelten sog. Spiegelbildlichkeitsprinzip vereinbaren. Nach diesem Prinzip sollen die Ausschüsse als Untergliederungen des Parlaments und als verkleinertes Abbild des Plenums grundsätzlich dessen parteipolitische, dem Stärkeverhältnis der Fraktionen entsprechende Zusammensetzung spiegelbildlich abbilden, um allen Abgeordneten den gleichen Anteil an der Repräsentanz des Volkes und gleiche Mitwirkungsbefugnisse auch in verkleinerten Gremien zu verschaffen, die wesentliche Teile der dem Parlament zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen (vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80 S. 188 ff. = DVBl. 1989 S. 820 ff. = NVwZ 1990 S. 253 ff. = juris Rdnr. 113, Urteil vom 8. Dezember 2004, a.a.O. juris Rdnr. 54); dieses aus dem Abgeordnetenstatus gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitete Recht auf gleiche Mitwirkungsbefugnisse in den Ausschüssen soll auch Gruppierungen fraktionsloser Abgeordneter zustehen, die sich wegen gleicher Parteizugehörigkeit oder auf Grund eines Wahlbündnisses zusammengeschlossen haben, wenn auf sie bei der gegebenen Größe der Ausschüsse und auf der Grundlage des vom Bundestag jeweils angewendeten Proportionalverfahrens ein oder mehrere Sitze entfielen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1991 - 2 BvE 1/91 - BVerfGE 84 S. 304 ff. = DVBl. 1991 S. 992 ff. = juris Rdnrn. 99 ff.). Das die grundsätzlich gleichen Mitwirkungsrechte aller Volksvertreter sichernde Spiegelbildlichkeitsprinzip dient damit insbesondere auch dem Minderheitenschutz.
Dieses Spiegelbildlichkeitsprinzip hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Grundsatzurteil vom 10. Dezember 2003 - 8 C 18.03 - (BVerwGE 119 S. 305 ff. = DVBl. 2004 S. 439 ff. = NVwZ 2004 S. 621 ff. = juris) auf die Ebene der Gemeinden übertragen. Die Gemeindevertretung repräsentiere die Gemeindebürger, auch wenn sie kein Parlament, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft sei. Diese Repräsentation vollziehe sich nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschüssen der Gemeindevertretung. Aus dem Prinzip der demokratischen Repräsentation und der Einbeziehung der Gemeindevertreter in dieses Prinzip folge, dass Ausschüsse nicht unabhängig von dem Stärkeverhältnis der Fraktionen besetzt werden dürften, über das die Gemeindebürger bei der Wahl der Gemeindevertreter mit entschieden hätten. Als verkleinerte Abbilder des Plenums müssten die Ausschüsse in ihrer Zusammensetzung das im Plenum wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln, so dass die einzelnen Fraktionen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Ausschussbesetzung nach Maßgabe ihrer jeweiligen Mitgliederzahl hätten. Diese für die Besetzung der Ausschüsse der Gemeindevertretung geltenden bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben beschränkten das freie Mandat der jeweiligen Gemeindevertreter in zulässiger Weise zur Durchsetzung der angeführten verfassungsrechtlichen Prinzipien und damit auch zur Sicherung des Rechts der Minderheit auf eine ihrem Gewicht entsprechende Repräsentation in den Ausschüssen. Auch wenn die Ausschussmitglieder nicht von den Fraktionen entsprechend ihrer Stärkeverhältnisse benannt, sondern in der Gemeindevertretung gewählt würden, wobei wegen des Wahlverhaltens der einzelnen Gemeindevertreter naturgemäß gewisse Unwägbarkeiten entstünden, seien bei der Gestaltung des Wahlverfahrens die Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auch auf der Ebene der Gemeinden zu respektieren.
Um ein in diesem Sinne möglichst proporzgenaues Abbild der politischen Kräfteverhältnisse der Gemeindevertretung auch in den Ausschüssen zu erzielen, kann § 55 Abs. 3 HGO den Gemeindevertretern die Aufstellung von Wahlvorschlägen für mittelbare Wahlen nicht im obigen Sinne völlig freistellen, sondern muss unter Heranziehung des Spiegelbildlichkeitsprinzips einschränkend ausgelegt werden: Da § 55 Abs. 3 HGO nur generell (sowohl für Mehrheits- wie auch für Verhältniswahlen) regelt, dass Wahlvorschläge nur aus der Mitte der Gemeindevertretung erfolgen dürfen, aber keine nähere Bestimmung über die Urheberschaft und Zusammensetzung der Vorschläge trifft, ordnet für den speziellen Fall einer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl § 55 Abs. 4 HGO eine entsprechende Anwendung des Kommunalwahlgesetzes auch hinsichtlich der Regelung des § 10 KWG über die nähere Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts an. Eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 2 KWG ergibt danach, dass Wahlvorschläge nur von einzelnen Fraktionen politischer Parteien und von Wählergruppen eingereicht werden können, also weder gemeinsame Wahlvorschläge noch gemäß § 10 Abs. 4 KWG Verbindungen einzelner Wahlvorschläge zulässig sind. Damit entspricht die hessische im Ergebnis der nordrhein-westfälischen Regelung, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 war. Dabei werden die zur unmittelbaren Wahl auf der ersten Stufe geltenden Grundsätze spiegelbildlich auf die mittelbare Wahl der Ausschüsse übertragen, um auch hier das auf dem Bürgerwillen beruhende Kräfteverhältnis zwischen den von den Parteien/Fraktionen verkörperten verschiedenen politischen Zielsetzungen widerzuspiegeln. Daher beschränkt sich auch die entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 4 KWG auf den Wahlvorschlag einer Fraktion einer politischen Partei oder Wählergruppe und kann in den Ausschüssen nicht zu einer Verfälschung des Wählerwillens der Gemeindebürger führen.
Diese Auslegung wird der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 10. Dezember 2003 (a.a.O., juris Rdnr. 15) gerecht, dass die Sitzverteilung in den Ausschüssen den politischen Stärkeverhältnisse nach Fraktionen oder Gruppen der vom Volk gewählten Vertreter entsprechen müsse.
Je kleiner das zu wählende Gremium und je vielgestaltiger das politische Kräfteverhältnis im Plenum ist, desto weniger ist aber eine proporzgenaue Abbildung in den Ausschüssen oder sonstigen Gremien möglich; es kann sowohl die Mehrheit einer Mehrheitsfraktion verloren gehen als auch die Beteiligung einer Minderheitsfraktion. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 8. Dezember 2004 (a.a.O., juris Rdnrn. 64 ff.) ausgeführt, der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gelte nicht uneingeschränkt. Er müsse im Konfliktfall mit dem Prinzip stabiler parlamentarischer Mehrheitsbildung in Einklang gebracht werden. Der gleichheitsgerechte Status von Abgeordneten und Fraktionen lasse bei Vorliegen besonderer Gründe Differenzierungen zu. Die für die Teilnahme am Prozess der parlamentarischen Willensbildung geltenden Gleichheitsanforderungen würden durch das Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments und durch den demokratischen Grundsatz der Mehrheitsentscheidung begrenzt. Kollidierten der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit und der Grundsatz, dass bei Sachentscheidungen die die Regierung tragende parlamentarische Mehrheit sich auch in verkleinerten Abbildungen des Bundestages durchsetzen können müsse, so seien beide Grundsätze zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Das Prinzip der proportionalen Repräsentation ende als Gleichheitsanspruch und Minderheitenschutz gleichsam dort, wo Entscheidungen in der Sache getroffen werden, demokratische Willensbildung als Mehrheitswille in Erscheinung treten müsse und eine stabile parlamentarische Mehrheit im Einklang mit den die Regierung bildenden politischen Kräften erforderlich sei. Verkleinerte Abbildungen des Bundestages müssten deshalb zwar personell dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gehorchen, Abweichungen seien aber in begrenztem Umfang gerechtfertigt, wenn im verkleinerten Gremium nur dadurch Sachentscheidungen ermöglicht würden, die eine realistische Aussicht hätten, mit dem Willen einer im Plenum bestehenden politischen "Regierungsmehrheit" überein zu stimmen.
Nach diesen Grundsätzen ist auch bei mittelbaren Wahlen die entsprechende Anwendung der Mehrheitsklausel des § 22 Abs. 4 KWG gerechtfertigt, zumal sie (nur) für den extremen Fall eines zu wählenden zweiköpfigen Gremiums gem. § 55 Abs. 4 HGO ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Die für das vorliegende Verfahren im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Frage, ob aus diesen Gründen eine Einschränkung des Spiegelbildlichkeitsprinzips auch für den Fall gerechtfertig ist, dass sich mehrere Fraktionen zu einer "die Regierung tragenden parlamentarischen Mehrheit" bzw. zu einer "politischen ,Regierungsmehrheit'" im Sinne einer auf Dauer angelegten politischen Zusammenarbeit zusammengeschlossen und zu dem Zweck einen gemeinsamen Wahlvorschlag gemacht haben, um durch die Vorabzuteilung eines zusätzlichen Sitzes auch in den Ausschüssen eine "stabile parlamentarische Mehrheit" zu erreichen (so VG Oldenburg, Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 A 195/07 - juris zur Niedersächsischen Gemeindeordnung), ist deshalb zu bejahen.
Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass es bei der Anwendung des Spiegelbildlichkeitsprinzips auf mittelbare Wahlen in erster Linie um die Mitwirkungsgleichheit der Abgeordneten gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und weniger um den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien als Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und um das Prinzip der repräsentativen Demokratie und den Schutz der parlamentarischen Minderheit geht (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1991, a.a.O., juris Rdnrn. 103 ff.) und dass auf dieser zweiten Ebene nach Durchführung der unmittelbaren Wahlen das freie Mandat der "Volksvertreter", die die Fraktionen in Ausübung dieses freien Mandats auf Grund eigener Entscheidung gebildet haben, im Wesentlichen auch dem Zweck dient, unabhängig vom Wählerauftrag die Funktionsfähigkeit staatlicher Organe herbeizuführen, so dass auch Koalitionen oder Kooperationen gebildet werden können, die nicht unmittelbar als solche vom Volk gewählt worden sind. Danach sind auch im kommunalen Bereich in begrenztem Umfang Abweichungen vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gerechtfertigt, wenn nur dadurch im verkleinerten Gremium Sachentscheidungen ermöglicht werden, die eine realistische Aussicht auf Übereinstimmung mit dem Mehrheitswillen im Plenum haben, oder wenn nur dadurch bei Sachentscheidungen der demokratisch gebildete Mehrheitswille in Erscheinung treten kann (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 3. Juli 2007, a.a.O., juris Rdnr. 26).
In Hessen kommt hinzu, dass mit der Kommunalverfassungsrechtsnovelle 1999 die Fünf-Prozent-Sperrklausel gestrichen und das Panaschieren und Kumulieren in das hessische Kommunalwahlgesetz eingeführt worden ist, was auch kleinsten politischen Gruppierungen den Einzug in die "Kommunalparlamente" ermöglicht, so dass wegen der erhöhten Zahl der vertretenen politischen Gruppen zur Sicherung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit kommunaler Organe nicht nur gerechtfertig erscheint, die Fraktionsmindestgröße zu erhöhen (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 22. März 2007 - 8 N 2359/06 -, HGZ 2007 S. 253; LKRZ 2007 S. 262; juris Rdnr. 63), sondern auch die Bildung gemeinsamer Wahlvorschläge für mittelbare Wahlen mit dem Ziel zuzulassen, in den zu wählenden Gremien eine stabile politische Mehrheit für eine längerfristig geplante Zusammenarbeit zu sichern.
Dem entspricht es, dass das Bundesverwaltungsgericht in dem Grundsatzurteil vom 10. Dezember 2003 (a.a.O., juris Rdnr. 15 ff.) - nur - gemeinsame Wahlvorschläge solcher bloßen Zählgemeinschaften für unzulässig hält, die weder als solche vom Volk gewählt wurden noch über die Ausschusswahlen hinausgehende gemeinsame politische Ziele verfolgen, bei denen also allein die Gewinnung von zusätzlichen Ausschusssitzen Grund des Zusammenschlusses ist. Dementsprechend ist in dem früheren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 1991 (a.a.O., juris Rdnr. 11) ausgeführt, dass für solche bloßen "Zählgemeinschaften" kein innerer Grund für einen Vorabausgleich und die darin liegende Doppelbewertung der Stimmen bestehe.
In diesem Sinne kann die "entsprechende Anwendung" des Kommunalwahlgesetzes gem. § 55 Abs. 4 Satz 1 HGO ausgelegt werden, also dahin, dass Wahlvorschläge gem. § 10 Abs. 2 KWG von einzelnen Fraktionen oder nur dann gemeinsam von mehreren Fraktionen eingereicht werden können, wenn einem solchen gemeinsamen Wahlvorschlag eine verfestigte Form der politischen Zusammenarbeit zugrunde liegt.
Es spricht einiges dafür, das so modifizierte Spiegelbildlichkeitsprinzip in verfassungskonformer Auslegung des § 55 Abs. 3 HGO auch auf den ehrenamtlichen Teil des Magistrats zu übertragen. Allerdings lässt der Senat diese Frage letztlich offen, weil § 22 Abs. 4 KWG auf den hier umstrittenen gemeinsamen Wahlvorschlag von CDU und Grünen auch und erst recht anzuwenden wäre, wenn das Spiegelbildlichkeitsprinzip für die Wahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder nicht gelten würde. Aus den nachfolgend dargestellten Erwägungen ist deshalb die Anwendbarkeit dieses Prinzips hier letztlich nicht entscheidungserheblich.
Die wohl einhellige Auffassung in Hessen zur Übertragbarkeit des Spiegelbildlichkeitsprinzips geht bisher dahin, das Spiegelbildlichkeitsprinzip auf den Gemeindevorstand/Magistrat nicht zu übertragen. Dies hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 17. Oktober 1991 (a.a.O., juris Rdnr. 34) damit begründet, dass der Gemeindevorstand gemäß § 9 Abs. 2 HGO das ausführende Verwaltungsorgan der Gemeinde sei und sich keine gesetzliche Regelung finde, wonach sich der Gemeindevorstand nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammenzusetzen hätte, wie dies für Ausschüsse in § 62 Abs. 2 Satz 1 HGO (sog. Benennungsverfahren) unter besonderen Voraussetzungen vorgesehen sei. Die Nichtanwendbarkeit des Spiegelbildprinzips sei im Übrigen auch sinnvoll, da der Gemeindevorstand u. a. die Beschlüsse der Gemeindevertretung umzusetzen habe.
Ergänzend argumentiert das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in dem angefochtenen Urteil vom 31. Januar 2007 dahin, dass der Magistrat kein Teil der Gemeindevertretung sei, sondern als Verwaltungsorgan der Gemeinde gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 HGO nach den Beschlüssen der Gemeindevertretung im Rahmen der bereitgestellten Mittel die laufende Verwaltung der Gemeinde besorge. Die gewählten Mitglieder des ehrenamtlichen Magistrats gehörten auch nicht mehr der Gemeindevertretung an (vgl. § 65 Abs. 2 Satz 1 HGO).
Für die Frage der Übertragbarkeit des Spiegelbildlichkeitsprinzips auf die Wahlen der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder ist zunächst deutlich zwischen dem hauptamtlichen Teil und dem ehrenamtlichen Teil der Magistratsmitglieder zu unterscheiden. Der (Ober-)Bürgermeister als Vorsitzender des Gemeindevorstands/Magistrats wird gemäß § 39 Abs. 1 und 3 HGO von den Bürgern der Gemeinde unmittelbar nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl für die Dauer von sechs Jahren gewählt. Die hauptamtlichen Beigeordneten wählt zwar die Gemeindevertretung (§ 39a Abs. 1 HGO), aber gemäß § 39a Abs. 2 Satz 1 HGO ebenfalls für die Dauer von sechs Jahren und gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, 2. HGO für jede zu besetzende Stelle in einem besonderen Wahlgang nach Stimmenmehrheit. Die so in einer personenbezogenen Mehrheitswahl und für eine persönliche Amtszeit von sechs Jahren gewählten hauptamtlichen Beigeordneten sind auch - wie der Bürgermeister - als Dezernenten in die Verwaltung eingebunden und damit Teil der "Exekutive", der für die laufende Verwaltung verantwortlich ist. Demgegenüber werden die ehrenamtlichen Magistratsmitglieder gemäß § 39a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO in einem Wahlgang nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt, und zwar für die jeweilige Wahlzeit der Gemeindevertretung, also jedes Mal neu nach einer Kommunalwahl durch die neu konstituierte Gemeindevertretung für die Dauer ihrer Legislaturperiode. Daraus wird deutlich, dass sie ein Teilorgan des Magistrats darstellen, das dort die jeweilige Gemeindevertretung "repräsentiert", auch wenn sie nicht Gemeindevertreter sein oder bleiben dürfen und Ehrenbeamte werden. Dem entspricht es, dass sie auch nicht in die Alltagsgeschäfte der Gemeindevertretung eingebunden, sondern - abgesehen von ihrer Mitwirkung an Magistratsbeschlüssen - praktisch eher Repräsentationsaufgaben wahrnehmen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2004 (a.a.O., juris Rdnrn. 58 ff.) zur Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss und das VG Oldenburg in seinem Urteil vom 3. Juli 2007 (a.a.O., juris Rdnr. 20) zum Verhältnis Rat und Verwaltungsausschuss in Niedersachsen. So hält es das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 1974 - 2 BvK 1/73 - (BVerfGE 38, 258 ff. = juris Rdnr. 52) auch für verfassungsrechtlich korrekt, ein Kollegialorgan wie den Magistrat entsprechend der Stärke der politischen Gruppierungen in der Gemeindevertretung zu besetzen. Dem würde es auch entsprechen, dass der ehrenamtliche Magistrat (anders als der hauptamtliche) in Hessen ebenfalls gem. § 55 Abs. 1 Satz 2 HGO nach den Grundsätzen der Verhältniswahl besetzt wird.
Dementsprechend wäre, sofern man das Spiegelbildlichkeitsprinzip bei der Wahl ehren amtlicher Magistratsmitglieder für anwendbar hielte, auch im vorliegenden Fall § 22 Abs. 4 KWG zu Recht angewandt worden, obwohl der "Koalitionsvertrag" erst nach der Kommunalwahl geschlossen worden ist.
Dieses Ergebnis lässt sich auch ohne weiteres aus der gesetzlichen Systematik der Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung herleiten, dass man nämlich die auf alle mittelbaren Wahlen durch die Gemeindevertretung bezogene Vorschrift des § 55 Abs. 3 HGO für den speziellen Fall der Verhältniswahl über die Verweisung in § 55 Abs. 4 HGO für die entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 10 Abs. 2 und 4 KWG im obigen Sinne öffnet.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2007 ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 159 VwGO i. V. m. § 100 ZPO zurückzuweisen; ihr auf die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Wahlwiderspruchsverfahren bezogener Antrag ist gegenstandslos, da sie auch die in diesem Verfahren entstandenen Kosten selbst zu tragen haben. Da sich die Beigeladenen nicht durch eigene Rechtsmittel oder Antragstellung dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis der Kläger ergeben sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Die Revision wird wegen fehlender Zulassungsgründe nicht zugelassen, insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil sich der Senat den Rechtsauffassungen von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht anschließt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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