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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.10.2002
Aktenzeichen: 8 UZ 179/01
Rechtsgebiete: HGO, VwGO


Vorschriften:

HGO § 50 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
1. Allein der Umstand, dass das angerufene Berufungsgericht über eine Rechtsfrage noch nicht entschieden hat, reicht für eine Klärungsbedürftigkeit nicht aus, wenn sich die Frage ohne Weiteres unmittelbar aus dem Gesetz im Sinne der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung beantworten lässt und dagegen keine gewichtigen, eine nähere Auseinandersetzung in einem Berufungsverfahren erfordernde Einwände vorgebracht werden.

2. Das Recht zur Akteneinsicht steht weder einzelnen Gemeindevertretern noch einzelnen Fraktionen, sondern nur der Gemeindevertretung selbst zu.

3. Die dem Minderheitenschutz dienende Ausnahmevorschrift des § 50 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz HGO gewährt einem Viertel der Gemeindevertretung oder einer Fraktion lediglich das Recht, die Einrichtung eines Akteneinsichtsausschusses zu verlangen, nicht aber die Befugnis, die Art und Weise seiner Einsetzung zu bestimmen; die Gemeindevertretung selbst hat zu entscheiden, ob ein neuer Akteneinsichtsausschuss gebildet oder ein bestehender Ausschuss mit dieser Aufgabe zusätzlich beauftragt wird.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

8. Senat

8 UZ 179/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalrechts/Einrichtung eines Akteneinsichtsausschusses

hier: Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe

auf Grund der Beratung vom 22. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 5. Dezember 2000 - 3 E 2325/98 - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird für das Zulassungsantragsverfahren auf 4.090,34 € festgesetzt.

Gründe:

Der noch innerhalb der Monatsfrist des § 124 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO, die hier gemäß § 194 Abs. 1 Nr. 1 VwGO noch in der alten, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden ist, beim Verwaltungsgericht eingegangene Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 5. Dezember 2000 ist abzulehnen, weil sich die geltend gemachten Zulassungsgründe aus dem Antragsvorbringen nicht ergeben.

Der von der Klägerin aufgeworfenen und im vorliegenden Streitverfahren entscheidungserheblichen Frage,

"ob ein Viertel der Gemeindevertreter oder eine Fraktion nach § 50 Abs. 2 S. 2 HGO lediglich die Einrichtung eines Akteneinsichtsausschusses verlangen kann oder die Befugnis sich auch darauf erstreckt zu entscheiden, ob ein solcher Ausschuß neu errichtet oder ein bereits bestehender Ausschuß als Akteneinsichtsausschuß bestimmt wird,"

kommt eine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht zu. Sie bedarf weder aus Gründen der einheitlichen Rechtsanwendung noch aus Gründen der Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof im Rahmen eines Berufungsverfahrens. Der Umstand, dass das angerufene Berufungsgericht über diese Rechtsfrage noch nicht entschieden hat, reicht für die Annahme einer Klärungsbedürftigkeit allein noch nicht aus, wenn sich die Frage ohne Weiteres unmittelbar aus dem Gesetz im Sinne des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils beantworten lässt und dagegen - wie hier - keine so gewichtigen Einwände vorgebracht worden sind, dass eine nähere Auseinandersetzung in einem Berufungsverfahren erforderlich erschiene (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 13. September 2001 - 8 UZ 944/00.A - InfAuslR 2002 S. 156 zu § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG m.w.N.).

In Übereinstimmung mit der Auffassung des Verwaltungsgerichts gewährt § 50 Abs. 2 Satz 2, 2. HS HGO einem Viertel der Gemeindevertreter oder einer Fraktion lediglich das Recht, die Einrichtung eines Akteneinsichtsausschusses zu verlangen, während auch in diesem Fall die Gemeindevertretung selbst noch darüber zu befinden hat, ob sie einen neuen Ausschuss zum Zwecke der Akteneinsicht bildet oder einen mit der Angelegenheit ohnehin tangierten, bestehenden Ausschuss damit zusätzlich beauftragt (vgl. Foerstemann, Die Gemeindeorgane in Hessen, 5. Aufl. 1998 S. 205). Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut des § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO, nach dessen 1. HS die Gemeindevertretung Akteneinsicht durch einen von "ihr", also von der Gemeindevertretung als solcher, "gebildeten oder bestimmten Ausschuss" fordern "kann", während der 2. HS (nur) bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dies auf Verlangen eines Teils der Gemeindevertreter zu geschehen hat. Dem entspricht es, dass das Recht zur Akteneinsicht weder einzelnen Gemeindevertretern noch einzelnen Fraktionen zusteht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 6. September 1999 - 8 UZ 2202/99 - HSGZ 2000 S. 148 f.; Bennemann, in Bennemann u.a., Kommunalverfassungsrecht Hessen, Stand: Juni 2002, Rdnr. 98 zu § 50 HGO m.w.N.), sondern in dem Sinne eingeschränkt ist, dass es nur auf Einzelfälle beschränkt bleiben und von der Gemeindevertretung insgesamt getragen werden soll (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 6. April 1987 - 2 TG 912/87 - NVwZ 1988 S. 88 f.). Da die alte Fassung des § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO dazu führte, dass die häufig den Gemeindevorstand tragende Mehrheit der Gemeindevertretung die Einrichtung eines Akteneinsichtsausschusses verhindern konnte, ist durch Änderungsgesetz vom 20. Mai 1992 (GVBl. I S. 170) diese Vorschrift durch Anfügung des 2. HS dahin ergänzt worden, dass für die Einrichtung eines solchen Ausschusses kein Mehrheitsbeschluss mehr erforderlich ist. Diese im Interesse des Minderheitenschutzes normierte Ausnahmeregelung ist auf den damit verfolgten Zweck der "Erleichterungen für die Durchsetzung eines Akteneinsichtsausschusses" (vgl. Bennemann a.a.O. Rdnr. 91 zu § 50 HGO) beschränkt und nicht auf die Bestimmung über Art und Weise seiner Einsetzung auszudehnen. Diese Befugnis ist Teil des Akteneinsichtsrechts selbst, das nach wie vor nur der Gemeindevertretung insgesamt zusteht und nur in dem für den Minderheitenschutz notwendigen Umfang beschnitten worden ist. Dieser Auslegung steht weder der Hinweis der Klägerin auf die - insoweit über den Gesetzestext nicht hinausgehenden - Gesetzgebungsmaterialien noch auf den Schutz einer Ein-Personen-Fraktion entgegen, weil diese gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO nur eine Akteneinsichtnahme für die Gemeindevertretung als solche, nicht aber ihre eigene Teilnahme daran erzwingen kann und weil die Zusammensetzung des Ausschusses unabhängig davon ist, ob er gebildet oder bestimmt wird.

Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich zugleich, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht hinreichend dargelegt worden sind.

Der Zulassungsantrag der Klägerin ist danach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 und § 73 Abs. 1 GKG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung und Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro (ABl. Nr. L 139 vom 11. Mai 1998 S. 1 ff.).

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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