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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: 8 UZ 2673/07
Rechtsgebiete: TierSchG, TierSchHundeV


Vorschriften:

TierSchG § 2 Nr. 1
TierSchHundeV § 5
TierSchHundeV § 6
Die regelmäßige Unterbringung eines Hundes mehrmals wöchentlich für mehrere Stunden im Laderaum eines PKW-Kombi missachtet die tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen an eine angemessene und verhaltensgerechte Unterbringung.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

Az.: 8 UZ 2673/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Tierschutzrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Horn

am 19. August 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2007 (Az.: 2 E 2385/07) wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsantragsverfahren auf 5000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der gemäß § 124a Abs. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main bleibt ohne Erfolg. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigt die Zulassung der Berufung. Der Vortrag des Bevollmächtigten der Klägerin vermag zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen. Ernstliche Zweifel sind dann hinreichend dargelegt, wenn der Zulassungsantragsteller unter Hinweis auf diesen Zulassungstatbestand einen die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz oder entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163). Der Zulassungsantrag enthält keine Gründe, die diesen Anforderungen genügen.

Erfolglos rügt der Bevollmächtigte der Klägerin, dieser sei in der Vorinstanz keine Gelegenheit gegeben worden, mittels einer fachlichen Untersuchung beziehungsweise eines tierärztlichen Gutachtens klären zu lassen, ob die Vorgaben des § 2 Nr. 1 TierSchG in Verbindung mit der Tierschutz-Hundeverordnung vom 02.05.2001 (TierSchHundeV, BGBl. I S. 838) ausnahmsweise für ihre Hündin "Lisa" keine Geltung beanspruchen könnten, da sie wesensbedingt aufgrund langjähriger Gewöhnung an die streitgegenständliche Haltung im Ladebereich eines VW Passat-Kombis gewöhnt sei und sich dort "wohl fühle". Insofern dieser Vortrag die Behauptung einschließt, für die Beklagte hätte im vorliegenden Fall die Befugnis bestanden, von den Regelungen der TierSchHundeV abzuweichen, weil aufgrund der individuellen körperlich-seelischen Disposition der Hündin die Unterbringung in dem PKW akzeptiert werden könne, wird die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht erschüttert. Eine solche Ausnahmemöglichkeit besteht vorliegend von Rechts wegen nicht. Das wird vom Verwaltungsgericht zutreffend erkannt.

Die TierSchHundeV konkretisiert gemäß § 2a TierSchG unter anderem die tierschutzrechtlichen Anforderungen an die Haltung von Tieren, wie namentlich an die angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere im Sinne des in § 2 Abs.1 Nr. 1 TierSchG enthaltenen Gebots. Dabei handelt es sich um für das Wohlbefinden eines Hundes wesentliche und unerlässliche Mindestanforderungen (vgl. Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 6. Auflage 2008, Vorbemerkung zur TierSchHundeV, Rn. 1).

Wie das Verwaltungsgericht hierzu zunächst richtig feststellt, ist die Tierschutz-Hundeverordnung zwar gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 TierSchHundeV während eines Hundetransports nicht anwendbar. Ein solcher Fall ist vorliegend aber auch nicht gegeben. Die regelmäßige Unterbringung der Hündin der Klägerin mehrmals wöchentlich für mehrere Stunden, mindestens aber von 8.00 bis 12.00 Uhr, in dem Laderaum ihres PKW's erfüllt nicht den Tatbestand des Transports im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 TierSchHundeV.

Einschlägig sind hingegen die Vorschriften der §§ 5,6 der TierSchHundeV. Die dagegen beiläufig angedeuteten Bedenken des Verwaltungsgerichts teilt der Senat nicht. Zu den Einrichtungen angemessener und verhaltensgerechter Unterbringung, d.h. der Gewährung von Aufenthalt und Obdach im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG, können grundsätzlich auch Transportmittel zählen (vgl. Lorz/Metzger, a.a.O., § 2 TierschG Rn. 35). Dementsprechend umfasst der Begriff des Raumes in § 5 TierSchHundeV nicht nur Gebäude oder Innenräume von Gebäuden, sondern auch (stillgelegte oder abgestellte) Fahrzeuge, insofern sie in Abgrenzung zu einer Unterbringung im Freien nach allen Seiten Wände und nach oben eine Decke oder ein Dach aufweisen (vgl. auch Lorz/Metzger, a.a.O., § 5 TierSchHundeV Rn. 1). Somit kann für die Unterbringung eines Hundes auch die zum Fahrgastraum abgeschlossene und überdachte Ladefläche eines PKW in Betracht kommen.

Nach § 5 Abs. 2 darf jedoch ein Hund in solchen Räumen, die nach ihrer Zweckbestimmung nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen, nur dann gehalten werden, wenn die benutzbare Bodenfläche den Anforderungen des § 6 Abs. 2 TierSchHundeV entspricht. Satz 2 des § 6 Abs. 2 TierSchHundeV bestimmt insoweit für einen Hund, der regelmäßig an mindestens fünf Tagen in der Woche den überwiegenden Teil des Tages außerhalb des betreffenden Raums verbringt, dass die uneingeschränkt benutzbare Fläche mindestens sechs Quadratmeter betragen muss. Nach dem streitgegenständlichen Sachverhalt verbringt die Klägerin ihre Hündin drei oder vier Mal pro Woche während ihrer halbtägigen Arbeitszeit in den Laderaum ihres PKW, während sich die Hündin in verbleibenden Tageszeiten der Woche außerhalb des Fahrzeugs befindet. Die für diese Tatbestandslage vom Tierschutzrecht während der Unterbringung unabdingbar gebotene Bodennutzungsfläche von sechs Quadratmetern wird jedoch von der Ladefläche des PKW-Kombi der Klägerin deutlich unterschritten.

Eine Unterschreitung dieses Mindestschutzniveaus könnte nach dem Sinn und Zweck der die Bedingungen einer Unterbringung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG konkretisierenden TierSchHundeV allenfalls dann erwogen werden, wenn dadurch eine im Vergleich zu den Mindestanforderungen der TierSchHundeV verhaltensgerechtere Haltung ermöglicht würde. Vorliegend hat die Klägerin zwar dargetan, dass sich ihre Hündin im Ladebereich ihres Kombis "wohl fühle", und im Zulassungsantrag bemängeln lassen, dass dazu in der Vorinstanz keine sachverständigen Ermittlungen angestellt worden seien. Dass jedoch der täglich mehrstündige Aufenthalt der Hündin in der Enge des PKW-Laderaums im Sinne des § 2 TierSchG individuell verhaltensgerechter sei als eine Unterbringung in einem Raum von sechs oder mehr Quadratmetern, ist weder dargelegt worden noch in der Sache auch nur naheliegend. Insoweit kann auf die fachgutachtlichen Stellungnahmen der Amtstierärztinnen der Beklagten verwiesen werden, die der von der Klägerin angegriffenen Verfügung der Beklagten zugrunde liegen.

Mit dem Einwand, diese Stellungnahmen seien nicht aussagekräftig und als Parteivorbringen zu qualifizieren, vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Zutreffend entnimmt das Verwaltungsgericht den Bestimmungen der §§ 15 Abs. 2, 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG eine den Amtstierärzten gesetzlich eingeräumte vorrangige Beurteilungskompetenz zur Frage der Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften (vgl. auch Bay.VGH, vom 31. Mai 2005 - Az. 25 ZB 04.3457). Das Gericht hat daher sein Urteil, ohne dass dagegen etwas zu erinnern wäre, auch auf die Beurteilungen der Amtstierärztinnen stützen dürfen. In diesen ist auch aufgewiesen worden, dass es der Hündin der Klägerin auf der Ladefläche des PKW nicht möglich sei, im Stehen den Kopf in physiologisch korrekte Haltung zu bringen (Bl. 25 der BA).

Von einer gegenüber den Mindestanforderungen der TierSchHundeV verhaltensgerechteren Haltung kann nach alledem nicht ausgegangen werden. Eine ausnahmsweise Unterschreitung dieser Anforderungen kommt folglich nicht Betracht. Das Verwaltungsgericht konnte daher zu Recht davon absehen, im Hinblick darauf eine fachgutachtliche Stellungnahme über das Wohlbefinden der klägerischen Hündin während ihrer Unterbringung in dem PKW einzuholen.

Was das weitere Vorbringen des Zulassungsantrags anbelangt, so genügt dieses nicht dem Gebot der ersichtlichen Zuordnung zu dem damit jeweils geltend gemachten Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO. Die Zuordnung des Vorbringens zu einem Zulassungsgrund darf dem Gericht nicht in dem Sinn überlassen werden, dass erst dieses überprüft und herausfiltert, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten die Darlegungen einen Zulassungsgrund begründen können; dies ist Sache des Antragstellers und nicht des Gerichts (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124a Rn. 49; Hess. VGH, Beschluss vom 09. Januar 1998 - Az. 8 TZ 4242/97 -, NVwZ 1998, 1096 m.w.N.).

Unbeschadet dessen liegen auch die weiterhin benannten Zulassungsgründe nicht vor.

Der von dem Zulassungsantragsteller unterbreitete Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 03.12.1996 - Az.: 10 S 2492/96 - rechtfertigt weder nach Nr. 3 noch nach Nr. 4 des § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung. Die behauptete Rechtsprechungsdivergenz wird damit begründet, dass es nach dem angeführten Beschluss dem Antragsteller unbenommen sei, seine Behauptung, dass der Hund verhaltensgerecht untergebracht sei, nachzuweisen. Davon weiche das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ab.

Als Divergenzrüge kann dieser Einwand nicht ausgelegt werden, weil Divergenz i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nur in Bezug auf Entscheidungen des im Instanzenzug folgenden Oberverwaltungsgerichts in Betracht kommt. Auch als Grundsatzrüge greift der Hinweis nicht durch, weil die behauptete Divergenz nicht besteht. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg behandelt eine Rechtsfrage, die sich dem Verwaltungsgericht nicht stellte. Eine Abweichung ist daher nicht erkennbar.

Der in einem Beschwerdeverfahren nach §§ 80 Abs. 5, 146 VwGO ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs führt lediglich aus, dass der Antragsteller seine bislang nicht substantiierte Behauptung, nach Erlass der gegen ihn ergangenen tierschutzrechtlichen Anordnung hätten sich die rechtserheblichen Umstände derart geändert, dass die streitgegenständliche Unterbringung des Hundes nunmehr verhaltensgerecht sei, noch im Widerspruchsverfahren nachweisen könne. Eine solche nachträglich veränderte, neue Sachlage steht aber vorliegend nicht in Frage. Zudem betrifft die angeführte Entscheidung die Norm des § 2 Abs. 1 Nr. 4 TierSchG a.F. Diese Vorschrift existiert in der gegenwärtigen Fassung des Tierschutzgesetzes nicht mehr. Auch geht es im vorliegenden Streitfall um Auslegung und Anwendung der die Regelungen des § 2 Nr. 1 TierSchG konkretisierenden Vorschriften der Tierschutz-Hundeverordnung. Diese waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg noch nicht in Geltung. Das Urteil des Verwaltungsgerichts handelt demnach nicht von derselben Rechtsvorschrift, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg ausgeschlossen ist.

Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor. Behauptet wird die Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Verwaltungsgericht Beweisanträge der Klägerin abgelehnt habe, durch welche der Nachweis habe geführt werden wollen, dass die stundenweise Unterbringung der Hündin in dem PKW-Kombi der Klägerin an mehreren Tagen in der Woche ausnahmsweise eine angemessene Unterbringung sei.

Ein derartiger förmlicher Beweisantrag war jedoch von der Klägerin im vorinstanzlichen Verfahren nicht gestellt worden. Daher war auch zu keinem Zeitpunkt ein Gerichtsbeschluss ergangen (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), der einen solchen Antrag abgelehnt hat. Die Klägerin hatte lediglich entsprechende Ermittlungen des Verwaltungsgerichts schriftsätzlich angeregt. Diese Anregungen wurden, wie aus dem angefochtenen Urteil ersichtlich, von dem Gericht aufgenommen und eingehend gewürdigt, indes aus rechtlichen Gründen, die - wie dargelegt - keine Einwände hervorrufen, für nicht entscheidungserheblich gehalten. Dem Grundrechtsanspruch auf rechtliches Gehör ist damit Rechnung getragen.

Da der Kläger mit seinem Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat er die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1, 2 und 3 GKG und folgt der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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