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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.02.2000
Aktenzeichen: 8 UZ 4400/99
Rechtsgebiete: HHG


Vorschriften:

HHG § 30
Die Befangenheit eines Prüfers ist grundsätzlich unverzüglich zu rügen. Das setzt voraus, dass der Prüfling die Befangenheit nicht nur rechtzeitig behauptet, sondern auch begründet. Es genügt nicht, dass andere eigenständige Befangenheitsgründe erst später vorgetragen werden.
Gründe:

Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) und eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegen nicht vor.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht deshalb ernstlich zweifelhaft, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, die von der Klägerin geltend gemachte Befangenheit des Prüfers Dr. H. wegen seines Verhaltens bis zu dem Zeitpunkt, in dem er die Betreuung ihrer Arbeit niederlegte, sei wegen nicht rechtzeitiger Erhebung der diesbezüglichen Verfahrensrüge ohne Bedeutung, es sei der Klägerin zumutbar gewesen, die Befangenheit des Herrn Dr. H. unmittelbar nach Bekanntgabe seiner Bestellung zum Gutachter zu rügen. - Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind zutreffend. Sie beruhen nicht auf einer fehlerhaften rechtlichen Bewertung des maßgeblichen Sachverhalts, wie die Klägerin im Zulassungsantrag vorträgt.

Entgegen ihrer Auffassung war es der Klägerin nicht unzumutbar, eine etwaige Befangenheit des Prüfers Dr. H. unmittelbar nach Bekanntgabe seiner Bestellung zum Gutachter zu rügen. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden. Es hat auf Seite 12 des angegriffenen Urteils zu Recht ausgeführt, die Klägerin habe genügend Zeit gehabt, die Konsequenzen einer Befangenheitsrüge zu überdenken. Sie musste abwägen, ob sie entweder die Folgen einer etwaigen Befangenheit des Prüfers in Kauf nehmen oder für den Fall, dass ihr Befangenheitsantrag als berechtigt anerkannt wurde, das Risiko eingehen wollte, dass die Antragsgegnerin es ablehnte, weitere auswärtige Gutachter zu suchen, oder dass sie keine ihr geeignet erscheinenden Gutachter fand mit der Folge, dass sie sich - gegebenenfalls nach Widerruf ihrer Annahme als Doktorandin - an einer anderen Hochschule um die Annahme als Doktorandin hätte bemühen müssen. Indem die Klägerin sich dafür entschied, Prof. H. nicht als befangen abzulehnen, verwirkte sie das Rügerecht mit der Folge, dass sie die früheren Vorgänge nicht mehr als Befangenheitsgrund geltend machen konnte.

Deswegen ist auch die von der Klägerin vorgebrachte Sachaufklärungsrüge unberechtigt, denn die beantragte Beweisaufnahme war nicht erforderlich, um zu klären, ob sie die vermeintliche Befangenheit des Gutachters wegen der früheren Vorgänge noch rügen konnte.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet auch nicht deshalb ernstlichen Zweifeln, weil die Klägerin hätte erwarten dürfen, dass ihre Dissertation hätte angenommen werden müssen, wenn es nicht zum Tode ihres Betreuers gekommen wäre.

Es ist zwar für die Klägerin bedauerlich, dass ihr "Doktorvater" vor Beendigung des Promotionsverfahrens der Klägerin verstarb und er sie deshalb nicht mehr weiter bei der Erstellung der Doktorarbeit fördern und positiv begleiten konnte. Selbstverständlich hat die Klägerin auch, wie sie vorträgt, den Tod ihres Doktorvaters nicht zu vertreten. Allerdings hat die Beklagte den Tod des Doktorvaters ebenfalls nicht zu vertreten. Der Todesfall ändert nichts daran, dass die Klägerin nur dann promoviert werden kann, wenn sie die Anforderungen der Promotionsordnung erfüllt. Deshalb konnte sie entgegen ihrem Vortrag im zweiten Absatz auf Seite 3 des Zulassungsantrags bis zum Tode des Doktorvaters nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Doktorarbeit ohne Schwierigkeiten angenommen würde, denn das hing von den Ergebnissen der Begutachtung ab. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die negativen Gutachten positiv ausgefallen wären, wenn der Verstorbene die Arbeit anstatt des Erstgutachters beurteilt hätte, der die Arbeit mit "sehr gut" bewertet hat.

Nicht zu beanstanden ist auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Befangenheitsrüge, soweit sie sich auf Bemerkungen des Prüfers Dr. H. zu dem von der Klägerin verwendeten Augustinus-Zitat bezieht, wegen Verwirkung als verspätet anzusehen. Der Angriff hinsichtlich der Bemerkungen des Prüfers zu dem Augustinus-Zitat erfolgte nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erst mit Schriftsatz vom 1. April 1997 und damit außerhalb der Widerspruchsfrist gegen den Bescheid des Promotionsausschusses vom 12. Dezember 1995. Gründe dafür, dass es der Klägerin ohne Verschulden nicht möglich war, die Befangenheit des Prüfers auch unter Hinweis auf seine Bemerkungen zum von der Klägerin verwandten Augustinus-Zitat darzulegen, hat das Verwaltungsgericht nicht gesehen. Einen sachlich tragenden Einwand gegen diese Argumentation des Verwaltungsgerichts enthält der Zulassungsantrag der Klägerin nicht. Der von der Klägerin insofern auf Seite 3 unten/Seite 4 oben des Zulassungsantrags geltend gemachte Gesichtspunkt, die Befangenheitsrüge sei in dem Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Promotionsausschusses uneingeschränkt erhoben worden, die Klägerin sei berechtigt gewesen, ihr Argument - die Befangenheit des Prüfers - nachträglich durch weitere Gesichtspunkte zu erhärten, ist nicht stichhaltig. Denn zur Erhebung einer Befangenheitsrüge genügt es nicht, die Befangenheit lediglich zu behaupten und dann weit über ein Jahr später Gesichtspunkte zu nennen, aus denen die Befangenheit herzuleiten sein soll. Dies gilt entsprechend, wenn die Befangenheitsrüge zwar begründet worden ist, andere eigenständige Befangenheitsgründe aber erst später genannt werden. Sinn der Verpflichtung, Befangenheitsrügen unverzüglich zu erheben ist es, den Prüfungsbehörden die Möglichkeit zu eröffnen, dem gerügten Mangel rechtzeitig - etwa durch die Auswechslung des befangenen Prüfers - abzuhelfen (vgl. Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2, Prüfungsrecht, 3. Aufl., 1994, Rdnr. 195). Eine Auswechslung des Prüfers ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn dafür ein triftiger Grund besteht. Dies setzt voraus, dass der Prüfling die Befangenheit eines Prüfers nicht nur rechtzeitig behauptet, sondern auch begründet. Nur dann kann die Prüfungsbehörde nach Prüfung des vom Prüfling genannten Grundes eine sachlich fundierte Entscheidung darüber treffen, ob der Prüfer ausgewechselt wird oder nicht. Nach allem hat das Verwaltungsgericht zu Recht bemängelt, dass der Angriff hinsichtlich der Bemerkung des Prüfers zu dem Augustinus-Zitat im Schriftsatz vom 1. April 1997 verspätet erfolgt ist.

Im übrigen ist nicht recht erkennbar, inwiefern die Ausführungen auf S. 2 f. des Gutachtens überhaupt auf eine Voreingenommenheit des Gutachters schließen lassen könnten. Sie beziehen sich auf Seite 14 der Dissertation. Dort ist von sprachlich geprägten Vorverständnissen die Rede, die durch die "jeweiligen persönlichen Biographien, kulturellen Bedingungen und sprachlichen Konventionen" konstituiert seien. Sie führten dazu, dass Zeitbegriffe "ebenfalls einerseits mitteilbar, andererseits unvermittelbar" zu sein schienen. Daran schließt sich das Augustinuszitat an, das nach der Seitenzahl in der Ausgabe der "Bekenntnisse" im Deutschen Taschenbuchverlag zitiert wird.

In dem Gutachten von Prof. H. heißt es dazu: "Wenn ich recht verstehe, zitiert sie anschließend Augustins berühmtes 'Quid est ergo tempus? ...' als Beleg für diese Aporie". Anschließend stellt der Gutachter in Frage, ob die Klägerin den Sinn dieses Zitats richtig sehe, weil sie offenbar nicht erkenne, dass das bei Augustin zitierte Paradoxon bei ihm keine Aporie sei, was er ausführt. Die Klägerin scheine es aber so zu verstehen, als habe Augustin auf die Privatsprachlichkeit von Zeitbegriffen hingewiesen.

Weder die von der Klägerin beanstandete lateinische Zitierweise noch die Vermutungen hinsichtlich dessen, was die Klägerin mit dem Zitat zu belegen beabsichtigte, bieten Anhaltspunkte dafür, dass der Gutachter ihr gegenüber voreingenommen war. Die Zitierweise im Originaltext lässt sich unschwer dadurch erklären, dass dem Gutachter die "Bekenntnisse" in der Ausgabe des Deutschen Taschenbuchverlages nicht vorlagen. Er beanstandet auch nicht, dass die Klägerin die deutsche Übersetzung verwendet hat. Die Vermutung, sie scheine Augustin so zu verstehen, als hätte er auf die Privatsprachlichkeit von Zeitbegriffen hingewiesen, wird durch den Text der Klägerin gestützt, an den sich das Zitat anschließt.

2. Auch der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegt nicht vor, denn der weiteren Sachaufklärung und der Beweiserhebung zu den Beweisantritten der Klägerin bedurfte es nach dem oben Gesagten nicht. Die unter Beweis gestellten Behauptungen der Klägerin, der Dekan habe ihr gegenüber erklärt, nach der Niederlegung der Betreuung durch Herrn Dr. H. könne der Fachbereich 01 der Klägerin keinen anderen Prüfer anbieten, ohne Beteiligung von Herrn Dr. H. komme die Promotion an der Beklagten nicht in Betracht, waren nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 14 Abs. 3 und Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 und § 25 Abs. 2 Satz 2 Gerichtskostengesetz - GKG -. Im Streit ist eine Entscheidung der Beklagten, mit der die Promotion der Klägerin abgelehnt wird. Für derartige Rechtsstreitigkeiten legt der Senat den 3-fachen Hilfsstreitwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG zugrunde, ohne dass danach zu differenzieren ist, aus welchen Gründen die Promotion verweigert wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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