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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.06.2007
Aktenzeichen: 8 UZ 464/07
Rechtsgebiete: HundeVO


Vorschriften:

HundeVO
Für die Eigenschaft als Halter eines gefährlichen Hundes kommt es nicht ausschließlich auf die Eigentumsverhältnisse an, sondern regelmäßig darauf, dass der Hund nicht nur kurzfristig und vorübergehend, sondern für eine gewisse Dauer zum Zwecke der Verwahrung bzw. Betreuung in den Haushalt, also in die Wohnung oder das "eingefriedete Besitztum" aufgenommen wird; dabei ist nicht entscheidend, ob dies im eigenen Interesse oder mit Fremdbesitzerwillen erfolgt.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

8 UZ 464/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ordnungsrechts / Hundehaltung

hier: Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe

am 26. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2006 - 5 E 2858/06 (3) - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsantragsverfahren auf 2.899,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der innerhalb der Fristen des § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 4 VwGO beim Verwaltungsgericht per Telefax am 24. Februar 2007 gestellte und begründete Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 24. Januar 2007 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2006 hat keinen Erfolg.

Der ab Seite 2 unter 1. der Zulassungsantragsschrift ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 24. Februar 2007 von der Klägerin zunächst geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt sich aus der Antragsbegründung nicht. Die Klägerin hat darin weder einen "tragenden Rechtssatz" noch eine "erhebliche Tatsachenfeststellung", also eine entscheidungserhebliche rechtliche oder tatsächliche Begründung des Verwaltungsgerichts, mit "schlüssigen Gegenargumenten" so in Frage gestellt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 - DVBl. 2000 S. 1458 ff. = juris), dass die Abweisung ihrer Klage nach summarischer, das Berufungsverfahren nicht vorwegnehmender Prüfung im Ergebnis als fehlerhaft erschiene.

Die von ihr erhobenen Einwände sind in diesem Sinne nicht schlüssig und überzeugend und deshalb nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen.

Zwar ist der Ansicht der Klägerin zuzustimmen, dass die Eigenschaft als Hundehalter nicht den zivilrechtlichen Eigentumserwerb voraussetzt. Das öffentlich-rechtliche Gefahrabwehrrecht stellt weniger auf zivilrechtliche Rechtsbeziehungen zu einer gefährlichen Sache als vielmehr vorrangig auf die tatsächliche Sachherrschaft und die dadurch bedingte Einwirkungsmöglichkeit ab, wie etwa aus der Nachrangigkeit der Zustandshaftung wegen des Eigentums gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 HSOG gegenüber der Haftung wegen der Innehabung der tatsächlichen Gewalt gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 HSOG deutlich wird. Nach Sinn und Zweck der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden vom 22. Januar 2003 (GVBl. I S. 54) - HundeVO - kommt es deshalb für die Haltereigenschaft nicht ausschließlich auf die Eigentumsverhältnisse an dem gefährlichen Hund an; als Halter ist vielmehr regelmäßig derjenige anzusehen, der den Hund nicht nur kurzfristig und vorübergehend, quasi besuchsweise, sondern für eine solche Dauer zum Zwecke der Verwahrung bzw. Betreuung in seinen Haushalt aufnimmt, dass der "gewöhnliche Aufenthalt und Lebensmittelpunkt" des Hundes in der Wohnung oder dem "eingefriedeten Besitztum" im Sinne des § 10 HundeVO des Halters begründet wird, das entsprechend zu kennzeichnen und zu sichern ist. Dabei ist weiterhin nicht entscheidend, ob die Haltung im eigenen Interesse oder mit Fremdbesitzerwillen erfolgt (vgl. auch Pöhlker, HundeVO, Anm. 1.1 zu § 1, in Rasch/Schulze, HSOG, 5. Aufl., Stand: Oktober 2005).

Dieser klägerische Einwand vermag jedoch die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht schlüssig in Zweifel zu ziehen, weil selbst unter Zugrundelegung dieses eher faktischen Halterbegriffs nach der verwaltungsgerichtlichen Begründung die Beschlagnahme des Hundes Felix am 1. Oktober 2003 und der Kostenbescheid für Sicherstellung und Verwahrung des Hundes vom 29. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 21. Juni 2006 rechtmäßig sind.

Die Ausführungen der Klägerin auf Seite 2 unten ihrer Zulassungsantragsschrift zur Strafbarkeit nach § 143 Abs. 1 StGB a. F. wegen einer Eigentumsverschaffung (Handel) ohne landesrechtliche Genehmigung sind danach nicht entscheidungserheblich.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Urteil und in dem in Bezug genommenen PKH-Ablehnungsbeschluss vom 12. September 2006 zutreffend ausgeführt, dass der Hund der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 22. Oktober 2002 gemäß § 2 Abs. 2 HundeVO zum gefährlichen Hund erklärt und dass mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 21. Juli 2003 die Erteilung der von der Klägerin beantragten Haltererlaubnis mangels Vorlage eines Sachkundenachweises und eines erfolgreichen Wesenstests abgelehnt worden ist, so dass die zuständige Behörde die Sicherstellung gemäß § 14 Abs. 1 HundeVO sowie die Verwahrung gemäß §§ 40 und 41 HSOG habe anordnen können, die der Klägerin in dem Bescheid vom 21. Juli 2003 auch angedroht worden sei. Deren Voraussetzungen hätten nach Ablauf der gesetzten Frist bei der Sicherstellung des bei Herrn E. untergebrachten Hundes am 1. Oktober 2003 vorgelegen, weil die Klägerin Halterin und damit Zustandsverantwortliche gemäß § 7 HSOG geblieben sei. Dies sei auch verhältnismäßig gewesen, weil sie den Hund dem geforderten und für die Erlaubniserteilung notwendigen Wesenstest nicht zugeführt habe, der erst nach Sicherstellung auf Veranlassung der Behörde am 24. Oktober 2003 durchgeführt worden sei.

Diese Ausführungen bleiben auch unter Berücksichtigung des obigen, eher faktischen Halterbegriffs und des Umstandes zutreffend, dass in der bestandskräftigen Verfügung vom 21. Juli 2003 der Klägerin wohl keine Sicherstellung gemäß § 14 HundeVO angedroht worden ist, denn eine solche ergeht in Form eines eigenständigen Grundverwaltungsaktes als Anordnung gegenüber dem Zustandsverantwortlichen gemäß § 7 HSOG, den Hund an die Behörde herauszugeben, die - nach vorheriger Androhung oder unmittelbar gemäß § 8 HSOG - zwangsweise gemäß §§ 47 ff. HSOG im Wege der Ersatzvornahme oder des unmittelbaren Zwanges durchgesetzt werden kann (vgl. Pöhlker a. a. O. Anm. 1.1 und 1.3 zu § 14 HundeVO; Hornmann, HSOG, 1997, Rdnr. 8 zu § 40). In dem zutreffend an die Klägerin als Halterin gerichteten bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 21. Juli 2003 ist ihr demgegenüber unter Nr. II. nicht die Herausgabe an die Behörde, sondern die Abgabe ihres Hundes innerhalb eines Monats "an einen zur Haltung eines gefährlichen Hundes Berechtigten" aufgegeben und zur Durchsetzung dieses Grundverwaltungsaktes bei Nichtbefolgung nach Bestandskraft in Nr. III. die Ersatzvornahme "in Form der Sicherstellung und Verwertung" gemäß "§§ 47, 48 und 49 HSOG i. V. m. §§ 40 und 42 HSOG" angedroht worden; § 14 HundeVO ist dort nicht zitiert. Da der Bescheid bestandskräftig und nicht nichtig ist, bedarf es keiner Prüfung, ob § 14 HundeVO eine abschließende Sonderregelung darstellt, was wohl zu verneinen sein dürfte (vgl. Bodenbender, HStGZ 2004 S. 63 [69 unter d] zu §§ 11, 40 Nr. 1 HSOG), und ob trotz der auf die §§ 41 bis 43 HSOG beschränkten Verweisung in § 49 Abs. 1 Satz 2 HSOG auch noch § 40 HSOG hätte herangezogen werden können.

Die Vollziehung der mit Ablauf des 25. August 2003 bestandskräftigen Abgabeverpflichtung der Klägerin nach Nr. II. des Bescheides durch Wegnahme ihres Hundes am 1. Oktober 2003 aus der Wohnung des Herrn E. war auch unter Zugrundelegung eines eher faktischen Halterbegriffs rechtmäßig, weil die am 28. September 2003 zwangsgeräumte Klägerin ihren Hund erst danach, also allenfalls seit drei Tagen und vorübergehend, also im obigen Sinne noch "besuchsweise", so lange bei Herrn E. untergebracht hatte, bis sie wieder eine richtige Wohnung haben würde. Ein schon zu diesem Zeitpunkt erfolgter Halterwechsel ist auch deshalb zu verneinen, weil die Klägerin nach wie vor die Kosten der Hundehaltung getragen hat und in dem von ihr am 5. Februar 2004 eingereichten Erlaubnisantrag für Herrn E. ausdrücklich als "Tag der Übernahme" vermerkt war: "Nach Erlaubniserteilung", also zwar nicht auf den Eigentumsübergang, wohl aber auf die behördliche Erlaubniserteilung abgestellt worden war, die hier erst am 17. Juni 2004 in Form einer zunächst befristeten vorläufigen Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeVO erfolgte.

Die Abgabe des Hundes an Herrn E. stellte auch keine Erfüllung der in Nr. II. der Verfügung vom 21. Juli 2003 der Klägerin auferlegten Verpflichtung dar, weil dieser keine Haltererlaubnis besaß. Abgesehen von ihrer Bestandskraft war diese Abgabeverpflichtung mit angedrohter Ersatzvornahme auch insoweit rechtmäßig, als die Wegnahme bzw. Sicherstellung eines gefährlichen Hundes gerechtfertigt ist, wenn ein offenkundig erforderliches Erlaubnisverfahren vom Halter - wie hier - trotz behördlicher Aufforderung und trotz seiner Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten nicht ordnungsgemäß betrieben wird; es kann nicht verantwortet werden, die Haltung eines gefährlichen Hundes auch nur zeitweilig weiter zu ermöglichen, ohne dass zuvor in einem geordneten Verfahren die Erlaubnisvoraussetzungen überprüft worden sind (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 12. Juli 2001 - 11 TZ 1804/01 und 11 TG 1965/01 - S. 3 des Beschlussabdrucks).

Aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht hier auch die Unterbringung des Hundes Felix im Tierheim bis zur Erteilung der vorläufigen Erlaubnis an Herrn E. am 17. Juni 2004 zutreffend für rechtmäßig gehalten. Während dieser Zeit ist schon nach der Erklärung im Erlaubnisantrag des Herrn E. ein Halterwechsel nicht erfolgt, auch wenn man einen Eigentumsübergang nicht für erforderlich hält. Entgegen dem klägerischen Vorbringen im Zulassungsantragsschreiben beruhte diese lange Verwahrungszeit auch nicht auf einer fehlenden behördlichen Information oder auf dem unberechtigten behördlichen Verlangen nach einem Sachkundenachweis des Herrn E., sondern darauf, dass dieser ausweislich dreier Aktenvermerke vom 14. April, 29. April und 6. Mai 2004 keine Unterlagen zu dem Erlaubnisantrag vorgelegt hatte und nicht erreichbar war, so dass ihm erst am 17. Juni 2004 nach Vorlage der fehlenden Unterlagen die befristete vorläufige Erlaubnis erteilt werden konnte. Eine Herausgabe des Hundes kurz nach Antragstellung am 5. Februar 2004 war danach gemäß § 43 HSOG nicht möglich (vgl. den zweiten Absatz auf Seite 4 und Seite 8 unten der Gründe des angefochtenen Urteils und dritter Absatz auf Seite 3 der Antragsschrift); gegen diese tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin keine Einwände erhoben. Zu den danach fehlenden Unterlagen gehörte gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeVO der Sachkundenachweis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HundeVO aber gerade nicht. Herr E. musste deshalb entgegen dem klägerischen Vortrag im dritten Absatz auf Seite 2 der Zulassungsantragsschrift auch nicht von der Behörde darauf hingewiesen werden, dass vor der Unterbringung des Hundes in seiner Wohnung ein Sachkundenachweis und ein Wesenstest hätten beigebracht werden müssen, weil diese für eine nur vorläufige Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeVO nicht vorgeschrieben sind und im Übrigen der Klägerin die Erlaubnisvoraussetzungen ohnehin hinlänglich bekannt waren.

Dem entspricht auch die verwaltungsgerichtliche Begründung für die Berechtigung der weiteren Beschlagnahme auf Seite 8 unten des angefochtenen Urteils, dass nämlich zum Zeitpunkt der Erteilung der vorläufigen befristeten Erlaubnis an Herrn E. am 17. Juni 2004 bereits seit über einem Jahr die Gefährlichkeit des Hundes nach der HundeVO bestanden habe, ohne dass die Klägerin für sich oder für einen anderen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Halten des gefährlichen Hundes geschaffen habe. Der positive Wesenstest am 24. Oktober 2003 führte nämlich entgegen dem klägerischen Vorbringen im zweiten Absatz auf Seite 3 der Zulassungsantragsschrift nur dazu, dass eine gesteigerte Gefährlichkeit nicht anzunehmen war; dadurch war der Hund aber nicht etwa als ungefährlich einzustufen, sondern blieb gefährlich, durfte aber - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - von privaten Personen gehalten werden (vgl. Bodenbender a. a. O. S. 68 oben links unter 4. b); an einem Nachweis dieser (weiteren) Voraussetzungen fehlte es vorliegend aber gerade bis zum 17. Juni 2004.

Der weiterhin von der Klägerin ab Seite 3 unter 2. ihrer Zulassungsantragsschrift unter weitgehender Wiederholung ihrer vorangegangenen Einwände geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen "falscher Beweiswürdigung und unzureichender Sachverhaltserforschung" (vgl. den dritten Absatz auf Seite 4 des Zulassungsantragsschreibens) kann nach obigen Ausführungen ebenfalls nicht angenommen werden; auch der Schriftsatz der Beklagten vom 1. November 2006 mit den beigefügten Unterlagen ist zwar vom Verwaltungsgericht unter dem Gesichtspunkt eines Eigentumswechsels gewürdigt worden, aber auch die Zugrundelegung eines Halterbegriffs im Sinne einer längerfristig angelegten faktischen Betreuung und Unterbringung hätte danach zu keiner anderen Beurteilung geführt.

Der Zulassungsantrag ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 i. V. m. § 52 Abs. 3 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, weil es der Klägerin, die inzwischen ihren Hund wieder zu sich genommen hat, letztlich um die mit Bescheid vom 29. Juli 2004 verlangten Kosten der Sicherstellung und Unterbringung ihres Hundes geht.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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