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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.03.2002
Aktenzeichen: 8 WX 407/02.S2.T
Rechtsgebiete: VwGO, GKG


Vorschriften:

VwGO § 130 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 130 Abs. 3
GKG § 13 Abs. 1 Satz 1
GKG § 14
GKG § 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

8. Senat

8 WX 407/02.S2.T

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen vorläufiger Zulassung zum Studium der Medienwirtschaft nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2002, 1. Fachsemester,

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer als Vorsitzenden, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richterin am Hess. VGH Dyckmans

am 15. März 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 12. März 2002 aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht Wiesbaden zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die rechtzeitig erhobene und auch sonst zulässige Beschwerde führt in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht, wobei das Verwaltungsgericht entsprechend § 130 Abs. 3 VwGO an die rechtliche Beurteilung der Beschwerdeentscheidung gebunden ist.

Die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen vor. Das Verwaltungsgericht hat noch nicht in der Sache selbst entschieden; auch hat ein Beteiligter - hier der Antragsteller - die Zurückverweisung beantragt.

Das Verwaltungsgericht hätte darüber entscheiden müssen, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf Zulassung zum Studium der Medienwirtschaft bei der Antragsgegnerin nach Maßgabe des in der Antragsschrift vom 5. März 2002 gestellten Antrags hat. Es durfte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht mit der Begründung ablehnen, der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, er habe sich erst nach Vorlesungsbeginn an das Gericht gewandt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund vorgetragen oder ersichtlich sei. Ein derartiger Fall steht dem Fall gleich, dass das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat.

Auch wenn die Vorlesungen und Einführungsveranstaltungen bereits am 4. März 2002 begannen und der Antragsteller erst mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 5. März 2002, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht am 6. März 2002, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt hat, lässt sich daraus nicht herleiten, der Anordnungsgrund fehle. Das Verwaltungsgericht kann sich auf die von ihm zitierte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg (Beschlüsse vom 24. Juni 1991 - Bs III 193/91 - NVwZ-RR 1992, 22 ff., und vom 6. Januar 1997 - Bs III 157/96 - NVwZ-RR 1998, 314) und des Oberverwaltungsgerichts Greifswald (Beschluss vom 18. Dezember 1998 - 2 N 1/98 - NVwZ-RR 1999, 542) nicht berufen, wonach ein Anordnungsgrund grundsätzlich dann nicht gegeben sein soll, wenn der Antrag auf die einstweilige Anordnung, mit dem die vorläufige Zulassung zu einem Studium begehrt wird, dem Gericht nicht spätestens am ersten Vorlesungstag des Bewerbungssemesters vorliegt. Denn aus dieser Rechtsprechung lässt sich für Hessen die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung nicht herleiten. Für Hessen ist nämlich vom Verordnungsgeber geregelt, bis zu welchem Zeitpunkt der Zulassungsantrag bei der Hochschule spätestens gestellt werden kann. Dies ergibt sich aus § 21 Abs. 1 der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen in zulassungsbeschränkten Studiengängen außerhalb zentraler Verfahren an den Hochschulen des Landes Hessen (Vergabeverordnung Hessen) vom 7. Juni 2001 (GVBl. I S. 292). Sind nach Abschluss des Vergabeverfahrens in einem Studiengang noch Studienplätze verfügbar oder werden Studienplätze wieder verfügbar, werden diese nach der genannten Verordnungsregelung durch das Los an deutsche und ausländische Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die für die Studiengänge an Fachhochschulen für das Sommersemester bis zum 15. März und für das Wintersemester bis zum 1. Oktober bei der Hochschule die Zulassung schriftlich beantragt haben. Ist das Vergabeverfahren in einem Studiengang vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen, kann die Hochschule eine frühere Frist bestimmen, die in geeigneter Form bekannt zu geben ist. Hier ist bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin keine frühere Frist bestimmt hat, denn nach der Kopie des den Studienzulassungsantrag des Antragstellers ablehnenden Bescheides der Antragsgegnerin vom 28. Januar 2002 (Bl. 4 der Gerichtsakten) ist davon auszugehen, dass die genannte Frist "15. März" für die Antragsgegnerin gilt. Es befindet sich auf dem Bescheid vom 28. Januar 2002 nämlich ein "Hinweis auf das Losverfahren", wonach Studienplätze, die nach Abschluss des Vergabeverfahrens einschließlich Nachrückverfahren noch frei sind, von der Hochschule unter den Bewerbern verlost werden, die sich für ein Sommersemester bis zum 15. März formlos bei der Antragsgegnerin beworben haben.

Wenn es aber nach der in Hessen einschlägigen ausdrücklichen normativen Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Vergabeverordnung Hessen für eine Bewerbung um noch verfügbare oder wieder verfügbare Studienplätze ausreichend ist, sich für das Sommersemester bis zum 15. März bei der Hochschule zu bewerben, dann kann von diesen Bewerbern nicht verlangt werden, schon vorher - hier vor dem 4. März 2002 - bei dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Zulassung zum Studium zu stellen. Davon, dass nach Beginn der Vorlesungszeit die Zulassung zum Studium für einen Studienbewerber generell nicht mehr nützlich sei, kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn - wie hier - nach Beginn der Vorlesungszeit nur wenige Tage vergangen sind. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass nach der ständigen Praxis des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs unter der Voraussetzung, dass rechtzeitig ein Zulassungsantrag bei der Hochschule gestellt worden ist, sowohl der Anordnungsgrund als auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche einstweilige Anordnung bejaht werden, wenn zur Zeit des Ergehens der gerichtlichen Entscheidung das Semester, für das der Bewerber die Zulassung beantragt hat, bereits verstrichen ist. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass im Rubrum der Beschlüsse des Senats regelmäßig als Betreff die vorläufige Zulassung zum Studium in dem jeweiligen Studienfach nach den Rechtsverhältnissen desjenigen Semesters aufgeführt ist, für das der Bewerber die Zulassung begehrt. In aller Regel hat dieses Semester schon begonnen oder gar geendet, wenn der Senat im Eilverfahren zweiter Instanz entscheiden kann. Er geht in diesen Fällen regelmäßig vom Vorliegen des Anordnungsgrundes und des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses aus.

Entsprechend der hier vertretenen Auffassung, wonach Anordnungsgrund und Rechtsschutzbedürfnis nicht fehlen, wenn der Antragsteller nicht bis zum Beginn der Vorlesungszeit einen Eilantrag gestellt hat, hat bereits der früher für das Hochschulrecht zuständig gewesene 6. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in einem die Zulassung zum Studium der Zahnmedizin betreffenden Fall nach damaliger Rechtslage entschieden, dass der bei der Hochschule zu stellende Antrag sogar rechtzeitig erfolgte, wenn er dort vor Ablauf des Semesters, auf das es sich bezog, einging. Er hat zur Begründung ausgeführt, es erscheine mit der Rechtssicherheit, die dem Rechtsstaatsprinzip entspringe und in Art. 20 Abs. 3 GG verankert sei, nicht vereinbar, den sich auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gründenden Anspruch eines Studienbewerbers auf Zulassung zum Studium durch richterliche Ausschlussfristen, die im Wege der Analogie aufgefunden würden, zu begrenzen. Ausschlussfristen dieser Art müssten vielmehr eindeutig und klar aus einem veröffentlichten Gesetzestext erkennbar sein (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 7. April 1982 - VI TG 487/80 - KMK-HSchR 1983, 786 ff., 787 f., unter Hinweis auf VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Februar 1978 - IX 2083/77 - DÖV 1978, 365, 366). An dieser Auffassung hält auch der hier beschließende, seit einiger Zeit für das Hochschulrecht zuständige 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs fest mit der Maßgabe, dass hier selbstverständlich die in § 21 Abs. 1 Vergabeverordnung Hessen geregelten Fristen einzuhalten sind und die Nichteinhaltung dieser Fristen auch Auswirkungen auf Anordnungsgrund und Rechtsschutzbedürfnis haben können.

Die Sache ist in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, da nur so sichergestellt wird, dass der Antragsteller die gleichen Chancen auf einen Studienplatz in dem begehrten Fach erhält wie die anderen Studienbewerber, die sich beim Verwaltungsgericht um eine einstweilige Anordnung mit gleicher Zielrichtung bemüht haben (vgl. den vom Antragsteller vorgelegten Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom "14. Februar 2001" - gemeint ist erkennbar der "14. Februar 2002" - NC 2 C 1/02 - S. 4 des Abdrucks).

Die Kostenentscheidung bleibt dem Verwaltungsgericht vorbehalten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., 2000, Rdnr. 3 zu § 150; Finkelnburg/Janck, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., 1998, Rdnr. 499 m.w.N.).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3, 14 Gerichtskostengesetz - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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