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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 9 A 1622/08.Z
Rechtsgebiete: AufenthG, EMRK, GG


Vorschriften:

AufenthG § 53 Nr. 1
AufenthG § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AufenthG § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
AufenthG § 56 Abs. 1 S. 2
AufenthG § 56 Abs. 1 S. 4
EMRK Art. 8
GG Art. 6
1. Nicht jede Berührung der durch Art. 6 GG bzw. Art 8 EMRK geschützten Belange eines Ausländers gebietet im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 23.10.2007 - BVerwG 1 C 10.07 -, BVerwGE 129, 367) in Fällen einer zur Regelausweisung herabgestuften Ist-Ausweisung zwingend die Ausübung behördlichen Ermessens. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht seine Forderung nach behördlicher Ermessensausübung über die Fälle der in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Ausländer (sog. faktische Inländer) hinaus - wenig trennscharf - auch auf "andere Fälle" erstreckt, in denen sich "der schematische Blick der Verwaltung auf die Ist- und Regelausweisung als wenig hilfreich" erweise, "um das gesamte Spektrum betroffener Belange in den Blick nehmen zu können", doch kann es bei einer - der Systematik des Aufenthaltsgesetzes entsprechenden - Regelausweisung verbleiben, wenn die genannten Belange des Ausländers unter wertender Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles keinen - der Situation sog. faktischer Inländer vergleichbaren - besonders hohen Grad an Schutzwürdigkeit erreichen.

2. Ausweisungsfall eines nicht der Gruppe der sog. faktischen Inländer zugehörenden, aber mit einer Deutschen verheirateten Ausländers mit zwei aus dieser Ehe hervorgegangenen Kindern, dessen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein seine Klage abweisendes Urteil erfolglos bleibt, weil sich die zur Regelausweisung herabgestufte Ist-Ausweisung wegen der aus besonderen Umständen des konkreten Falles hergeleiteten fehlenden Schutzwürdigkeit des schwer straffällig gewordenen Klägers als rechtmäßig erweist, obgleich die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung nicht getroffen hatte.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

9 A 1622/08.Z

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Seggelke, Richter am Hess. VGH Steinberg

am 14. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 19. Juni 2008 - 7 E 2409/07 - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung auf 5.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor des vorliegenden Beschlusses näher bezeichnete erstinstanzliche Urteil zuzulassen, ist nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Der Senat hat im Rahmen eines Verfahrens auf Zulassung der Berufung die angefochtene Entscheidung nicht von Amts wegen in vollem Umfang zu überprüfen. Es ist vielmehr allein Sache des die Zulassung des Rechtsmittels erstrebenden Prozessbeteiligten, den in Anspruch genommenen Zulassungsgrund darzulegen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Das Rechtsmittelgericht prüft sodann das Vorliegen des geltend gemachten Zulassungsgrundes nur im Rahmen und unter Berücksichtigung dieser Darlegungen.

Am 24. Januar 2005 verurteilte das Landgericht Frankfurt am Main den Kläger wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sechs Fällen, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in einem Fall und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, die der Kläger gegenwärtig verbüßt. Diese Verurteilung nahm der Beklagte zum Anlass, den Kläger mit Bescheid vom 4. September 2007 (unbefristet) aus dem Bundesgebiet auszuweisen und ihm die Abschiebung in sein Heimatland anzudrohen. Die dagegen vom Kläger und seiner Ehefrau gemeinsam erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil ab. Mit dem vorliegenden Zulassungsantrag verfolgt der Kläger sein auf Aufhebung der vorgenannten Verfügung gerichtetes Anfechtungsbegehren allein weiter.

In den Entscheidungsgründen seines Urteils führt das Verwaltungsgericht einleitend aus, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung sei nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Der Beklagte habe in der streitgegenständlichen Verfügung zutreffend festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner (letzten) Verurteilung die Voraussetzungen für eine zwingende Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG erfülle. Ferner habe der Beklagte berücksichtigt, dass der Kläger den besonderen Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 4 AufenthG genieße, da er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei und er vor Haftantritt mit seiner deutschen Ehefrau und seinen beiden deutschen Kindern zusammengelebt habe. Der Beklagte habe auch erkannt, dass dem zufolge gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG eine Herabstufung zur Regelausweisung zu erfolgen habe und der Kläger darüber hinaus gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden könne.

Im Anschluss an diese allgemeinen Überlegungen hat sich das Verwaltungsgericht mit den Gesichtspunkten der General- und Spezialprävention befasst und ausgeführt, bei Beachtung der insoweit maßgeblichen rechtlichen Grundsätze habe der Beklagte zu Recht angenommen, dass vorliegend schwerwiegende Gründe gegeben seien, die die Ausweisung des Klägers unter beiden Aspekten rechtfertigten. Diese Einschätzung hat das Gericht erster Instanz auf Seiten 5 ff. seiner Entscheidung näher erläutert.

Daran anschließend führt das Verwaltungsgericht aus, es sei auch nicht zu beanstanden, dass seitens der Ausländerbehörde das Vorliegen eines Ausnahmefalles, der ein Absehen von der Regelvermutung nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG rechtfertige, nicht angenommen worden sei. Bei der Feststellung eines Ausnahmefalles, der von der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Normalsituation so stark abweiche, dass eine Ausweisung nur nach einer Abwägung aller Gesichtspunkte im Rahmen einer Ermessensausübung erfolgen könne, seien alle Umstände zu berücksichtigen, die in eine Ermessensentscheidung über eine Ausweisung nach § 55 Abs. 1 AufenthG einzubeziehen seien, also neben general- und spezialpräventiven Aspekten insbesondere auch die in § 55 Abs. 3 AufenthG aufgeführten Gesichtspunkte. Von einem derartigen Ausnahmefall vermöge das Gericht jedoch weder unter Berücksichtigung der Taten, die der Ausweisung zugrunde lägen, noch der besonderen persönlichen Verhältnisse des Klägers auszugehen. Gegen diese Annahme sprächen insbesondere der vom Kläger über Jahre hinweg begangene sexuelle Missbrauch an seiner Stieftochter und die sehr schlechte Legalprognose. Die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung ergebe sich auch nicht aus den besonderen persönlichen Verhältnissen des Klägers, namentlich der Tatsache, dass er seit langem in Deutschland lebe, über eine - als Niederlassungserlaubnis fortgeltende - unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfüge und mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet sei, mit der er zwei Kinder habe. Dass die Ehefrau und die beiden Kinder Nachteile erleiden würden, wenn der Kläger das Bundesgebiet verlassen müsse, sei eine Konsequenz der erheblichen Straftaten, die er begangen habe. Eine atypische Situation sei auch in Anbetracht dieser konkreten familiären Situation nicht gegeben. Im Hinblick auf die vom Kläger in diesem Zusammenhang besonders hervorgehobenen Belange seiner minderjährigen Kinder werde darauf hingewiesen, dass ihm ausweislich der seitens der Justizvollzugsanstalt Kassel II - Sozialtherapeutische Anstalt - vom 23. August 2007 erstellten Sozialprognose nur eine schlechte Behandlungsprognose erstellt werden könne, da er nicht im geringsten bereit erscheine, sein Verhalten in Frage zu stellen und lediglich darauf hinaus sei herauszufinden, wie er einen guten Eindruck machen könne. Im Hinblick auf das vom Kläger gegenüber seiner Ehefrau gezeigte Verhalten werde in dieser Prognose ausgeführt, dass er im Umgang anlässlich von Telefonaten übertrieben romantisch und einschmeichelnd erscheine, aber sehr schnell umschalten könne und dann fordernd und dominant werde, wenn es z. B. um Geldüberweisungen oder das Zurückschicken von Kleidung gehe. Wenn der Kläger eifersüchtig sei, werde er zudem verbal aggressiv gegenüber seiner Frau. Ausweislich der Sozialprognose sei der Kläger grundsätzlich gefährdet, wieder aggressive Übergriffe zu verüben. Problematisch werde in diesem Zusammenhang seitens des Sozialarbeiters insbesondere die Tatsache gewertet, dass die derzeitige Ehefrau des Klägers und Mutter seiner beiden minderjährigen Kinder seinem dominanten Gebaren nichts entgegensetzen könne und dass wieder Kinder im Haushalt seien. Auch die zweite Ehefrau des Klägers habe eine fast erwachsene Tochter aus einer anderen Beziehung. Eine ähnliche Konstellation habe sich auch in der ersten Ehe des Klägers gefunden, in der es zu den massiven sexuellen Übergriffen auf die Stieftochter gekommen sei. Auch hier sei es so gewesen, dass die damalige Ehefrau dem aggressiven Verhalten des Klägers nichts habe entgegensetzen können. Insofern sei die Vater-Kind-Beziehung aufgrund der Persönlichkeit des Klägers durchaus sehr kritisch zu sehen.

Die angefochtene Verfügung sei - so das Verwaltungsgericht weiter - auch im Hinblick auf die neueste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 1 C 10.07 - (BVerwGE 129, 367 ff. = NVwZ 2008, 326 ff. = InfAuslR 2008, 116 ff. = DÖV 2008, 329 ff. = ZAR 2008, 140 ff.) rechtmäßig. In diesem Urteil habe das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalles zur Regelausweisung im Sinne des § 53 Abs.1 Satz 4 AufenthG weiter gefasst. Damit solle der Gefahr begegnet werden, dass schutzwürdige, von den Tatbeständen des § 48 Abs. 1 AuslG bzw. § 56 Abs. 1 AufenthG nicht (voll) erfasste Belange des Betroffenen im Verwaltungsvollzug schematisierend ausgeblendet würden. Insbesondere bei der im Laufe der Zeit angewachsenen Gruppe im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer bedürfe es danach bei der Entscheidung über eine Ausweisung einer individuellen Würdigung, inwieweit der Ausländer im Bundesgebiet verwurzelt sei und dies angesichts der konkreten Ausweisungsgründe bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls einer Ausweisung entgegenstehe. Im vorliegenden Fall bestehe jedoch zur Überzeugung des Gerichts gleichwohl kein Anlass, von der vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelausweisung im Sinne dieser Rechtsprechung abzuweichen. Der Kläger gehöre nicht zu der Gruppe im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer, die nur noch durch ein formales Band mit dem Land ihrer Staatsangehörigkeit verbunden seien. Er sei vielmehr in Bosnien-Herzegowina aufgewachsen, habe dort auch die Schule besucht sowie eine Ausbildung absolviert und sei erst im Erwachsenenalter in die Bundesrepublik Deutschland gelangt. Auch darüber hinaus seien zur Überzeugung des Gerichts keine Umstände gegeben, die über die Tatbestände des besonderen Ausweisungsschutzes in § 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 4 AufenthG nicht voll umfänglich abgedeckt wären.

II.

Im Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung beruft sich der Kläger zunächst auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Mit seinem dazu gehaltenen Vortrag beanstandet er die Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach vorliegend ein Regelfall im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG gegeben sei. Diese Wertung - so der Kläger - lasse sich vor dem Hintergrund der insoweit auch von dem erstinstanzlichen Gericht herangezogenen neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Ausweisungssachen - Urteil vom 23. Oktober 2007, a. a. O. - nicht mehr rechtfertigen und sei offenkundig rechtsfehlerhaft. Mit diesem Judikat habe das Bundesverwaltungsgericht die rechtlichen Maßstäbe für die Zulässigkeit von Ausweisungen in bestimmten - vorliegend einschlägigen - Fallkonstellationen entscheidend verschoben. Das Bundesverwaltungsgericht habe dabei offensichtlich an die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeknüpft, das in jüngerer Zeit mehrfach hervorgehoben habe, dass sich eine Praxis der Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG verbiete, die diejenigen tatsächlichen Umstände, die die Gewährung besonderen Ausweisungsschutzes begründeten, nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend individuell würdige, sondern schematisierend ausblende. An eine nähere Erläuterung dieser Einschätzung und Darstellung der von ihm insoweit in Bezug genommenen höchstrichterlichen Entscheidungen hat der Kläger die Feststellung angeschlossen, es sei nur zu offenkundig, dass in seinem Fall in Anlegung des vom Bundesverwaltungsgericht nunmehr vorgegebenen Maßstabs die Annahme einer Ausnahme von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG - und damit die Notwendigkeit einer Entscheidung über die Ausweisung in Ausübung behördlichen Ermessens unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles - sowohl durch Art. 6 GG als auch durch Art. 8 EMRK vorgegeben sei. Dies ergebe sich daraus, dass er sich bis zum Ergehen der Ausweisungsverfügung über einen Zeitraum von neun Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und zu diesem Zeitpunkt und zum Zeitpunkt seines als Selbststeller erfolgten Haftantritts gemeinsam mit seiner neuen Ehefrau und den beiden aus dieser Ehe hervorgegangenen Kindern, die mittlerweile fünf beziehungsweise sechs Jahr alt seien, in einer intakten Familie gelebt habe. Eine Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Schutzwirkungen der genannten verfassungsrechtlichen bzw. konventionsrechtlichen Bestimmungen bestätige diesen rechtlichen Befund. Es treffe zwar zu, dass das Bundesverwaltungsgericht im zeitlichen Gefolge seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2007 bislang noch nicht weiter erörtert habe, wann durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles - namentlich eine Ermessensentscheidung - geböten. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne es aber keinem Zweifel unterliegen, dass jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - eine intakte Beziehung zum Ehepartner und zu kleinen, auf die Erziehungsleistungen beider Elternteile angewiesenen Kindern vorliege, eine derartige Fallkonstellation gegeben sei. Das Verwaltungsgericht sei demgegenüber in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils allein deshalb zu der unzutreffenden Einschätzung gelangt, bei ihm - dem Kläger - begründe weder die Schutzgarantie aus Art. 6 GG noch der durch Art.8 EMRK konventionsrechtlich gewährleistete Schutz das Erfordernis einer Ermessensentscheidung, weil die genannte Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil - aus seiner Sicht unverständlicherweise - unvollständig zitiert worden sei. Zwar habe das Verwaltungsgericht die zutreffende Feststellung getroffen, dass er - der Kläger - nicht zu der Gruppe der von dem Bundesverwaltungsgericht als besonders schutzwürdig anerkannten Gruppe der im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländer gehöre. Das Gericht erster Instanz habe jedoch völlig unterschlagen, dass sich an die betreffende - von ihm bei der Entscheidungsfindung berücksichtigte - Textstelle in dem höchstrichterlichen Urteil die Passage anschließe, dass "auch in anderen Fällen, die dadurch gekennzeichnet seien, dass höherrangiges Recht oder durch Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles geböten, sich der schematische Blick der Verwaltung auf die Ist- und Regelausweisung als wenig hilfreich erweise, um das gesamte Spektrum betroffener Belange in den Blick nehmen zu können". Vor diesem rechtlichen Hintergrund habe das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil in Anlegung gänzlich unzutreffender rechtlicher Parameter verkannt, dass die streitbefangene Verfügung, in der die Behörde vom Vorliegen eines Regelfalles im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgegangen sei, wegen eines vollständigen Ermessensausfalls zwingend der Aufhebung anheimfallen müsse. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Urteils sei geradezu offenkundig, was die Annahme ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ohne weiteres begründe.

III.

Diese Einschätzung vermag der Senat nicht zu teilen.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen, wenn gegen die (Ergebnis-)Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Dies ist der Fall, wenn der die Zulassung des Rechtsmittels begehrende Beteiligte einen die angegriffene Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt und sich dem Verwaltungsgerichtshof die Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung - unabhängig von der vom Verwaltungsgericht für sie gegebenen Begründung - nicht aufdrängt (ständige Rechtsprechung des Senats).

Diese Schlussfolgerung vermag der Senat aus den hier in Rede stehenden Darlegungen in der Antragsbegründung nicht zu ziehen. Hiermit sind jedenfalls ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit der - den angefochtenen Bescheid bestätigenden - Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach vorliegend ein Abweichen von der Regelfolge des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nicht gerechtfertigt sei, nicht schlüssig dargetan.

Allerdings dürfte dem Kläger darin beizupflichten sein, dass sich in der von ihm als rechtsfehlerhaft beanstandeten Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 1 C 10.07 -, a. a. O., eine nicht hinreichende Erfassung des mit diesem Judikat in einschlägigen Fallkonstellationen durch das Obergericht vorgegebenen Prüfungsmaßstabs widerspiegelt.

Mit vorgenanntem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalles zur Regelausweisung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG weiter gefasst und hierzu ausgeführt:

"Der Senat nimmt die sowohl in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 22.3.2007 - Nr. 1638/03 - Maslov - InfAuslR 2007, 221; Urteil vom 28.6.2007 - Nr. 31753/02 - Kaya - InfAuslR 2007, 325) als auch des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschlüsse vom 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - NVwZ 2007, 946 und vom 10.8.2007 - 2 BvR 535/06 -) erkennbar gewachsene Bedeutung des Rechts auf Achtung des Privatlebens im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung zum Anlass, diese Voraussetzungen weiter zu fassen: Ein Ausnahmefall von der Regelausweisung - und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung - liegt bereits dann vor, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten. Der bisherige Maßstab, der ergebnisbezogen auf die Unvereinbarkeit der Ausweisung mit höherrangigem Recht abstellt, reicht nach den Erfahrungen des Senats nicht aus, um den von Art. 6, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belangen in der Praxis zu einer ausreichenden Berücksichtigung zu verhelfen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass schutzwürdige, von den Tatbeständen des § 48 Abs. 1 AuslG bzw. § 56 Abs. 1 AufenthG nicht (voll) erfasste Belange des Betroffenen im Verwaltungsvollzug schematisierend ausgeblendet werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - a. a. O. S. 946 [948]). Insbesondere bei der im Laufe der Zeit angewachsenen Gruppe im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer bedarf es bei der Entscheidung über eine Ausweisung einer individuellen Würdigung, inwieweit der Ausländer im Bundesgebiet verwurzelt ist und dies angesichts der konkreten Ausweisungsgründe bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles einer Ausweisung entgegensteht. Aber auch in anderen Fällen erweist sich der schematische Blick der Verwaltung auf die Ist- und Regelausweisung als wenig hilfreich, um das gesamte Spektrum betroffener Belange in den Blick nehmen zu können. Die Ermessensentscheidung als der dritte vom Gesetzgeber vorgesehene Entscheidungsmodus bietet demgegenüber in der Verwaltungspraxis höhere Gewähr für eine Berücksichtigung aller Aspekte des jeweiligen Einzelfalles und die angemessene Gewichtung anlässlich der Entscheidung über den Erlass einer Ausweisung. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass diese Auslegung unter Umständen dazu führe, dass es mehr Ausnahmefälle als Regelfälle gebe und dies dem Willen des Gesetzgebers widerspreche. Denn für die Abgrenzung von Regel- und Ausnahmefall kommt es nicht auf das quantitative Verhältnis der Fallgruppen an, sondern auf eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben."

Das Verwaltungsgericht hat mit der oben wiedergegebenen Textpassage im angegriffenen Urteil zwar deutlich gemacht, dass es die vorstehend zitierte Rechtsprechung wahrgenommen und einzelne Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seine Entscheidungsfindung mit einbezogen hat. Die verkürzte Wiedergabe der maßgeblichen Textstellen der betreffenden Entscheidung durch das Gericht erster Instanz deutet jedoch darauf hin, dass das Verwaltungsgericht die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Verschiebung des in einschlägigen Fallkonstellationen bislang vorgegebenen Beurteilungsmaßstabs nur im Grundsatz, nicht jedoch in seiner möglichen Reichweite erkannt hat. Das Verwaltungsgericht hat sich nämlich auf die Wiedergabe der Textstelle in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beschränkt, die die im Lauf der Zeit angewachsene Gruppe im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer (sog. faktische Inländer) betrifft, deren aufenthaltsrechtliche Schutzwürdigkeit das Bundesverwaltungsgericht durch Hervorhebung ("Insbesondere.....") besonders betont hat. Daraus dürfte zu schließen sein, dass das Gericht erster Instanz dem Judikat des Bundesverwaltungsgerichts allein im Hinblick auf die Ausweisung von Angehörigen dieser Personengruppe Bedeutung beigemessen hat. Dieser Eindruck wird durch die von dem Verwaltungsgericht in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang angestellten einzelfallbezogenen Überlegungen bestätigt. Eine solche Betrachtungsweise dürfte der Bedeutung der vom Bundesverwaltungsgericht vollzogenen Rechtsprechungsänderung allerdings nicht in vollem Maße gerecht werden. Sie lässt nämlich unberücksichtigt, dass das Bundesverwaltungsgericht die von ihm als notwendig erachtete Korrektur seiner bisherigen Rechtsprechung in Ausweisungssachen allem Anschein nach weitergehend verstanden wissen will. Der Senat entnimmt dies dem - wenn auch nur in Form eines Nachsatzes gegebenen - Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts darauf, dass sich "der schematische Blick der Verwaltung auf die Ist- und Regelausweisung auch in anderen Fällen (Hervorhebung durch den Senat) als wenig hilfreich erweise, um das gesamte Spektrum betroffener Belange in den Blick nehmen zu können". Mit der möglichen Bedeutung dieses Hinweises und den hieraus für den vorliegenden Fall zu ziehenden Schlussfolgerungen hat sich das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil nicht weiter befasst.

Anders als vom Beklagten mit der Antragserwiderung vom 20. Oktober 2008 geltend gemacht, ist der diesen Gesichtspunkt herausstellenden Argumentation des Klägers auch nicht von vornherein deshalb die Grundlage entzogen, weil die Ausweisung im angefochtenen Bescheid - ohne dass das Verwaltungsgericht dies wahrgenommen hätte - (auch) unter Gesichtspunkten gerechtfertigt worden ist, die auch im Rahmen einer Ermessensprüfung von Relevanz wären und den vom Bundesverwaltungsgericht in dem zitierten Urteil aufgestellten Anforderungen - sollten diese im vorliegenden Fall eine Ermessensausübung erfordern - insofern zumindest formal genügt wäre. Zwar hat der Beklagte in der Begründung des angefochtenen Bescheids (u. a.) die Beziehung des Klägers zu seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen deutscher Staatsangehörigkeit gewürdigt. Auch nehmen die betreffenden Darlegungen breiten Raum ein und kommen sowohl ihrem Inhalt nach als auch in ihrer Ausführlichkeit dem im Rahmen einer Ermessensentscheidung üblichen und gebotenen Begründungsaufwand durchaus nahe. Das Treffen einer Entscheidung der Ausländerbehörde über die Ausweisung des Klägers in Ausübung von Ermessen kann hierin jedoch gleichwohl nicht erblickt werden. Die hier in Rede stehenden Erwägungen des Beklagten sind nicht als Ermessensbetätigung zu werten, da diese im Hinblick auf eine Regelausweisung erfolgt sind. Eine Ermessensentscheidung setzt aber voraus, dass sich die Behörde bewusst ist, dass ihr in der Sache ein Ermessensspielraum zukommt und sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. dazu auch Beschluss des Senats vom 20. Mai 2008 - 9 B 1019/08 -; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 40 Rdnr. 59 m.w.N.).

Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob es dem Kläger mit der Antragsbegründung - wofür aus vorstehend erläuterten Gründen Einiges sprechen dürfte - gelungen ist aufzuzeigen, dass in der Befassung des erstinstanzlichen Gerichts mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 1 C 10.07 -, a. a. O., eine Auseinandersetzung mit den nach dieser Rechtsprechung zu beachtenden Vorgaben, die alle insoweit in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte abdeckt, nicht erblickt werden kann. Die Zulassung des Rechtsmittels aufgrund ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO könnte nämlich selbst dann nicht erfolgen, weil nicht festgestellt werden kann, dass das Verwaltungsgericht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Rechtslage hätte gelangen können, wenn es den auf "andere" Ausländer bezogenen Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts aufgenommen und diesbezüglich weitergehende Überlegungen angestellt hätte. Auch bei sachgerechter Interpretation des damit vorgegebenen (weitergehenden) Prüfungsmaßstabs sprechen aus Sicht des Senats keine gewichtigen - d. h. ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angegriffenen Urteils begründenden - Gesichtspunkte dafür, dass die verfügte Ausweisung an einem Ermessensfehler in Gestalt des Ermessensausfalls leidet und das Verwaltungsgericht Grund gehabt hätte, dies zu beanstanden.

Bei dieser Einschätzung berücksichtigt der Senat, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23. Oktober 2007 keine klare - und alle in dieser Hinsicht denkbaren Fallkonstellationen abdeckende - Festlegung getroffen hat, wann und unter welchen Voraussetzungen durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten und in welchen Fällen es trotz der Berührung derartiger Belange durch eine Ausweisung sein Bewenden bei der vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelausweisung hat (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 20. Mai 2008 - 9 B 1019/08 -, sowie Hess. VGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 7 B 245/08 -). Aus dem Umstand allein, dass sich hieraus in bestimmten Fallkonstellationen möglicherweise Unklarheiten bezüglich der Konsequenzen ergeben können, die aus dieser Rechtsprechung zu ziehen sind, kann das Vorliegen ernstlicher Zweifel im Sinne des vom Kläger in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes jedoch nicht abgeleitet werden.

Aus Sicht des Senats kann den oben wiedergegebenen Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts, die für die Abkehr des Bundesverwaltungsgerichts von seiner bisherigen Rechtsprechung in einschlägigen Fallkonstellationen ausschlaggebend waren, nämlich jedenfalls nicht entnommen werden, dass sich die Annahme eines Regelfalles im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG aus höchstrichterlicher Sicht nunmehr in jedem Fall prinzipiell verbietet, der einen - wie auch immer konkret ausgestalteten - verfassungs- und/ oder konventionsrechtlichen Bezug aufweist. Eine Rechtfertigung für eine solch weitgehende Korrektur der in vorgenannter Regelung getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung für die Ausweisung als Regelmaßnahme lässt sich aus den betreffenden Darlegungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht ableiten. Diese legen vielmehr schon angesichts der insoweit gewählten Formulierungen - namentlich der besonderen Hervorhebung der Personengruppe sog. faktischer Inländer - ein Verständnis dahingehend nahe, dass das Bundesverwaltungsgericht mit dem von ihm gesehenen Korrekturbedürfnis allein auf Fallkonstellationen abzielt, in denen die besondere Schutzwürdigkeit der betroffenen privaten und/oder familiären Belange des Ausländers - wie exemplarisch in Fällen einer tiefgreifenden Verwurzelung des Betroffenen nach langjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet, gegebenenfalls seit der Geburt - in besonderem Maße augenfällig sind und in ihrer vollen Bedeutung ohne entsprechenden Ermittlungs- und Begründungsaufwand nur schwer erfasst werden können (vgl. dazu auch Thym, DVBl. 2008, 1346 ff.: "Abschied von der Ist- und Regelausweisung bei Verwurzelung"). In der Richtigkeit dieser Interpretation sieht sich der Senat auch deshalb bestärkt, weil sich eine weitergehende Deutung der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne, dass nunmehr in jedem Fall einer nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG herabgestuften Ist-Ausweisung bei Berührung durch höherrangiges Recht oder Konventionsrecht geschützter Belange - unabhängig von jedweder Bewertung des Gewichts dieser Belange im konkreten Einzelfall - eine Ermessensentscheidung notwendig sein soll, schwerlich mit den gesetzlichen Vorgaben in § 56 Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG vereinbaren ließe. Hierdurch würde nämlich letztlich ein Herabstufungstatbestand "sui generis" durch richterliche Rechtssetzung geschaffen, obgleich die Herabstufung einer Ist- zu einer Regelausweisung bzw. einer Regel- zu einer Ermessensausweisung lediglich in den durch vorgenannte Vorschriften abschließend geregelten Fällen des Vorliegens eines besonderen Ausweisungsschutzes gesetzlich vorgesehen ist (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch VG Koblenz, Urteil vom 18. August 2008 - 3 K 869/07.KO -, Juris). Dies kann aus Sicht des erkennenden Senats nicht der Intention des Bundesverwaltungsgerichts entsprochen haben.

Ausgehend davon interpretiert der Senat die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem genannten Urteil zunächst dahingehend, dass der Verwaltungspraxis in Anlegung des dadurch für die Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorgegebenen Beurteilungsmaßstabs aus höchstrichterlicher Sicht vornehmlich in Fällen langjähriger und tiefgreifender Verwurzelung des Betroffenen in Deutschland - insbesondere also bei Geburt und Sozialisation im Bundesgebiet - prinzipiell kein Interpretationsspielraum mehr verbleiben soll, der die Möglichkeit eröffnet, in Anknüpfung an das gesetzlich verankerte Regel-/Ausnahmeprinzip unter wertender Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalles zur Annahme eines Regelfalles zu gelangen. Soweit man mit der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts konform geht dürfte sich eine Rechtfertigung hierfür angesichts des Umstands, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Argumentation - namentlich seinen Verweis auf die aus seiner Sicht bei Beibehaltung des bisherigen Beurteilungsmaßstabs bestehende Gefahr einer "schematisierenden Ausblendung schutzwürdiger, von den Tatbeständen der § 56 Abs. 1 AufenthG nicht (voll) erfasster Belange" beziehungsweise des "ergebnisbezogenen Abstellens auf die Unvereinbarkeit der Ausweisung mit höherrangigem Recht" - ganz maßgeblich auf Fallgestaltungen mit entsprechendem tatsächlichem Hintergrund zugeschnitten hat, kaum mehr finden lassen.

Ob - und gegebenenfalls inwieweit - dem damit für die Gruppe sog. faktischer Inländer von dem Bundesverwaltungsgericht vorgegebenen strikten Beurteilungsmaßstab gefolgt werden kann, bedarf aus Anlass des vorliegenden Falles jedoch keiner weiteren Erörterung. Denn der Kläger gehört nach den von ihm mit der Antragsbegründung ausdrücklich zugestandenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts gerade nicht zu dem Personenkreis, der aufgrund seiner Geburt und Integration in die hiesigen Verhältnisse und des Fehlens jeglicher Bezüge zum Staat seiner Staatsangehörigkeit als sog. faktischer Inländer anzusehen ist. Er kann folglich nicht für sich Anspruch nehmen, der Personengruppe zugehörig zu sein, für die die Annahme eines Regelfalles im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG - mit entsprechenden Konsequenzen für den behördlichen Entscheidungsrahmen - unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht vollzogenen Rechtssprechungsänderung nunmehr prinzipiell ausscheiden dürfte. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von der Fallkonstellation, die dem - nach Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 21. Juli 2008 (9 A 451/08.Z) - derzeit bei dem Senat anhängigen Rechtsmittelverfahren 9 A 1546/08 zugrunde liegt, das die Ausweisung eines straffällig gewordenen - nach den Feststellungen des Senats im Zulassungsverfahren durch langjährigen Aufenthalt und Integration im Bundesgebiet verwurzelten - Ausländers betrifft.

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Notwendigkeit einer Entscheidung der Ausländerbehörde über die Ausweisung des Klägers in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens aber auch dann nicht, wenn man den angefochtenen Bescheid an den - von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigten - (weiteren) Vorgaben misst, die sich im Hinblick auf die zukünftige Handhabung des in § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG gesetzlich verankerten Prüfungsprogramms daraus ergeben, dass das Bundesverwaltungsgericht die von ihm angestellte Betrachtung zumindest im Grundsatz auch auf "andere Fälle" erstreckt hat.

Hinsichtlich des Spektrums beziehungsweise der Bandbreite der Fallkonstellationen, die das Bundesverwaltungsgericht mit seiner auf "andere Fälle" bezogenen Formulierung in den Blick genommen hat, finden sich in dem Urteil vom 23. Oktober 2007, a. a. O., keine weitergehenden Hinweise. Danach kann der Senat die in Form eines Nachsatzes erfolgte Erwähnung "anderer Fälle" nur in dem Sinne deuten, dass das Bundesverwaltungsgericht die von ihm zuvor in Bezug auf die Personengruppe sog. faktischer Inländer im Einzelnen erörterte Problematik zumindest im Grundsatz auch in allen sonstigen Fallkonstellationen als gegeben ansieht, in denen der betroffene Ausländer - etwa im Hinblick auf seine familiären Bindungen im Bundesgebiet - auf die Berührung konventions- und/oder verfassungsrechtlich geschützter Belange verweisen kann, ohne indes durch Geburt oder zumindest langjährigen Aufenthalt und überwiegende Sozialisation in Deutschland verwurzelt zu sein. Hieraus kann indes nicht geschlossen werden, dass das Ergebnis der im Rahmen des § 56 Abs. 1 S. 4 AufenthG vorzunehmenden Prüfung in sämtlichen Fallkonstellationen, die im Sinne dieses Verständnisses der Diktion des Bundesverwaltungsgerichts "andere Fälle" darstellen, in gleicher Weise präjudiziert wäre, wie dies in Konsequenz der vollzogenen Rechtssprechungsänderung in Bezug auf die Gruppe sog. faktischer Inländer angenommen werden muss. Eine schematische Betrachtung mit dem Ergebnis, dass auch in solchen Fällen praktisch ausnahmslos und ungeachtet einer Berücksichtigung etwaiger einzelfallbezogener Besonderheiten, die sich insbesondere auch aus der unterschiedlichen Schutzwürdigkeit der konkret ins Feld geführten persönlichen Belange ergeben können, die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung über die Ausweisung begründet wäre, scheidet aus Sicht des Senats aus. Eine solche ließe nämlich unberücksichtigt, dass die auf "andere Fälle" bezogenen Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts im Kontext mit den Erwägungen in der hier in Rede stehenden Grundsatzentscheidung zu sehen sind, die auf den Kreis im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener - d. h. vollständig in Deutschland verwurzelter - Ausländer zugeschnitten sind. Hieraus kann mit Blick auf die vom Bundesverwaltungsgericht dargelegten Beweggründe für die vorgenommene Rechtsprechungsänderung nur der Schluss gezogen werden, dass bei "anderen" Ausländern ein den obigen Ausführungen vergleichbarer Maßstab, der das Abgehen von der Regelfolge des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zum Prinzip erklärt, allenfalls dann angelegt werden kann, wenn das Gewicht der im Einzelfall gegen eine Ausweisung streitenden und im Licht der Art. 6 GG/Art. 8 EMRK schutzwürdigen Belange auf einen besonders hohen Grad der Schutzwürdigkeit des Betroffenen - vergleichbar demjenigen eines sog. faktischen Inländers - hindeutet. Wann dies anzunehmen ist, erschließt sich aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls nicht. Es liegt insoweit allerdings auf der Hand, dass diesbezüglich nähere Feststellungen nur im Wege einer wertenden Betrachtung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles getroffen werden können (vgl. dazu auch VG Koblenz, Urteil vom 18. August 2008 - 3 K 869/07.KO -, Juris). Mit einer solchen Deutung der höchstrichterlichen Vorgaben zur Handhabung des in § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG verankerten Regel-/Ausnahmeprinzips in "anderen Fällen" ist auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die Gefahr einer "schematisierenden Ausblendung" oder nicht hinreichenden Erfassung schutzwürdiger Belange des Ausgewiesenen, die das Bundesverwaltungsgericht zur Rechtfertigung seiner Rechtssprechungsänderung herangezogen hat, in Fällen minderer Schutzwürdigkeit des Betroffenen in der Verwaltungspraxis bei korrekter Rechtsanwendung unter Beachtung der Grundsätze, die durch die einschlägige - mit der Antragsbegründung zitierte - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insoweit vorgegeben sind, in weitaus geringerem Maße bestehen dürfte, als dies etwa bei tiefgreifender Verwurzelung eines Ausländers im Bundesgebiet der Fall sein könnte.

Die danach auch in Anlegung des von dem Bundesverwaltungsgericht für "andere Fälle" vorgegebenen Beurteilungsmaßstabs vorzunehmende einzelfallbezogene Betrachtung führt vorliegend nicht zu dem Ergebnis, dass die gegenüber dem Kläger verfügte Ausweisung an einem Ermessensfehler in Gestalt des Ermessensausfalls leidet.

Der Kläger verfügt zwar im Bundesgebiet unzweifelhaft über im Licht der Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK grundsätzlich schutzwürdige Bindungen, die in der - seit seiner Inhaftierung in Form von Besuchsaufenthalten aufrechterhaltenen - Beziehung zu seiner deutschen Ehefrau und seinem Verhältnis zu den aus dieser Ehe hervorgegangenen Kindern begründet liegen. Der Senat teilt jedoch die von dem Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zum Ausdruck gebrachte Einschätzung, wonach die Schutzwürdigkeit dieser familiären Bindungen im Hinblick auf die den Kläger kennzeichnenden Persönlichkeitsmerkmale, dessen bisheriges Verhalten im familiären Umfeld, die Art der den Ausweisungsanlass darstellenden Straftat und das Ergebnis der für ihn während der Haftzeit erstellten Sozialprognosen eher kritisch - d. h. in ihrer Durchsetzungskraft gering - zu bewerten ist.

Für die Richtigkeit dieser Einschätzung sprechen - neben den von dem Verwaltungsgericht auf Seite 9 der Urteilsausfertigung angestellten Überlegungen - ganz maßgeblich die Gründe, die nach dem Abschlussbericht der Sozialtherapeutischen Anstalt der JVA Kassel II vom 13. Mai 2008 für den gemäß Beschluss der Behandlungskonferenz vom 23. April 2008 vollzogenen Abbruch der sozialtherapeutischen Behandlung des Klägers in der Anstalt und die Rückverlegung in den normalen Strafvollzug ausschlaggebend waren. In dem betreffenden Bericht, der vom Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt und dem Bevollmächtigten des Klägers übermittelt wurde, wird u. a. ausgeführt, (auch) die Eingangsdiagnostik der Sozialtherapeutischen Anstalt sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Persönlichkeit des Klägers durch Egozentrismus und fehlende Empathie, Selbstverherrlichung und Selbstüberschätzung, Bindungslosigkeit sowie im familiären Rahmen durch Kontroll- und Dominanzwünsche und auch durch Skrupellosigkeit gekennzeichnet sei. Nach den Erfahrungen aus Exploration und Anamnesegesprächen sowie den Verhaltensbeobachtungen in der Wohngruppe, auf der Station, am Arbeitsplatz und bei Freizeitaktivitäten habe sich ergeben, dass beim Kläger angesichts fehlender selbstkritischer Ansätze die Behandlungsmotivation fragwürdig erscheine, so dass insgesamt von einer ungünstigen Behandlungsprognose auszugehen gewesen sei. Vorrangiges Ziel des für den Kläger aufgestellten Behandlungsplans sei die Förderung von dessen Bereitschaft gewesen, sich seiner Straftat selbstkritisch zu stellen sowie eine Integration in die Wohngruppe zu zeigen. Nach weiteren Ausführungen zum Verlauf des klägerischen Aufenthalts in der Anstalt heißt es dann in dem Bericht weiter, dem Kläger sei es nach wie vor nicht gelungen, sich selbstkritisch mit seinen Straftaten auseinanderzusetzen bzw. Verhaltensalternativen für sich zu entwickeln. Seine Aussagen und Handlungen habe er so eingerichtet, dass sie dem gerade gewünschten Verhalten entsprochen hätten. Vordergründige Tateinsicht und stetiges Revidieren getätigter Aussagen hätten keine Auseinandersetzung mit seiner Straftat zugelassen. Der Kläger sei mit seinen Aussagen über seine Straftat beliebig hin und her geschwenkt. Mal habe er jammernd und unterwürfig vordergründig bereut, um kurz danach die Länge seiner Haftzeit "für das bisschen Sex" zu beklagen. Für den Bereich der Wohngruppe sei festzustellen, dass der Kläger grundsätzlich Schwierigkeiten habe, sich in die soziale Gruppe zu integrieren, da es ihm offensichtlich an Integrationsfähigkeit fehle. Er habe sich permanent ambivalent und widersprüchlich verhalten und stetig Konflikte provoziert. Er sei durch dreistes Lügen, Übergriffe und beleidigende Äußerungen aufgefallen. Einen letzten gemeinsamen Versuch einer Zusammenarbeit zu Behandlungszwecken hätten therapeutische Einzelgespräche bei einem Psychologen dargestellt, die ab Januar 2008 im Rhythmus von vierzehn Tagen stattgefunden hätten. Auch hierbei habe sich keine Behandlungsperspektive ergeben. Der Kläger habe nach wie vor keinen Ansatz gezeigt, seine Straftat ernsthaft in Frage zu stellen. Es sei - so die abschließende Feststellung in dem Bericht - keinerlei Entwicklung sichtbar.

Die vorstehend wiedergegebene Einschätzung, die sich an durchgehend negative Beurteilungen des Verhaltens und der Persönlichkeit des Klägers während des gesamten Haftverlaufs in der Vollzugsplandokumentation anschließt, hat der Kläger weder in Abrede gestellt, noch sich hierzu in irgendeiner Weise geäußert. Aus Sicht des Senats ist damit zweifelsfrei belegt, dass der Kläger ungeachtet ihm insoweit zuteil gewordener psychologischer Unterstützung zu einer kritischen Aufarbeitung des Tatgeschehens, das seiner Verurteilung aufgrund der Begehung schwerwiegender Kriminalität im engsten Familiekreis zu Lasten eines ihm anvertrauten minderjährigen Kindes zugrunde lag, jedenfalls bislang außerstande ist. Auch fehlt es ihm ganz offensichtlich nach wie vor an jeglicher Einsicht hinsichtlich der Schwere des von ihm begangenen Unrechts. Zudem wird aus dem Abschlussbericht deutlich, dass sich hinsichtlich des außerordentlich negativen Befunds, der sich bei Aufnahme des Klägers in der Sozialtherapeutischen Anstalt ergeben hat - namentlich der Kennzeichnung seiner Persönlichkeitsstruktur durch fehlende Empathie, Selbstverherrlichung, Selbstüberschätzung, Bindungslosigkeit sowie seines durch Kontroll- und Dominanzwünsche und Skrupellosigkeit geprägten Verhaltens innerhalb des familiären Rahmens - während des (weiteren) Haftverlaufs offenbar keinerlei Veränderung eingestellt hat. Wie das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil unter Verweis auf Feststellungen, die in einer bereits zuvor für den Kläger erstellten Sozialprognose der Sozialtherapeutischen Anstalt vom 23. August 2007 enthalten sind, zutreffend herausgearbeitet hat, steht dem gegenüber, dass die Familienangehörigen des Klägers ganz offensichtlich nicht - oder jedenfalls nur äußerst eingeschränkt - in der Lage sind, seinen als kritisch zu beurteilenden Verhaltensweisen im häuslichen Umfeld angemessen zu begegnen und diesen - soweit erforderlich - Widerstand entgegenzusetzen. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch dem Senat als bedenklich, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung und Rückkehr in den häuslichen Familienverband letztlich eine Situation vorfände, die seinen früheren familiären Verhältnissen zumindest ähnelt und die ein ungehemmtes Ausleben der Merkmale seiner Persönlichkeit, die aus Sicht der Familienangehörigen als negativ zu bewerten sind, durchaus begünstigen könnte.

Bei Berücksichtigung all dessen sprechen keine hinreichend gewichtigen Gesichtspunkte für die Annahme, dass es sich vorliegend um eine (im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts "andere") Fallkonstellation handeln könnte, bei der es angesichts des besonderen Gewichts der in Frage stehenden schutzwürdigen Belange des Betroffenen einer Ermessensentscheidung über die Ausweisung bedarf, um diesen zu einer - auch gemessen an Art. 6 GG und Art. 8 EMRK - ausreichenden Berücksichtigung zu verhelfen.

Das Vorliegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vermag der Senat auch aus dem Verweis des Klägers darauf nicht abzuleiten, dass das angegriffene Urteil einer rechtlichen Überprüfung auch unabhängig von der oben erörterten Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - d. h. bei Anwendung des bislang in einschlägigen Fallkonstellationen anerkannten Prüfungsmaßstabs - nicht Stand halten könne. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers - vgl. dazu Seiten 7 f. der Antragsbegründung - rechtfertigt diese Einschätzung nicht.

Der Kläger beruft sich insoweit darauf, er habe zwischen seinem als Selbststeller erfolgten Haftantritt und der Begehung der letzten abgeurteilten Straftat über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren in Freiheit gelebt, ohne dass er während des betreffenden Zeitraums durch die Begehung von Sexualdelikten aufgefallen sei. Dies - so der Kläger - gebe seinem Fall ein außerordentliches Gepräge, das das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidungsfindung völlig aus den Augen verloren habe und das die Annahme eines Regelfalles im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG von vornherein ausschließe.

Dieser Einwand vermag den Senat nicht zu überzeugen. Es mag zwar sein, dass es dem Kläger nach der letzten Tatbegehung bis zu seinem Haftantritt gelungen ist, sich über einen längerfristigen Zeitraum straffrei zu halten. Dass (allein) dieser Umstand den Fall in ein besonderes Licht rückt und dadurch die ausführlich begründete Annahme des Verwaltungsgerichts in Frage gestellt wäre, wonach es vorliegend beim Eintritt der gesetzlichen Regelfolge nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG verbleibe, kann jedoch nicht festgestellt werden. Hiergegen sprechen nicht nur die insgesamt überzeugenden Erwägungen, die sich in diesem Zusammenhang in dem angefochtenen Bescheid und im angegriffenen Urteil wiederfinden, sondern auch die für den Kläger negativen Schlussfolgerungen, die aus dem vorstehend bereits in anderem Zusammenhang erörterten Abschlussbericht der Sozialtherapeutischen Anstalt der JVA Kassel II vom 13. Mai 2008 abzuleiten sind.

Die Zulassung des Rechtsmittels kommt ferner nicht aufgrund der mit den Ausführungen auf Seite 6, 2. Absatz der Antragsbegründung gerügten Divergenz (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 23. Oktober 2007, a.a.O., in Betracht.

Eine rechtserhebliche Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne der vorgenannten Bestimmung liegt nur dann vor, wenn die erstinstanzliche Entscheidung erkennbar auf Rechtssätzen beruht, die mit entsprechenden, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssätzen unvereinbar sind, oder die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung rechtserheblicher Tatsachen mit entsprechenden grundsätzlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch steht (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 12. Februar 2007 - 9 UZ 60/07 -). Allerdings stellt nicht jede Nichtbeachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung - unterstellt, dieser Vorwurf wäre im konkreten Fall berechtigt - eine die Durchführung des Berufungsverfahrens erforderlich machende - weil die Rechtseinheit gefährdende - Divergenz dar. Vielmehr ist es auch denkbar, dass ein Gericht die höchstrichterliche Rechtsprechung im Einzelfall schlicht nicht beachtet oder unrichtig anwendet, ohne deshalb ein abweichenden Rechtsgrundsatz aufzustellen oder aufstellen zu wollen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 16. April 2007 - 9 UZ 3089/06 -).

Unter Beachtung dieser Grundsätze erweist sich die Divergenzrüge nicht als durchgreifend.

Mit den hier in Rede stehenden Ausführungen in der Antragsbegründung beanstandet der Kläger - wie auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - die unzureichende Befassung des erstinstanzlichen Gerichts mit den Vorgaben, die sich nach seiner Einschätzung in seinem Fall aus der vom Bundesverwaltungsgericht in Ausweisungssachen vollzogenen Rechtsprechungsänderung ergeben. Der insoweit erhobene Vorwurf - unterstellt, er wäre im vorliegenden Fall berechtigt - kann aber deshalb nicht zur Zulassung der Berufung aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Divergenz führen, weil er den Bereich fehlerhafter Rechtsanwendung im Einzelfall betrifft. Schon aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Klägers wird deutlich, dass er die Begründetheit seiner Divergenzrüge letztlich aus dem Vorwurf abzuleiten sucht, das erstinstanzliche Gericht habe bei seiner Entscheidungsfindung die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgegebenen Maßstäbe nicht beachtet oder aber unrichtig interpretiert. Darüber hinaus wird dieses Ergebnis durch die Erwägungen des erstinstanzlichen Gerichts bestätigt, die sich in dem hier in Frage stehenden Zusammenhang im angegriffenen Urteil wiederfinden. In dem betreffenden Textabschnitt hat das Verwaltungsgericht die vom Kläger herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nämlich ausdrücklich benannt und hierzu unter näherer Erläuterung ausgeführt, die angefochtene Ausweisungsverfügung erweise sich auch in Ansehung dieser Rechtsprechung als rechtmäßig. Damit hat das Verwaltungsgericht eindeutig zum Ausdruck gebracht, dem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (neu) vorgegebenen Beurteilungsmaßstab bei seiner Entscheidungsfindung folgen - nicht jedoch hiervon abweichen - zu wollen.

Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG und folgt der Streitwertfestsetzung erster Instanz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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