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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 9 A 452/08
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG


Vorschriften:

AsylVfG § 30 Abs. 3
AufenthG § 10 Abs. 3 S. 2
AufenthG § 10 Abs. 3 S. 3
AufenthG § 104a
Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG darf in Fällen, in denen ein Asylantrag des Antragstellers zuvor als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde (§ 30 Abs. 3 AsylVfG), vor der Ausreise nicht erteilt werden (§ 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG greift insoweit nicht ein, weil § 104a AufenthG keinen "Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vermittelt.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

9 A 452/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Seggelke, Richterin am VG Kassel Bohn (abgeordnete Richterin)

am 27. Mai 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Januar 2008 - 1 E 3668/07 (2) - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1963 geborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie reiste im Jahre 2001 zusammen mit ihrem Ehemann und zwei Kindern nach Deutschland ein. Ihr Asylantrag wurde gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Sie ist im Besitz einer mehrfach verlängerten Duldung, über einen gültigen Reisepass verfügt sie nicht.

Einen Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG lehnte der Beklagte im Oktober 2007 ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG scheitere, da der Asylantrag der Klägerin gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt worden sei. Im Übrigen sei auch die Ausschlussklausel des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG einschlägig, weil die Klägerin behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert habe. Sie habe nämlich in keiner Weise an der Beschaffung von Reisepässen für sich und ihre Kinder mitgewirkt. Trotz vielfacher Aufforderung habe sie vielmehr jegliche Mitwirkung verweigert.

Auf Klage der Klägerin verpflichtete das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 23. Januar 2008 den Beklagten, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG zu erteilen. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, der Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis stehe § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht entgegen. Dahingestellt ließ das Gericht dabei die Frage, ob § 104a AufenthG einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vermittle mit der Folge, dass der vorgenannte Ausschlussgrund gemäß Satz 3 dieser Regelung nicht eingreife, oder ob es sich bei der "Soll-Regelung" des § 104a AufenthG nur um eine Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung eines Aufenthaltstitels im Rahmen gebundenen Ermessens handle. Lege man die letztere Annahme zugrunde, müsse man zu dem Ergebnis kommen, dass die gesamte Regelung des § 10 Abs. 3 AufenthG nur auf Aufenthaltstitel nach dem 2. Kapitel des Aufenthaltsgesetzes anwendbar sei und damit nicht auf § 104a AufenthG, der im 10. Kapitel stehe. Dies führt das Verwaltungsgericht sodann mit näherer Begründung aus. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG stehe auch nicht der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG entgegen. Komme ein Ausländer seinen Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung erforderlicher Reisepapiere nicht nach und sei dies ursächlich dafür, dass sein Aufenthalt in Deutschland nicht beendet werden könne, so liege damit zwar ein Hinauszögern bzw. eine Behinderung behördlicher Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne der genannten Vorschrift vor. Ein Ausländer sei auch verpflichtet, an der Beschaffung von Identitätspapieren mitzuwirken, wenn er keinen gültigen Pass oder Passersatz besitze. Insbesondere habe er die Pflicht, insoweit die von der zuständigen Auslandsvertretung geforderten Erklärungen abzugeben. Dies gelte jedoch - so das Verwaltungsgericht - nur für Erklärungen, die im Einklang mit dem deutschen Recht stünden. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass die iranischen Auslandsvertretungen im Zusammenhang mit der Ausstellung oder Verlängerung von Reisepässen oder Einreisedokumenten eine Erklärung des Betroffenen verlangten, wonach er freiwillig in den Iran zurückkehren wolle. Eine derartige Erklärung könne von der Klägerin aber nicht verlangt werden. Unstreitig wolle sie nämlich nicht in den Iran zurückkehren, sondern sei offensichtlich gewillt, alles zu unternehmen, um eine solche Rückkehr zu vermeiden. Sie sei fest entschlossen, an der Beschaffung von Reisedokumenten nicht mitzuwirken, um ihre Abschiebung in den Iran zu verhindern. Unter diesen Umständen würde sie, wenn sie ihre Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr erklären würde, die Unwahrheit sagen, also lügen. Die staatliche Forderung, eine lügenhafte Erklärung abzugeben, oder die Anwendung staatlicher Druckmittel, um einen Ausländer zu einer lügenhaften Erklärung zu bewegen, sowie die Benachteiligung beim Zugang zu Aufenthaltstiteln für diejenigen, die sich weigerten, eine lügenhafte Erklärung abzugeben, stelle einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG dar. Die gesetzlichen Vorschriften über die Mitwirkung des Ausländers bei der Beschaffung von Pässen und Einreisedokumenten begründeten keine Verpflichtung zur Abgabe unwahrer Erklärungen. Andernfalls wären diese Vorschriften aus rechtsstaatlichen Gründen verfassungswidrig. Zweifellos sei dieses Ergebnis - so das Verwaltungsgericht - nicht befriedigend. Es habe zur Folge, dass die weitere Anwesenheit iranischer Staatsbürger in Deutschland hingenommen werden müsse, die über kein Bleiberecht verfügten und ausreisepflichtig seien. Dies beeinträchtige die staatliche Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, doch sei dieser Missstand allein dem Umstand geschuldet, dass sich der Iran nicht an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen halte, seine Staatsbürger zurückzunehmen, ohne dies von einer Freiwilligkeitserklärung abhängig zu machen. Die Beseitigung dieser Verletzung des Völkerrechts sei aber nicht Sache der iranischen Staatsbürger, sondern Sache des iranischen Staates. Die Bundesrepublik Deutschland sei gehalten, dies gegebenenfalls auf diplomatischem Wege durchzusetzen. Nicht jedoch dürfe sie iranische Staatsbürger zum Lügen nötigen.

Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung gegen dieses Urteil macht der Beklagte geltend, der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 104a AufenthG stehe § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen. Der Asylantrag der Klägerin sei nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt worden. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG greife nicht zu ihren Gunsten ein, da § 104a AufenthG als "Sollnorm" ausgestaltet sei und daher keinen Anspruch im Sinne dieser Vorschrift vermittle. Im Übrigen liege auch der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG vor. Die Klägerin habe sich nicht um die Beschaffung von Einreisedokumenten bemüht, bei jeder Vorsprache bei der Ausländerbehörde habe sie das Ausfüllen von Anträgen verweigert. Auch habe sie sich zu keinem Zeitpunkt bemüht, selbst bei ihrer Heimatvertretung vorzusprechen, da sie sich weigere, eine Freiwilligkeitserklärung abzugeben. Die Abgabe einer solchen Erklärung sei aber entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht unzumutbar. Jeder zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland verpflichtete Ausländer müsse alle möglichen Maßnahmen unternehmen und auch dulden, die von seiner Heimatvertretung für die Ausstellung eines Heimreisedokuments gefordert würden. Wenn dem nicht so wäre, könnte eine Aufenthaltsbeendigung nie erreicht werden, da eine freiwillige Ausreise in einer Vielzahl von Fällen ausreisepflichtiger Personen nicht gewollt sei. Die Forderung, eine lügenhafte Erklärung abzugeben, oder die Anwendung staatlicher Druckmittel, um einen Ausländer zu einer solchen Erklärung zu bewegen, stelle keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, da die Abgabe einer solchen Erklärung dem Zweck diene, einer rechtlichen Verpflichtung zur Ausreise nachzukommen. Im Übrigen forderten die iranischen Auslandsvertretungen eine "Freiwilligkeitserklärung" nicht, wenn sich der Ausländer um die Ausstellung eines Passes bemühe. Eine solche Erklärung werde den verschiedenen Stellungnahmen zufolge lediglich bei der Ausstellung eines "Laissez-Passer" verlangt.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Januar 2008 aufzuheben und die Klage der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104a AufenthG abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Diese Entscheidung kann der Senat nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung treffen, da er das Rechtsmittel des Beklagten einstimmig für begründet hält (§ 130a VwGO).

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 104a Abs. 1 AufenthG zu erteilen.

Dahingestellt bleiben kann insoweit, ob einer solchen Erteilung der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG entgegensteht.

Danach ist ein Ausländer von der Vergünstigung des § 104a Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen, wenn er (u.a.) behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat.

Das Verwaltungsgericht hält der ausreisepflichtigen, aber unstreitig nicht ausreisewilligen Klägerin, die sich weigert, die - nach den Feststellungen des Gerichts - von der iranischen Auslandsvertretung geforderte Freiwilligkeitserklärung abzugeben und die deshalb - so das Gericht - keine Reisepapiere erhält, unter Bemühung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG zugute, dass sie nach deutschem Recht nicht gezwungen werden dürfe, eine unwahre Erklärung abzugeben, also zu lügen. Der Senat beschränkt sich insoweit auf die Anmerkung (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 28. Januar 2005 - 9 UZ 1412/04 - unter Hinweis auf OVG Niedersachsen, Urteil vom 11. Dezember 2002 - 4 LB 471/02 - [NVwZ-Beil. 2003, 54], zur Problematik auch VG Gießen, Beschluss vom 28. März 2008 - 6 L 159/08.GI -, mit weiteren Nachweisen), dass die Ausführungen des Gerichts erster Instanz jedenfalls nicht zweifelsfrei hervortreten lassen, dass das geltende Ausländerrecht einen Ausländer unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG zwänge, eine unwahre Erklärung abzugeben. Es knüpft lediglich an die von einem Ausländer getroffene Entscheidung, trotz bestehender Ausreisepflicht nicht ausreisen und dies auch nach außen deutlich bekunden zu wollen, bestimmte rechtliche Konsequenzen, vorliegend also die Rechtsfolge, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG nicht in Betracht kommt, wenn und soweit durch die bewusste und gewollte Entscheidung des Ausländers die Beendigung seines Aufenthalts hinausgezögert oder behindert wird. Diese Rechtslage mit dem Gericht erster Instanz als einen schwerwiegenden Eingriff in das grundrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht zu bewerten, erscheint dem Senat zumindest fraglich.

Die hiermit zusammenhängende Problematik bedarf vorliegend keiner vertieften Erörterung, weil der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin jedenfalls der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegensteht.

Nach dieser Vorschrift darf in den Fällen, in denen der Asylantrag eines Ausländers - wie im Falle der Klägerin - nach § 30 Abs. 3 AsylVfG (als offensichtlich unbegründet) abgelehnt wurde, vor der Ausreise des Ausländers kein Aufenthaltstitel erteilt werden.

Zwar findet diese Regelung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG "im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung". Diese Ausnahme vom gesetzlichen Ausschlussgrund des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist im Hinblick auf den in § 104a AufenthG normierten Aufenthaltstitel indes nicht einschlägig, denn diese Vorschrift, nach der beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden "soll", vermittelt keinen "Anspruch" im vorgenannten Sinne.

Allerdings hat auch der vorliegend erkennende Senat in früheren Entscheidungen, die sich auf das Verhältnis von § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zur "Soll-Regelung" des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bezogen, die Auffassung vertreten, dass Rechtsvorschriften, nach denen die zuständige Behörde eine bestimmte begünstigende Maßnahmen vornehmen "soll", im Regelfall im Sinne eines zwingenden Gesetzesbefehls aufzufassen seien. Nur bei Vorliegen von Umständen, die einen konkreten Fall als atypisch erscheinen ließen, dürfe die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Im Regelfall bedeute das "Soll" aber ein "Muss". Der nach § 25 Abs. 3 AufenthG bestehende "Soll-Anspruch" unterscheide sich - so der Senat - von einem strikten Rechtsanspruch mithin lediglich dadurch, dass die Ausländerbehörde zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ausnahmsweise dann nicht verpflichtet sei, wenn eine im Gesetz nicht vorgesehene atypische Interessenlage derart vorliege, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis als vom Zweck der gesetzlichen Regelung nicht erfasst erscheine. Der Senat hat auf der Grundlage dieser damaligen Einschätzung einer auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gerichteten Klage stattgegeben, obgleich der Asylantrag des damaligen Klägers zuvor nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war. Die auf diese Asylentscheidung bezogene Ausschlussregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG greife - so der Senat - nicht ein, weil dem betroffenen Ausländer aus § 25 Abs. 3 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels zur Seite stehe (Urteil vom 1. September 2006 - 9 UE 1650/06 -; vgl. ferner Senatsbeschluss vom 10. Juli 2006 - 9 UZ 831/06 -; in diesem Sinne auch Discher in GK-AuslR, § 10 AufenthG, Rdnr. 61; noch weitergehend Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, § 10 AufenthG Rdnr. 16, und Dienelt, ZAR 2005, 120: "Anspruch" im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auch bei Ermessensnormen in Fällen der Reduzierung des Ermessens auf "Null").

Unbeschadet der vom Senat weiterhin für zutreffend gehaltenen Charakterisierung gesetzlicher "Soll-Vorschriften" als im Grundsatz zwingende Regelungen, wie sie in der zuvor dargestellten Rechtsprechung zum Ausdruck kommt, hält der Senat an seiner damals aus dieser Charakterisierung gezogenen Schlussfolgerung, wonach derartige Soll-Vorschriften einen "Anspruch" im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vermitteln, unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage, wie sie durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geschaffen wurde, nicht fest. Vielmehr ist nach nunmehr geltender Rechtslage davon auszugehen, dass der in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG enthaltene Begriff des "Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" gleichbedeutend ist mit dem in § 10 Abs. 1 AufenthG genannten Begriff des "gesetzlichen Anspruchs".

Nach § 10 Abs. 1 AufenthG kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel "außer in den Fällen des gesetzlichen Anspruchs" nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern. In Rechtsprechung und Schrifttum ist überwiegend anerkannt, dass es sich bei diesem "gesetzlichen Anspruch" um die zwingende Rechtsfolge handelt, wie sie idealtypisch in die Form einer "Muss-Vorschrift" gekleidet ist und aus der sich unmittelbar die Verpflichtung der Behörde zum Erlass der begünstigenden Maßnahme ergibt. Eine "Soll-Regelung" oder gar eine bloße Ermessensvorschriften - im Falle einer Ermessensreduzierung "auf Null" - vermögen einen derartigen "gesetzlichen Anspruch" nicht zu begründen (ebenso Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 16; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 10 AufenthG, Rdnr. 10).

Ausgehend von dieser Einschätzung belässt es der Senat vorliegend bei der Feststellung, dass es ihm nach erneuter Befassung mit dieser Problematik zweifelhaft erscheint, ob der Gesetzgeber mit der in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG gewählten Formulierung ("Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels"), also durch den Verzicht auf den in § 10 Abs. 1 AufenthG gewählten Begriffsbestandteil "gesetzlich", eine bewusste Differenzierung im Sinne unterschiedlicher Bedeutungsinhalte der gewählten Anspruchsbegriffe zum Ausdruck bringen wollte. Als zumindest ebenso vertretbar erscheint die Annahme, dass das Gesetz insoweit sprachlich ungenau formuliert ist, der Sache nach aber dasselbe meint, wenn es an einer Stelle von einem "Anspruch" spricht, an anderer Stelle dagegen von einem "gesetzlichen Anspruch" (im Ergebnis ebenso Discher, a.a.O., Rdnr. 171 ff., Renner, a.a.O.) Zumindest sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Aufenthaltsgesetz "sehr deutlich" zwischen den Begriffen "Anspruch" und "gesetzlichem Anspruch" differenziere (so aber Dienelt, a.a.O., 123).

Jedenfalls kann eine solchermaßen differenzierende Rechtsauffassung, die auf unterschiedliche Bedeutungsinhalte der in § 10 Abs. 1 AufenthG einerseits und in § 10 Abs. 3 AufenthG andererseits verwendeten Anspruchsbegriffe abstellt, nicht mehr überzeugend vertreten werden, seitdem der Gesetzgeber die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG durch das oben genannte Änderungsgesetz vom 19. August 2007 um einen Halbsatz ergänzt hat.

Darin ist nunmehr geregelt, dass der die Erteilung eines Aufenthaltstitels (im Falle der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet) ausschließende Satz 2 des § 10 Abs. 3 AufenthG "ferner" nicht anzuwenden sei, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erfüllt. Das Gesetz ordnet damit - zusammengefasst - an, dass die Ausschlussregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sowohl im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als auch beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG keine Anwendung finden darf. Wenn der Gesetzgeber es aber für erforderlich hielt, trotz (und in Ergänzung) der Regelung des bisherigen § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ausdrücklich anzuordnen, dass die Ausschlussregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG nicht eingreife, so lässt dies nur den Schluss zu, dass er dieser Sollvorschrift gerade nicht die Qualität einer einen Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz, AufenthG begründende Norm beimisst. Andernfalls hätte er es bei § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG in seiner bisherigen Fassung belassen können und nicht die Notwendigkeit gesehen, dessen Rechtsfolge - Nichtanwendbarkeit des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG - ausdrücklich (auch) für Fälle anzuordnen, in denen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG erfüllt sind. Dieser Wille des Gesetzgebers kommt im Wortlaut und in der Systematik des Gesetzes deutlich zum Ausdruck und ist einer Interpretation des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG daher zu Grunde zu legen. Dies gilt umso mehr, als auch nicht etwa angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe mit Einfügung des zweiten Halbsatzes des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG lediglich klarstellend noch einmal etwas bekräftigen wollen, was ohnehin schon in dem auf das Vorliegen eines Anspruchs abstellenden ersten Halbsatz geregelt ist. Eine solche Erwägung erweist sich schon deshalb als fernliegend, weil auf ihrer Grundlage nicht nachvollziehbar wäre, warum er eine derartige Klarstellung nur in Ansehung der Vorschrift des § 25 Abs. 3 AufenthG für erforderlich gehalten haben könnte, nicht aber - beispielsweise - in Ansehung des § 104a AufenthG.

Wenn das Gesetz somit in seiner jetzigen Fassung ausdrücklich normiert, dass sich ein Ausländer, der den Ausschlusstatbestand des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erfüllt, dennoch auf die Sollvorschrift des § 25 Abs. 3 AufenthG berufen kann, so verdeutlicht dies, dass anderen Sollregelungen, also etwa § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG, der Ausschlusstatbestand des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zwingend entgegensteht. Dies kann nach dem ausdrücklich für § 25 Abs. 3 AufenthG getroffenen abweichenden Gesetzesbefehl nicht mehr durch den Hinweis darauf "unterlaufen" werden, diese sonstigen Sollregelungen seien zwar - anders als § 25 Abs. 3 AufenthG - nicht ausdrücklich in § 10 Abs. 3 AufenthG erwähnt, würden aber dennoch in gleicher Weise nicht durch den Ausschlussgrund des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verdrängt, weil sie aufgrund ihres Charakters als Sollvorschriften jedenfalls einen "Anspruch" begründeten und daher, wenn auch nicht unter § 10 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz, so doch jedenfalls unter § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz, AufenthG fielen. Eine solche Schlussfolgerung würde dem Gesetz in seiner heutigen Fassung eindeutig zuwiderlaufen (im Ergebnis ebenso OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. September 2007 - 2 L 173/06 -, juris).

Für die Sollvorschrift des § 104a Abs. 1 AufenthG bedeutet dies, dass auch sie nicht (mehr) als eine Norm angesehen werden kann, die einen "Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz, begründet.

Einem Ausländer, der somit - wie die Klägerin - den Ausschlusstatbestand des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erfüllt, darf daher vor seiner Ausreise auch nicht der Aufenthaltstitel nach § 104a Abs. 1 AufenthG erteilt werden. Er kann sich nicht mit Erfolg auf § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz, AufenthG berufen.

Der Richtigkeit dieses Ergebnisses kann auch nicht - so allerdings das Verwaltungsgericht im vorliegend angegriffenen Urteil - entgegengehalten werden, dass die Angleichung des in § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz, AufenthG genannten Begriffs des "Anspruchs" an den "gesetzlichen Anspruch" im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG zu dem unzumutbaren Ergebnis führen würde, dass auch diejenigen Ausländer, deren Asylantrag "einfach" - also ohne Offensichtlichkeitsurteil - abgelehnt wurde, keinen Aufenthaltstitel nach § 104a Abs. 1 AufenthG erlangen könnten. Das Verwaltungsgericht leitet diese von ihm als misslich empfundene Konsequenz aus dem Umstand her, dass einem Ausländer, dessen Asylantrag (ohne Offensichtlichkeitsurteil) unanfechtbar abgelehnt wurde oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor seiner Ausreise eine Aufenthaltserlaubnis nur nach Maßgabe des (Kapitels 2) Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden darf (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG); § 104a AufenthG stehe aber - so das Verwaltungsgericht - im 10. Kapitel des Gesetzes. Dies führe - so das Gericht - zu dem unvertretbaren Ergebnis, dass eine große Ausländergruppe von der eigentlich für sie gedachten Vergünstigung des § 104a AufenthG ausgeschlossen wäre.

Der Senat teilt diese Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht. Sie beruht nämlich auf der unzutreffenden Annahme, dass der Aufenthaltstitel nach § 104a AufenthG kein solcher nach Maßgabe des Abschnitts 5 des 2. Kapitels des Aufenthaltsgesetzes sei. Insoweit wird aber die Regelung in § 104a Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG übersehen, wonach die Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 104a Abs. 1 AufenthG entweder nach dem im 5. Abschnitt des 2. Kapitels stehenden § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt wird oder "im Übrigen" als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Gesetzes gilt. Der Aufenthaltstitel des § 104a AufenthG ist daher - im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG - ein solcher "nach Maßgabe des Abschnitts 5" (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 -, DVBl. 2008, 108 = NVwZ 2008, 333 = InfAuslR 2008, 71; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 10. Januar 2008 - 18 E 359/07 - und vom 21. Januar 2008 - 18 B 1864/07 -, jeweils juris; Funke-Kaiser in GK AufenthG, § 104a AufenthG, Rdnr. 72). Damit kann aber ein Ausländer, der der Ausschlussregelung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG unterfällt, eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104a Abs. 1 AufenthG erhalten. Die vom Senat vorliegend vertretene Auffassung, § 104a AufenthG begründe keinen Anspruch im Sinne eines "gesetzlichen Anspruchs", führt also nicht zu der vom Verwaltungsgericht als misslich empfundenen Konsequenz, dass die unter § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG fallende Ausländergruppe von der Vergünstigung des § 104a AufenthG ausgeschlossen wäre.

Da der Klägerin somit im Hinblick auf die Ablehnung ihres Asylantrags als offensichtlich unbegründet vor einer Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf (§ 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) und § 104a AufenthG ihr keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vermittelt (§ 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG), muss die auf die Rechtsgrundlage des § 104a AufenthG gestützte Verpflichtungsklage der Klägerin somit erfolglos bleiben.

Die Klägerin hat nach § 154 Abs. 1 VwGO als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ab. Er misst der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung bei. Der Frage, ob die "Soll-Vorschrift" des § 104a AufenthG einen "Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz, AufenthG vermittelt, kommt eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht zu, weil der Gesetzgeber durch Einfügung des auf § 25 Abs. 3 AufenthG bezogenen zweiten Halbsatzes des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG die Rechtslage nach Einschätzung des Senats zweifelsfrei klargestellt hat.

Ende der Entscheidung

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