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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 21.03.2005
Aktenzeichen: 9 N 1630/01
Rechtsgebiete: BImSchG, BauGB


Vorschriften:

BImSchG § 41
BauGB § 8 Abs. 2 S. 1
1. Die Festsetzung eines örtlichen Hauptverkehrszuges im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB - hier einer Verbindungsstraße zum überörtlichen Verkehr - im Bebauungsplan auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Wohnbaufläche stellt jedenfalls dann eine Verletzung des Entwicklungsgebotes des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB dar, wenn der Flächennutzungsplan gerade an anderer Stelle eine Fläche für örtliche Hauptverkehrszüge vorsieht.

2. Es verstößt gegen § 41 BImSchG, wenn eine im Bebauungsplan festgesetzte Straßentrasse zu Verkehrslärm führt, der die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung überschreitet, und sich die Gemeinde im Bebauungsplan darauf beschränkt, Lärmschutzmaßnahmen, die von weiteren Untersuchungen und Planungen abhängig sein sollen, in Aussicht zu stellen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

9. Senat

9 N 1630/01

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Baurechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Dr. Fischer als Vorsitzenden, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richter am Hess. VGH Heuser, Richter am Hess. VGH Schönstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Jürgens

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2005 für Recht erkannt: Tenor:

Der Bebauungsplan Nr. D-01/01 - 'Molkeswiese' der Gemeinde Egelsbach wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den am 24. Juni 1999 von der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. D-01/01- 'Molkeswiese' mit integriertem Landschaftsplan.

Die Antragstellerin ist Miteigentümerin des Grundstücks A-Straße, das im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans liegt. Im Westen des Grundstücks der Antragstellerin verläuft in unmittelbarer Nähe die Bahnlinie Darmstadt-Frankfurt. Im Südwesten liegt in einer Entfernung von etwa 1 km der Verkehrslandeplatz Egelsbach.

Im Regionalen Raumordnungsplan Südhessen (1995) ist die gesamte, durch den angegriffenen Bebauungsplan beplante Fläche als "Siedlungsfläche-Bestand" ausgewiesen. Ein Bereich südlich der Verlängerung der Thüringer Straße ist im Regionalen Raumordnungsplan Südhessen als Gebiet, in dem aus Lärmschutzgründen eine Bebauung im Sinne einer Besiedlung nicht stattfindet, dargestellt. Die Grenze des Gebiets folgt dabei der 62 dB(A) Isophone (vgl. StAnz 1995, S. 1877, 1898, 1934).

Der Flächennutzungsplan des Umlandverbandes Frankfurt für den Bereich der Gemeinde Egelsbach wurde parallel zur Aufstellung des Bebauungsplans 'Molkeswiese' geändert (vgl. Genehmigungsbekanntmachung vom 22. April 1992, StAnz 1992, S. 1111). Für das im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans liegende Gebiet wurden die zuvor dargestellten gemischten Bauflächen nunmehr als Wohnbauflächen dargestellt. Unberührt blieb die Darstellung im Flächennutzungsplan, wonach ein verkehrlicher Anschluss der nördlich des Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans gelegenen Gebiete an das überörtliche Verkehrsnetz (Umgehungsstraße K 168) über eine die Bahnlinie Darmstadt-Frankfurt querende Trasse im Norden erfolgt. Mit dieser Darstellung des Flächennutzungsplans übereinstimmend führte die generelle Verkehrsuntersuchung der Gemeinde Egelsbach vom 28. November 1979 auf Seite 41 aus: "Das geplante Baugebiet nördlich der Kerngemeinde zwischen der Bundesbahnstrecke und der B 3 wird über eine nördliche Sammelstraße, die in die K 168 und in die B 3 münden soll, erschlossen. Dadurch werden die Straßen des alten Ortskerns nicht zusätzlich mit Ziel- und Quellverkehr belastet".

Am 27. Juni 1985 beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin erstmalig die Aufstellung des Bebauungsplans 'Molkeswiese'. Am 2. November 1989 hob sie den Aufstellungsbeschluss vom 27. Juni 1985 auf und beschloss einen neuen Aufstellungsbeschluss zu fassen, der u. a. die Grundstücke Flur 11 Nr. 14/1 (teilweise), Nr. 14/2 - die unmittelbar vor dem Grundstück der Antragstellerin gelegene Parzelle - sowie Nr. 79 in den Geltungsbereich des Bebauungsplans 'Molkeswiese' einbezieht. Die frühzeitige Bürgerbeteiligung erfolgte im April 1991 und im Juni 1994. Nach öffentlicher Bekanntmachung vom 20. Oktober 1995 wurde der Entwurf des Bebauungsplans 'Molkeswiese' nebst Begründung vom 30. Oktober 1995 bis zum 1. Dezember 1995 öffentlich ausgelegt (sog. förmliche Bürgerbeteiligung). Am 9. Mai 1996 erging ein Satzungsbeschluss, der von der Gemeindevertretung mit Beschluss vom 16. Dezember 1998 im Hinblick auf beabsichtigte Planänderungen, die den rückwärtigen Bereich der Grundstücke A-Straße 1 bis 7 betrafen, wiederum aufgehoben wurde. Zugleich mit dieser Aufhebung beschloss die Gemeindevertretung, den in Teilbereichen geänderten Planentwurf erneut offen zu legen und bestimmte, dass Anregungen nur zu den geänderten Teilen vorgebracht werden könnten. Die erneute Offenlegung im Zeitraum vom 18. Januar 1999 bis zum 22. Februar 1999 wurde am 8. Januar 1999 bekannt gemacht. Die beteiligten Träger öffentlicher Belange wurden über die Offenlegung unterrichtet. Am 24. Juni 1999 beschloss die Gemeindevertretung den Bebauungsplan erneut als Satzung. Den Satzungsbeschluss machte die Antragsgegnerin am 20. August 1999 bekannt.

Die von der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin gleichfalls am 24. Juni 1999 beschlossene Planbegründung - Stand: März 1995, Überarbeitung: Mai 1998 - führt für den angegriffenen Bebauungsplan unter dem mit "Problemaufriss und Planungsziel" bezeichneten Abschnitt aus:

"Dem Geltungsbereich kommt durch das zukünftige Neubaugebiet "Im Brühl" im Norden der Gemeinde - durch Regionalplanung und Flächennutzungsplanung abgesichert -, der im Zuge des S-Bahn-Baues bereits vorgenommenen Schließung des Bahnüberganges an der Bahnstraße für Kraftfahrzeuge und der K 168 neu im Süden, für die verkehrliche Erschließung Egelsbach ein hoher Stellenwert zu.

Ausgelöst durch die Beseitigung des Bahnüberganges P 15/K 168 alt/Bahnstraße mit dem Bau der Umgehungsstraße K 168 (neu) und der Anbindung der Schillerstraße an das vorhandene Straßennetz, müssen der S-Bahn-Haltepunkt sowie die nördlich liegenden vorhandenen und zukünftigen Baugebiete an die K 168 (neu) angeschlossen werden.

Eine Anbindung an das vorhandene Straßennetz ist aufgrund der vorhandenen Straßenbreiten (Schillerstraße 6,0 m einschließlich Längsparker) und der Vielzahl der Einmündungen (ca. alle 60 - 70 m) weder wünschenswert noch möglich, um die Anwohner vor erheblichen Gefährdungen und Mehrbelastungen zu schützen.

Im Rahmen von Alternativuntersuchungen wurde festgestellt, dass eine verkehrsmäßige Anbindung dieser nördlichen Bereiche nur durch den Bau einer neuen Straße parallel zur S-Bahn-Trasse von der Bahnstraße zur K 168 (neu) gelöst werden kann. Diese Möglichkeit ist hierbei durch die verlängerte Georg-Wehsarg-Straße gegeben (Nord-Süd-Spange), wobei eine Anbindung des S-Bahn-Haltepunktes an die K 168 (neu) als Verbindung zu den südlich gelegenen Baugebieten (Bayerseich) notwendig ist.

Durch die planungsrechtliche Absicherung einer entsprechenden Straße wird zudem die Voraussetzung für eine ortsumfassende Verkehrsberuhigung geschaffen.

Ein 1992 erstellter Verkehrsrahmenplan für die Gemeinde Egelsbach bestätigt erneut die Notwendigkeit der verlängerten Georg-Wehsarg-Straße, die durch den Bebauungsplan ("Molkeswiese") bauplanungsrechtlich vorbereitet werden soll.

Dabei sollte beachtet werden, dass von Fachleuten die Bündelung von Lärmquellen (hier Bahn und Straße) unter Lärmschutzgesichtspunkten immer noch günstiger beurteilt wird als eine Trennung.

Neben diesen verkehrsplanerischen Zielen bieten sich die planungsrechtliche Absicherung des Gebäudebestandes sowie die Schließung von Baulücken an.

Die geplanten Neubauten dienen als vermittelte Strukturen zwischen den verschiedenen uneinheitlichen Bauformen und zur Arrondierung des Gebietes. Um die optische Erscheinung des Gebietes ansprechend zu gestalten bzw. zu erhalten, sollten Regelungen zur gestalterischen Lenkung festgesetzt werden".

Der angegriffene Bebauungsplan überplant eine Fläche von ca. 5,7 ha. Im Satzungsbeschluss vom 24. Juni 1999 heißt es:

"Der Geltungsbereich wird begrenzt

- im Norden durch die Bahnstraße,

- im Osten durch die Taunusstraße und die Schillerstraße,

- im Süden durch die südlichen Grundstücksgrenzen der Parzellen Flur 10 Nr. 13/2 sowie 15-21, die in einem Abstand von 300 m südlich der A-Straße liegen,

- im Westen durch die Bahnlinie Darmstadt-Frankfurt.

Im Geltungsbereich liegen zudem die Parzelle Flur 12 Nr. 43, die unmittelbar südlich an den Tränkbach angrenzt bzw. in einem Abstand von 90 m nördlich des Bruchsees liegt, die Parzelle Flur 11 Nr. 72/2, die in einem Abstand von 150 m östlich des Bruchsees liegt sowie die Parzelle Flur 11 Nr. 80/1, die in einem Abstand von 330 m östlich des Bruchsee liegt."

Als Art der baulichen Nutzung setzt der Bebauungsplan für seinen Geltungsbereich mit Ausnahme der Bahnstraße ein allgemeines Wohngebiet fest, in dem Tankstellen und Gartenbaubetriebe nicht zugelassen werden. Im Bereich der Bahnstraße ist ein Mischgebiet festgesetzt. Ferner setzt der Bebauungsplan eine Verkehrsfläche fest, die eine Verbindung zwischen der Bahnstraße und der Schillerstraße durch eine Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße in Richtung Süden ermöglicht. Die Verbindungsstraße verläuft nach dem Bebauungsplan parallel zur im Westen gelegenen Bahnlinie Darmstadt-Frankfurt und führt auch am Grundstück der Antragstellerin vorbei.

Im Bebauungsplan sind unter der textlichen Festsetzung II.1.3.1 als Maßnahmen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen vorgesehen:

"Mit einer Kombination von aktiven und passiven Lärmschutzmaßnahmen wie z. B.

- Lärmschutzwand entlang der Ostseite der Georg-Wehsarg-Straße

- Lärmschutzfenster mit schallgedämmten Lüftungsöffnungen

- geschwindigkeitsregelnden Maßnahmen

sollen die zu erwartenden Lärmimmissionen der Georg-Wehsarg-Straße auf den gem. Beiblatt 1 zur DIN 18005 zulässigen Immissionsgrenzwert von 45 dB (A) (nachts) reduziert werden. Die Entscheidung, welche Maßnahmenkombination zur Anwendung kommt, ist von vertiefenden Untersuchungen und Planungen abhängig".

Nachrichtlich übernommen ist im Bebauungsplan der im Hinblick auf den Verkehrslandeplatz Egelsbach bestehende beschränkte Bauschutzbereich nach § 17 des Luftverkehrsgesetzes.

Für das nördlich vom Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans gelegene Gebiet "Im Brühl", dessen verkehrlicher Anbindung u. a. die im Bebauungsplan 'Molkeswiese' vorgesehene Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße dienen soll, erstellte das Bauamt der Antragsgegnerin die Rahmenplanung April 1990. Im Hinblick auf die verkehrliche Erschließung des Gebiets "Im Brühl" ist dort ausgeführt:

"Die Planungen des Flächennutzungsplanes sehen bezüglich der Erschließung des neuen Siedlungsgebietes eine Nordumfahrung vor, die eine Verbindungsspanne zwischen der K 168 westlich der Bahngleise und der B 3 im Osten darstellen soll. Im Erläuterungsbericht des Flächennutzungsplanes wird dargelegt, dass diese Nordumfahrung den überörtlichen Ortsdurchgangsverkehr und den Verkehr der neuen Siedlung aufnehmen soll. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass bereits mit dem geplanten Ausbau der K 168 neu der überörtliche Durchgangsverkehr aufgenommen wird. Der Bau einer Nordumfahrung am Rande der neu geplanten Siedlung hätte jedoch aus Sicht der Naherholung sowie des Natur- und Landschaftsschutzes zur Folge, dass der Außenbereich weiter angegriffen würde und für die Bürger der neuen Siedlung und des Ortskernes eine weitere Barriere bei der Wahrnehmung von Naherholungsmöglichkeiten im Außenbereich entstehen würde. In Gesprächen mit dem Umlandverband Frankfurt wurde bereits erörtert, dass die Anlage siedlungsinterner Sammelstraßen den Bau dieser Nordumfahrung am Rande des Außenbereiches im Interesse der Naherholung sowie des Natur- und Landschaftsschutzes entbehrlich machen könne. Unabhängig davon sollte die im Flächennutzungsplan vorgesehene Anbindung des nördlichen Siedlungsgebietes an die B 3, Darmstädter Landstraße, im weiteren Verfahren politisch und verkehrsplanerisch einer intensiven Abwägung unterzogen werden". (Seite 1 des Rahmenplans 1990).

Sämtliche in der Rahmenplanung des Bauamtes der Antragsgegnerin vom April 1990 dargelegten Varianten einer Verkehrserschließung des Gebietes "Im Brühl" legen sodann den "Bau der Sammelstraße an der Bahn (Georg-Wehsarg-Straße)" zugrunde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rahmenplanung "Im Brühl" Bezug genommen (Anlage AG 7 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 16. September 2004).

Im April 1992 wurde im Auftrag der Antragsgegnerin vom Planungsbüro von M. und J. ein Verkehrsrahmenplan Egelsbach erstellt. Im Hinblick auf die verkehrliche Erschließung des Gebiets "Im Brühl" geht der Verkehrsrahmenplan Egelsbach von einer vorgesehenen Ansiedlung von maximal etwa 1900 zusätzlichen Einwohnern aus. Die Anbindung des Gebiets "Im Brühl" soll nach dem Verkehrsrahmenplan "(hälftig) im Westen entlang der Bahnlinie und im Osten hinein über "In den Obergärten" und hinaus über die Langener Straße im Ein-Richtungsbetrieb" erfolgen" (S. 18). Die acht Varianten der verkehrlichen Anbindung legen gleichfalls den Bau der bahnparallelen Erschließungsstraße Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße zugrunde. Wegen der Details, namentlich der prognostizierten Verkehrsbelastungen in den jeweiligen Varianten, wird auf den Verkehrsrahmenplan Egelsbach (Anlage AG 6 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 16. September 2004) Bezug genommen.

Die von der Antragsgegnerin anlässlich der Aufstellung des angegriffenen Bebauungsplans in Auftrag gegebene schalltechnische Untersuchung des Ingenieurbüros S. vom 29. Juni 1995 für das Baugebiet 'Molkeswiese' (Anlage AG 8 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 16. September 2004) gelangte zu dem Ergebnis, dass - unabhängig davon, ob die Lärmschutzwand der Deutschen Bahn reflektierend oder (hoch-) absorbierend sei - die infolge der Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße zu erwartenden Lärmbelästigungen für die angrenzende (vorhandene und zukünftige) Wohnbebauung über den Beurteilungspegeln der Norm DIN 18005 "Schallschutz im Städtebau" von tags 55 dB (A) und nachts 45 dB (A) lägen. Die - in Anwendung der Norm DIN 18005 ermittelten - Lärmpegel wahren im Übrigen auch nicht die Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. Verordnung durch Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) für allgemeine Wohngebiete von tags 59 dB (A) und nach 49 dB (A). Die Untersuchung legt dabei die nach dem Verkehrsrahmenplan Egelsbach 1992 maximale Verkehrsbelastung der verlängerten Georg-Wehsarg-Straße von 1.020 bis 1.060 Kraftfahrzeugen in vier Stunden zugrunde (Anbindung des Neubaugebietes Brühl, Variante 2, Verkehrsrahmenplan Egelsbach, Bilder 42, 42 A). Bezüglich der Einzelheiten, namentlich der Vorschläge zur Kompensation des durch die Lärmschutzwand der Deutschen Bahn hervorgerufenen Spiegelschalls, wird auf die schalltechnische Untersuchung vom 29. Juni 1995 Bezug genommen.

Die von der Antragsgegnerin im Laufe des Normenkontrollverfahrens eingeholte schalltechnische Untersuchung der F. GmbH vom 23. Juni 2004 zum Neubau der Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße gelangte in Anwendung der nach der 16. BImSchV maßgeblichen Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen (Ausgabe 1990) zu dem Ergebnis, dass die Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV für allgemeine Wohngebiete nicht durchgängig eingehalten sind. Für das Gebäude A-Straße, das die Antragstellerin als Eigentümerin bewohnt, konstatiert die Untersuchung vom 23. Juni 2004 Grenzwertüberschreitungen sowohl für den Tag- als auch den Nachtzeitraum und sieht hier den größten Immissionskonflikt. Wegen der Einzelheiten wird auf die schalltechnische Untersuchung der F. GmbH vom 23. Juni 2004 (Anlage AG 9 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 6. September 2004) Bezug genommen.

Am 11. Juni 2001 hat die Antragstellerin Normenkontrollantrag gestellt.

Die Antragstellerin hält den angegriffenen Bebauungsplan (aus formellen und materiellen Gründen) für rechtswidrig.

In formeller Hinsicht fehle es an einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB, da ein Aufstellungsbeschluss, der die vor dem Grundstück der Antragstellerin gelegenen Flurstücke 14/14 und 14/2 einschließe, nicht bekannt gemacht worden sei. Hinsichtlich einer Beplanung dieser Grundstücke fehle es ferner an einer ordnungsgemäßen Bürgerbeteiligung nach § 3 BauGB. Auch der Satzungsbeschluss vom 24. Juni 1999 sei nicht nach § 10 Abs. 3 BauGB ordnungsgemäß bekannt gemacht, da er gleichfalls die genannten Flächen vor dem Grundstück der Antragstellerin nicht einbeziehe. Überdies habe die Antragsgegnerin - so die Antragstellerin im Schriftsatz vom 6. Dezember 2002 - gegen § 4 Abs. 4 BauGB verstoßen. Die Antragsgegnerin habe ihr Einvernehmen zu einer Baugenehmigung für das Grundstück Taunusstraße/Ecke Schillerstraße erteilt. Die hierdurch ermöglichte Abweichung vom Bebauungsplan habe eine derartige Bedeutung für die Ausgleichsflächen, dass die Träger öffentlicher Belange hätten erneut beteiligt werden müssen.

In materieller Hinsicht sei zunächst zu beanstanden, dass durch die geplante Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße der Bebauungsplan mit den genannten Flächen vor dem Grundstück der Antragstellerin Grundstücke beplane, die außerhalb seines Geltungsbereiches lägen. Im Aufstellungsbeschluss vom 8. Mai 1985 sei der Geltungsbereich exakt festgelegt worden. Die vor dem Grundstück der Antragstellerin gelegenen Flurstücke 14/14 und 14/2 seien dort nicht aufgeführt. Auch der - im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB - bekannt gemachte Übersichtsplan spare die genannten Flurstücke aus. Der (erstmalige) Satzungsbeschluss vom 9. Mai 1996 habe den die Flurstücke 14/14 und 14/2 ausschließenden Geltungsbereich bestätigt, da nach ihm der Geltungsbereich des Bebauungsplans im Westen durch die östliche Grenze der Bahnstrecke Darmstadt-Frankfurt begrenzt worden sei. Zwar sei der Satzungsbeschluss vom 9. Mai 1996 wegen Überarbeitung des Plans in Teilbereichen am 16. Dezember 1998 von der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin aufgehoben worden. Da die Gemeinde die Grundzüge der Planung als durch die Änderungen nicht berührt angesehen habe und demgemäss nur Anregungen der von den Änderungen unmittelbar Betroffenen zugelassen habe, sei es im Übrigen und damit auch hinsichtlich der westlichen Begrenzung des Bebauungsplans bei der ursprünglichen Festlegung verblieben.

Während in der Planbegründung südlich der Thüringer Straße aus Lärmschutzgründen keine Bebauung zugelassen werde, sei im angegriffenen Bebauungsplan südlich der Thüringer Straße eine Bebauung ausgewiesen.

Der Bebauungsplan verstoße ferner gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB. Zum einen weise der Flächennutzungsplan des Umlandverbandes Frankfurt für den Bereich der Gemeinde Egelsbach auch für die Flurstücke, die die Antragsgegnerin im Bebauungsplan mit einer Straße beplane, eine Wohnbaufläche aus. Zum anderen sei im Flächennutzungsplan die Anbindung des neuen Baugebiets im Norden von Egelsbach - Baugebiet "Im Brühl" - an das überörtliche Verkehrsnetz über eine Nordumgehung festgelegt. Die im Bebauungsplan vorgesehene Anbindung des Baugebiets "Im Brühl" an den überörtlichen Verkehr im Süden - Umgehungsstraße K 168 - über eine Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße sei damit unvereinbar.

Beim Erlass des Bebauungsplans habe die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB verletzt. Die mit der Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße nach Süden einhergehende Verschlechterung der Wohnsituation der Anwohner der A-Straße, Bahnstraße, Schillerstraße, Niddastraße und Georg-Wehsarg-Straße sei nicht hinreichend in die Abwägung eingebracht und berücksichtigt worden. Zentrale Funktion der geplanten Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße sei, das nördlich gelegene Gebiet "Im Brühl" an den überörtlichen Verkehr - Umgehungsstraße K 168 - anzuschließen. Die Antragsgegnerin sei davon ausgegangen, dass die Anbindung des nördlich gelegenen Gebiets nur durch diese Nord-Süd-Spange zu verwirklichen sei. Diese Festlegung beruhe auf defizitären Ermittlungen der Antragsgegnerin. So habe die Antragsgegnerin die Erschließung des Gebiets "Im Brühl" über eine nördliche Sammelstraße, die zusätzlichen Ziel- und Quellverkehr für den alten Ortskern vermeide und die zudem im Flächennutzungsplan für die Anbindung an den überörtlichen Verkehr vorgesehen sei, ausgeblendet. Der in die Begründung des angegriffenen Bebauungsplans übernommenen Festlegung auf die Nord-Süd-Spange liege der Verkehrsrahmenplan Egelsbach zugrunde, der seinerseits u. a. auf einer Studie des Bauamts der Antragsgegnerin vom April 1990 beruhe. Die Entscheidung, die Georg-Wehsarg-Straße zu verlängern als das Ergebnis dieser - ohnehin auf eine Südanbindung beschränkten - Alternativuntersuchung, sei ihrerseits fehlerhaft. Es bestehe die Gefahr, dass der gesamte Anschluss des Gebiets "Im Brühl" an den überörtlichen Verkehr über die verlängerte Georg-Wehsarg-Straße erfolgen werde, da eine anderweitige Anbindung unsicher sei. Diesen Belastungsaspekt, der bereits für sich betrachtet und erst recht in der Zusammenschau mit den von der Bahntrasse und vom Flugplatz Egelsbach herrührenden Lärmbelästigungen u. a. für die Anwohner der Georg-Wehsarg-Straße zu einer unzumutbaren Verschlechterung ihrer Wohnsituation führe, habe die Antragsgegnerin ebenso wenig in ihre bauplanungsrechtliche Abwägung eingestellt wie eine mögliche Gesamtbelastung der Anwohner mit Immissionen.

Im Hinblick auf ihre gesteigerte Belastung allein durch den Straßenverkehr stellt die Antragstellerin unterschiedliche Prognosen an, die sich zwischen einer Mehrbelastung von ca. 180 Pkw/Stunde und einer von 500 Pkw/Stunde bewegen.

Die fehlende Berücksichtigung der Belange der Anwohner der Georg-Wehsarg-Straße werde ferner deutlich, wenn man die Beachtung der Interessen der Anwohner der Taunus- und der Schillerstraße durch den Satzungsgeber betrachte. Für diese Straßen konstatiere die Begründung des Bebauungsplans, dass eine Anbindung über sie weder wünschenswert noch möglich sei, da die Anwohner vor erheblichen Gefährdungen und Mehrbelastungen zu schützen seien. Diese Erwägungen gälten indes gleichermaßen für die Anwohner der Georg-Wehsarg-Straße, zumal in dieser Straße ausschließlich Wohnanlieger zu finden seien, in der Taunusstraße hingegen zu 40 % Gewerbeanlieger. Die Lärmbelastung - dem Prinzip der Lärmbündelung folgend - überwiegend den Anwohnern der Georg-Wehsarg-Straße aufzubürden, sei mit dem Gebot der gerechten Lastenverteilung unvereinbar. Soweit die Antragsgegnerin im Bebauungsplan Lärmschutzmaßnahmen zugunsten neu zu bauender Wohnhäuser an der Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße vorsehe, nicht jedoch zugunsten der bereits vorhandenen Wohnbebauung, verstoße sie gleichfalls gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Ferner seien ökonomische und ökologische Belange bei der Abwägung nicht hinreichend gewürdigt worden. Durch die geplante Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße gehe Bauland im Wert von 5 Millionen DM verloren, während die - von der Antragsgegnerin nicht in ihre Erwägungen eingestellte - alternative Erschließung des Gebiets "Im Brühl" über eine Nordumgehung, die die Bahnlinie Frankfurt-Darmstadt quere und demzufolge ein Brückenbauwerk erfordere, einen geringeren Kostenaufwand auslöse. In ökologischer Hinsicht werde den Anliegern durch den Bebauungsplan die Grün- und Gartenlandschaft zwischen der jetzigen Bebauung und der Bahnlinie genommen, der eine Ausgleichsfunktion für die Verkehrsbelastung der Anlieger zukomme.

Das mit dem Bebauungsplan angestrebte Ziel einer ortsumfassenden Verkehrsberuhigung werde verfehlt, wenn die Anbindung des Gebiets "Im Brühl" durch den Ortskern hindurch erfolge. Eine Anbindung des südlich gelegenen Ortsteils Bayerseich an den S-Bahnhaltepunkt erfolge entgegen der Planbegründung nicht über die beabsichtigte Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße, sondern vielmehr über die westlich der Bahnlinie gelegene Hans-Fleißner-Straße.

Die Antragstellerin beantragt,

den am 24. Juni 1999 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. D -01/01 - 'Molkeswiese' für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Bereits die Antragsbefugnis der Antragstellerin für den gegen den Bebauungsplan "Molkeswiese" gestellten Normenkontrollantrag und damit dessen Zulässigkeit seien zweifelhaft. Die inhaltlichen Einwendungen der Antragstellerin bezögen sich nämlich weniger auf die Ausübung des Planungsermessens, das zum Erlass des angegriffenen Bebauungsplans geführt habe, als vielmehr auf die noch nicht erfolgte Abwägung im das Gebiet "Im Brühl" betreffenden Planaufstellungsverfahren. Erst gegen einen für das Gebiet "Im Brühl" Geltung beanspruchenden Bebauungsplan könne die Antragstellerin ihre inhaltlichen Einwände zulässigerweise geltend machen.

Jedenfalls sei der Normenkontrollantrag der Antragstellerin gegen den Bebauungsplan 'Molkeswiese' aber unbegründet. Das Verfahren der Planaufstellung sei fehlerfrei durchgeführt worden. In materieller Hinsicht erfasse der Bebauungsplan - wie der Satzungsbeschluss vom 24. Juni 1999 und die amtliche Bekanntmachung vom 20. August 1999 belegten - auch die Flurstücke 14/14 und 14/2 vor dem Grundstück der Antragstellerin. Die Grenze des Bebauungsplans sei im Westen die Bahnlinie Darmstadt-Frankfurt. Materiell entspreche der Bebauungsplan auch städtebaulichen Erfordernissen und genüge damit dem Planrechtfertigungsgebot des § 1 Abs. 3 BauGB. Die Lärmschutzzone, die nachrichtlich in den Bebauungsplan übernommen worden sei, verlaufe am Südrand der südlich der Thüringer Straße vorgesehenen Bebauung und werde daher vom Bebauungsplan berücksichtigt. Der Bebauungsplan verstoße auch nicht gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB. Der Flächennutzungsplan, der für einen Teilbereich des Plangebiets 1992 geändert worden sei, sehe nunmehr überwiegend Wohnbauflächen und lediglich zur Bahnstraße hin gemischte Bauflächen vor.

Schließlich sei auch das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB nicht verletzt. Die Antragsgegnerin habe die vorhandene Verkehrssituation und künftige Belastungen für die betroffenen Anwohner in ihre Abwägung eingestellt. Sie habe dem Gebot der gerechten Lastenverteilung Rechnung getragen. Die geplante Straße bewirke eine erhebliche Entlastung der Anlieger der Schiller- und der Taunusstraße, der eine Belastung einer weitaus geringeren Anzahl betroffener Einwohner - zu denen auch die Antragstellerin zähle - gegenüberstehe. Die Verkehrslärmbelastung für die Anwohner liege selbst dann in dem für eine Wohnbebauung zulässigen Bereich, wenn der gesamte Ziel- und Quellverkehr der neuen Baugebiete über die Georg-Wehsarg-Straße abgewickelt werden würde. Dies sei indes nicht geplant. Beabsichtigt sei vielmehr weiterhin eine zusätzliche Anbindung des Gebiets "Im Brühl" an die (frühere) Bundesstraße 3.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Planaufstellungsunterlagen der Beklagten (2 Aktenordner) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.

Der Normenkontrollantrag ist statthaft. Die Antragstellerin wendet sich gegen einen nach § 10 Abs. 1 BauGB 1998 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan, dessen Gültigkeit von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO überprüft werden kann.

§ 10 Abs. 1 BauGB 1998 ist die insofern maßgebliche Vorschrift. Die nach dem Inkrafttreten des Bau- und Raumordnungsgesetzes vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081) zum 1. Januar 1998 vorzunehmenden Schritte im Verfahren der Planaufstellung hat die Antragsgegnerin nach dem durch dieses Gesetz geänderten Baugesetzbuch durchgeführt (vgl. Satzungsbeschluss vom 24. Juni 1999), so dass sie nach § 233 Abs. 1 Satz 2 BauGB 1998 am BauGB 1998 zu messen sind. Für die vor dem 1. Januar 1998 erfolgten Verfahrensschritte beansprucht demgegenüber gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB 1998 grundsätzlich das BauGB 1987 Geltung.

Der statthafte Normenkontrollantrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Nach dieser Vorschrift kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ein Antragsteller genügt seiner insofern bestehenden Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans in eigenen Rechten verletzt wird (vgl. Urteile des Senats vom 6. November 2000 - 9 N 2265/99 -, HSGZ 2001, 441, vom 25. Februar 2004 - 9 N 3123/01 - und vom 15. Juli 2004 - 9 N 2831/99 -). Nach dem Vorbringen der Antragstellerin ist eine Verletzung des Abwägungsgebots des § 1 Abs. 6 BauGB, dem hinsichtlich abwägungsrelevanter privater Belange drittschützende Wirkung zukommt, zu ihren Lasten nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise auszuschließen. Das von der Antragstellerin geltend gemachte private Interesse, in ihrer Wohnsituation von einer Immissionsbelastung verschont zu bleiben, die durch den Verkehrslärm der geplanten Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße (sog. Nord-Süd-Spange) bzw. durch das Zusammentreffen dieser Lärmquelle mit den von der Bahnlinie und vom Verkehrslandeplatz Egelsbach herrührenden Immissionen ausgelöst werden, stellt einen abwägungserheblichen Belang dar. Für eine objektive Geringwertigkeit bzw. mangelnde Schutzwürdigkeit dieses Interesses der Antragstellerin oder dessen fehlende Erkennbarkeit für die planende Gemeinde als Gesichtspunkte, die einer Abwägungserheblichkeit entgegenstehen können, fehlt jeder Anhaltspunkt. So wird die planbedingt künftig entstehende Verkehrsbelastung durch die Nord-Süd-Spange von den Beteiligten zwar unterschiedlich beurteilt. Auch die von einer geringeren Verkehrsbelastung ausgehende Antragsgegnerin schließt indes die rechtliche Notwendigkeit von Lärmschutzmaßnahmen für die von der Nord-Süd-Spange zu erwartenden Lärmimmissionen nicht aus, sondern hält Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes vielmehr für erforderlich (vgl. die textliche Festsetzung II.1.3.1 im Bebauungsplan).

Der zulässige Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der angegriffene Bebauungsplan ist zwar formell rechtmäßig, er verstößt jedoch gegen materielles Recht.

1. In formeller Hinsicht leidet der Bebauungsplan nicht an beachtlichen Verstößen gegen die für ihn jeweils maßgeblichen Vorschriften des Baugesetzbuches, die das Verfahren der Planaufstellung regeln.

a. Der das Verfahren der Planaufstellung betreffenden Rüge der Antragstellerin, es fehle an einem ordnungsgemäß bekannt gemachten Aufstellungsbeschluss im Sinne des § 2 Abs. 1 BauGB 1987, ist kein Erfolg beschieden. Auch wenn § 2 Abs. 1 BauGB 1987 davon ausgeht, dass das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans durch einen Aufstellungsbeschluss eingeleitet wird, der ortsüblich bekannt zu machen ist, sind ein Aufstellungsbeschluss und seine ortsübliche Bekanntmachung nach Bundesrecht keine formellen Rechtmäßigkeits- und Wirksamkeitsvoraussetzungen des späteren Bebauungsplans (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 15. April 1988 - BVerwG 4 N 4.87 - BVerwGE 79, 200 [204 ff.]). Durch den Aufstellungsbeschluss soll den an der Planung möglicherweise Interessierten lediglich die Planungsabsicht der Gemeinde zur Kenntnis gebracht werden. Aufschluss über den Planungsinhalt muss der Aufstellungsbeschluss nicht geben, so dass die Gemeinde, selbst dann, wenn sie konkrete Planungsinhalte in der Bekanntmachung eines Aufstellungsbeschlusses mitgeteilt hat, spätere inhaltliche Änderungen in nachfolgenden Bekanntmachungen nicht mitzuteilen braucht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2001 - 3 S 2574/99 -, Juris; Komorowski/Kupfer, VBlBW 2003, 1 [2]).

b. Eine formelle Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans resultiert auch nicht aus dem von der Antragstellerin behaupteten Verstoß gegen die die Beteiligung der Bürger regelnde Vorschrift des § 3 BauGB 1987.

Die von der Antragsgegnerin vorgenommene frühzeitige Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB 1987 hat ihre Informations- und Integrationsfunktion erfüllt, da die Bürger über Ziele und Zwecke der Planung öffentlich unterrichtet wurden und ihnen so Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gegeben wurde. Zudem wären Verfahrensfehler in diesem Stadium gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 BauGB 1998 unbeachtlich. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Halbsatz 1 BauGB 1998 greift insoweit ein. Maßgebliche Vorschriften zur Planerhaltung sind zwar prinzipiell die des aktuell geltenden Baugesetzbuches (vgl. § 233 Abs. 2 BauGB 1998 sowie § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB 2004). § 233 Abs. 2 Satz 2 BauGB 2004 sieht jedoch vor, dass bei der Aufstellung von Bebauungsplänen aufgetretene Fehler, die nach §§ 214 f. BauGB 1998 unbeachtlich gewesen sind, weiterhin unbeachtlich bleiben.

Auch die förmliche Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB 1987 wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Namentlich war die Bekanntmachung vom 20. Oktober 1995 geeignet, das Interesse der Planbetroffenen zu wecken und sie zu veranlassen, mit Anregungen zur Planung beizutragen. Im Hinblick auf die Anstoßfunktion der öffentlichen Bekanntmachung, die keine parzellenscharfe Benennung der Plangebietsgrenzen verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 -, BVerwGE 69, 344 [347]), ist die Umschreibung der westlichen Begrenzung des Plangebiets in der Bekanntmachung mit "durch die östliche Grenze der Bahnstrecke Frankfurt/Darmstadt" nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin begründet die unterbliebene Bezeichnung der Flurstücke Nr. 14/14 und 14/2 in der Bekanntmachung sonach keinen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 BauGB 1987.

c. Ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Pflicht zur erneuten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 4 BauGB 1998, den die Antragstellerin im Hinblick auf die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu einer Baugenehmigung behauptet, ist bereits tatbestandlich nicht feststellbar. Die Antragsgegnerin hat weder den Entwurf des Bebauungsplans nachträglich geändert oder ergänzt (§ 4 Abs. 4 Satz 1 BauGB 1998) noch eine Änderung eines nach § 2a BauGB 1998 erforderlichen Umweltberichts vorgenommen (§ 4 Abs. 4 Satz 2 BauGB 1998). Überdies wäre selbst ein nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 1998 beachtlicher Verstoß gegen § 4 Abs. 4 BauGB 1998 gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 1998 unbeachtlich geworden, da ein - unterstellter - Verfahrensfehler dieser Art nicht binnen eines Jahres seit der Bekanntmachung des Bebauungsplans am 20. August 1999, sondern erstmals im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 6. Dezember 2002 geltend gemacht worden ist.

d. Der Bebauungsplan leidet in formeller Hinsicht schließlich auch nicht an dem von der Antragstellerin gerügten Mangel der Bekanntmachung im Sinne des § 10 Abs. 3 BauGB 1998.

Der bekannt gemachte Satzungsbeschluss beschreibt den Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans - insbesondere dessen westliche Begrenzung durch die Bahnlinie Darmstadt-Frankfurt - so genau, dass die Umschreibung geeignet ist, denjenigen, der sich über den genauen, räumlichen und gegenständlichen Regelungsinhalt des Bebauungsplanes unterrichten will, ohne weitere Schwierigkeiten zu dem richtigen, bei der Gemeinde ausliegenden Plan zu führen, was für eine wirksame Bekanntgabe genügt (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 -, BVerwGE 69, 344 [350]; Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 10 Rdnr. 65, vgl. auch Urteil des Senats vom 12. Juli 2004 - 9 N 69/03 -, UPR 2005, 79 [LS]).

2. Inhaltlich ist der zur Überprüfung gestellte Bebauungsplan "Molkeswiese" hingegen zu beanstanden.

a. Dem angegriffenen Bebauungsplan fehlt es allerdings nicht schon an der Erforderlichkeit des § 1 Abs. 3 BauGB 1998.

Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Welche städtebaulichen Ziele sich eine Gemeinde setzt, liegt allerdings in ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit. Die Gemeinde ist vom Gesetzgeber grundsätzlich ermächtigt, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entsprechende "Städtebaupolitik" zu betreiben. Eine gemeindliche Bauleitplanung ist mithin bereits dann im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB 1998 erforderlich, wenn der Bebauungsplan nach seinem Inhalt auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung ausgerichtet und nach der planerischen Konzeption der zur Planung berufenen Gemeinde als Mittel hierfür notwendig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 -, BRS 28 Nr. 4). Da der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde eine entsprechend verminderte Kontrolldichte der Gerichte korrespondiert, bildet das Merkmal der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB 1998 in aller Regel nur bei groben, offensichtlichen und von keiner nachvollziehbaren Konzeption getragenen planerischen Missgriffen eine wirksame Schranke der Planungshoheit (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteile vom 19. November 2003 - 9 N 2846/02 - und vom 25. Februar 2004 - 9 N 3123/01 -).

Nach der dem Bebauungsplan beigefügten und gleichfalls am 24. Juni 1999 von der Gemeindevertretung beschlossenen Begründung verfolgt die Antragsgegnerin mit dem angegriffenen Bebauungsplan in erster Linie das Ziel, die nördlich liegenden Baugebiete, insbesondere das zukünftige Gebiet "Im Brühl" durch eine Nord-Süd-Spange an die Kreisstraße K 168 und damit an den überörtlichen Verkehr anzubinden. Zudem sollen durch die Verlängerung der Georg-Wehsarg-Straße die Voraussetzungen für eine ortsumfassende Verkehrsberuhigung geschaffen und eine planungsrechtliche Arrondierung des Plangebiets erreicht werden.

Diese von der Antragsgegnerin gesetzten städtebaulichen Ziele sind nicht zu beanstanden. Gleiches gilt - bezogen auf den Prüfungsmaßstab des § 1 Abs. 3 BauGB - für die von der Antragsgegnerin ergriffenen Mittel zur Erreichung der Ziele. Die Auswahl konzeptioneller Mittel, etwa zur Bewältigung des vorhandenen oder zu erwartenden Verkehrsaufkommens, ist gesetzlich ausschließlich der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin als Trägerin der örtlichen Planungshoheit zugewiesen. Die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB 1998 kann demgemäß nicht erfolgreich mit der Begründung angegriffen werden, andere Konzepte seien tauglicher, sachangemessener oder ökologisch bzw. ökonomisch vorzugswürdig. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Antragstellerin, die Planung verfehle das von der Antragsgegnerin selbst gesetzte Ziel einer ortsumfassenden Verkehrsberuhigung, übersieht, dass die Planung einer Straßentrasse regelmäßig eine Kompromisslösung zwischen widerstreitenden Zielen ist, der die von § 1 Abs. 3 BauGB 1998 vorausgesetzte Eignung nur dann fehlt, wenn sie offensichtlich nach keiner Betrachtungsweise zur Förderung der mit der Planung verfolgten Ziele beiträgt. Für einen solchen planerischen Missgriff der Antragsgegnerin fehlen - unabhängig von der Frage, ob die gewählte Trasse sonstigen Rechtmäßigkeitsanforderungen der Straßenplanung durch Bebauungsplan genügt - greifbare Anhaltspunkte.

b. Der angegriffene Bebauungsplan verstößt im Hinblick auf die Festlegung seines Geltungsbereichs auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz, den § 9 Abs. 7 BauGB 1998 einfachgesetzlich konkretisiert. Die zeichnerische Darstellung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans und dessen textliche Beschreibung in der Planbegründung stimmen überein. Insbesondere wird aus beiden deutlich, dass die Bahnlinie Darmstadt-Frankfurt als westliche Grenze des Bebauungsplans fungiert, so dass die vor dem Grundstück der Antragstellerin gelegenen Flurstücke vom Geltungsbereich des Plans erfasst sind.

c. Ein Verstoß des Bebauungsplans gegen die in § 1 Abs. 4 BauGB 1998 normierte Pflicht zur Anpassung an die Ziele der Raumordnung ist nicht feststellbar. Bei der Planung eines allgemeinen Wohngebiets südlich der Thüringer Straße hat die Antragsgegnerin beachtet, dass im Regionalen Raumordnungsplan Südhessen 1995 ein Gebiet festgelegt ist, in dem aus Lärmschutzgründen eine Bebauung im Sinne einer Besiedlung nicht stattfindet (so genannter Siedlungsbeschränkungsbereich).

d. Die materielle Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Bebauungsplans folgt jedoch daraus, dass die in ihm erfolgte Festsetzung der Nord-Süd-Spange als Verkehrsfläche im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB 1998 nicht gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, der das fragliche Gebiet als Wohnbaufläche darstellt.

Der Bedeutungsgehalt des "Entwickelns" im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 ist unter Beachtung der unterschiedlichen Funktionen zu bestimmen, die einerseits dem Flächennutzungsplan und andererseits dem Bebauungsplan zukommen. Im Flächennutzungsplan als vorbereitendem Bauleitplan ist für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB 1998). Der Bebauungsplan als verbindlicher Bauleitplan enthält demgegenüber die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BauGB 1998). Das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 dient der Abstimmung der beiden Planungsstufen. Entwickeln bedeutet dabei nicht nur, den groben Raster des Flächennutzungsplans mit genaueren Festsetzungen auszufüllen, sondern belässt der Gemeinde die gestalterische Freiheit, im Rahmen des vorbereitenden Bauleitplans eigenständig zu planen. Dies gestattet dem Satzungsgeber in gewissem Umfang sogar Abweichungen von den Darstellungen des Flächennutzungsplans, und zwar sowohl von dessen gegenständlichen Darstellungen als auch von dessen räumlichen Grenzen. Insofern ist allerdings zu berücksichtigen, dass Entwickeln nach seinem Wortlaut und vor allem nach seinem Sinn für die Bauleitplanung bedeutet, dass sich der Bebauungsplan innerhalb der wesentlichen Grundentscheidungen des Flächennutzungsplans, d. h. innerhalb der Grundzüge im Sinne des § 5 Abs. 1 BauGB 1998 halten muss. Dem Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 werden sonach Festsetzungen in Bebauungsplänen gerecht, wenn sie sich als - von der Gestaltungsfreiheit des kommunalen Satzungsgebers getragene - planerische Konkretisierungen der im Flächennutzungsplan dargestellten Grundkonzeption erweisen, was Abweichungen vom Flächennutzungsplan einschließt, die sich aus dem Übergang in die stärker verdeutlichende Planstufe des Bebauungsplans rechtfertigen und die der Grundkonzeption des Flächennutzungsplans nicht widersprechen (vgl. zu Vorstehendem: Urteil des Senats vom 6. November 2000 - 9 N 2265/99 -, HSGZ 2001, 441, BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1975 - BVerwG 4 C 74.72 -, BVerwGE 48, 70; Hess. VGH, Beschluss vom 24. Januar 1989 - 4 N 8/82 -, NVwZ-RR 1989, 609; Brügelmann, BauGB, § 8 Rdnr. 94 ff. [Bearbeitungsstand: März 2004]).

Ob ein Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 entwickelt ist, ist dabei im Hinblick auf die planerische Konzeption des Flächennutzungsplans für den engeren Bereich des Bebauungsplans zu bestimmen. Auf die Konzeption des Flächennutzungsplans für das gesamte Gemeindegebiet ist demgegenüber abzustellen, wenn ein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 vorliegt und sich die Frage stellt, ob dieser Verstoß nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB 1998 unbeachtlich ist (vgl. zu Vorstehendem: Urteil des Senats vom 6. November 2000 - 9 N 2265/99 -, a. a. O., BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, NVwZ 2000, 197; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Juni 1999 - 7 aD 184/97.NE -, BRS 62, 170).

Nach diesem Maßstab stellt die Festsetzung der Nord-Süd-Spange im angegriffenen Bebauungsplan einen Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 dar, der auch nicht nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB 1998 unbeachtlich ist.

Die im Bebauungsplan festgelegte Nord-Süd-Spange hat nach der Planbegründung wesentlich die Funktion die nördlich des Plangebiets liegenden vorhandenen und zukünftigen Baugebiete - also insbesondere auch das Gebiet "Im Brühl" - an den überörtlichen Verkehr in Gestalt der K 168 anzuschließen. Damit handelt es sich bei der nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB 1998 festgesetzten Nord-Süd-Spange nicht mehr nur um eine örtliche Erschließungsstraße, sondern um einen örtlichen Hauptverkehrszug im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB 1998 (vgl. zum Begriff des örtlichen Hauptverkehrszuges: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 5 Rdnr. 30). Während die Festsetzung von Verkehrsflächen im Bebauungsplan, die nicht von § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB erfasst werden, keine Divergenz von der Darstellung "Wohnbaufläche" im Flächennutzungsplan begründet, da derartige Verkehrsflächen zur wohnbauflächentypischen Infrastruktur zu zählen sind, liegt in der Festsetzung einer Verbindungsstraße zum überörtlichen Verkehr, also eines örtlichen Hauptverkehrszuges, auf einer Fläche, die der Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche ausweist, eine Abweichung. Denn der Gesetzgeber unterscheidet in § 5 BauGB 1998 für den Flächennutzungsplan gerade zwischen der Darstellung von Bauflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB 1998) und der Darstellung von Flächen für die örtlichen Hauptverkehrszüge (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB 1998).

Ob die Abweichung, die in der Festsetzung eines örtlichen Hauptverkehrszuges im Bebauungsplan auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Wohnbaufläche liegt, stets so schwer wiegt, dass sie auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans für das Bebauungsplangebiet berührt und damit einen Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 begründet, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn bei der Festsetzung der Nord-Süd-Spange im angegriffenen Bebauungsplan liegen besondere Umstände vor, die jedenfalls diese Abweichung vom Flächennutzungsplan als Verletzung des Entwicklungsgebotes des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 kennzeichnen. Dass die vom Flächennutzungsplan divergierende Festsetzung der Nord-Süd-Spange im Bebauungsplan die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans für das vom Bebauungsplan 'Molkeswiese' erfasste Gebiet nicht unberührt lässt, folgt daraus, dass der Flächennutzungsplan unverändert einen Anschluss der nördlich des Bebauungsplangebiets gelegenen Baugebiete an die K 168 über eine Trasse darstellt, die den Ortskern und insbesondere Wohnbauflächen der Antragsgegnerin vermeidet. Hierin liegt die Grundentscheidung des Flächennutzungsplans, den Anschluss an die K 168 in der dafür vorgesehenen Fläche für örtliche Hauptverkehrszüge (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB 1998) vorzusehen, nicht jedoch anderwärts in einer Wohnbaufläche (vgl. zum Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB, wenn der Bebauungsplan abweichend von der Darstellung des Flächennutzungsplans Festsetzungen trifft, für die der Flächennutzungsplan an anderer Stelle Darstellungen gerade vorsieht: Hess. VGH, Beschluss vom 24. Januar 1989 - 4 N 8/82 -, NVwZ-RR 1989, 609; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 8 Rdnr. 11; Birkel/Jäde, Praxishandbuch des Bauplanungs- und Immissionsschutzrechtes, Teil D Rdnr. 74).

Dieser Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 ist auch nicht nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB 1998 unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift ist es für die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans unbeachtlich, wenn § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist. Die Festsetzung der Nord-Süd-Spange im angegriffenen Bebauungsplan beeinträchtigt die sich aus dem Flächennutzungsplan für das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin ergebende städtebauliche Entwicklung. Denn die geplante Führung eines die nördlichen Baugebiete der Antragsgegnerin an den überörtlichen Verkehr anschließenden örtlichen Hauptverkehrszuges durch den Ort hindurch weicht in schwerwiegender Weise von den Darstellungen des Flächennutzungsplans ab, die eine Anbindung außerhalb des Ortskerns vorsehen. Dies wird in der Begründung des Bebauungsplan augenfällig, nach der die Gemeindevertretung davon ausgeht, "dass eine verkehrsmäßige Anbindung dieser nördlichen Bereiche nur durch den Bau einer neuen Straße parallel zur S-Bahn-Trasse von der Bahnstraße zur K 168 (neu) gelöst werden kann". Eine derartige Abweichung des Bebauungsplans nimmt dem Flächennutzungsplan (partiell) seine Bedeutung als grundsätzliches Steuerungselement der städtebaulichen Entwicklung, so dass eine Planerhaltung nach Maßgabe des § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB 1998 ausscheidet.

e. Ein weiterer materieller Fehler des angegriffenen Bebauungsplans liegt darin, dass die Planung der Nord-Süd-Spange durch die Antragsgegnerin den Anforderungen der §§ 41 ff. BImSchG nicht genügt.

Die §§ 41 ff. BImSchG gelten nicht nur in Ansehung straßenrechtlicher Planfeststellungsverfahren. Auch Gemeinden können ein mit erheblichen Lärmimmissionen verbundenes Verkehrsvorhaben nicht planen, ohne dass sie in Anwendung der insoweit maßgeblichen §§ 41 ff. BImSchG ein geeignetes Lärmschutzkonzept entwickeln (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteile vom 19. November 2003 - 9 N 2846/02 - und vom 12. Juli 2004 - 9 N 3140/02 -).

Für die im angegriffenen Bebauungsplan erfolgte Planung des Baus, also der erstmaligen Herstellung, der Nord-Süd-Spange als einer öffentlichen Straße sieht § 41 Abs. 1 BImSchG vor, dass - unbeschadet des § 50 BImSchG - sicherzustellen ist, dass durch die Straße keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Die Grenzwerte, die zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche nicht überschritten werden dürfen, sind auf der Grundlage des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG in der 16. BImSchV (Verkehrslärmschutzverordnung) normiert worden. Diese Werte sind einzuhalten, sofern nicht § 41 Abs. 2 BImSchG die Geltung des § 41 Abs. 1 BImSchG ausschließt, weil die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden. § 42 BImSchG schließlich trifft Entschädigungsregelungen für Schallschutzmaßnahmen für den Fall einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte.

Das hiernach dreistufige Lärmschutzkonzept des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist vom Satzungsgeber in die Straßenplanung durch Bebauungsplan wie folgt zu integrieren (vgl. Ramsauer, NuR 1990, 349 [352 f.]; Uechtritz, DVBl. 1999, 198 [199 ff.]; jeweils m. w. N.): In die gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange (§ 1 Abs. 6 BauGB 1998) ist § 50 BImSchG als Optimierungsgebot einzustellen, d. h. auf der ersten Stufe ist vorrangig eine Straßenplanung anzustreben, durch die ein Lärmkonflikt überhaupt vermieden wird. Können die Probleme des Verkehrslärms nicht durch Beachtung des § 50 BImSchG bewältigt werden, so hat die planaufstellende Gemeinde - auf der zweiten Stufe - § 41 BImSchG als striktes Gebot zu beachten. Reichen die durch § 41 BImSchG grundsätzlich geforderten Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes nicht aus, so kann die Gemeinde Vorkehrungen, die dem passiven Schallschutz dienen, in den Bebauungsplan, der eine öffentliche Straße festsetzt, aufnehmen und sieht § 42 BImSchG eine Entschädigungsregelung vor (dritte Stufe).

Die Planung der Nord-Süd-Spange durch die Antragsgegnerin im angegriffenen Bebauungsplan verstößt gegen § 41 BImSchG. Denn die Antragsgegnerin hat den von ihr durch diese Straßenplanung geschaffenen Konflikt im Bebauungsplan unbewältigt gelassen und damit das gesetzlich vorgegebene Lärmschutzkonzept des § 41 BImSchG verfehlt. Die Verwirklichung der Nord-Süd-Spange führt - wie die von der Antragsgegnerin eingeholte schalltechnische Untersuchung der F. GmbH vom 23. Juni 2004 belegt - bei Tag und bei Nacht zu Überschreitungen der im allgemeinen Wohngebiet geltenden Immissionsgrenzwerte nach dem maßgeblichen § 2 der 16. BImSchV.

Die Antragsgegnerin hat den sonach gesetzlich zwingend geforderten Lärmschutz durch die textliche Festsetzung II.1.3.1 im Bebauungsplan versucht zu verwirklichen. Diese Regelung des Bebauungsplans genügt indes den von der planenden Gemeinde zwingend zu beachtenden Vorgaben des § 41 BImSchG nicht. Der Bebauungsplan setzt unter Nr. II.1.3.1 keine - nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB 1998 möglichen - aktiven Lärmschutzmaßnahmen fest, sondern stellt lediglich unter dem Vorbehalt nicht näher bezeichneter vertiefender Untersuchungen und Planungen eine Kombination aktiver und passiver Lärmschutzmaßnahmen in Aussicht, um die zu erwartenden Lärmimmissionen auf einen Immissionsgrenzwert von 45 dB (A) nachts zu reduzieren. Damit enthält der Bebauungsplan selbst kein Lärmschutzkonzept für die prognostizierten Grenzwertüberschreitungen und verstößt damit gegen das spezialgesetzlich konturierte Konfliktbewältigungsprogramm des § 41 BImSchG.

Die als textliche Festsetzung bezeichnete Regelung der Nr. II.1.3.1 sieht auch keine Verlagerung von Teilen der lärmbezogenen Konfliktbewältigung in ein sich anschließendes ergänzendes straßenrechtliches Planfeststellungsverfahren vor. Die Zulässigkeit eines derartigen Vorgehens wird - auf der Grundlage dem § 33 Abs. 5 Satz 2, Abs. 1 HStrG entsprechender Regelungen in § 17 Abs. 3 Satz 2 FStrG sowie in den Straßengesetzen anderer Bundesländer - befürwortet, wenn ein Bebauungsplan die aufgeworfenen Lärmkonflikte nicht bewältigen kann, weil die bauplanungsrechtlichen Festsetzungsmöglichkeiten nicht ausreichen (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 14. Dezember 1982 - 2 A 10/81 -, NVwZ 1983, 419 [421]; OVG Münster, Urteil vom 18. April 1989 - 10 aNE 94/87 -, NVwZ-RR 1990, 234 [235 f.]; Ramsauer, a. a. O., S. 352). Der textlichen Festsetzung Nr. II.1.3.1 ist indes die beabsichtigte Durchführung eines ergänzenden Verfahrens der Planfeststellung - zu der es im Übrigen vor Beginn des Baus der Straße auch tatsächlich nicht gekommen ist - nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen. Überdies werden vertiefende Untersuchungen und Planungen nur angekündigt, um nächtliche Immissionen auf bestimmte Immissionsgrenzwerte zu reduzieren, so dass es in jedem Fall hinsichtlich der prognostizierten Grenzwertüberschreitungen am Tag bei einem Verstoß gegen § 41 BImSchG verbliebe.

f. Ob der angegriffene Bebauungsplan darüber hinaus wegen einer Verletzung des Abwägungsgebotes nach § 1 Abs. 6 BauGB 1998 materiell fehlerhaft ist, weil die Nord-Süd-Spange als gewählte Trasse von der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin ohne Alternativenprüfung von vornherein als einzige Möglichkeit angesehen worden ist, die nördlich des Plangebiets gelegenen Baugebiete an die K 168 anzubinden, lässt der Senat dahinstehen.

3. Der Bebauungsplan ist aufgrund der festgestellten Verstöße gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1998 sowie §§ 41ff. BImSchG, die beide die Planung der Nord-Süd-Spange betreffen, insgesamt für unwirksam zu erklären. Eine bloße Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans, die analog § 139 BGB in Betracht kommt, wenn der verbleibende gültige Teil des Plans sinnvoll bleibt und nach dem mutmaßlichen Willen des Plangebers davon auszugehen ist, dass er den Bebauungsplan auch mit diesem eingeschränkten Inhalt erlassen hätte, scheidet bereits deshalb aus, weil die Festsetzung der Nord-Süd-Spange der wesentliche Gegenstand des angegriffenen Bebauungsplans ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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