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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.11.2004
Aktenzeichen: 9 N 2247/03
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 2 Abs. 2
BauGB § 2 Abs. 3
BauGB § 4 Abs. 4 S. 1
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
Das interkommunale Abstimmungsgebot vermittelt nicht gleichsam automatisch die Befugnis, alle Bebauungspläne einer Nachbargemeinde zum Gegenstand einer Normenkontrolle zu machen, die einen räumlichen Bezug zum eigenen Gemeindegebiet haben. Nur bei Vorliegen oder der Möglichkeit gewichtiger Auswirkungen der angegriffenen Planung auf die städtebauliche Ordnung oder Entwicklung des Stadtgebiets der Nachbargemeinde kann von einem Anspruch gegen die planende Gemeinde auf Abstimmung ausgegangen werden, der auf Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen auf das eigene Gemeindegebiet gerichtet ist und die Antragsbefugnis für ein Normenkontrollverfahren begründet.

Allein die Änderung von im Planentwurf enthaltenen Festsetzungen zur Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben in einem Gewerbegebiet, ohne dass in eine erneute Trägerbeteiligung (§ 4 Abs. 4 Satz 1 BGB) eingetreten wird, begründet noch keine Antragsbefugnis.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

9 N 2247/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richter am Hess. VGH Heuser, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer, Richter am Hess. VGH Schönstädt

am 3. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die antragstellende Stadt A-Stadt wendet sich gegen den am 20. Februar 2003 von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin beschlossenen Bebauungsplan "Alter Graben II, 1. Änderung".

Das Plangebiet hat eine Größe von circa 9,4 ha und liegt im Nordosten der Kernstadt der Antragsgegnerin zwischen der Bundesstraße 47 und der Grenze mit dem Stadtgebiet der Antragstellerin. Der Bebauungsplan ändert den am 18. Januar 2001 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan "Alter Graben II", der nach ortsüblicher Bekanntmachung am 28. Juni 2002 in Kraft getreten ist. Dieser ursprüngliche Bebauungsplan setzte für seinen Geltungsbereich ein Gewerbegebiet fest mit der textlichen Einschränkung, dass für die ausgewiesenen Bauflächen des Gewerbegebiets die Errichtung von Einzelhandelsverkaufsflächen für Nahrungs- und Genussmittel, Reformwaren und Lebensmittel (Food-Bereich) unzulässig ist. In der Begründung zum Bebauungsplan war ausgeführt, dass die Errichtung derartiger Verkaufsflächen ausgeschlossen wird, um einen möglichen Attraktivitätsverlust im Bereich diesbezüglich vorhandener Einzelhandelseinrichtungen insbesondere im Bereich des Stadtzentrums vorzubeugen. Mit gleicher Begründung wird die Einrichtung sonstiger Einzelhandelsverkaufsflächen nur dann für zulässig erklärt, wenn sie der Selbstvermarktung der im Gebiet ansässigen Betriebe dient und einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt.

Am 31. Oktober 2002 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin die Aufstellung des hier streitgegenständlichen Änderungsbebauungsplans mit der Zielsetzung, die bestehende Planung der neuen Erschließungskonzeption und den aktuellen städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen betreffend die Bereitstellung von Gewerbeflächen anzupassen. Gleichzeitig wurde beschlossen, nach § 3 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 2 BauGB von der frühzeitigen Bürgerbeteiligung abzusehen, da die Unterrichtung und Erörterung zuvor im Rahmen des Bauleitplanverfahrens "Alter Graben II" erfolgt sei. Den Aufstellungsbeschluss machte die Antragsgegnerin am 8. November 2002 bekannt. Gleichzeitig wurde in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass der Entwurf des Bebauungsplans mit zugehöriger Begründung in der Zeit vom 25. November 2002 bis einschließlich 3. Januar 2003 öffentlich ausliegt und während der Auslegungsfrist Gelegenheit besteht, Anregungen geltend zu machen. Die Träger öffentlicher Belange - unter anderem der Magistrat der Antragstellerin - wurden mit gleichlautenden Schreiben vom 15. November 2002 um Stellungnahme gebeten.

Der ausgelegte und den Trägern öffentlicher Belange in Kopie übersandte Planentwurf enthielt folgende textliche Festsetzung:

"3.2.1 Die Errichtung von Einzelhandelsverkaufsflächen ist nur für Selbstvermarktungen im Gebiet produzierender und verarbeitender Betriebe zulässig, wenn die Verkaufsfläche einen untergeordneten Teil der durch das Betriebsgelände überbauten Fläche einnimmt."

Am 20. Februar 2003 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin auf Antrag einer Stadtverordnetenfraktion vom 21. Januar 2003 eine Änderung des Planentwurfs. Die Geltung der textlichen Festsetzung in Nr. 3.2.1 des Planentwurfs wurde auf die Bauflächen GEe 1, GE 2 und GEe 3 beschränkt. Unter Nr. 3.2.2 wurde folgende weitere textliche Festsetzungen in den Planentwurf aufgenommen:

"3.2.2. Für die festgesetzten Bauflächen der GE 4 und GE 5 gilt:

Die Errichtung von Einzelhandelsverkaufsflächen für innenstadtrelevante Sortimente und Sortimentgruppen wie Hausrat/Glas/Porzellan/Geschenkartikel, Spielwaren, Schuhe / Lederwaren, Uhren / Schmuck, Kunstgewerbe / Antiquitäten, Bücher und Schreibwaren sind unzulässig."

Die bisherigen textlichen Festsetzungen des Planentwurfs zu Nrn. 3.2.2 bis 3.2.4 wurden zu Nrn. 3.2.3 bis 3.2.5.

Ohne dass eine erneute Offenlegung stattfand, beschloss die Stadtverordnetenversammlung noch ihrer Sitzung vom 20. Februar 2003 den geänderten Planentwurf als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde am 28. Februar 2003 bekannt gemacht.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2003, eingegangen bei Gericht am 13. August 2003, hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei auf Grund der Bestimmung des § 2 Abs. 2 BauGB, wonach Bebauungspläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen seien, befugt, den Bebauungsplan in einem Normenkontrollverfahren überprüfen zu lassen. Dabei gehe es ihr um die geänderten Festsetzungen betreffend die Art der baulichen Nutzung insbesondere die Zulassung von Einzelhandelsbetrieben in den Baublöcken 5 und 6 (gemeint ist wohl 4 und 5). Der Planentwurf, der im Beteiligungsverfahren übersandt worden sei, sei nicht mit dem beschlossenen Bebauungsplan identisch. Es sei somit gegen die Bestimmung des § 3 Abs. 3 BauGB verstoßen worden. Erst nach Abschluss des Planungsverfahrens - mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 24. März 2003 - sei ihr - der Antragstellerin - mitgeteilt worden, welche Einzelhandelsnutzungen in den verschiedenen Baublöcken zulässig seien. Die Antragsgegnerin habe ferner gegen das materiellrechtliche Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB verstoßen. Ein derartiger Verstoß ergebe sich bereits daraus, dass der Planungswille hinsichtlich der Gebiete GE 5 und GE 6 (gemeint ist wohl GE 4 und GE 5) erst nach Abschluss des Planaufstellungsverfahrens zum Ausdruck gekommen sei. Diese Änderungen des ursprünglichen Bebauungsplans seien somit überhaupt nicht Gegenstand des nach § 2 Abs. 2 BauGB gesetzlich vorgeschriebenen Abstimmungsverfahrens gewesen. Das Ergebnis der Änderungsplanung habe nicht nur gewichtige Auswirkungen auf ihr - der Antragstellerin - Stadtgebiet, sondern sei auch landesplanerisch nicht gewollt. Die derzeit ausgeglichene Versorgungsstruktur innerhalb des Mittelzentrums B-A-Stadt werde durch die erweiterte Zulassung von Einzelhandel im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Alter Graben II" wesentlich beeinträchtigt. An einem dafür ungeeigneten Standort würden am allgemeinen Bedarf vorbei neue Einzelhandelsbetriebe rechtlich zugelassen. Das Ergebnis einer derartigen verfehlten Bauleitplanung sei eine erhebliche Schwächung der beiden attraktiven Innenstädte im Mittelzentrum B-A-Stadt. Die Änderungsplanung habe im Übrigen schädliche Wirkungen auf den Verkehr innerhalb ihres - der Antragstellerin - Stadtgebiets. Ein Verstoß gegen das Abstimmungsgebot könne auch nicht mit dem Argument negiert werden, die Planung habe keine unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf ihr Stadtgebiet. Hierauf könne sich die Antragsgegnerin nicht zurückziehen, weil sie im Planungsverfahren die Auswirkungen nicht untersucht habe.

Die Antragstellerin beantragt,

den am 20. Februar 2003 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan "Alter Graben II, 1. Änderung" der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt sie vor, der Antragstellerin fehle es bereits an der Antragsbefugnis. Zwar werde die Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots des § 2 Abs. 2 BauGB gerügt. Die Antragstellerin mache jedoch nicht deutlich, inwieweit das Abstimmungsgebot verletzt sein solle. Mit der ersten Änderung des Bebauungsplans "Alter Graben II" werde im Wesentlichen das Erschließungskonzept des ursprünglichen Plans geändert. Insbesondere werde eine direkte Anbindung aller festgesetzten Gewerbeflächen an die Erschließungsstraßen und eine insgesamt schnelle und unmittelbare Verkehrsführung von und zur Bundesstraße 47 ermöglicht. Außerdem solle durch die im nord-westlichen Teil nunmehr vorgesehene Ringerschließung die Möglichkeit der Einbringung von Ver- und Entsorgungsleitungen geschaffen sowie die Trassenführung deutlich optimiert werden. Zugleich würden die gegenwärtig nicht erschlossenen und anderweitig nicht erschließbare Gewerbeflächen im Bereich des bestehenden Bebauungsplans "Alter Graben II" (Flurstücke 233/2, 234 und 235/4) an das öffentliche Straßen- und Infrastrukturnetz angebunden. Die im ursprünglichen Bebauungsplan festgesetzte Art der baulichen Nutzung bleibe erhalten. Im Übrigen treffe der Bebauungsplan die Festsetzung, dass auf den Bauflächen GEe 1, GE 2 und GEe 3 Einrichtungen von Einzelhandelsverkaufsflächen nur für die Selbstvermarktung im Gebiet produzierender und verarbeitender Betriebe zulässig sei, wenn die Verkaufsfläche einen untergeordneten Teil der durch den Betrieb überbauten Flächen einnehme. Für die festgesetzten Bauflächen GE 4 und GE 5 gelte, dass Einrichtungen von Einzelhandelsverkaufsflächen für innenstadtrelevante Sortimente und Sortimentgruppen unzulässig seien. Infolgedessen seien von der angegriffenen Planung unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf das Stadtgebiet der Antragstellerin nicht zu befürchten. Derart gewichtige Auswirkungen würden von der Antragstellerin weder substantiiert behauptet noch dargelegt. Großflächige Einzelhandelsbetriebe, die nachteilige Wirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO nach sich zögen, würden durch die Planung nicht zugelassen. Im Übrigen rüge die Antragstellerin auch nicht, dass im Rahmen des "einfachen" Abwägungsgebotes nach § 1 Abs. 6 BauGB negative Auswirkungen durch die planerischen Festsetzungen zu befürchten seien. Der Normenkontrollantrag sei darüber hinaus aber auch unbegründet. Fehler im Verfahren seien nicht erkennbar. Materiell rechtlich sei weder das qualifizierte Abstimmungsgebot gemäß § 2 Abs. 2 BauGB noch das einfache Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 6 BauGB verletzt worden. Der Bebauungsplan sei an die Ziele der Raumordnung angepasst. Im Regionalen Raumordnungsplan Südhessen vom April 1995 sei der Planbereich, der östlich an die bestehenden Gewerbefläche "Am alten Graben" im Dorf B. anschließe als gewerbliche Zuwachsfläche festgelegt worden. Der Regionalplan Südhessen 2000 lege den Planbereich als "Bereich für Industrie und Gewerbe" fest. Aus einer Markt- und Standortanalyse der Firma GFK P. Institut für Handels-, Stadt- und Regionalforschung, Stand: Juli 2001 (dort Nr. 4.3), ergebe sich, dass im innerstädtischen Einkaufsbereich der Antragstellerin aus der Branchengruppe Nahrungs- und Genussmittel neben Betrieben des Ladenhandwerks (Bäcker, Metzger) vorwiegend nur kleinflächiger Einzelhandel existiere (zwei Apotheken, zwei Optiker, drei Drogeriegeschäfte, zwei Schleckermärkte). Einen weiteren Einzelhandelsschwerpunkt bilde in der Innenstadt von A-Stadt die Branchengruppe "Hausrat, Glas und Porzellan". Hier würden jedoch vorwiegend Souvenirs verkauft. Darüber hinaus weise die Innenstadt der Antragstellerin noch drei Blumen- und zwei Fahrradläden auf. Am Rande des innerstädtischen Einkaufsbereichs liege in etwas rückversetzter Lage in der Marktstraße ein Aldimarkt (750 m² Verkaufsfläche) sowie in der Friedrich-Ebert-Straße ein Extra-Verbrauchermarkt (ca. 2000 m²). Neben vereinzelten Läden, Handwerk und Apotheken existierten im Außenbereich an der Industriestraße ein Lidl-Discountmarkt (800 m²) sowie im Stadtteil C. ein Toom-Verbrauchermarkt (6.300 m²). Durch die weitgehende Einschränkung von Einzelhandelsverkaufsflächen in den Gebietsteilen 1, 2 und 3 sowie durch die Sortimentsbegrenzungen in den Gebietsteilen 4 und 5 würden Einflüsse auf bestehende Einrichtungen im Stadtgebiet der Antragstellerin ausgeschlossen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen Bezug genommen auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, einen Hefter "Zusammenstellung der Verfahrensunterlagen Bebauungsplan 'Alter Graben II, 1. Änderung' ", einen Hefter "Zusammenstellung der Verfahrens- und Genehmigungsunterlagen Änderung des wirksamen Flächennutzungsplans im Bereich 'Alter Graben ' " sowie den am 18. Januar 2001 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan "Alter Graben II" nebst Begründung. Die vorgenannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.

II.

Die Entscheidung ergeht durch Beschluss nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Alternative 2 VwGO, da der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden und haben sich damit einverstanden erklärt.

Der Normenkotrollantrag ist statthaft, da die Antragstellerin sich gegen einen nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossenen Bebauungsplan wendet, dessen Gültigkeit vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO überprüft werden kann.

Der Normenkontrollantrag ist allerdings unzulässig, da es der Antragstellerin an der gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO notwendigen Antragsbefugnis fehlt.

Nach der vorgenannten Bestimmung kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden sowie jede Behörde stellen.

Die Antragstellerin ist nicht als juristische Person antragsbefugt, da sie nicht geltend machen kann, dass sie durch den angegriffenen Bebauungsplan und dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt ist oder in absehbarer Zeit verletzt wird.

An die Geltendmachung der Rechtsverletzung sind grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen, als sie auch für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gelten (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, NJW 1999, 592). Ob eine Rechtsverletzung möglich ist, ist zwar danach nicht mit der Intensität zu prüfen, welche der Prüfung der Begründetheit eines Normenkontrollantrags vorbehalten ist. Die an sich gebotene Sachprüfung darf nicht als Frage der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags behandelt werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215). Zu verlangen ist aber, dass in substantiierter Form hinreichend konkrete Anhaltpunkte dargelegt werden, die eine Verletzung in eigenen Rechten möglich erscheinen lassen.

In diesem Sinne hat die Antragstellerin nicht hinreichend dargetan, dass eine Verletzung ihrer Rechte dadurch möglich erscheint, dass die Antragsgegnerin bei Erlass des angegriffenen Bebauungsplans gegen das interkommunale Abstimmungsverbot verstoßen hätte, das in § 2 Abs. 2 des Baugesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BGBl. I S. 2141) - BauGB - enthalten ist. Diese Fassung des Gesetzes findet nach § 233 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414) auf den hier zur Überprüfung gestellten Bebauungsplan weiterhin Anwendung.

Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 BauGB kann zwar eine Verletzung der durch die Vorschrift begünstigten Nachbargemeinde in eigenen Rechten darstellen.

Nach der vorgenannten Bestimmung sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Dieses so umschriebene interkommunale Abstimmungsgebot steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB und stellt gleichzeitig eine besondere Ausprägung dieses Gebots dar. Befinden sich benachbarte Gemeinden objektiv in einer Konkurrenzsituation, so darf keine von ihrer Planungshoheit rücksichtslos zum Nachteil der anderen Gebrauch machen. Das Gebot, Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen, lässt sich als gesetzliche Ausformung des in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts verstehen. § 2 Abs. 2 BauGB liegt die Vorstellung zu Grunde, dass benachbarte Gemeinden sich mit ihrer Planungsbefugnis im Verhältnis der Gleichordnung gegenüber stehen. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen den benachbarten Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange. Eine Nachbargemeinde kann sich unabhängig davon, welche planerischen Absichten sie für ihr Gebiet verfolgt und bereits umgesetzt hat, gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art, die von dem benachbarten Gemeindegebiet ausgehen, zur Wehr setzen. Maßgebend ist insoweit die Reichweite der Auswirkungen, die sich auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung in der Nachbargemeinde beziehen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1972 - BVerwG 4 C 17.71 -, BVerwGE 40, 323; Urteil vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209; Beschluss vom 9. Mai 1994 - BVerwG 4 NB 18.94 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 89; Beschluss vom 9. Januar 1995 - BVerwG 4 NB 42.94 -, Buchholz 406.11 § 2 BauGB Nr. 37; OVG Thüringen, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 1 N 501/01 -, DÖV 203, 636 = BauR 2003, 1862). Die Bedeutung des § 2 Abs. 2 BauGB liegt darin, dass eine Gemeinde, die ihre eigenen Vorstellungen selbst um den Preis von gewichtigen Auswirkungen für die Nachbargemeinde durchsetzen möchte, einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Pflicht zur formellen und materiellen Abstimmung im Rahmen der Planung unterliegt. Die Missachtung der Pflicht zur Abstimmung berührt den durch § 2 Abs. 2 BauGB erfassten Rechtskreis und verletzt dadurch die benachbarte Gemeinde in eigenen Rechten (BVerwG, Urteil vom 1. August 2002 - BVerwG 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25).

Das interkommunale Abstimmungsgebot vermittelt aber nicht gleichsam automatisch die Befugnis, alle Bebauungspläne einer Nachbargemeinde zum Gegenstand einer Normenkontrolle zu machen, die einen räumlichen Bezug zum eigenen Gemeindegebiet haben (vgl. dazu OVG Saarland, Urteil vom 21. März 1995 - 2 N 3/93 -, BRS 57 Nr. 47). Nur bei Vorliegen oder der Möglichkeit gewichtiger Auswirkungen der angegriffenen Planung auf die städtebauliche Ordnung oder Entwicklung des Stadtgebiets der Nachbargemeinde kann von einem Anspruch gegen die planende Gemeinde auf Abstimmung ausgegangen werden, der auf Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen auf das eigene Gemeindegebiet gerichtet ist und die Antragsbefugnis begründet.

Die Möglichkeit unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art, die von der angegriffenen Planung auf die städtebauliche Entwicklung in ihrem Stadtgebiet ausgehen könnten, zeigt die Antragstellerin in hinreichend substantiierter Form nicht auf. Die bloße Behauptung, die Antragsgegnerin habe bei Aufstellung des angegriffenen Bebauungsplans das interkommunale Abstimmungsgebot missachtet, genügt nach dem oben Gesagten nicht, da nicht alle Bauleitpläne im nachbargemeindlichen Verhältnis abstimmungsbedürftig sind (so auch OVG Thüringen, Beschluss vom 19. Dezember 2002, a.a.O.). Weist eine Nachbargemeinde - wie hier - ein Gewerbegebiet aus und sind im Hinblick auf die Schaffung von Einzelhandelsverkaufsflächen vielfache Beschränkungen vorgesehen, bedarf es konkreter Anhaltspunkte, um von einer das interkommunale Abstimmungsgebot auslösenden grenzüberschreitenden Wirkung der Planung ausgehen zu können. Anders als bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO besteht keine Vermutung dahingehend, dass von Einzelhandelsbetrieben, die in Gewerbegebieten zulässig sind, negative Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung und auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche im Gebiet einer Nachbargemeinde ausgehen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 1. August 2002 - BVerwG 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25).

Aus den pauschalen Behauptungen der Antragstellerin wird nicht ersichtlich, dass der in geringem Umfang durch den Änderungsplan zusätzlich zugelassene Einzelhandel gewichtige Auswirkungen auf die Einzelhandelsstruktur im Stadtgebiet der Antragstellerin haben könnte. Vielmehr erscheinen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Antragstellerin ausgeschlossen. Da die Festsetzung betreffend die Art der baulichen Nutzung "Gewerbegebiet" durch den Änderungsbebauungsplan unverändert bleibt, sind nach wie vor im Plangebiet großflächige Einzelhandelbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO unzulässig. Im Übrigen wird zwar für den gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans die im Vorgängerbebauungsplan enthalten textliche Einschränkung aufgehoben, dass die Errichtung von Einzelhandelsverkaufsflächen für Nahrungs- und Genussmittel, Reformwaren und Lederwaren unzulässig ist. In den Plangebieten GEe 1, GE 2 und GEe3 verbleibt es aber im Übrigen bei der bereits im ursprünglichen Plan enthaltenen Einschränkung, dass Einzelhandelsverkaufsflächen nur für die Selbstvermarktung im Gebiet produzierender und verarbeitender Betriebe zulässig sind mit der weitergehenden Einschränkung, dass die Verkaufsfläche nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen darf. Hinzu kommt, dass in den Gebieten, die als GEe bezeichnet werden, nur Betriebe und Anlagen errichtet werden dürfen, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Lediglich in den Plangebieten GE 4 und GE 5 ist Einzelhandel bis zur Grenze der Großflächigkeit auch für nicht selbstvermarktende Betriebe zulässig. Eine Relevanz für das Stadtzentrum der Antragstellerin kann jedoch auch hinsichtlich der dort möglichen Nutzungen nicht erkannt werden, da zum einen großflächige Betriebe - auch des Lebensmitteleinzelhandels - weiterhin unzulässig sind und darüber hinaus für diese beiden Blöcke eine Ausschluss für innenstadtrelevante Sortimente und Sortimentsgruppen wie Hausrat / Glas / Porzellan / Geschenkartikel, Spielwaren, Schuhe / Lederwaren, Uhren / Schmuck, Kunstgewerbe / Antiquitäten, Bücher und Schreibwaren festgesetzt ist.

Ein nach § 2 Abs. 2 BauGB abstimmungsbedürftiger Sachverhalt ergibt sich auch nicht aus der Behauptung der Antragstellerin, die Verwirklichung der Planung habe negativen Einfluss auf die Verkehrssituation in ihrem Stadtgebiet. Dass auf Grund der angegriffenen Planung im Stadtgebiet der Antragstellerin Verkehrsströme umgelenkt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1972 - BVerwG 4 C 17.71 -, a.a.O.) und deshalb dort eine planerische Folgenbewältigung notwendig würde, kann weder dem Vorbringen der Antragstellerin noch dem übrigen Inhalt der Akten entnommen werden. Der Behauptung, die Planung habe negativen Einfluss auf die Verkehrssituation im Stadtgebiet der Antragstellerin mangelt es schon deshalb an der zu fordernden Plausibilität, weil das Plangebiet direkt über die Bundesstraße 47 erschlossen wird.

Die Antragstellerin kann - entgegen ihrer Auffassung - nach § 2 Abs. 2 BauGB nicht uneingeschränkt eine Berücksichtigung ihrer Interessen verlangen. Sie kann namentlich nicht beanspruchen, vor jedweder Konkurrenz aus einer Nachbargemeinde verschont zu bleiben. § 2 Abs. 2 BauGB hat nur zum Ziel, dass die planende Gemeinde auf Belange benachbarter Gemeinden Rücksicht nimmt und vermeidet, dass dort unzumutbare Auswirkungen gewichtiger Art auf das städtebauliche Gefüge entstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 4 C 36.86 -, BVerwGE 34, 209; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 7. März 2002 - 1 MN 3976/01 -, BRS 65 Nr. 39).

Nach alledem erscheint es nicht möglich, dass die angegriffene Planung das Recht der Antragstellerin auf Abstimmung nach § 2 Abs. 2 BauGB verletzt.

An dieser Einschätzung vermag es auch nichts zu ändern, dass die Antragsgegnerin nach der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs und der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange die Festsetzungen zur Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben geändert hat, ohne in eine erneute öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 3 BauGB und - insbesondere - eine erneute Trägerbeteiligung (§ 4 Abs. 4 Satz 1 BGB) einzutreten. Dies hat zwar dazu geführt, dass die Antragstellerin zu den im Aufstellungsverfahren geänderten Planungsabsichten nicht Stellung nehmen konnte. Deshalb hat die Antragstellerin aber noch nicht unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Situation in ihrem Stadtgebiet zu befürchten. Spätestens im Normenkontrollverfahren hätte die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt, derartige Auswirkungen, die von der nach der Trägerbeteiligung beschlossenen erweiterten Zulässigkeit von Einzelhandel auf ihr Stadtgebiet ausgehen, substantiiert zu behaupten.

Die Antragstellerin ist auch nicht als Behörde antragsbefugt.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO können neben natürlichen oder juristischen Personen auch Behörden Antragsteller eines Normenkontrollverfahrens sein. Im Gegensatz zu natürlichen und juristischen Personen sind Behörden unter erleichterten Voraussetzungen antragsbefugt, da sie nicht die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Recht geltend machen müssen; dies wäre auch nicht denkbar, da Behörden grundsätzlich nicht Träger subjektiver Rechte sein können. Das Behördenantragsrecht hat den Zweck, eine zur Normanwendung berufene Behörde von dem Zwang freizustellen, eine von ihr als unwirksam angesehene Norm vollziehen und damit eventuell rechtswidrig handeln zu müssen (vgl. dazu Urteil des Senats vom 15. Dezember 2003 - 9 N 639/02 -, juris = BauR 2004, 719 [Ls] = DÖV 2004, 759 [Ls]).

Dies ist hier nicht der Fall. Der Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans berührt nicht das Gebiet der Antragstellerin, so dass ihre Behörden den Bebauungsplan nicht zu beachten haben (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 1987 - 5 S 2472/86 - NVwZ 1987, 1088; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. März 2002 - 8 C 11131/01 -, DÖV 2002, 622 = NuR 2002, 420; Uechtritz, BauR 1999, 572 (585, Fn. 91().

Die Kosten des nach alledem erfolglos gebliebenen Normenkontrollverfahrens hat die Antragstellerin nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F., 72 Nr. 1 GKG. Der Senat bewertet die Bedeutung der Sache für die Antragstellerin unter Berücksichtigung der geltend gemachten Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit mit 50.000,-- €.

Ende der Entscheidung

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