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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.03.2004
Aktenzeichen: 9 TG 2671/03
Rechtsgebiete: BImSchG, VwGO
Vorschriften:
BImSchG § 22 Abs. 1 | |
BImSchG § 3 Abs. 1 | |
VwGO § 123 | |
VwGO § 80 | |
VwGO § 80a |
2. Die Immissionsrichtwerte der TA Lärm 1998 beinhalten für den Regelfall einen tauglichen Maßstab für die Feststellung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Geräusche.
3. Einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten nach § 80a Abs. 3, Satz 1, 3. Fall in Verbindung mit § 80a Abs. 1 Nr. 2, 2. Fall VwGO kann das Gericht nur gegenüber dem Adressaten des begünstigenden Verwaltungsaktes anordnen.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Baurechts
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer, Richter am Hess. VGH Schönstädt
am 26. März 2004 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 15. August 2003 - 2 G 1568/02(1) - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,-- € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beschwerde betrifft einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt, der dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen eine dem Beigeladenen zu 2. erteilte Baugenehmigung versagte.
Der Antragsteller und der Beigeladene zu 2. sind Eigentümer der aneinander grenzenden Grundstücke B-Straße 4 und E-Straße 47 in A-Stadt. Der Antragsgegner erteilte dem Beigeladenen zu 2. mit Bescheid vom 19. April 2001 eine Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung des Grundstücks E-Straße 47 von einer Lederwarenfabrikation in einen Zustellstützpunkt ("Briefpostverteilung"). Die Baugenehmigung enthält u. a. die Nebenbestimmung, dass zum Schutz der Anlieger vor Geräuschimmissionen im Einwirkungsbereich Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tagsüber sowie 45 dB(A) nachts einzuhalten seien. Kurzzeitige Geräuschspitzen dürften den Tageswert um nicht mehr als 30 dB(A) und den Nachtwert um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. Die Nachtzeit beginne um 22.00 Uhr und ende um 6.00 Uhr.
Die Beigeladene zu 1. ist Mieterin des Grundstücks des Beigeladenen zu 2. und betreibt dort seit Ende Januar 1998 - zunächst ungenehmigt - einen Zustellstützpunkt der Niederlassung Brief in Frankfurt. Der Antragsteller versuchte hiergegen seit Februar 1998 ein bauaufsichtsrechtliches Einschreiten des Antragsgegners zu erreichen. Das im Rahmen des vom Beigeladenen zu 2. betriebenen Genehmigungsverfahrens vorgelegte Gutachten der I- GmbH & Co KG vom 29. November 1999 ermittelte für den Zustellstützpunkt Immissionen mit einem Beurteilungspegel von 59,6 dB(A) tagsüber.
Gegen die dem Beigeladenen zu 2. erteilte Baugenehmigung vom 19. April 2001, von der der Antragsteller nach eigener Angabe erst am 22. April 2002 Kenntnis erlangte, legte er am 23. April 2002 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Im Zivilrechtsweg verfolgte der Antragsteller seit 1998 einen privatrechtlichen Anspruch auf Einstellung des Zustellungsstützpunktes gegenüber den Beigeladenen. Das Landgericht Darmstadt erhob Beweis durch Augenscheinseinnahme sowie - über die vom Zustellstützpunkt ausgehenden Lärmimmissionen - durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. ... Mit Urteil vom 21. September 2000 - 9 O 568/98 - wies das Landgericht die Klage des Antragstellers ab. Der Antragsteller habe nicht den Beweis erbracht, dass es sich bei den Lärmimmissionen, die auf sein in einem Mischgebiet gelegenes Grundstück einwirken, um wesentliche im Sinne des § 906 BGB handele. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils sowie das Gutachten des Dr. .. vom 29. März 2000 Bezug genommen. Die Berufung des Antragstellers wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 2. Mai 2002 - 12 U 221/00 - zurück, auf dessen Inhalt gleichfalls verwiesen wird.
Am 11. Juli 2002 suchte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Darmstadt um vorläufigen Rechtsschutz nach und beantragte, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen zu 2. erteilte Baugenehmigung anzuordnen und dem Antragsgegner aufzugeben, der Beigeladenen zu 1. die Fortführung des Zustellstützpunktes zu untersagen. Mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss vom 15. August 2003 lehnte das Verwaltungsgericht Darmstadt den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Das Grundstück des Beigeladenen zu 2. liege im unbeplanten Innenbereich. Nach der Eigenart seiner näheren Umgebung befinde es sich in einem Mischgebiet. Nach § 22 BImSchG seien nicht genehmigungsbedürftige Anlagen - wie der Zustellstützpunkt - so zu errichten und so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert würden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar seien, bzw. dass nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt würden. Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei unter Berücksichtigung der zivilgerichtlichen Entscheidungen und des Sachverständigengutachten des Dr. ........ nicht feststellbar, dass die vom Zustellstützpunkt ausgehenden Immissionen unzumutbar seien. Wegen der Begründung im Einzelnen nimmt der Senat auf den angegriffenen Beschluss Bezug, der dem Antragsteller am 9. September 2003 zugestellt wurde.
Am 23. September 2003 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
Er wendet sich gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, nach der der Zustellstützpunkt der Beigeladenen zu 1. und sein Grundstück städtebaurechtlich in einem Mischgebiet lägen. Der Gebietstyp entspreche vielmehr dem eines allgemeinen Wohngebietes. Die vom Verwaltungsgericht aufgelisteten Gewerbebetriebe seien im Wesentlichen solche, die nicht mit einem größeren Zufahrts- bzw. Abfahrtsverkehr verbunden seien. Diese Betriebe dienten gleichzeitig auch der örtlichen Versorgung. Von diesem Gebietscharakter wichen lediglich der Jeansladen und die (frühere) Lederwarenfabrik auf dem jetzt als Zustellstützpunkt genutzten Grundstück ab. Beim Jeansladen sei jedoch zu berücksichtigen, dass sich der Zu- bzw. Abfahrtsverkehr im Wesentlichen über einen geschlossenen Hof abwickele, so dass von dem Laden keine erheblichen Beeinträchtigungen ausgingen. Das Geschäft habe zudem Öffnungszeiten, durch die insbesondere die morgendliche und abendliche Ruhe des Gebietes nicht beeinträchtigt würde. Die Besucher des Jeansladens parkten auf dem durch entsprechende Wände abgeschirmten Gelände. Der Betriebsumfang der Lederfabrik sei so gering gewesen, dass sie in ein allgemeines Wohngebiet gepasst habe. Die für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerte aber würden durch die Immissionen des Zustellstützpunktes - nach beiden Gutachten Beurteilungspegel von annähernd 60 dB(A) - jedenfalls überschritten.
Auch bei einer Gemengelage zwischen allgemeinem Wohngebiet und Mischgebiet dürften die für ein Mischgebiet geltenden Grenzwerte nicht annähernd erreicht werden. Selbst in einem Mischgebiet sei - bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung - der Zustellstützpunkt als ein das Wohnen wesentlich störender Gewerbebetrieb unzulässig. Der Lärm konzentriere sich auf die frühen Morgen- und die späten Nachmittagstunden, morgens werde er an sechs Tagen pro Woche verursacht. Die von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (GMBl., S. 503) - TA Lärm - für ein Mischgebiet gezogenen Grenzwerte würden zudem nur minimal unterschritten.
Es dürfe weiterhin nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Zahl der Fahrzeugbewegungen auf dem Zustellstützpunkt gegenüber der Zahl, von der die Gutachten ausgegangen seien, erhöht habe. Hierdurch würden sich Geräuschpegel ergeben, die auch im Mischgebiet nicht zulässig seien.
Sein - des Antragstellers - Schutz vor unzumutbaren Immissionen sei ferner nicht durch die der Genehmigung beigefügten immissionsschutzrechtlichen Auflagen gewährleistet. Im Hinblick auf den mit Messungen verbundenen Kostenaufwand habe er faktisch keine Möglichkeit, die Einhaltung der Lärmgrenzwerte zu überprüfen.
An seinem auf Betriebseinstellung gerichteten Antrag, den das Verwaltungsgericht allenfalls konkludent abgelehnt habe, halte er ausdrücklich fest.
Wegen des Beschwerdevorbringens im Einzelnen wird auf den Schriftsatz des Antragstellers vom 6. Oktober 2003 Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
1. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 15. August 2003 - 2 G 1568/02 (1) - abzuändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen zu 2. erteilte Baugenehmigung vom 19. April 2001 anzuordnen,
2. dem Antragsgegner aufzugeben, der Beigeladenen zu 1. die Fortführung des Zustellstützpunktes auf dem Grundstück E-Straße 47 zu untersagen.
Der Antragsgegner und die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1. verteidigt die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt und weist insbesondere auf das öffentliche Interesse an der Postversorgung hin.
II.
Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt bleibt ohne Erfolg.
Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Prüfung des Senats bestimmen, lassen die Feststellung, das Verwaltungsgericht habe den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen zu 2. erteilte Baugenehmigung anzuordnen, zu Unrecht abgelehnt, nicht zu.
Nach § 80a Abs. 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs eines Dritten gegen einen den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakt anordnen, wenn die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Dritten kraft Gesetzes - wie hier gemäß § 212a Abs. 1 BauGB - entfällt. Der Antrag ist begründet, wenn das Interesse des Dritten am einstweiligen Nichtvollzug des begünstigenden Verwaltungsaktes - hier der Baugenehmigung - das Interesse des Verwaltungsaktsadressaten, den begünstigenden Verwaltungsakt zu nutzen, überwiegt. Diese Interessenabwägung orientiert sich in erster Linie an den Erfolgsaussichten der Hauptsache. Daher überwiegt das Aussetzungsinteresse des Dritten, wenn eine dem Adressaten erteilte Genehmigung nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens den Dritten in seinen Rechten verletzt, d. h. die Genehmigung gegen bei ihrer Erteilung zu prüfende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die auch den Schutz des Dritten bezwecken. Umgekehrt ist der Antrag des Dritten abzulehnen, wenn die Genehmigung ihn offensichtlich nicht in eigenen Rechten verletzt. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens über den Rechtsbehelf des Dritten offen, hat das Gericht eine Abwägung der Interessen vorzunehmen, die für oder gegen ein sofortiges Gebrauchmachen von der Genehmigung sprechen. Führt diese Abwägung dazu, dass den widerstreitenden Interessen etwa gleich großes Gewicht beizumessen ist, hat es sein Bewenden bei der gesetzlichen Ausgangslage (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 30. Dezember 1994 - 4 TH 2064/94 -, NVwZ 1995, 1010 (1011().
Eine Rechtswidrigkeit der dem Beigeladenen zu 2. erteilten Baugenehmigung vom 19. April 2001, die eine Rechtsverletzung des Antragstellers bewirkt, ist nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht gegeben.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der dem Beigeladenen zu 2. erteilten Baugenehmigung ist der ihrer Erteilung. Veränderungen zum Nachteil des Bauherrn, die nach Erteilung der Baugenehmigung eingetreten sind, dürfen - anders als solche zu seinem Vorteil - nicht berücksichtigt werden, da die dem Bauherrn mit der Genehmigung nach Art. 14 GG zustehende Rechtsposition ohne besondere Rechtsgrundlage nicht mehr entzogen werden darf (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. November 1987 - 4 TG 1913/87 -, NVwZ-RR 1988, 3; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. April 1995 - 3 S 2514/94 -, VBlBW 1995, 481 [483]).
Rechtsgrundlage der dem Beigeladenen zu 2. erteilten Baugenehmigung vom 19. April 2001 ist hiernach § 70 Abs. 1 der Hessischen Bauordnung vom 20. Dezember 1993 (GVBl. I, S. 655) - HBO 1993 -. Nach dieser Vorschrift ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 HBO 1993 sind die Normen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts sowie Regelungen anderer Fachgesetze, soweit sie Aussagen über Bauvorhaben treffen und nicht in einem besonderen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1989 - BVerwG 4 C 1.88 -, NVwZ 1989, 1163 (1165(; Ortloff, NVwZ 1988, 399 (402(). Der Schutz des Nachbarn vor ihm nicht zumutbaren Immissionen eines Vorhabens wird nach diesem Regelungsgefüge im Baugenehmigungsverfahren durch das in einzelnen Vorschriften des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung angelegte Gebot der Rücksichtnahme sichergestellt, das - abhängig von der planungsrechtlichen Lage des Grundstücks - bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften zu beachten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1983 - BVerwG 4 C 59.79 -, NVwZ 1983, 609; BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 - BVerwG 4 C 74.78 -, BVerwGE 68, 58 (60(). Daneben bewirken die §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, wenn das bauliche Vorhaben dem Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 BImSchG unterfällt und keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, Lärmschutz (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 16. Juli 1985 - 1 BA 13/85 -, NVwZ 1986, 672 (673(; OVG Hamburg, Beschluss vom 13. Oktober 1989 - Bs II 44/89 -, NVwZ 1990, 379 f.). Inhaltlich decken sich der durch das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot und der durch §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG gewährleistete Immissionsschutz des Nachbarn: Immissionen, die nach §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG für die Umgebung als zumutbar gelten, sind nicht rücksichtslos im Sinne des Bauplanungsrechts (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983, a. a. O., S. 59 ff; Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, Rdnr. 370). Die konkrete Bestimmung des Maßes der - bauplanungsrechtlich - gebotenen Rücksichtnahme sowie der - immissionsschutzrechtlichen - Zumutbarkeit einer Immissionsbelastung für den Nachbarn orientiert sich - soweit der jeweilige Anwendungsbereich eröffnet ist - an den Rechtsverordnungen nach §§ 23, 48a BImSchG sowie an der TA Lärm und der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24. Juli 2002 (GMBl. S. 511) - TA Luft - als normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG (vgl. BayVGH, Beschluss vom 21. Oktober 1996 - 20 Cs 96.1561 u. a. -, NVwZ-RR 1997, 464; Seidel, a. a. O., Rdnr. 372 ff.).
Den Anforderungen, die die für das Vorhaben maßgebliche TA Lärm an den Lärmschutz stellt, wird die Baugenehmigung vom 19. April 2001 nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Antragstellers gerecht.
Die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassene TA Lärm ist eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift, der eine auch von den Gerichten zu beachtende Bindungswirkung zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 8 C 16.96 -, DVBl. 1999, 399 (400(). Diese Bindungswirkung beruht darauf, dass der Gesetzgeber der Verwaltung bei der Bestimmung des Begriffs der schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche im Sinne des § 3 BImSchG einen Beurteilungsspielraum eingeräumt und in § 48 BImSchG vorgesehen hat, dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff auf Grund von fachlichen Feststellungen, Bewertungen und Prognosen von der Verwaltung konkretisiert werden soll. Konsequenz dieser vom Gesetzgeber eröffneten Konkretisierung eines exekutiven Beurteilungsspielraums ist es, dass auch die Gerichte in den Grenzen der Beurteilungsfehlerlehre an die Aussagen normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften gebunden sind, d. h. solange diese den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und nicht durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 1995 - BVerwG 7 B 112.94 -, UPR 1995, 196; BayVGH, Urteil vom 20. Juli 1994 - 20 A 92.40087 u.a. - NVwZ 1996, 284 (294(). Bei der Anwendung der TA Lärm sind zudem die Grenzen ihrer Aussagekraft zu beachten. Die TA Lärm gibt - abhängig vom Immissionsort - Immissionsrichtwerte vor (Nummern 6.1 und 6.6 der TA Lärm). Als Richtwerte, auf deren Einhaltung sich die Prüfung bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach Nummer 4.2 TA Lärm grundsätzlich beschränkt, beinhalten sie für den Regelfall einen tauglichen Maßstab für die Feststellung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Geräusche. Im atypischen Sonderfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass im Einzelfall wesentliche, in der Regelfallprüfung nicht berücksichtigte Faktoren hinzutreten, bedarf es dagegen einer Zumutbarkeitskontrolle, in die wertende Elemente wie etwa Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz der jeweiligen Immission einfließen (vgl. zu Vorstehendem: Kutscheidt, NVwZ 1999, 577 (578(; Seidel, a. a. O., Rdnr. 520 ff.).
Nach diesem Maßstab sind die als Auflage angeordneten Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts, die die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vom 19. April 2001 im Hinblick auf den Lärmschutz sicherstellen sollen, nicht zu beanstanden. Die mit der Baugenehmigung verbundenen Richtwerte entsprechen den Immissionsrichtwerten für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Mischgebieten nach Nummer 6.1 c) der TA Lärm; die zugelassenen kurzzeitigen Geräuschspitzen sind gleichfalls in Nummer 6.1 der TA Lärm vorgesehen.
Die mit der Beschwerde angegriffene Feststellung des Verwaltungsgerichts, nach der das Grundstück des Beigeladenen zu 2., auf dem die Beigeladene zu 1. den Zustellstützpunkt betreibt, in einem Gebiet nach § 34 BauGB liege, das nach der Eigenart der näheren Umgebung einem Mischgebiet entspreche, weist keine rechtlichen Defizite auf. Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Das Mischgebiet ist dadurch gekennzeichnet, dass es für das Wohnen und für das nicht störende Gewerbe im Sinne einer Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit beider Nutzungsarten offen steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 1996 - BVerwG 4 B 51.96 -, NVwZ-RR 1997, 463). Demgegenüber dient das allgemeine Wohngebiet - in dem der Antragsteller den Zustellstützpunkt und sein Grundstück gelegen sieht - nach § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Da Nutzungen außerhalb des Wohnens einen klar erkennbaren Wohncharakter des allgemeinen Wohngebiets nicht in Frage stellen dürfen, müssen die nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO dort allgemein zulässigen gewerblichen Betriebe der Versorgung des Gebiets dienen.
Nach diesen Kriterien stellt sich das Gebiet, in dem der Zustellstützpunkt gelegen ist, für den im Eilverfahren beschließenden Senat nicht als allgemeines Wohngebiet, sondern als Mischgebiet dar. Die Umgebung des Grundstücks des Beigeladenen zu 2., wegen deren Darstellung auf den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt sowie auf die Entscheidungsgründe der zivilgerichtlichen Urteile Bezug genommen wird, lässt einen überwiegenden Wohncharakter nicht mit der erforderlichen Klarheit erkennen. Die in der Umgebung befindlichen freiberuflichen und gewerblichen Einrichtungen befriedigen auch nicht vornehmlich Versorgungsbedürfnisse der Wohnbevölkerung des Gebiets. Vielmehr ist das Gebiet durch eine Wohnnutzung und eine gewerbliche Nutzung in etwa gleicher Weise geprägt und ist damit als Mischgebiet zu qualifizieren.
Der gegen die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ferner erhobene Einwand, auch bei Annahme eines Mischgebiets seien die nach der Genehmigung zulässigen Lärmwerte dem Antragsteller bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung nicht zumutbar, führt gleichfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. Der Antragsteller hat mit der Beschwerde nicht dargetan, dass die vom Zustellstützpunkt aus auf sein Grundstück einwirkenden Immissionen spezielle Eigenschaften aufwiesen oder unter besonderen Umständen erfolgten, die einen von der TA Lärm nicht hinreichend erfassten atypischen Einzelfall begründeten. Namentlich berücksichtigt die TA Lärm in Nummer 6.4 nach Tag und Nacht differenzierende Beurteilungszeiten und sieht in Nummer 6.5 für bestimmte Gebiete Ruhezeitzuschläge vor.
Soweit mit der Beschwerde die Nichteinhaltung der zusammen mit der Baugenehmigung verfügten Immissionsrichtwerte durch die Beigeladene zu 1. behauptet wird, berührt dies nicht die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, sondern betrifft die Verwirklichung der mit ihr verbundenen immissionsschutzrechtlichen Auflage.
Das mit der Beschwerde ferner verfolgte Begehren, dem Antragsgegner im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufzugeben, der Beigeladenen zu 1. das Betreiben des Zustellstützpunktes zu untersagen, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Dabei lässt der Senat offen, ob ein Antrag, der - wie hier der Antrag zu 2. - zwar bereits erstinstanzlich gestellt gewesen ist, über den das Verwaltungsgericht aber nicht entschieden hat, im Hinblick auf den Beschleunigungszweck, den der Gesetzgeber für die Beschwerde im Eilverfahren mit dem Begründungserfordernis in § 146 Abs. 4 Sätze 2 und 3 VwGO sowie der Einschränkung der Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts in § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO betont, überhaupt zulässiger Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein kann (vgl. zur parallelen Problematik der nachträglichen Antragshäufung in der Beschwerde: Senatsbeschluss vom 5. Januar 2004 - 9 TG 2872/03 -). Denn das Rechtsschutzgesuch des Antragstellers, das als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO statthaft ist, ist jedenfalls unbegründet.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft, da ein gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangiger Antrag auf Erlass einstweiliger Sicherungsmaßnahmen durch das Gericht nach § 80a Abs. 3 Satz 1, 3. Fall VwGO i. V. m. § 80a Abs. 1 Nr. 2, 2. Fall VwGO ausscheidet. Zu einstweiligen Maßnahmen zur Sicherung der Rechte eines Dritten, der - wie der Antragsteller - einen Rechtsbehelf gegen den an einen Anderen - hier den Beigeladenen zu 2. - gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt - hier die Baugenehmigung - eingelegt hat, berechtigt § 80a VwGO das Gericht im Zusammenhang mit der Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes nur insoweit, als das Gericht der Behörde aufgeben kann, dem Genehmigungsadressaten gegenüber tätig zu werden. Der Antragsteller begehrt vom Gericht, den Antragsgegner zu Maßnahmen gegenüber der Beigeladenen zu 1. zu verpflichten, die nicht Genehmigungsadressatin, sondern eine weitere Dritte ist.
Die Unbegründetheit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung folgt daraus, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Ein Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner, der Beigeladenen zu 1. die Fortführung des Zustellstützpunktes zu untersagen, setzt - unabhängig von der Frage, ob als Anspruchsgrundlage für ein derartiges Begehren der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch oder § 72 Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Bauordnung vom 18. Juni 2002 (GVBl. I, S. 274) in Betracht kommt - voraus, dass der Betrieb des Zustellstützpunkts rechtswidrig in ein subjektives öffentliches Recht des Antragstellers eingreift. Eine solche Rechtsbeeinträchtigung durch die vom Zustellstützpunkt ausgehenden Immissionen, die zudem über Maßnahmen zur Wahrung der im Mischgebiet geltenden Immissionswerte hinaus die vom Antragsteller geforderte Untersagung des Zustellstützpunktes durch den Antragsgegner erforderlich macht, ist mit der Beschwerde nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren dem Antragsteller als unterlegener Partei nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeit aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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