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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.10.2002
Aktenzeichen: 9 TG 2712/02
Rechtsgebiete: Aufenthaltsgesetz/EWG, VwGO, Ausländergesetz, Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954


Vorschriften:

Aufenthaltsgesetz/EWG § 1 Abs. 1
Aufenthaltsgesetz/EWG § 12 Abs. 9
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
Ausländergesetz § 6 Abs. 1
Ausländergesetz § 23 Abs. 1
Ausländergesetz § 17 Abs. 1
Ausländergesetz § 72 Abs. 1
Ausländergesetz § 19 Abs. 1
Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 Art. III Abs. 1 Satz 3
Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 Art. XXV Abs. 4
1. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO hindert das Beschwerdegericht nicht, die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes umfassend und über die Darlegungen in der Beschwerdebegründung hinausgehend zu überprüfen, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag aus einem zu Unrecht als entscheidungserheblich angesehenen Gesichtspunkt stattgegeben hat und der Antragsgegner und Beschwerdeführer sich daher in seiner Beschwerdebegründung nur mit dieser Erwägung des Gerichts auseinandergesetzt hat. Anderenfalls liefe der in erster Instanz obsiegende - und deshalb zur Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens nicht gehaltene - Antragsteller und Beschwerdegegner Gefahr, mit seinem bereits vom Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigten, möglicherweise aber relevanten Vorbringen auch vor dem Beschwerdegericht unbeachtet zu bleiben (vgl. auch OVG Berlin, Beschluss vom 12. April 2002 - 8 S 41/02 -, NVwZ-Beilage I 9/2002, S. 98 f.; anders wohl Hess. VGH, Beschluss vom 5. Juli 2002 - 12 TG 959/02 -, ZAR 2002, S. 291).

2. Im übrigen Fall eines US-Staatsangehörigen, der sich schon deshalb nicht auf die Meistbegünstigungsklausel des Art. III Abs. 1 Satz 3 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 und damit auf eine eventuelle Gleichbehandlung mit ausländischen Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nach näherer Bestimmung des § 12 Aufenthaltsgesetz/EWG berufen kann, weil er die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz/EWG nicht erfüllt.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

9. Senat

9 TG 2712/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Schneider, Richter am VG Kassel Seggelke (abgeordneter Richter)

am 23. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 5. September 2002 (Az.: 4 G 274/02<3>) mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben und der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 23. November 2001 anzuordnen, zu Unrecht festgestellt, dass der Widerspruch insoweit aufschiebende Wirkung hat, als er sich gegen die Ablehnung des Antrags vom 17. April 1998 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis richtet. Zudem beanstandet die Antragsgegnerin zu Recht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der in vorgenanntem Bescheid enthaltenen Abschiebungsandrohung.

Die Vorinstanz hat ihre stattgebende Entscheidung darauf gestützt, auf den Antragsteller als Staatangehörigen der USA sei der Freundschaftsvertrag der Bundesrepublik Deutschland mit den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 anzuwenden. Nach Art. III Abs. 1 Satz 3 dieses Vertrages dürfe die (ausländerrechtliche) Behandlung eines US-Staatsangehörigen in Deutschland keinesfalls weniger günstig sein, als es Staatsangehörigen irgendeines dritten Landes zustehe oder vom Völkerrecht vorgeschrieben sei. Gemäß § 12 Abs. 9 des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in der Fassung vom 31. Januar 1980 finde § 72 Abs. 1 AuslG auf die Versagung der EG-Aufenthaltserlaubnis oder ihre Verlängerung keine Anwendung. Dem vom Antragsteller eingelegten Widerspruch komme dementsprechend aufschiebende Wirkung zu, wohingegen die Antragsgegnerin offenbar vom Vorliegen einer vollziehbaren Ausreisepflicht als Voraussetzung der in der angegriffenen Verfügung zugleich erfolgten Abschiebungsandrohung ausgegangen sei.

Dagegen hat die Antragsgegnerin zur Begründung ihres Rechtsmittels eingewandt, das Verwaltungsgericht habe die rechtliche Bedeutung der in Art. XXV Abs. 4 des Freundschaftsvertrages näher definierten Meistbegünstigungsklausel falsch interpretiert. Die Behandlung, die in der Bundesrepublik Deutschland den Staatsangehörigen von Staaten der Europäischen Union zuteil werde, könne nicht als Richtschnur für die Behandlung von Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika im Sinne der Meistbegünstigungsklausel angesehen werden. Innerhalb der Europäischen Union beanspruchten andere Voraussetzungen Geltung als im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika. Dementsprechend werde in neueren Niederlassungsabkommen auf diese Grenze der Meistbegünstigung ausdrücklich hingewiesen, so etwa in Art. 20 Abs. 2 b des Deutsch-Dominikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 23. Dezember 1957. Das Verwaltungsgericht habe somit in dem angefochtenen Beschluss den Umfang der Meistbegünstigung unzulässigerweise auf US-Staatsangehörige ausgedehnt.

Mit vorstehenden Ausführungen, nach denen sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Umfang der Prüfung des Senats im vorliegenden Beschwerdeverfahren zunächst bestimmt, hat die Antragsgegnerin einen Grund dargelegt, der die Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses entscheidend in Frage stellt.

Als Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika unterfällt der Antragsteller dem Personenkreis, der nach näherer Bestimmung von Art. III des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (Gesetz vom 7. Mai 1956 BGBl. II S. 487; in Kraft seit dem 14. Juli 1956, BGBl. II S. 763) bei Aufenthalt in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ständigen Schutz und Sicherheit genießt. Art. III Abs. 1 Satz 2 des Freundschaftsvertrages bestimmt, dass die Staatsangehörigen eines Vertragsteils für ihre Person und ihre Rechte nicht geringeren Schutz und Sicherheit erhalten als unter gleichen Voraussetzungen die Staatsangehörigen des anderen Vertragsteils. Keinesfalls darf ihre Behandlung weniger günstig sein, als es Staatsangehörigen irgendeines dritten Landes zusteht oder vom Völkerrecht vorgeschrieben ist (so Art. III Abs. 1 Satz 3 des Freundschaftsvertrages).

Ob diese vertragliche Bestimmung - bei deren Interpretation auf die in Art. XXV Abs. 4 des Freundschaftsvertrages enthaltene Definition des Begriffs der "Meistbegünstigung" zurückzugreifen ist - grundsätzlich auch zur Anwendung des § 12 des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - Aufenthaltsgesetz/EWG - vom 22. Juli 1969 in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1980 (BGBl. I S. 116, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2001, BGBl. I S. 3306) führt, bedarf aus Anlass des vorliegenden Falles keiner abschließenden Bewertung durch den Senat. Denn das Eingreifen von § 12 Aufenthaltsgesetz/EWG und dessen Absatz 9, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage eines nach Gemeinschaftsrecht Freizügigkeitsberechtigten gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 72 Abs. 1 AuslG aufschiebende Wirkung entfalten, setzt zusätzlich voraus, dass der betreffende Ausländer die persönlichen Merkmale des § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 Aufenthaltsgesetz/EWG erfüllt (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: August 2002, § 12 Aufenthaltsgesetz/EWG Rdnr. 80 m.w.N.). Daran fehlt es im Fall des Antragstellers.

In Bezug auf die Person des Antragstellers könnte in diesem Zusammenhang allenfalls § 1 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz/EWG einschlägig sein, wonach Freizügigkeit nach diesem Gesetz solchen Staatsangehörigen der in Betracht zu ziehenden Mitgliedsstaaten gewährt wird, die eine Beschäftigung als Arbeiter oder Angestellte oder zu ihrer Berufsausbildung ausüben oder ausüben wollen. Der Antragsteller erfüllt keines dieser unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betreffenden Ausländers zusätzlich verlangten Kriterien. Zwar setzt die genannte Regelung nach ihrem Wortlaut nicht voraus, dass ein Beschäftigungsverhältnis - d. h. eine Tätigkeit gegen Lohn oder Gehalt von wirtschaftlichem Interesse für den Arbeitgeber - bereits besteht. Die ernsthafte Absicht, eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ernsthaft ausüben zu wollen, muss jedoch durch ein äußeres Verhalten des Ausländers erkennbar deutlich gemacht werden (vgl. dazu Hailbronner, a.a.O., § 1 Aufenthaltsgesetz/EWG Rdnr. 22). Das Bestehen einer entsprechenden Absicht dokumentiert das Verhalten des Antragstellers gerade nicht. Vielmehr lässt sich dem zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin entnehmen, dass der Antragsteller seit dem 9. Februar 1998 - abgesehen von einer kurzzeitigen Unterbrechung nach Aufnahme einer Tätigkeit als Koch vom 17. Juni 1999 bis zum 3. August 1999 bei der Firma A. GmbH in Wiesbaden - nahezu ununterbrochen Sozialhilfe bezieht und sich offenbar auch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft um die Erlangung einer Arbeitserlaubnis bemüht hat.

Erfüllt der Antragsteller mithin auch unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit die persönlichen Kriterien nicht, die die fehlende Anwendbarkeit des § 72 Abs. 1 AuslG nach § 12 Abs. 9 Aufenthaltsgesetz/EWG rechtfertigen, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der in Art. III Abs. 1 Satz 3 des Deutsch/Amerikanischen Freundschaftsvertrages zugunsten von amerikanischen Staatsangehörigen enthaltenen Meistbegünstigungsklausel zu vorgenannter Regelung im Ergebnis nicht mehr. Denn die genannten vertraglichen Bestimmungen des Freundschaftsvertrages gebieten die "nicht weniger günstige" Behandlung von US-Staatsangehörigen gegenüber Staatsangehörigen irgendeines dritten Landes lediglich "unter gleichen Voraussetzungen", die - wie dargelegt - nicht vorliegen.

Trägt die vom Verwaltungsgericht herangezogene - und in der Beschwerdeschrift des Antragsgegners zu Recht gerügte - Begründung die dem Eilantrag stattgebende Entscheidung erster Instanz demnach nicht, so erweist sich die Beschwerde aber nicht schon deshalb mit der Folge als begründet, dass der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nunmehr ohne Weiteres abzulehnen wäre. Vielmehr sieht sich der Senat in Fallkonstellationen dieser Art gehalten, die Erfolgsaussicht des Eilantrags umfassend zu prüfen und dabei in diese Prüfung notwendig auch rechtliche Aspekte einzubeziehen, die nicht Gegenstand des Beschwerdevorbringens der Antragsgegnerin sind, da sich die Antragsgegnerin - aus ihrer Sicht zu Recht - ausschließlich mit den - unzutreffenden - rechtlichen Überlegungen im stattgebenden erstinstanzlichen Beschluss befasst hatte. An dieser Überprüfung sieht sich der Senat auch nicht durch die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gehindert, wonach das Oberverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe prüft.

Zwar lassen sich dem Gesetzeswortlaut unmittelbar keine Anhaltspunkte für eine Befugnis des Beschwerdegerichts entnehmen, die Prüfung auf andere als die mit der Beschwerde dargelegten Gründe für die Unrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erstrecken, oder darauf, dass sich diese trotz eines Fehlers im Ergebnis als richtig erweist. Bei sachgerechter Interpretation der Vorschrift ergibt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer mit der Beschwerdebegründung den Kontrollumfang des Rechtsmittelverfahrens nur insoweit in verbindlicher Weise begrenzt, als das Gericht über die dargelegten Gründe hinaus zu seinen Gunsten keine weiteren Gesichtspunkte in die Rechtsprüfung mit einbeziehen darf. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, mit dem das Antrags- und Begründungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und die Befugnis des Gerichts zur Verwerfung der Beschwerde als unzulässig nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO korrespondiert, trägt insoweit den Bemühungen des Gesetzgebers Rechnung, einerseits die Restriktionen und Schwierigkeiten aufgrund des letztlich als untauglich erwiesenen Beschwerdezulassungsverfahrens zu beseitigen und andererseits nicht wieder zu der unbeschränkten Prüfungszuständigkeit des Beschwerdegerichts nach der ursprünglich geltenden Fassung des § 146 VwGO über die zulassungsfreie Beschwerde zurückzukehren (vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 5. Juli 2002 - 12 TG 959/02 -, ZAR 2002, S. 291). Der vom Gesetzgeber mit dem Regelungszusammenhang von § 146 Abs. 4 Satz 3, Satz 4 und Satz 6 VwGO erkennbar verfolgte Sinn und Zweck der Beschleunigung der Beschwerdeverfahren aufgrund einer Beschränkung der Sachprüfung steht einer - in Fallkonstellationen wie der vorliegenden schon verfassungsrechtlich gebotenen - einschränkenden Auslegung der Bestimmung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO jedoch nicht entgegen. Der erfolgreiche Angriff der Beschwerde auf einen vom Verwaltungsgericht zu Unrecht als entscheidungserheblich angesehenen Gesichtspunkt hätte nämlich zur Konsequenz, dass der - zunächst obsiegende und deshalb zur Wiederholung oder Vertiefung seines Vorbringens im Beschwerdeverfahren nicht gehaltene - Antragsteller und Beschwerdegegner bei strikter Anwendung von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO mit seinem bereits vom Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigten, möglicherweise aber relevanten Vorbringen auch vor dem Beschwerdegericht unbeachtet bliebe. Das ließe sich mit dem durch Art. 103 Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Bürgers auf Gewährung rechtlichen Gehörs schwerlich vereinbaren. Im Übrigen bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in dieser Auslegung auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG, wobei der Senat nicht verkennt, dass die durch diese Verfassungsvorschrift gewährleistete Rechtswegegarantie auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zwingend nur eine gerichtliche Instanz gebietet (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. Juli 2002 - 11 S 1293/02 -). Denn die zur Begründung des Eilrechtsschutzgesuchs vorgetragenen und möglicherweise entscheidungserheblichen Tatsachen blieben von der Vorinstanz ungeprüft und dürften im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden, was im Ergebnis - eine Relevanz des nicht erörterten Vortrags unterstellt - auf eine Verweigerung vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutzes hinausliefe (vgl. dazu auch OVG Berlin, Beschluss vom 12. April 2002 - 8 S 41/02 -, NVwZ-Beilage I 9/2002, S. 98 f.; anderer Ansicht - wenn auch in abweichender Fallkonstellation - aber offenbar Hess. VGH, Beschluss vom 5. Juli 2002 - 12 TG 959/02 -, a.a.O.). Gegen die insofern gebotene einschränkende Auslegung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, die im vorliegenden Fall die Notwendigkeit einer Rechtskontrolle über die von der Antragsgegnerin in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe hinaus begründet, spricht schließlich auch nicht die in einem späteren Hauptsacheverfahren bestehende Möglichkeit des Gerichts, gegenüber dem Eilverfahren nach §§ 80, 80 a, 123 VwGO abweichende Tatsachenfeststellungen zu treffen und andere rechtliche Bewertungen unter Berücksichtigung aller entscheidungsrelevanten Umstände vorzunehmen. Zwar sind derartige Abweichungen zwischen dem endgültigen und dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht ungewöhnlich, weil in dem letzteren lediglich eine summarische Überprüfung der angegriffenen Behördenentscheidung stattfindet, eine Interessenabwägung und keine strenge Rechtmäßigkeitskontrolle vorgenommen wird und etwaige Veränderungen der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren grundsätzlich zu berücksichtigen sind (vgl. auch Hess. VGH, a.a.O.). Diese Besonderheiten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vermögen die einer ausschließlich am Wortlaut orientierten Auslegung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO entgegenstehenden verfassungsrechtlichen Bedenken jedoch nicht zu überwinden.

Hat der Senat demnach die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin vom 27. Dezember 2001 im vorliegenden Beschwerdeverfahren einer zusätzlichen Rechtmäßigkeitskontrolle unter Beachtung der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allgemein anerkannten Entscheidungskriterien zu unterziehen, hat die Beschwerde gleichwohl Erfolg. Denn der angefochtene Bescheid erweist sich nach der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig.

Der Antragsteller hat mit seinem schriftsätzlichen Vorbringen im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der mit Verfügung vom 23. November 2001 u. a. erfolgten Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in Frage gestellt. Diese Entscheidung der Ausländerbehörde ist aus Rechtsgründen jedoch nicht zu beanstanden.

Die Antragsgegnerin ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass dem Antragsteller nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau spätestens im Oktober 1997 und bei Bewertung von Art, Umfang und Intensität der Beziehungen zu seiner Tochter ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung weder nach §§ 5 Nr. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG, noch nach §§ 5 Nr. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 23 Abs. 1 Nr. 3, 17 Abs. 1 AuslG zusteht. Der Senat folgt in diesem Zusammenhang unter ergänzendem Hinweis auf die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der in Frage stehenden Problematik der Gewichtung familiärer Bindungen im Zusammenhang mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 ff. m.w.N.) den zutreffenden Ausführungen auf Seite 2, 1. Absatz bis Seite 3, 8. Absatz des angefochtenen Bescheids, auf die in entsprechender Anwendung von § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen wird. Angesichts des von der Ausländerbehörde zu Recht angenommenen Nichtvorliegens der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach vorgenannten Bestimmungen blieb vorliegend für eine Betätigung ausländerbehördlichen Ermessens kein Raum. Soweit der Antragsteller dagegen - wenn auch in anderem rechtlichen Zusammenhang - einwendet, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung komme seiner wirtschaftlichen und sozialen Integration nach zwanzigjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet, den nach wie vor gepflegten Beziehungen zu seiner Stieftochter und seiner (Stief-)Enkelin und der Entstehung auch außerhalb familiärer Bindungen liegender Freundschaften und Bekanntschaften während dieses Zeitraums besondere Bedeutung zu, ist dem entgegenzuhalten, dass die genannten Bestimmungen des Ausländerrechts der familiären Situation des Ausländers bereits auf Tatbestandsebene Rechnung tragen. Die vom Antragsteller dargelegten familiären und sonstigen sozialen Kontakte in Deutschland erreichen jedoch ersichtlich gerade nicht den insoweit gesetzlich vorausgesetzten Grad.

Ob beim Antragsteller mit Blick auf dessen zweimalige Straffälligkeit während seines Aufenthalts in Deutschland (vgl. dazu den Auszug aus dem Zentralregister des Generalbundesanwalts vom 20. Februar 2002, Blatt 13 der Gerichtsakte) und den fortlaufenden Bezug von Sozialhilfe zudem Gründe vorliegen, die der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach näherer Bestimmung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AuslG in der Regel entgegenstehen, bedarf letztendlich keiner weiteren Beurteilung. § 7 Abs. 1 AuslG regelt die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung solcher Aufenthaltsgenehmigungen, auf die - anders als von § 6 Abs. 1 AuslG vorausgesetzt - kein gesetzlicher Anspruch besteht, die somit in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt sind. Die Vorschrift stellt jedoch keine eigenständige Rechtsgrundlage dar, auf die im Falle der Nichterfüllung der Voraussetzungen eines speziell gesetzlich geregelten Tatbestandes ergänzend zurückgegriffen werden könnte, sondern kann im allgemeinen nur im Zusammenhang mit den besonderen aufenthaltsrechtlichen Vorschriften als Grundlage für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung herangezogen werden (vgl. dazu im Einzelnen Hailbronner, a. a. O., § 7 AuslG Rdnr. 1 f. m.w.N.). Ausgehend von dieser allgemeinen Differenzierung des Gesetzgebers in den §§ 6, 7 AuslG zwischen - anderweitig spezialgesetzlich geregelten - Anspruchs- und Ermessenstatbeständen kommen die Regelversagungsgründe des § 7 Abs. 2 AuslG nur zum Tragen, soweit der Erlass einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung über die beantragte Aufenthaltsgenehmigung in Frage steht (vgl. Hailbronner, a.a.O. Rdnr. 13). Vorliegend sind jedoch keine Umstände dargetan oder sonst ersichtlich, nach denen das Bestehen eines Anspruchs nach § 7 Abs. 1 AuslG in Verbindung mit einem durch diese Vorschrift in Bezug genommenen spezialgesetzlich geregelten (Ermessens-)Tatbestand angenommen werden könnte.

Schließlich kann dem Antragsteller auch nicht dahingehend gefolgt werden, ihm stehe entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau ein eigenständiges Aufenthaltsrecht im Sinne des § 19 Abs. 1 AuslG zu. Zwar kann nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten in diesem Falle als eigenständiges, von dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Aufenthaltszweck unabhängiges Aufenthaltsrecht verlängert werden. Die Antragsgegnerin hat in dem angefochtenen Bescheid jedoch zutreffend darauf abgestellt, dass der sich auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 AuslG berufende Ausländer zum Zeitpunkt der Beantragung noch in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein muss. § 19 AuslG spricht eindeutig von einer "Verlängerung" der Aufenthaltserlaubnis und setzt dementsprechend ein der Verlängerung zugängliches bestehendes Aufenthaltsrecht des ausländischen Ehegatten voraus. Dieser Voraussetzungen genügt die erstmalige Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis oder die erneute Beantragung einer solchen nach Erlöschen einer früheren Aufenthaltserlaubnis nicht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 13. März 1995 - 13 TH 269/95 -, NVwZ-RR 1995, S. 474). Danach scheidet ein Anspruch des Antragstellers aus § 19 Abs. 1 AuslG unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift bereits deshalb aus, weil die Wirkung der dem Antragsteller am 25. Juni 1984 erteilten Aufenthaltserlaubnis letztmalig bis zum 18. Januar 1991 befristet wurde und der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, den die Antragsgegnerin mit der angefochtenen Verfügung abschlägig beschieden hat, vom 17. April 1998 datiert.

Sonstige Anhaltspunkte, die die Rechtmäßigkeit der ausländerbehördlichen Verfügung in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Da der Antragsteller mit seinem Antrag letztendlich erfolglos bleibt, hat er nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und folgt der Streitwertfestsetzung in erster Instanz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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