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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.12.2003
Aktenzeichen: 9 TG 546/03
Rechtsgebiete: AuslG, SchÜbkDÜbk, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 72 Abs. 2
AuslG § 8 Abs. 2 S. 1
SchÜbkDÜbk Art. 96
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S. 3
Für die Fortführung eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Ausweisungsverfügung und Abschiebungsandrohung besteht nach erfolgter Abschiebung kein Rechtsschutzbedürfnis
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

9 TG 546/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer, Richter am Hess. VGH Schönstädt

am 11. Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Februar 2003 (Az.: 4 G 2168/02) wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, durch den ein eine frühere Entscheidung des Verwaltungsgerichts betreffender Abänderungsantrag und ein Annexantrag auf Folgenbeseitigung abgelehnt wurden.

Der am 28. Mai 1981 in Deutschland geborene Antragsteller ist jordanischer Staatsangehöriger. Er trat mehrfach strafrechtlich in Erscheinung, namentlich im Zusammenhang mit Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit. Der Senat verweist insofern auf die Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Juni 2002 - 4 G 1001/02 - (S. 3 bis 8 des Beschlusses).

Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Bescheid vom 19. März 2002 aus und drohte ihm die Abschiebung nach Jordanien an. Der Widerspruch des Antragstellers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2002 zurückgewiesen. Die Klage des Antragstellers gegen die ausländerbehördlichen Entscheidungen ist beim Verwaltungsgericht Wiesbaden unter der Geschäftsnummer 4 E 1819/02 anhängig.

Den gegen Ausweisung und Abschiebungsandrohung gerichteten Aussetzungsantrag des Antragstellers lehnte das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Beschluss vom 13. Juni 2002 - 4 G 1001/02 - ab. Die Beschwerde des Antragstellers wurde vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. Juni 2002 - 9 TG 1583/02 - zurückgewiesen. Am selben Tag wurde der Antragsteller nach Jordanien abgeschoben. Die gerichtlichen Eilentscheidungen bejahten ein das private Aufschubinteresse des Antragstellers überwiegendes öffentliches Interesse an dessen alsbaldiger Ausreise. Die Ausweisung wegen besonderer Gefährlichkeit nach § 47 Abs. 2 des Ausländergesetzes - AuslG -, über die aufgrund besonderen Ausweisungsschutzes für den Antragsteller nach Ermessen zu entscheiden sei, erscheine rechtmäßig. Das Ausweisungsermessen habe die Antragsgegnerin fehlerfrei ausgeübt, insbesondere sei die Beziehung des in Deutschland aufgewachsenen Antragstellers zu Jordanien nicht derart gelöst, dass eine Ausweisung nach Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - unverhältnismäßig sei. Ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsverfügung ergebe sich sowohl aus generalpräventiven als auch - wegen des Gefährdungspotenzials des Antragstellers - spezialpräventiven Erwägungen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Juni 2002 und den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Juni 2002 Bezug genommen.

Am 24. Oktober 2002 beantragte der abgeschobene Antragsteller beim Verwaltungsgericht Wiesbaden zunächst die Abänderung der gerichtlichen Aussetzungsentscheidung, später erweiterte er sein Begehren um einen Annexantrag auf Folgenbeseitigung durch Ermöglichung seiner Wiedereinreise. Er berief sich auf eine veränderte Sachlage und führte aus, er befinde sich in Jordanien in einer Situation, die ihm weder ein Leben unter menschenwürdigen Umständen noch auf absehbare Zeit eine Integration in die dortigen Verhältnisse ermögliche. Er verfüge nur über äußerst ungenügende arabische Sprachkenntnisse, was eidesstattliche Versicherungen der Diplom-Pädagogin Dagmar Thiel vom 5. September 2002 und seiner Mutter vom 28. Oktober 2002 belegten. Er habe aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse in Jordanien weder Zugang zum Arbeits- noch zum Alltagsleben und sei dort existenziell gefährdet. Seine in Jordanien lebenden Verwandten seien nicht in der Lage bzw. nicht willens, ihm eine Existenz zu gewährleisten. Bei der Ausübung des Ausweisungsermessens komme Art. 8 EMRK für im Bundesgebiet aufgewachsene Ausländer der zweiten Generation maßgebliche Bedeutung zu. Danach sei eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anzunehmen, wenn - wie in seinem Fall - ein Ausländer der zweiten Generation aufgrund seiner gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden sei und ihm wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug habe, nicht zuzumuten sei.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden wies den Abänderungs- und Annexantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 13. Februar 2003 - 4 G 2168/02 - zurück. Die Anträge seien mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die erneut begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung könne die Rechtsposition des Antragstellers nicht verbessern und ihm insbesondere keine Wiedereinreise nach Deutschland ermöglichen, weil der besondere Versagungsgrund des § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG entgegenstehe, wonach ein Ausländer, der ausgewiesen oder abgeschoben worden sei, nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten dürfe. Dieses Verbot der Wiedereinreise gelte nach § 72 Abs. 2 AuslG unabhängig von der Frage, ob das gegen die Ausweisung eingelegte Rechtsmittel aufschiebende Wirkung habe oder nicht. Darüber hinaus erschienen auch die mittlerweile glaubhaft gemachten sprachlichen Schwierigkeiten des Antragstellers nicht geeignet, die Abwägung der widerstreitenden Interessen nun zugunsten der privaten Interessen des Antragstellers an einem weiteren Verbleib in Deutschland ausfallen zu lassen. Aufgrund der in der Person des Antragstellers derzeit noch bestehenden konkreten Gefahr der Begehung weiterer Gewaltdelikte erschienen die Aufenthaltsbeendigung nach wie vor verhältnismäßig und die für den Antragsteller damit verbundenen Schwierigkeiten in Jordanien diesem auch zumutbar.

Am 24. Februar 2003 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Februar 2003 Beschwerde eingelegt.

Die Ablehnung des Abänderungsantrags aufgrund fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses berücksichtige nicht, dass eine rückwirkende Aufhebung der früheren Aussetzungsentscheidung beantragt sei. Eine antragsgemäße Entscheidung aber hätte zur Folge, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht des Antragstellers aufgrund der Ausweisung nie bestanden hätte. Zudem verkenne das Verwaltungsgericht, dass die Sperrwirkung des § 8 Abs. 2 AuslG von der Rechtmäßigkeit der Ausweisung abhänge, wenn - wie im Fall des Antragstellers - eine noch nicht bestandskräftige Ausweisung vollzogen worden sei.

Die im ursprünglichen Aussetzungsverfahren getroffene Feststellung, der Antragsteller verfüge in Jordanien über hinreichend gefestigte Bindungen und beherrsche auch im gebotenen Umfang die arabische Sprache, könne aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen und der sich aus ihnen ergebenden neuen Erkenntnisse nicht aufrechterhalten werden. Die unterbliebene Berücksichtigung beider eidesstattlicher Versicherungen durch das Verwaltungsgericht verletze das rechtliche Gehör des Antragstellers.

Im Hinblick auf die im ursprünglichen Aussetzungsverfahren angenommene Gefahr der erneuten Begehung von Gewaltstraftaten durch den Antragsteller werde nochmals darauf hingewiesen, dass die letzte Tat am 2. Juli 2000 den Antragsteller zur Einsicht gebracht habe und er erst aufgrund dieses Einsichtsprozesses in eine intensive und kontinuierliche Betreuungspraxis aufgenommen worden sei. Die Sozialbetreuerin habe festgestellt, dass die Umstände der Tat am 2. Juli 2000 den Antragsteller dazu gebracht hätten, sein gesamtes bisheriges Verhalten und Leben zu überdenken. Im Vollzug sei der Antragsteller wiederholt durch Mitgefangene provoziert und damit in konfliktintensive Situationen geraten, in denen er sich abweichend von seinem früheren Verhalten deeskalierend verhalten hätte.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 17. April 2002 gegen die Verfügung der Landeshauptstadt Wiesbaden vom 19. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 17. April 2002 unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes vom 13. Juni 2002 sowie des Beschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 2002 und unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes vom 13. Februar 2003, zugestellt am 20. Februar 2003, anzuordnen.

Die Antragsgegnerin verteidigt den mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Februar 2003.

Die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zu den Verfahren 4 G 1001/02 und 4 E 1819/02 sowie die Behördenakte der Antragsgegnerin haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist zulässig, aber unbegründet.

Die Statthaftigkeit der die Frist des § 147 Abs. 2 VwGO wahrenden Beschwerde folgt aus § 146 Abs. 1 VwGO. Der Antragsteller hat auch dem fristgebundenen Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, insbesondere die vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss gegebene Begründung aufgegriffen und konkret dargetan, weshalb diese unrichtig sein soll.

In der Sache bleibt die Beschwerde indes ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Prüfung des Senats festlegen, lassen die Feststellung, das Verwaltungsgericht habe das auf § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestützte Abänderungsbegehren des Antragstellers zu Unrecht abgelehnt, nicht zu.

Für das im Abänderungsverfahren mit der Beschwerde weiter verfolgte Begehren, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen Ausweisungsverfügung und Abschiebungsandrohung herzustellen, fehlt dem abgeschobenen Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Suspendierung dieser Verwaltungsakte würde dem Antragsteller keinen Vorteil bringen.

Das mit einem Aussetzungsantrag vor der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes verfolgte Ziel, dessen zwangsweise Durchsetzung zu verhindern, kann der Antragsteller nach der Abschiebung als der zwangsweisen Durchsetzung der durch die Ausweisung begründeten Ausreisepflicht nicht mehr erreichen.

Ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für die begehrte Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ausweisung und Abschiebungsandrohung lässt sich nach der Abschiebung des Antragstellers auch nicht im Hinblick auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO begründen.

§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO sieht vor, dass das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen kann, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. Entsprechend der im Hauptsacheverfahren geltenden Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO räumt die Vorschrift dem Gericht im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prozessual die Befugnis ein, zusammen mit der Herstellung der aufschiebenden Wirkung die Rückgängigmachung einer bereits erfolgten Vollziehung zu bewirken. Ein Ausspruch nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO setzt einen entsprechenden Antrag im Aussetzungsverfahren voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 1994 - BVerwG 1 VR 20/93 -, NVwZ 1995, S. 590, 595), der begründet ist, wenn dem Antragsteller gegen den Antragsgegner materiell-rechtlich aufgrund der gerichtlichen Suspendierung des Verwaltungsakts ein Folgenbeseitigungsanspruch zusteht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Juni 1983 - 4 A 2719/81 -, DÖV 1983, S. 1024, 1025; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22.08.1995 - 2 M 62/95 -, GewArch. 1996, S. 75, 76; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 80 Rdnr. 176; a. A. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rdnr. 231).

Aus dieser Regelung folgt, dass im Grundsatz trotz Vollzugs des Verwaltungsaktes ein Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO besteht, wenn in ihm neben der Aussetzung des Vollzugs die Aufhebung bereits erfolgter Vollzugsmaßnahmen beantragt ist (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 964).

Im Fall des Antragstellers scheitert die Begründung eines Rechtsschutzbedürfnisses aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO indes schon daran, dass ein solcher Annexantrag auf Beseitigung der Vollzugsfolgen im Beschwerdeverfahren nicht mehr gestellt ist. Der dem Bestimmtheitserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gerecht werdende Beschwerdeantrag des Antragstellers ist - anders als das ausdrücklich Aussetzungs- und Annexbegehren umfassende Rechtsschutzgesuch erster Instanz - auf die Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beschränkt.

Hinzu tritt, dass bereichsspezifische Regelungen des Ausländerrechts materiell-rechtlich ausschließen, dass einem abgeschobenen Ausländer allein durch Suspendierung der Ausweisungsverfügung ein Folgenbeseitigungsanspruch erwächst, den er prozessual im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO geltend machen könnte. Der gewohnheitsrechtlich anerkannte Folgenbeseitigungsanspruch zielt nämlich auf die Beseitigung hoheitlich veranlasster Unrechtslasten ab. Für den Anspruch kommt es daher nicht darauf an, ob der hoheitliche Eingriff rechtswidrig war, sondern ob der fortdauernde Zustand, um dessen Beseitigung es geht, rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1989 - BVerwG 7 C 2.87 -, BVerwGE 82, 76, 95; Urteil vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 5.99 -, DVBl. 2001, 726, 732; Bay. VGH, Urteil vom 26. Juli 1995 - 22 B 93.271 -, BayVBl. 1995, 758). Der durch eine Abschiebung herbeigeführte Zustand - die Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland - aber könnte im Aussetzungsverfahren selbst dann nicht als rechtswidrig bewertet werden, wenn das Gericht die Ausweisungsverfügung suspendierte. Dies folgt aus § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG, nach dem der Widerspruch unbeschadet seiner aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung, die die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt lässt. Einem im Aussetzungsverfahren gestellten Rechtsschutzgesuch auf Folgenbeseitigung durch Rückgängigmachung der Abschiebung würde wegen Aussichtslosigkeit daher das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. Mai 2002 - 8 S 16/02 -, NVwZ 2003, 239, 240). Auch ein vom Antragsteller gestellter - sonach mangels Rechtsschutzbedürfnisses selbst unzulässiger - Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO wäre daher nicht geeignet, ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung zu begründen.

Der in § 72 Abs. 2 AuslG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers, dass bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache von der Rechtmäßigkeit der Beendigung des Aufenthalts auszugehen ist, steht nach erfolgter Abschiebung im Übrigen auch auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gestützten, gerichtlich angeordneten Maßnahmen unterhalb der Schwelle der Zulassung der Wiedereinreise entgegen. Die im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. November 2003 - 12 TG 2668/03 - vertretene Auffassung, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf derartige Maßnahme zu bejahen ist, teilt der Senat nicht. Es fehlt aus der Perspektive des Aussetzungsverfahrens - wie dargelegt - an einem durch die Abschiebung herbeigeführten rechtswidrigen Zustand als Voraussetzung eines gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO nach herrschender Meinung geltend zu machenden materiellen Folgenbeseitigungsanspruchs. Aber auch bei einem Verständnis des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO als rein prozessualer Befugnisnorm, die es dem Gericht erlaubt, die tatsächliche Situation mit der nach Herstellung der aufschiebenden Wirkung bestehenden Rechtslage im Sinne einer Interimsregelung in Einklang zu bringen (so Schoch a. a. O.), scheidet die Anordnung sowohl der Wiedereinreise des Ausländers als auch von Minusmaßnahmen zu ihrer Vorbereitung aus. Denn auch nach Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ausweisung und Abschiebungsandrohung würde die tatsächliche Situation - Aufenthalt im Ausland - mit der Rechtslage - wegen § 72 Abs. 2 AuslG fortbestehende Rechtmäßigkeit der Beendigung des Aufenthalts im Inland - übereinstimmen.

Ob im Abänderungsverfahren eine Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO grundsätzlich ausscheidet, weil § 80 Abs. 7 VwGO eine Abänderung einer gerichtlichen Aussetzungsentscheidung nicht mit Rückwirkung, sondern nur für die Zukunft zulassen soll (so Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 1038), kann dahinstehen.

Ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der begehrten Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen Ausweisungsverfügung und Abschiebungsandrohung ist auch sonst nicht ersichtlich. Das gesetzlich Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG besteht unabhängig von einer etwaigen Suspendierung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Eine Suspendierung von Ausweisung und Abschiebungsandrohung begründet auch keinen Anspruch des abgeschobenen Ausländers auf Löschung seiner Daten im Schengener Informationssystem - SIS -.

Nach Art. 110 des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990 (BGBl. 1993 II, S. 1013) - SDÜ - hat jeder das Recht, unrechtmäßig gespeicherte Daten löschen zu lassen. Die Ausschreibung von Ausländern zur Einreiseverweigerung im SIS, die eine Einreisesperre für das gesamte Schengengebiet bewirkt, ist in Art. 96 SDÜ geregelt. Die Entscheidungen, die zur Datenübermittlung führen, können gemäß Art. 96 Abs. 3 SDÜ darauf beruhen, dass der Drittausländer ausgewiesen, zurückgewiesen oder abgeschoben worden ist, wobei die Maßnahme nicht aufgeschoben oder aufgehoben worden sein darf, ein Verbot der Einreise oder des Aufenthalts enthalten oder davon begleitet sein muss und auf der Nichtbeachtung des nationalen Rechts über die Einreise oder den Aufenthalt von Ausländern beruhen muss. Soweit Art. 96 Abs. 3 SDÜ die Datenübermittlung bei Maßnahmen sperrt, die aufgeschoben sind, ist damit entsprechend allgemeinen Sprachgebrauch gemeint, dass eine noch nicht verwirklichte Maßnahme vorläufig auch nicht realisiert werden darf. Eine bereits verwirklichte Maßnahme kann demgegenüber nur im Nachhinein aufgehoben werden. Infolge einer Abschiebung eines Ausländers im SIS erfasste Daten sind daher bis zur Aufhebung der zugrundeliegenden Verwaltungsakte rechtmäßig gespeichert. Diese Sichtweise liegt auch den Allgemeinen Anwendungshinweisen zum Schengener Durchführungsübereinkommen vom 28. Januar 1998 (abgedruckt bei Hailbronner, AuslR, D. 8.2) zugrunde, nach deren Nr. 2.2.1.1 in Verbindung mit Nr. 4.1.4.3.1 nur eine rechtskräftig feststehende vollziehbare Ausreisepflicht infolge Ausweisung mitzuteilen ist, nach Nr. 2.2.1.1 in Verbindung mit Nr. 4.2.2. aber jede vollzogene Abschiebung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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