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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.04.2000
Aktenzeichen: 9 UE 2459/96
Rechtsgebiete: GG, HV, HBO


Vorschriften:

GG Art. 28 Abs. 2
HV Art. 137 Abs. 1
HBO § 67 Abs. 2
HBO § 67 Abs. 4 S. 2
HBO § 67 Abs. 6 S. 3
HBO § 94 Abs. 2
HBO § 118 Abs. 1 Nr. 4
HBO § 50 Abs. 6
Bei dem Erlass von Satzungsbestimmungen über die Gestaltung, Größe und Zahl der Stellplätze für Kraftfahrzeuge gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 HBO 1990 bzw. über die Größe, Zahl und Beschaffenheit notwendiger Stellplätze, Garagen und Abstellplätze gemäß § 50 Abs. 6 Satz 2 HBO 1993 handelte bzw. handelt die Gemeinde in Ausübung ihrer Satzungshoheit als Ausprägung des durch Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 137 Abs. 1 HV verfassungsrechtlich geschützten Rechts auf Selbstverwaltung. Eingriffe in ihre Satzungshoheit durch rechtswidrige Verwaltungsakte der Bauaufsichtsbehörde (hier: rechtswidrige Befreiung von der Stellplatzsatzung der Gemeinde bezüglich der Zahl notwendiger Stellplätze für Kraftfahrzeuge) kann die Gemeinde durch Anfechtungsklage abwehren.
Tatbestand:

Der Beigeladene ist Eigentümer des Grundstücks F.-E.-Straße 25 in E.. Auf diesem Grundstück errichtete die - heute nicht mehr bestehende - Firma I. GmbH in D. als Bauherrin im Jahre 1989 ein Mehrfamilienhaus mit zunächst 9 Eigentumswohnungen. Für dieses Vorhaben wurde von dem Beklagten am 11. April 1989 eine Baugenehmigung erteilt.

Am 29. August 1989 stellte die I. GmbH einen Nachtragsbauantrag zur Errichtung einer zusätzlichen, 94,06 qm großen Wohnung im Kellergeschoss des Gebäudes.

In ihrer Stellungnahme vom 4. September 1989 zu diesem Nachtragsbauantrag wies die Klägerin darauf hin, dass entsprechend der von ihr erlassenen Stellplatzsatzung vom 11. September 1979 im vorliegenden Fall je Wohnung 1,5 Stellplätze, insgesamt also 15 Stellplätze nachzuweisen seien. Nachgewiesen seien jedoch lediglich 13 Stellplätze, ein Stellplatz sei bei ihr - der Klägerin - abgelöst worden. Die Stellplatzsatzung werde somit nicht eingehalten. Sie könne dem Nachtrag zum Bauantrag nicht zustimmen.

Am 15. November 1989 beantragte die Bauherrin die Befreiung von den Anforderungen der Stellplatzsatzung der Klägerin hinsichtlich des fehlenden Stellplatzes "im Rahmen der allgemeinen Wohnungsnot".

Mit Bescheid vom 23. Oktober 1989 erteilte der Beklagte der Firma I. GmbH die beantragte Befreiung nach "§ 31 (2) Baugesetzbuch (BauGB) von den Festsetzungen des Bebauungsplanes (Stellplatzsatzung der Gemeinde Eppertshausen)". Am gleichen Tag erteilte der Beklagte der Bauherrin die Baugenehmigung zur Errichtung einer Kellerwohnung auf dem genannten Grundstück mit der Maßgabe, dass die Unanfechtbarkeit des Befreiungsbescheides vom 23. Oktober 1989 Voraussetzung für die Baugenehmigung sei.

In einem Schreiben vom 18. Dezember 1989 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Baugenehmigung in Abweichung von der Stellplatzsatzung erteilt worden sei, da der Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern vom 11. Oktober 1989 Befreiungen von Vorschriften der Hessischen Bauordnung zur Behebung der allgemeinen Wohnungsnot empfehle.

Am 2. März 1990 legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, von der Bauherrin seien zwar 14 Stellplätze nachgewiesen worden, die aber praktisch nicht benutzbar seien. Die Gemeinde habe sich, um die Errichtung der 9 geplanten Wohnungen zu ermöglichen, mit der Ablösung eines Stellplatzes einverstanden erklärt. Bereits von der früheren Bauherrin sei die Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung für die Kellerwohnung angestrebt, aber dann zurückgezogen worden, weil auch unter Einbeziehung des Nachbargrundstücks die erforderlichen 15 Stellplätze nicht hätten nachgewiesen werden können. Zu diesem Zeitpunkt sei die Kellerwohnung bereits fertig gestellt gewesen. Die Erteilung der nunmehr von der IMCO-Immobilien und Verwaltungs GmbH beantragten Baugenehmigung unter der - mit dem fadenscheinigen Hinweis auf die allgemeine Wohnungsnot beantragten - Befreiung von den Vorschriften der Stellplatzsatzung diene allein den wirtschaftlichen Interessen der Bauherrin und sei mit § 94 Abs. 2 HBO nicht zu vereinbaren. Weder erforderten Gründe des Allgemeinwohls die Abweichung von der Satzung, noch sei ihre Durchführung mit einer nicht beabsichtigten Härte für die Bauherrin verbunden. Vielmehr werde gerade durch die Baugenehmigung das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt.

Der Widerspruch der Klägerin wurde durch das Regierungspräsidium Darmstadt mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1990, der Klägerin am 29. Oktober 1990 zugestellt, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der zulässige, insbesondere rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO eingelegte Widerspruch sei unbegründet. Die Baugenehmigung einschließlich des Befreiungsbescheides verletzte keine Rechte der Klägerin. Ein Fall, in dem für die Erteilung der Befreiung das Einvernehmen der Gemeinde erforderlich sei, liege nicht vor. Entgegen dem Inhalt des Befreiungsbescheides handele es sich nicht um die Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB. Der entsprechende Hinweis in dem Bescheid beruhe auf einem offensichtlichen Eingabefehler in den Schreibautomat. Vielmehr habe offensichtlich eine Befreiung nach § 94 Abs. 2 HBO ausgesprochen werden sollen. Hierfür bedürfe es eines Einvernehmens der Gemeinde aber nicht. Eine der Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB vergleichbare Vorschrift über die Herstellung des Einvernehmens sei auch nicht erforderlich. Bei Erlass einer Stellplatzsatzung werde die Gemeinde nämlich nicht im Rahmen ihrer Planungshoheit tätig. Vielmehr schöpfe sie nur die gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 HBO in Verbindung mit § 67 Abs. 2 HBO bauordnungsrechtlich eingeräumte Möglichkeit aus, die gesetzlich bereits abschließend festgelegte Regelung über die Herstellung von Stellplätzen noch näher nach Gestaltung, Größe und Zahl der Stellplätze auszufüllen. Dabei handele es sich nicht um eine örtlichen Angelegenheiten der Gemeinde entspringende und damit ihr zur Selbstverwaltung zugewiesene Aufgabe. Die Überwachung der Regelung in § 67 HBO sei allein Sache des Staates. Es könne von daher offen bleiben, ob der Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern vom 11. Oktober 1989 die erteilte Befreiung rechtfertigen könne.

Am 26. November 1990 erhob die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt Klage.

Zur Begründung trug sie vor, die Befreiung könne nicht auf § 94 Abs. 2 HBO gestützt werden, denn sie diene allein der nachträglichen Legalisierung eines Schwarzbaus und zur einseitigen Gewinnmaximierung für den Bauherrn. Sie - die Klägerin - sei auch klagebefugt, denn sie werde durch die satzungswidrig erteilte Befreiung und Baugenehmigung in ihrer Satzungshoheit verletzt.

Die Klägerin beantragte,

die Nachtragsbaugenehmigung vom 23. Oktober 1989 in Verbindung mit dem Befreiungsbescheid vom gleichen Tage in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 25. Oktober 1990 aufzuheben.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen die im Widerspruchsbescheid dargelegten Gründe für die Zurückweisung des Widerspruchs.

Zum erstinstanzlichen Verfahren wurden zunächst die Firma I. GmbH, nach Auflösung dieser Firma deren früherer Geschäftsführer als Alleineigentümer des Grundstücks beigeladen. Zur Sache äußerten sich die vorgenannten Beteiligten nicht und stellten auch keine Anträge.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt wies die Klage mit Urteil vom 7. Februar 1996 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin sei klagebefugt. Da die Hessische Bauordnung der Gemeinde ein Satzungsrecht über die Ausstattung, Gestaltung und Zahl der Stellplätze einräume, ergebe sich zwangsläufig ein Recht auf Beachtung der Satzung und im Falle der Missachtung zumindest ein Widerspruchs- bzw. Klagerecht. Die Klage sei jedoch unbegründet, wie sich aus den zutreffenden Darlegungen im Widerspruchsbescheid ergebe, die sich das Gericht zu eigen mache. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zum Bauplanungsrecht, das der Gemeinde gemäß § 36 BauGB ein starkes, von der Baugenehmigungsbehörde zu beachtendes Mitwirkungsrecht einräume, das Bauordnungsrecht den Gemeinden nur sehr eingeschränkt eigene, durchsetzbare Rechtspositionen einräume. So mangele es etwa an einer Voraussetzung für die Ablösung von Stellplätzen nach § 67 Abs. 7 HBO 1977, wenn die Bauaufsichtsbehörde die Entscheidung nicht im Einvernehmen mit der Gemeinde getroffen habe. Anders sei indessen die Rechtslage bei der Befreiung gemäß § 94 Abs. 2 HBO zu beurteilen. Die Aufgabe, die Voraussetzungen hierfür zu überprüfen und ggf. eine Befreiung von zwingenden Vorschriften zu erteilen, sei Sache des Staates und obliege ausschließlich den Bauaufsichtsbehörden. Diese hätten hierbei eine von der Gemeinde erlassene Satzung zu beachten. Es könne dabei durchaus sein, dass sich die Bauaufsichtsbehörde zu Unrecht auf den Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern gestützt habe, denn dieser betreffe lediglich die Inanspruchnahme von Altbauten. Gleichwohl sei die Behörde nicht gehindert gewesen, das Interesse an möglichst vielen neu gebauten Wohnungen als Allgemeinwohl anzusehen. Die Klägerin möge hierzu anderer Meinung sein. Das Recht zur Abwägung und Entscheidung stehe indessen allein der Bauaufsichtsbehörde zu. Auch die seit dem 1. Juni 1994 in Kraft befindliche Neuregelung gemäß § 50 HBO 1993 gewähre den Gemeinden keine stärkere Rechtsposition.

Das erstinstanzliche Urteil wurde der Klägerin am 31. Mai 1996 zugestellt.

Am 24. Juni 1996 hat die Klägerin gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Zur Begründung des Rechtsmittels trägt die Klägerin vor, es sei, da die Behörde in ihrem Bescheid über eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB entscheiden habe, bereits fraglich, ob überhaupt ein Antrag auf Befreiung nach § 94 Abs. 2 HBO vorliege. Jedenfalls sei die angefochtene Entscheidung fehlerhaft, weil sie jegliche Auseinandersetzung über die geltend gemachte Rechtswidrigkeit der getroffenen Ermessensentscheidung vermissen lasse. So sei das der Erteilung der Befreiung entgegenstehende Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht berücksichtigt worden. Das Verwaltungsgericht habe darüber hinaus verkannt, dass vor der Entscheidung über die Befreiung nach § 94 Abs. 2 HBO gemäß § 67 Abs. 7 HBO 1990 eine Entscheidung über die Leistung eines Geldbetrages durch den Pflichtigen zur Ablösung der Stellplatzpflicht unter Berücksichtigung der von der Gemeinde festgesetzten Zahl der Stellplätze zu treffen gewesen sei. Diese vorrangige Verpflichtung sei durch die erteilte Befreiung umgangen worden. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass von den geforderten 15 Stellplätzen bis heute lediglich 9 tatsächlich benutzbar hergestellt worden seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 7. Februar 1996 die Nachtragsbaugenehmigung des Beklagten vom 23. Oktober in Verbindung mit dem Befreiungsbescheid vom gleichen Tage in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 25. Oktober 1995 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass die Klägerin durch die erteilte Nachtragsbaugenehmigung und den Befreiungsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt werde.

Der Beigeladene hat sich auch im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und hat auch keinen Antrag gestellt.

Dem Senat liegen die Behördenakten des Beklagten (ein Hefter) vor. Sie waren, ebenso wie die Gerichtsakten, Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Anfechtungsklage der Klägerin nicht abweisen dürfen, denn die Klage erweist sich als zulässig und begründet.

Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen den Befreiungsbescheid vom 23. Oktober 1989 und gegen die von dem Beklagten erteilte Baugenehmigung vom gleichen Tag ist, wovon auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist, zulässig.

Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage scheitert - was den mit dieser Klage neben der Baugenehmigung vom 23. Oktober 1989 zugleich angefochtenen Befreiungsbescheid vom gleichen Tage anbelangt - zunächst nicht an dem Fehlen des nach § 68 Abs. 1 VwGO erforderlichen Vorverfahrens. Zwar hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 1. März 1990 Widerspruch ausdrücklich nur gegen die der Firma I. GmbH erteilte Baugenehmigung erhoben. Das Schreiben ist jedoch sachgerecht dahin gehend auszulegen, dass sich der Widerspruch auch gegen den der vorgenannten Firma zeitgleich erteilten Befreiungsbescheid richten soll. In der Begründung des Widerspruchs stellt die Klägerin die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung wesentlich mit der Begründung in Frage, die von dem Beklagten bejahten gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von den Vorschriften der Stellplatzsatzung seien nicht erfüllt. Hierdurch wird erkennbar, dass die Klägerin die der Firma I. GmbH erteilten Bescheide als Einheit betrachtete und sie beide zum Gegenstand ihres Widerspruchs machen wollte. Hiervon sind im Übrigen auch bereits die Widerspruchsbehörde und das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

Der Klägerin steht weiterhin auch die für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Klagebefugnis ( § 42 Abs. 2 VwGO) zu.

Die Klägerin beruft sich darauf, der Beklagte habe durch die der Firma I. GmbH - nach ihrer Meinung zu Unrecht - gewährte Befreiung von Vorschriften der Stellplatzsatzung der Gemeinde vom 11. September 1979 rechtswidrig in ihre Satzungshoheit eingegriffen. Eine solche Verletzung der Satzungshoheit der Klägerin durch den von ihr beanstandeten Bescheid des Beklagten erscheint zumindest möglich. Die Satzungshoheit der Gemeinde stellt eine besondere Ausprägung ihrer durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 137 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Hessischen Verfassung gewährleisteten Selbstverwaltung dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. November 1981 - 2 BvR 671/81 -, NVwZ 1982, 306 ). Unzulässige Eingriffe in diesen Selbstverwaltungsbereich kann die Gemeinde durch Klage nach § 42 VwGO abwehren (vgl. HessVGH, Urteil vom 11. Februar 1985 - VIII OE 50/79 -; BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1988 - BVerwG 4 C 15.85 -, NVwZ 1989, 247).

Die damit zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet, denn die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 23. Oktober 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 25. Oktober 1990 sind rechtswidrig und verletzen die Rechte der Klägerin (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Als rechtswidrig stellt sich die von dem Beklagten gewährte Befreiung von der nach der Satzung der Klägerin (§ 2 Abs. 1 der Stellplatzsatzung vom 24. August 1979 in Verbindung mit Nr. 1.3 der hierzu erlassenen Anlage) zwingenden Verpflichtung zur Herstellung des für die Errichtung der Kellerwohnung auf dem Grundstück F.-E.-Straße 25 in E. noch fehlenden Stellplatzes deshalb dar, weil es für diese Entscheidung an den gesetzlichen Voraussetzungen fehlt. Hierbei ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von der Richtigkeit des Vortrags des Beklagten auszugehen, dass der Hinweis auf die Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB in dem angefochtenen Befreiungsbescheid auf einem Versehen beruht, tatsächlich also eine Befreiung von den Bestimmungen der Stellplatzsatzung gemäß § 94 Abs. 2 HBO in der damals geltenden Fassung ausgesprochen werden sollte. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind jedoch nicht erfüllt. Lagen aber die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Stellplatzsatzung der Klägerin nach der vorgenannten Bestimmung nicht vor, hätte der Beklagte der Firma I. GmbH auch die Baugenehmigung zur Errichtung einer weiteren Wohnung auf dem Grundstück F.-E.-Straße 25 in E. nicht erteilen dürfen.

Gemäß § 94 Abs. 2 HBO in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 12. Juli 1990, GVBl. I S. 395 - im Folgenden HBO 1990 - kann die Bauaufsichtsbehörde von zwingenden Vorschriften der HBO oder von zwingenden Vorschriften auf Grund der HBO - zu denen die Vorschriften der von den Gemeinden nach § 67 Abs. 4 Satz 2 HBO 1990 erlassenen Stellplatzsatzungen gehören - nur dann auf schriftlichen und zu begründenden Antrag befreien, wenn entweder Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Abweichung rechtfertigen oder die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Voraussetzungen lagen zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht vor.

Gründe des Wohls der Allgemeinheit vermögen die erteilte Befreiung nicht zu rechtfertigen. Derartige Gründe des Allgemeinwohls liegen entgegen der von dem Verwaltungsgericht in seinem Urteil geäußerten Ansicht nicht bereits dann vor, wenn ein allgemeines Interesse "an möglichst vielen neu gebauten Wohnungen" besteht. Vielmehr bedarf es hierzu eines atypischen, von der der zwingenden Vorschrift zu Grunde liegenden Regelsituation abweichenden Sachverhaltes ( Müller/Weiss u.a., Baurecht in Hessen, Stand: Juni 1997, 2.3.1.1, Seite 14; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Mai 1995 - 7 A 2181/93 -, BRS 57 Nr. 163). Eine solche Ausnahmesituation ist bei der von der Firma I. GmbH in ihrem Befreiungsantrag vom 15. November 1989 zur Begründung für den Befreiungsantrag genannten "allgemeinen Wohnungsnot" nicht gegeben. Wollte man allein mit Rücksicht auf eine generell oder auch nur im Gemeindegebiet bestehende Wohnungsknappheit (vgl. zum Letzteren im Hinblick auf eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 a Satz 1 und 2 BauGB-MaßnG: HessVGH, Urteil vom 24. August 1995 - 3 UE 615/95 -, BRS 57, 241) von der Einhaltung der Stellplatzvorschriften befreien, würde dies zu einem weitgehenden Leerlaufen dieser Regelungen führen. Auch der von der Beklagten nachträglich im Schreiben an die Klägerin vom 18. Dezember 1989 angeführte Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern vom 11. Oktober 1989 - V A 4 - 64 a 02/07 - 66/89 - enthält nichts, was die erteilte Befreiung als aus Gründen des allgemeinen Wohls gerechtfertigt erscheinen lassen könnte. Der erwähnte Erlass schreibt - wie bereits von der Vorinstanz zutreffend festgestellt wurde - die Ausnutzung der gesetzlichen Möglichkeiten von Ausnahme und Befreiung gemäß § 94 Abs. 2 HBO 1990 zur Behebung des damals bestehenden dringenden Wohnraumbedarfs nur für bereits bestehende bauliche Anlagen, nicht aber für die Errichtung neuer baulicher Anlagen vor, die sich grundsätzlich nach den geltenden baurechtlichen Bestimmungen zu richten haben. Eine mit der Durchsetzung der Stellplatzpflicht offenbar nicht beabsichtigte Härte für den Beigeladenen ist nicht ersichtlich und von ihm bzw. seiner Rechtsvorgängerin auch nicht geltend gemacht worden.

Die damit rechtswidrig gewährte Befreiung und die folglich ebenfalls rechtswidrig erteilte Baugenehmigung vom 23. Oktober 1989 verletzen die Klägerin in ihrem durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 137 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Hessischen Verfassung gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung.

In dieses verfassungsrechtlich verbürgte Recht der Klägerin auf Selbstverwaltung wurde durch die angegriffenen Bescheide des Beklagten deshalb in rechtswidriger Weise eingegriffen, weil die Klägerin die durch die ausgesprochene Befreiung missachtete Bestimmung gemäß § 2 Abs. 1 der Stellplatzsatzung vom 24. August 1979 in Verbindung mit Nr. 1.3 der hierzu erlassenen Anlage in Ausübung ihrer Satzungshoheit als Teil des nach den oben genannten verfassungsrechtlichen Bestimmungen geschützten Selbstverwaltungsrechts erlassen hat. Die vorgenannte Regelung beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 HBO in der zum Zeitpunkt des Erlasses der Satzung geltenden, am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen Fassung vom 31. August 1976, GVBl. I S. 339 - im Folgenden HBO 1977 -, die es den Gemeinden erlaubte, durch Satzung besondere Vorschriften über die Gestaltung, Größe und Zahl der Stellplätze für Kraftfahrzeuge zu erlassen. Machte die Gemeinde von der Ermächtigung nach der genannten Regelung Gebrauch, geschah dies in Ausübung ihres verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrechts (vgl. von Roetteken, HSGZ 1984, 297 <298>), sie handelte also nicht etwa, wie von der Vorinstanz angenommen, lediglich als ausführendes Organ des Staates in dessen Wirkungskreis.

Aus der Tatsache, dass das Garagen- und Stellplatzrecht als Teil des Bauordnungsrechts (BVerwG, Urteil vom 29. März 1968 - BVerwG IV C 27.67 -, NJW 1968, 1842, 1843) gemäß § 81 Abs. 1 HBO 1977 und 1990 (jetzt § 60 Abs. 1 HBO in der Fassung vom 20. Dezember 1993, GVBl. I S. 655 - im Folgenden HBO 1993 -) Sache des Staates ist, kann nichts anderes entnommen werden. Die Zugehörigkeit des Stellplatzrechts zu der dem Staat zugewiesenen Rechtsmaterie des Bauordnungsrechts hindert eine Einbeziehung der Gemeinde als Selbstverwaltungskörperschaft zur Verfolgung der mit den Regelungen über die Herstellung von Stellplätzen verfolgten gesetzgeberischen Ziele nicht.

Deutlich zu Tage tritt dies an den - im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägigen - Bestimmungen des heute geltenden Stellplatzrechts. Dieses beschränkt sich darauf, grundlegende Aspekte der Verkehrssicherheit bezüglich der Anlage von Stellplätzen, Garagen und Abstellplätzen zu regeln (§ 50 Abs. 1 bis 5 HBO 1993, gemäß § 88 Abs. 1 HBO 1993 in Kraft getreten am 1. Juni 1995), verzichtet aber - im Gegensatz zur früheren, bis zum 31. Mai 1995 geltenden Regelung gemäß § 67 Abs. 2, 3 und 4 Satz 1 HBO 1977 und 1990 - auf die Normierung gesetzlicher Vorgaben bzw. Befugnisse der Bauaufsichtsbehörde bezüglich der Herstellung notwendiger Stellplätze und Garagen, und überträgt die Entscheidung über die Herstellung notwendiger Stellplätze, Garagen und Abstellplätze in vollem Umfange den Gemeinden zur eigenverantwortlichen Regelung im eigenen Wirkungskreis.

Nach § 50 Abs. 6 HBO 1993 legen die Gemeinden nunmehr selbst unter Berücksichtigung der örtlichen Verkehrsverhältnisse fest, ob und in welchem Umfang Stellplätze oder Garagen und Abstellplätze errichtet werden müssen, um den Erfordernissen des ruhenden Verkehrs zu genügen. Sie können durch Satzung u.a. bestimmen, dass bauliche und sonstige Anlagen, bei denen ein Zu- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, nur errichtet oder geändert werden dürfen, wenn Stellplätze oder Garagen und Abstellplätze in ausreichender Zahl und Größe sowie an einem geeigneten Standort hergestellt werden (notwendige Stellplätze, Garagen und Abstellplätze), wobei die Verpflichtung auf genau begrenzte Teile des Gemeindegebietes oder auf bestimmte Fälle beschränkt werden kann (§ 50 Abs. 6 Nr. 1 bis 3 HBO 1993). Weiterhin können die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass auch für bereits bestehende bauliche und sonstige Anlagen für genau begrenzte Teile des Gemeindegebietes Stellplätze oder Garagen und Abstellplätze herzustellen sind, soweit die Bedürfnisse des ruhenden oder fließenden Verkehrs oder die Beseitigung städtebaulicher Missstände dies erfordern (§ 50 Abs. 6 Nr. 4 HBO 1993), dass auf die Herstellung von notwendigen Stellplätzen oder Garagen unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise verzichtet (§ 50 Abs. 6 Nr. 6 HBO 1993) oder die Herstellung von Stellplätzen oder Garagen untersagt oder eingeschränkt wird, soweit Gründe des Verkehrs oder städtebauliche Gründe die erfordern (§ 50 Abs. 6 Nr. 7 HBO 1993) sowie dass die zur Herstellung Verpflichteten unter Fortfall der Herstellungspflicht an die Gemeinde einen Geldbetrag zahlen, wenn die Herstellung von Stellplätzen oder Garagen nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist (§ 50 Abs. 6 Nr. 9 HBO 1993). Macht eine Gemeinde von der Satzungsermächtigung nach § 50 Abs. 6 Nr. 1 bis 4 HBO 1993 Gebrauch, hat sie gemäß § 50 Abs. 6 Satz 2 HBO 1993 in der Satzung Größe, Zahl und Beschaffenheit der notwendigen Stellplätze, Garagen und Abstellplätze unter Berücksichtigung von Art und Zahl der vorhandenen und zu erwartenden Fahrzeuge der Personen zu bestimmen, die die Anlagen ständig benutzen oder sie besuchen.

Mit Blick auf die durch die vorgenannten Bestimmungen des geltenden Rechts den Gemeinden eingeräumte umfassende Ermächtigung zur Entscheidung über Herstellung, Verzicht, Untersagung und Ablösung notwendiger Stellplätze oder Garagen und Abstellplätze sowohl für neu zu errichtende wie auch bereits bestehende bauliche und sonstige Anlagen mit zu erwartendem Zu- und Abgangsverkehr und die ihnen dadurch eröffnete Möglichkeit, die Stellplatzpflicht in vollem Umfang als Steuerungsinstrument der örtlichen Verkehrsplanung zu nutzen ( Müller/Weiss u.a., Das Baurecht in Hessen, Stand: April 1996, § 50 HBO 1993, Seite 8), kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch die - der im vorliegenden Streitverfahren in Frage stehenden Bestimmung gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 HBO 1977 entsprechende - Regelung nach § 50 Abs. 6 Satz 2 HBO 1993 dem Selbstverwaltungsbereich der Gemeinde zuzuordnen ist. Die der Gemeinde in dieser Bestimmung auferlegte Verpflichtung zur Bestimmung von Größe, Zahl und Beschaffenheit notwendiger Stellplätze, Garagen und Abstellplätze im Rahmen der Stellplatzsatzung ist Ausfluss und Bestandteil der ihr nach geltendem Recht allein überantworteten Entscheidung über die Schaffung notwendiger Stellplätze, Garagen und Abstellplätze. Der Umstand, dass die Gemeinde bei der satzungsmäßigen Festsetzung von Größe, Zahl und Beschaffenheit der notwendigen Stellplätze, Garagen und Abstellplätze die gesetzliche Vorgabe in § 50 Abs. 6 Satz 2 HBO 1993 zu beachten hat, wonach die Festlegung unter Berücksichtigung von Art und Zahl der vorhandenen und zu erwartenden Fahrzeuge der Personen zu erfolgen hat, die die Anlagen ständig benutzen oder besuchen, vermag an der Zugehörigkeit zu dem der Satzungshoheit der Gemeinde umfassend übertragenen Regelungskomplex nichts zu ändern.

Eine solch eindeutige Aussage bezüglich der Zuordnung zum eigenen, verfassungsrechtlich geschützten Wirkungskreis der Gemeinde lässt sich allerdings hinsichtlich der im vorliegenden Streitverfahren in Frage stehenden, bis zum 31. Mai 1995 unverändert fortgeltenden Regelung gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 HBO 1977 nicht treffen. Die der Gemeinde in dieser Bestimmung eingeräumte Ermächtigung, durch Satzung besondere Vorschriften über die Gestaltung, Größe und Zahl der Stellplätze für Kraftfahrzeuge zu erlassen, ist nämlich im Unterschied zu dem oben dargestellten geltenden Recht nicht Teil einer der Gemeinde gesetzlich eingeräumten umfassenden Befugnis zur Entscheidung über die Herstellung notwendiger Stellplätze. Das hier maßgebliche, bis zum 31. Mai 1995 geltende frühere Stellplatzrecht schrieb in § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 HBO vielmehr vor, dass bauliche und sonstige Anlagen, bei denen ein Zu- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, nur errichtet werden dürfen, wenn Stellplätze und Garagen in ausreichender Zahl und Größe sowie in geeigneter Beschaffenheit hergestellt werden (notwendige Stellplätze oder Garagen) und dass sich die Zahl und Größe der notwendigen Stellplätze oder Garagen nach Zahl und Art der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benutzer und Besucher der Anlagen richtet. Für bestehende bauliche und sonstige Anlagen konnte die Bauaufsichtsbehörde nach § 67 Abs. 4 Satz 1 HBO die Herstellung von Stellplätzen und Garagen im Einzelfall verlangen, wenn dies im Hinblick auf die Art und Zahl der Kraftfahrzeuge der ständigen Benutzer und Besucher der Anlage aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit oder Ordnung des Verkehrs geboten ist.

Die Gemeinde konnte - neben ihrer bereits erwähnten Befugnis zum Erlass von Vorschriften über die Gestaltung, Größe und Zahl der Stellplätze für Kraftfahrzeuge nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 HBO 1977 und 1990 - durch Satzung lediglich regeln, dass für genau begrenzte Teile des Gemeindegebietes Stellplätze und Garagen für bestehende bauliche Anlagen herzustellen sind, soweit die Bedürfnisse des ruhenden oder fließenden Verkehrs oder die Beseitigung städtebaulicher Missstände dies erfordern( § 67 Abs. 4 Satz 2 HBO 1977 und 1990), dass für genau begrenzte Teile des Gemeindegebietes allgemein oder für bestimmte Fälle innerhalb solcher Teile auf die Herstellung von notwendigen Stellplätzen oder Garagen verzichtet wird, soweit die Bedürfnisse des ruhenden oder fließenden Verkehrs oder städtebauliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 67 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 HBO 1990) oder durch Satzung die Herstellung von Stellplätzen aus Gründen des Verkehrs oder aus städtebaulichen Gründen untersagen oder einschränken (§ 67 Abs. 6 Satz 3 HBO 1977 bzw. § 67 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 HBO 1990). Weiterhin enthielt auch das frühere Recht die Verpflichtung bzw. die Ermächtigung für die Gemeinde zu satzungsmäßigen Festsetzungen bezüglich des für die Ablösung des Stellplatzes oder der Garage zu zahlenden Betrages (§ 67 Abs. 7 Sätze 7 bis 9 HBO 1977 bzw. § 67 Abs. 9 Sätze 3 bis 5 HBO 1990).

Trotz der gegenüber dem derzeit geltenden Recht weitergehenden gesetzlichen Vorgaben und der dem geltenden Recht fremden Ermächtigung der Bauaufsichtsbehörde bezüglich der Schaffung ausreichender Stellplätze oder Garagen und der hieraus folgenden Einschränkung des Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums der Gemeinde und ungeachtet der Zugehörigkeit des Stellplatzrechts zum staatlichen Bauordnungsrecht wurde die Gemeinde auch nach dem hier zu Grunde zu legenden früheren Stellplatzrecht bei Ausnutzung der ihr übertragenen Satzungsermächtigungen nicht auf Weisung ( vgl. § 4 HGO) oder im Auftrag des Staates und damit nicht im sogenannten übertragenen Wirkungskreis tätig, dessen Beeinträchtigung, auch wenn in diesem Wirkungskreis kraft gesetzlicher Ermächtigung gemeindliche Satzungen erlassen werden (vgl. BayVGH, Urteil vom 16. Dezember 1996 - 14 B 93.2981 -, NVwZ 1998, 205, 206), keine aus Art. 28 Abs. 2 GG bzw. Art 137 Abs. 3 der Hessischen Verfassung abgeleiteten Rechte der Gemeinde verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1983 - BVerwG 7 C 102.82 -, NVwZ 1983, 610, 611; BayVGH, Urteil vom 16. Dezember 1996, a.a.O.). Die Gemeinde handelte auch unter Geltung des früheren Rechts nicht etwa als - im Interesse einer möglichst effektiven und ortsnahen Umsetzung des staatlichen Bauordnungsrechts - lediglich ausführendes Organ des Staates. Vielmehr wurde die Gemeinde auch hier zur Verwirklichung der mit der gesetzlichen Regelung über die Herstellung von Stellplätzen verfolgten Ziele durch Übertragung der Befugnis zur eigenverantwortlichen Regelung von - wenn auch gegenüber dem geltenden Recht enger gefassten - Bereichen als Selbstverwaltungskörperschaft eingebunden.

Für die der Gemeinde im Rahmen von § 67 HBO 1977 bzw. 1990 eingeräumten Ermächtigungen zur Regelung der Herstellung bzw. Untersagung oder Einschränkung der Herstellung oder zur Ablösung von Stellplätzen oder Garagen folgt dies daraus, dass die der Gemeinde hierdurch an die Hand gegebenen Instrumentarien über die Berücksichtigung der Belange des ruhenden Verkehrs hinaus in besonderer Weise die Einbeziehung und Verwirklichung verkehrskonzeptioneller Überlegungen erlaubten. So konnte die Gemeinde die genannten Möglichkeiten des Stellplatzrechts gezielt dazu nutzen, vor allem im innerörtlichen Bereich, speziell für Fußgängerzonen, eine Nutzungsstruktur zu fördern, die allein mit den Mitteln des Bauordnungsrechts nicht zu verwirklichen gewesen wäre ( vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 1983 - BVerwG 4 B 122.83 -, BRS 40 Nr. 146; Hess.VGH, Urteil vom 28. September 1990 - 3 UE 514/85 -, ESVGH 41, 98, 99). Die den Gemeinden durch die erwähnten Satzungsermächtigungen ermöglichte Verwirklichung verkehrsplanerischer Konzeptionen ist mit der Annahme, dass die Gemeinde bei Erlass dieser Satzungsbestimmungen lediglich als ausführendes Organ des Staates im Rahmen des Bauordnungsrechts tätig wird, nicht zu vereinbaren.

Eine solch weitgehende Einbeziehung verkehrsplanerischer Erwägungen ermöglicht die im vorliegenden Streitverfahren in Rede stehende Ermächtigung gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 HBO 1977 zum Erlass von Vorschriften über die Gestaltung, Größe und Zahl der Stellplätze für Kraftfahrzeuge allerdings nicht. Vielmehr war die Gemeinde insoweit an die damals geltende gesetzliche Regelung in § 67 Abs. 2 Satz 2 HBO 1977 gebunden, wonach sich die Größe und die Zahl der notwendigen Stellplätze - allein - nach Zahl und Art der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benutzer und Besucher der Anlage richtet. Diese bauordnungsrechtliche Vorgabe stand nicht zur Disposition der Gemeinde (vgl. von Roetteken, HSGZ 1984, 297). Sie erlaubte insbesondere nicht die Einbringung gestaltender und modifizierender verkehrsplanerischer Vorstellungen der Gemeinde. Durch Satzung konnte somit nicht etwa die Zahl der notwendigen Stellplätze ungeachtet der in den oben genannten gesetzlichen Bestimmungen normierten verkehrlichen Notwendigkeiten aus allgemeinen planerischen Erwägungen erhöht oder vermindert werden.

Ungeachtet dessen sind auch die gesetzlich in starkem Maße eingegrenzten und vorgeprägten Satzungsregelungen der Gemeinde nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 HBO 1977 dem gemeindlichen Selbstverwaltungsbereich zuzuordnen. Auch die Festlegung der Größe, Anzahl und Beschaffenheit notwendiger Stellplätze und Garagen erfolgte nicht durch Festsetzung anhand der gesetzlichen Maßgaben im Einzelfall, sondern war der Gemeinde zur eigenverantwortlichen normativen Regelung übertragen, die - da vor allem die Zahl der notwendigen Stellplätze im Regelfall nach Art und Größe der baulichen Anlagen pauschaliert werden muss - nicht ohne Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse und Besonderheiten getroffen werden konnte ( von Roetteken, HSGZ 1984, 297, 298). Die in den Erlassen des Hessischen Ministeriums des Innern hierzu genannten Richtwerte gaben für die vorzunehmende Festlegung nur einen Anhalt, der einer Bestätigung oder Korrektur anhand der örtlichen Gegebenheiten bedurfte (vgl. Nr. 3.2 der Erlasse vom 23. Dezember 1987, StAnz. 1988, 249 und vom 23. Juni 1992, StAnz. 1992, 1676). Diese Beurteilung lag nach der Entscheidung des Gesetzgebers im alleinigen Verantwortungsbereich der Gemeinde. Damit handelt es sich auch insoweit um von der Gemeinde im eigenen, verfassungsrechtlich geschützten Wirkungskreis gesetztes Ortsrecht, dessen Beeinträchtigung die Gemeinde in ihrer Rechtsstellung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 137 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Hessischen Verfassung verletzt ( vgl. von Roetteken, HSGZ 1984, 297 <309>; BayVGH, Urteil vom 16. Dezember 1996 - 14 B 93.2981 -, NVwZ 1998, 205, 206).

Der Umstand, dass für die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Befreiung von einer zwingenden Stellplatzregelung in einer Gemeindesatzung nach hessischem Recht nicht - wie etwa gemäß § 77 Abs. 2 BayBO - das Einvernehmen der Gemeinde herzustellen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Notwendigkeit des Einvernehmens der Gemeinde bedeutet lediglich, dass diese - wie bei der Erteilung der Baugenehmigung in den Fällen der §§ 31, 33 bis 35 BauGB gemäß § 36 Abs. 1 BauGB -, bereits in das Verwaltungsverfahren bei der Bauaufsichtbehörde eingebunden ist und ihre aus dem Selbstverwaltungsrecht fließenden Belange schon an dieser Stelle einbringen kann. Dies heißt indessen nicht, dass die Gemeinde bei Fehlen einer Einvernehmensregelung den unzulässigen Eingriff in ihr Recht auf Selbstverwaltung nicht zumindest nachträglich durch Klage gegen die entgegen der Satzung erteilte Befreiung geltend machen kann (von Roetteken, HSGZ 1984, 297 <309>).

Dem Beigeladenen können, obwohl er der Sache nach unterlegen ist, keine Kosten auferlegt werden, denn er hat keine Anträge gestellt (§ 154 Abs. 3 VwGO). Seine außergerichtlichen Kosten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Gründen der Billigkeit dem Beklagten aufzuerlegen, besteht keine Veranlassung.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten und die Abwendungsbefugnis ergeht gemäß § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 8.000,00 DM festgesetzt (§§ 14 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2, 73 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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