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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.04.2005
Aktenzeichen: 9 UE 372/04
Rechtsgebiete: BauGB 1993, HBO 1993, Hess VwVG


Vorschriften:

BauGB 1993 § 1 Abs. 6
BauGB 1993 § 9 Abs. 4
HBO 1993 § 87 Abs. 1 Nr. 1
HBO 1993 § 87 Abs. 4 S. 2
Hess VwVG § 69 Abs. 1 Nr. 2
1) Eine in einer Zwangsmittelandrohung gesetzte Frist, die abgelaufen ist, ohne dass der Pflichtige sie zu befolgen hatte, wird gegenstandslos. Dies hat zur Folge, dass eine Klage gegen die Zwangsmittelandrohung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist.

2) Zur Rechtmäßigkeit einer auf § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 gestützten baugestalterischen Festsetzung, Dacheindeckungen mit naturroten bis rotbraunen, unglasierten Dachziegeln und -steinen vorzunehmen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

9. Senat

9 UE 372/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch Richter am Hess. VGH Dr. Fischer als Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung am 28. April 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 11. Dezember 2002 - 2 E 2353/98 (1) - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin zu 1. einerseits sowie die Kläger zu 2. und 3. als Gesamtschuldner andererseits haben jeweils 1/2 der Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung P.-Q., Flur ..., Flurstück ... (A-Straße). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans A 52 der beigeladenen Stadt Rödermark, der am 7. Juni 1994 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen und am 8. Dezember 1994 öffentlich bekannt gemacht wurde. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans heißt es unter "Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i. V. m. § 87 HBO":

"Zulässige Dacheindeckung: Naturrote bis rotbraune, unglasierte Dachziegel und -steine."

Mit Bauschein vom 30. Juli 1997 genehmigte der Beklagte auf dem Grundstück A-Straße die Errichtung eines Doppelwohnhauses mit Carport. Unter Nr. 5 der allgemeinen Baubeschreibung nach § 4 Bauvorlagenverordnung, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden ist, wurde eine Dacheindeckung mit unglasierten Dachziegeln der Farbe naturrot genehmigt.

Während einer Bauzustandsbesichtigung am 19. Januar 1998 stellte der Beklagte fest, dass die Dacheindeckung mit Ziegeln der Farbe schwarz/anthrazit vorgenommen worden war. Daraufhin erging seitens des Beklagten am 20. Januar 1998 eine bauaufsichtliche Verfügung, in welcher den damaligen Grundstückseigentümern - den Eheleuten M. W.-G. und H.-P. G. sowie den Klägern zu 2. und 3. - aufgegeben wurde, bis zum 27. Februar 1998 das Dach des Doppelhauses mit Ziegeln der Farbe rot bis rotbraun einzudecken. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet und für den Fall der Nichtbeachtung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 26. Januar 1998, eingegangen bei dem Beklagten am 29. Januar 1998, legten die damaligen Grundstückseigentümer gegen die vorgenannte Verfügung Widerspruch ein, den sie mit der Unverhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahme sowie der Unwirksamkeit der Festsetzung des Bebauungsplans der Beigeladenen A 52, wonach als Dacheindeckung naturrote bis rotbraune, unglasierte Dachziegeln und -steine zu verwenden seien, begründeten.

Nachdem der Beklagte mit Ergänzungsbescheid vom 6. Februar 1998 die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 20. Januar 1998 aufgehoben und am 13. Mai 1998 die Anhörung im Widerspruchsverfahren stattgefunden hatte, wies das Regierungspräsidium Darmstadt mit Bescheid vom 13. Oktober 1998 den Widerspruch zurück.

Mit Schriftsatz vom 4. November 1998, eingegangen bei Gericht am 6. November 1998, erhoben die Adressaten der bauaufsichtlichen Verfügung vom 20. Januar 1998 Klage. Zu deren Begründung trugen sie vor, der angefochtene Bescheid vom 20. Januar 1998 sei rechtswidrig, weil die entsprechende Festsetzung im Bebauungsplan A 52 unwirksam sei. Die Vorgabe, Dacheindeckungen lediglich mit "naturroten bis rotbraunen, unglasierten Dachziegel und -steinen" vorzunehmen, verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Die entsprechende Festsetzung sei unverhältnismäßig, weil sie übermäßig in ihre Eigentumsrechte aus Art. 14 GG eingreife. Das Interesse einer Gemeinde an einer einheitlichen Farbgebung der Dächer eines Wohngebietes könne die Belange der einzelnen Bauherren an einer individuellen Festlegung der Dachfarbe nicht zurückdrängen. Dem Eigentum gleichwertige Belange, wie beispielsweise das Interesse an dem Schutz einer historisch geprägten Dachlandschaft, seien nicht ersichtlich.

Die Eheleute M. W.-G. und H.-P. G. sowie die Kläger zu 2. und 3. beantragten,

die "Verfügung nach erfolgter Bauzustandsbesichtigung gemäß § 80 Abs. 3 HBO" des Beklagten vom 20. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 13. Oktober 1998 aufzuheben.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trug er vor, die Farbvorgabe in der textlichen Festsetzung des Bebauungsplans sei hinreichend bestimmt. Im Übrigen dürften an die Begründung baugestalterischer Festsetzungen in einem Bebauungsplan keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.

Die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. November 2000 beigeladene Stadt Rödermark stellte im erstinstanzlichen Verfahren keinen Antrag.

Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 11. Dezember 2002 den Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 1998 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 13. Oktober 1998 auf. Zur Begründung führte es aus, bei der angegriffenen Verfügung handele es sich um eine Beseitigungsverfügung, die aufzuheben sei, da die Voraussetzungen der §§ 61 Abs. 1 und 2, 78 Abs. 1 HBO 1993 nicht erfüllt seien. Die Dacheindeckung des Doppelhauses sei zwar formell baurechtswidrig. Sie stehe aber nicht in Widerspruch zu materiell-rechtlichen Bestimmungen, da die entsprechende textliche Festsetzung des Bebauungsplans A 52 der Beigeladenen abwägungsfehlerhaft sei. Allein der Wunsch der Beigeladenen nach einer einheitlichen Gestaltung der Dachlandschaft sei nicht geeignet, die durch Art. 14 GG geschützte Baufreiheit der Grundstückseigentümer zurückzudrängen. Schutzwürdige Gesichtspunkte seien auf Seiten der Beigeladenen nicht ansatzweise zu erkennen. Danach besäßen gestalterische Interessen hier nicht das Gewicht, die Baufreiheit einzuschränken.

Auf Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 5. Februar 2004 - 9 UZ 889/03 - die Berufung gegen das vorgenannte Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt zugelassen. Im Zulassungsverfahren teilte der Bevollmächtigte der Kläger mit, dass die Eheleute M. W.-G. und H.-P. G. ihre Doppelhaushälfte an die Klägerin zu 1. veräußert hätten und die Klägerin zu 1. mit Zustimmung der Eheleute M. W.-G. und H.-P. G. in den Prozess eintrete.

Nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses am 11. Februar 2004 hat der Beklagte die Berufung mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004, eingegangen bei Gericht am 27. Februar 2004, wie folgt begründet: Das Bauordnungsrecht dürfe im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG auch zur Wahrung ästhetischer Belange nutzbar gemacht werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der strittigen textlichen Festsetzung um keine zentrale Regelung des Bebauungsplans handele. Es gehe weder um eine Einschränkung noch um eine Modifizierung der im Bebauungsplan zugelassenen baulichen Ausnutzbarkeit oder um eine den Bauherrn gegebenenfalls mit nicht unerheblichen Kosten belastende Vorgabe der Verwendung bestimmter Materialien oder bestimmter gestalterischer Elemente. Die Einschränkung der Baufreiheit werde im Übrigen dadurch abgemildert, dass entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts Darmstadt das in der textlichen Festsetzung vorgeschriebene Farbspektrum nicht nur die Farbe rot oder rotbraun beinhalte, sondern jede Farbe, die noch den Grundton rot oder rotbraun erkennen lasse. Die Grundstückseigentümer würden dadurch nur marginal belastet. Auch der Wunsch nach einer einheitlichen Dachlandschaft rechtfertige nach dem Willen des Gesetzgebers gestalterische Festsetzungen. Dies gelte umso mehr, als sich die Beigeladene bei der Farbvorgabe an dem bereits vorhandenen Stadtbild orientiert habe. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es den Gemeinden unbenommen, durch auf landesrechtlicher Grundlage beruhende Festsetzungen auf das äußere Gesamterscheinungsbild von baulichen Vorhaben Einfluss zu nehmen und im Rahmen der jeweiligen Ermächtigungen das Orts- oder (nur) Straßenbild je nach ihren gestalterischen Vorstellungen zu erhalten oder umzugestalten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 11. Dezember 2002 - 2 E 2353/98 (1) - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Bevollmächtige der Kläger teilte zunächst mit, dass die Klägerin zu 3. verstorben sei. In der Sache tragen die Kläger vor, die textliche Festsetzung des Bebauungsplans zur farblichen Gestaltung der Dachflächen beachte die einfachsten Grundsätze des Abwägungsgebotes nicht. In der Begründung der Abwägungsentscheidung würden mögliche gegenläufige Interessen der Grundstückseigentümer nicht benannt. Somit habe erkennbar keine Abwägung stattgefunden. Es sei nicht zu erkennen, dass die Beigeladene sich überhaupt bewusst gewesen sei, dass sie die Baufreiheit der Eigentümer einschränke. Dies sei umso gravierender, als mit der Eindeckung eines durchschnittlichen Daches Kosten zwischen 15.000 € und 20.000 € auf den Bauherrn zukämen. Zudem wirke sich die Dachgestaltung und insbesondere die Wahl der Dachfarbe auch auf die Gestaltung des Hauses selbst aus. Insgesamt handele es sich bei der Farbe eines Daches mithin um einen aus der Sicht des Bauherrn ganz erheblichen Belang, der nicht unbeachtlich sei.

Die Beigeladene hat auch im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, 1 Hefter betreffend die Genehmigung des Doppelhauses der Kläger sowie 1 Ordner mit Aufstellungsunterlagen der Beigeladenen betreffend den Bebauungsplan A 52.

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2, Abs. 3, 101 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig.

Zunächst war das Rubrum der erstinstanzlichen Entscheidung dahingehend zu berichtigen, dass die früheren Kläger zu 1. und 2. - die Eheleute M. W.-G. und H.-P. G. - aus dem Verfahren ausscheiden und die Klägerin zu 1. in das Verfahren eintritt (§§ 173 VwGO, 266 Abs. 1 ZPO). Insoweit wird auf den Zulassungsbeschluss des Senats vom 5. Februar 2004 - 9 UZ 889/03 - verwiesen.

Einer Entscheidung in diesem Verfahren steht nicht entgegen, dass die Klägerin zu 3. zwischenzeitlich verstorben ist. Zwar bestimmt die gemäß § 173 Satz 1 VwGO auch im Verwaltungsprozess anwendbare Regelung des § 239 Abs. 1 ZPO, dass durch den Tod einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch den Rechtsnachfolger eintritt. Findet jedoch im Falle des Todes eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten statt, tritt eine automatische Unterbrechung nicht ein (§ 246 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO). Vielmehr wird, wenn kein Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO gestellt wurde, das Verfahren mit den Erben des verstorbenen Beteiligten fortgeführt, auch wenn diese - wie hier - nicht namentlich bekannt sind.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage zu Unrecht stattgegeben.

Soweit sich die Klage gegen die im angegriffenen Bescheid ausgesprochene Zwangsmittelandrohung richtet, ist sie bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Von der mit einer Fristsetzung bis zum 27. Februar 1998 versehenen Zwangsgeldandrohung gehen nämlich keine Rechtswirkungen mehr aus. Die Zwangsgeldandrohung war gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 2 des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung vom 18. Mai 1998 (GVBl. I S. 191) - HessVwVG - mit einer zumutbaren Frist zur Erfüllung der Verpflichtung zur Umdeckung des Daches zu versehen. Diese den Klägern gesetzte Frist ist aber dadurch gegenstandslos geworden, dass sie abgelaufen ist, ohne dass die Kläger sie zu befolgen hatten. Sie waren von der Fristbefolgung befreit, da der Beklagte die ursprüngliche Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Ergänzungsbescheid vom 5. Juni 1997 aufgehoben hatte und somit der Widerspruch gegen den Grundverwaltungsakt gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltete. Eine abgelaufene Frist, die nicht befolgt zu werden braucht, erfüllt ihren Zweck, es dem Betroffenen zu ermöglichen, die von ihm geforderte Handlung freiwillig zu erfüllen, nicht mehr. Ist die Fristsetzung gegenstandslos, so gilt dies auch für die Zwangsmittelandrohung, da diese nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 HessVwVG mit einer Fristsetzung verbunden sein muss (vgl. zu einer auf Ausländerrecht beruhenden Abschiebungsandrohung BVerwG, Urteil vom 11.11.1982 - BVerwG 1 C 15.79 -, InfAuslR 1983, 33).

Dem vorgenannten Ergebnis steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 26. Februar 1980 - BVerwG 1 C 90.76 -, DÖV 1980, 651, entgegen. In dieser Entscheidung wurde eine Zwangsmittelandrohung aufgehoben, weil die gesetzte Frist bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abgelaufen war und die Widerspruchsbehörde durch die Zurückweisung des Widerspruchs zu erkennen gegeben habe, dass sie die bereits abgelaufene Frist als für eine etwaige Vollstreckung ausreichend erachte. Dem kann bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil es nicht dem Willen der Widerspruchsbehörde unterliegen kann, eine objektiv erledigte Zwangsmittelandrohung aufrecht zu erhalten. Im Übrigen hat sich - entgegen dem Inhalt des Widerspruchsbescheides in dem vom Bundesverwaltungsgericht am 26. Februar 1980 entschiedenen Fall - die Widerspruchsbehörde hier inhaltlich mit der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung nicht auseinandergesetzt, so dass durch den Widerspruchsbescheid auch nicht der Rechtsschein einer die Zwangsvollstreckung rechtfertigenden existenten Zwangsmittelandrohung gesetzt wurde.

Die weitergehende Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet, da die in der angefochtenen Verfügung des Beklagten vom 20. Januar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 13. Oktober 1998 ausgesprochene Verpflichtung, das Dach des Doppelhauses auf dem Grundstück Gemarkung P.-Q., Flur ..., Flurstück ... umzudecken, rechtmäßig ist und die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzt.

Die Widerspruchsbehörde hat in ihrem Bescheid vom 13. Oktober 1998 zu Recht die angegriffene Verfügung auf § 61 Abs. 2 der Hessischen Bauordnung in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides maßgeblichen Fassung vom 20. Dezember 1993 (GVBl. I S. 655) - HBO 1993 - gestützt. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder einzelnen Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die durch bauliche oder andere Anlagen und Einrichtungen hervorgerufen werden. Die Voraussetzungen, unter denen nach der vorgenannten Bestimmung die Neueindeckung des Daches gefordert werden konnte, sind gegeben.

Die derzeitig vorhandene Dacheindeckung mit schwarz-/anthrazitfarbenen Dachziegeln ist formell baurechtswidrig. Dies folgt daraus, dass in den genehmigten Bauvorlagen eine Dacheindeckung mit unglasierten naturroten Dachziegeln vorgesehen ist.

Die vorhandene Eindeckung des Daches ist auch materiell baurechtswidrig. Sie verstößt gegen die textliche Festsetzung des Bebauungsplans A 52 der Beigeladenen, wonach nur naturrote bis rotbraune, unglasierte Dachziegeln und -steine zulässig sind.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die vorgenannte textliche Festsetzung des Bebauungsplans wirksam.

Nach § 9 Abs. 4 des Baugesetzbuches in der zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bebauungsplans geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466), - BauGB 1993 - können die Länder durch Rechtsvorschrift bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften des Baugesetzbuches Anwendung finden. In § 87 Abs. 4 HBO 1993 ist geregelt, dass Vorschriften nach § 87 Abs. 1 und 2 HBO 1993 in den Bebauungsplan aufgenommen werden können und § 12 BauGB 1993 unter Ausschluss der übrigen Vorschriften des Baugesetzbuches auf diese Festsetzungen Anwendung findet.

Die im Bebauungsplan getroffene Festsetzung zur farblichen Gestaltung der Dachflächen im Plangebiet findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993. Nach dieser Regelung können Gemeinden durch Satzung u. a. Vorschriften erlassen über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen. Material und Farbe der Dacheindeckung gehören zweifelsohne zur äußeren Gestaltung einer baulichen Anlage im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 und können demgemäß Gegenstand einer baugestalterischen Festsetzung im Bebauungsplan sein

Die baugestalterische Festsetzung verstößt nicht gegen das Abwägungsgebot.

Obwohl nach der Regelung in § 87 Abs. 4 Satz 2 HBO 1993 die Bestimmung des § 1 Abs. 6 BauGB 1993, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind, für die streitgegenständliche Festsetzung nicht gilt, hat die Gemeinde bei dem Erlass von Vorschriften nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993, wie bei jeder planerischen Entscheidung, durch die Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt werden, die Grundsätze des Abwägungsgebots zu beachten (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 2. April 1992 - 3 N 2241/89 -, ESVGH 42, 267 = BRS 54 Nr. 116).

Ein Fehler im Abwägungsvorgang ist nicht gegeben, insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beigeladene bei der Planaufstellung die Belange der Grundstückseigentümer, die gegen die baugestalterische Festsetzung über Farbe und Material der Dacheindeckung sprechen, nicht gesehen und nicht berücksichtigt hat.

Unter Nr. 5.1 am Ende der Begründung zum Bebauungsplan A 52 führt die Beigeladene Folgendes aus:

"Damit im zukünftigen Baugebiet eine Dachlandschaft entsteht, die sich hinsichtlich Dachform, Neigung bzw. Art und Farbe, Eindeckung am Bestand des angrenzenden Wohngebietes orientiert, enthält der Bebauungsplan diesbezüglich verschiedene gestalterische Festsetzungen, die auch der Ortsrandlage gerecht werden."

Den Klägern ist zwar zuzugestehen, dass diese Begründung sich nicht ausdrücklich mit dem zugunsten der Grundstückseigentümer streitenden Belang der Baufreiheit auseinander setzt. Daraus allein kann jedoch noch kein Fehler im Abwägungsvorgang gefolgert werden. Dass durch eine positive Bestimmung über die Farbgestaltung von Dacheindeckungen in der Bestimmung nicht genannte Farbvarianten in einer die Baufreiheit einschränkenden Weise ausgeschlossen werden, liegt derart offen auf der Hand, dass die Nichterwähnung dieser Belastung für die Grundstückseigentümer in der Begründung des Bebauungsplans nicht als Beleg dafür dienen kann, die planende Gemeinde habe diesen Belang übersehen und nicht in ihre Abwägung eingestellt (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. April 2002 - 8 S 177/02 -, BauR 2003, 81 = VBlBW 2003, 123; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2000 - 7 A 2386/98 -, NVwZ-RR 2001, 14 = BauR 2000, 1472 = BRS 63 Nr. 166).

Andere Belange als das Interesse der Eigentümer an einem uneingeschränkten Erhalt der Baufreiheit, die gegen die streitgegenständliche Festsetzung sprechen könnten, insbesondere solche wirtschaftlicher Art, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

Ungeachtet dessen weist der Senat darauf hin, dass nach § 87 Abs. 4 HBO 1993 mit Ausnahme des § 12 BauGB 1993 die übrigen Vorschriften des Baugesetzbuches auf Festsetzungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 keine Anwendung finden. Dies bedeutet auch, dass § 9 Abs. 8 HBO 1993, wonach dem Bebauungsplan eine Begründung beizufügen ist, in der die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen des Bebauungsplans darzulegen sind, für baugestalterische Vorschriften nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 nicht gilt. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Vorgaben bedürfen solche gestalterische Festsetzungen somit keiner ausdrücklichen Begründung und auch im Übrigen müssen Satzungsunterlagen nicht im Einzelnen Aufschluss über den Abwägungsvorgang geben. Deshalb beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Abwägungsentscheidung im Falle baugestalterischer Vorschriften nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 im Allgemeinen auf das Abwägungsergebnis (vgl. dazu auch Hess. VGH, Urteil vom 30. Juni 1987 - 3 OE 168/82 - BRS 47 Nr. 121; Urteil vom 2. April 1992 - 3 N 2241/89 -, a. a. O.).

Das Abwägungsergebnis ist aber (ebenfalls) nicht zu beanstanden.

Das Gebot, bei der Dacheindeckung naturrote bis rotbraune, unglasierte Dachziegeln und -steine zu verwenden, berührt - wie oben bereits ausgeführt - allein die Baufreiheit, d. h. das Interesse der Grundstückseigentümer, die Dacheindeckung nach freiem Belieben zu bestimmen. Diesen Belang hat die Beigeladene in nicht zu beanstandender Weise hinter das gemeindliche Interesse zurückgestellt, in dem Baugebiet "In der Dreispitze" eine Dachlandschaft entstehen zu lassen, die sich auch hinsichtlich Farbe und Eindeckung am Bestand des angrenzenden Wohngebietes orientiert. Das aus dieser Begründung ersichtliche Bestreben der Beigeladenen, das neu geplante Wohngebiet an die vorhandene einheitliche Gestaltung des benachbarten Gebietes anzupassen, stellt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts einen Belang dar, der hinreichend gewichtig ist, die auf Seiten der Grundstückseigentümer streitende Baufreiheit zu überwinden.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der hessische Gesetzgeber mit der Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 den Gemeinden als örtlichen Satzungsgebern die Befugnis eingeräumt hat, allein aus gestalterischen Gründen Inhalt und Schranken des Grundeigentums zu bestimmen. Das Bauordnungsrecht darf somit - soweit dies im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig ist - auch zur Wahrung ästhetischer Belange nutzbar gemacht werden, ohne dass die Grenze zur Verunstaltung überschritten worden sein müsste (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1997 - BVerwG 4 NB 15.97 -, BRS 59 Nr. 19; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2000 - 7 A 2386/98 -, NVwZ-RR 2001, 14 = BauR 2000, 1472 = BRS 63 Nr. 166). Material und Farbe der Dacheindeckung gehören - wie oben bereits ausgeführt - zur äußeren Gestaltung einer baulichen Anlage im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993. Demzufolge handelt es sich bei dem Bestreben, für eine gewisse Einheitlichkeit der Dachlandschaft zu sorgen, um ein vom Gesetz anerkanntes Ziel (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. April 2002 - 8 S 177/02 -, BauR 2003, 180 = VBlBW 2003, 213 zu der dem § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 entsprechenden Vorschrift des § 74 LBO BW).

Dieses Interesse der Beigeladenen war hier umso höher zu bewerten, als nach der Begründung des Bebauungsplans, deren Richtigkeit die Kläger nicht in Zweifel gezogen haben, die Dachlandschaft des neuen Baugebietes der Dachlandschaft des angrenzenden Wohngebietes angeglichen werden sollte. Somit liegt der angegriffenen gestalterischen Festsetzung nicht allein die Absicht zugrunde, einheitliche Verhältnisse innerhalb eines noch unbebauten Gebietes zu schaffen, sondern eine bereits entstandene einheitliche Dachlandschaft zu bewahren.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 besondere Vorschriften über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen nur zulässt, wenn ein über die beabsichtigte einheitliche Gestaltung der Dachlandschaft hinausgehender Grund vorliegt. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 HBO 1993 ist es vielmehr den Gemeinden unbenommen, grundsätzlich auf das äußere Gesamterscheinungsbild Einfluss zu nehmen und das Orts- oder Straßenbild je nach ihren gestalterischen Vorstellungen zu erhalten oder umzugestalten (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2000 - 7 A 2386/98 -, NVwZ-RR 2001, 14 = BauR 2000, 1472 = BRS 63 Nr. 166 sowie BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1997 - BVerwG 4 NB 15.97 -, BRS 59 Nr. 19).

Schließlich ist die textliche Festsetzung des Bebauungsplans, wonach nur naturrote bis rotbraune, unglasierte Dachziegeln und -steine zulässig sind, auch nicht mangels Bestimmtheit unwirksam. Davon ist das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Auf die entsprechenden - im Berufungsverfahren nicht angegriffenen - Ausführungen wird Bezug genommen.

Mit der Farbfestsetzung naturrot bis rotbraun hat die Beigeladene ein Farbspektrum vorgeben wollen, das von naturrot bis rotbraun reicht, also eine Farbe, die noch einem dieser Farbtöne zuzurechnen ist. Dass es in Grenzbereichen schwierig sein kann, festzustellen, ob der gewählte Farbton dem vorgegeben Farbspektrum entspricht, macht die Festsetzung nicht unwirksam. Insoweit gilt dasselbe wie bei jedem unbestimmten Rechtsbegriff. Den unbestimmten Rechtsbegriffen ist immanent, dass ihr konkreter Inhalt im Einzelfall - namentlich in Grenzbereichen - nur im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu ermitteln ist und es unter Umständen sogar einer fachlich-sachverständigen Begutachtung bedarf (so zu einer Farbfestsetzung "Grundfarbe rot": OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2000 - 7 A 2386/98 -, BauR 2000, 1472, und zu einer Farbfestsetzung "rot bis rotbraun": VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. April 2002 - 8 S 177/02, a.a.O.).

Auch die gewählte Farbbezeichnung naturrot, die eine Grenze des von der Beigeladenen festgesetzten Farbspektrums bezeichnet, ist hinreichend bestimmt. In Zusammenhang mit der Festsetzung, dass unglasierte Dachziegeln und -steine zu verwenden sind, bedeutet naturrot wiederum ein Spektrum, dass von hellrot bis dunkelrot reichen kann, dass aber beschichtete Dachziegeln bzw. -steine dieses Farbspektrums, also nicht nur glasierte, sondern auch engobierte - mit einem Keramiküberzug versehene - Materialien, ausgeschlossen sind (vgl. dazu Hess. VGH, Urteil vom 2. April 1992 - 3 N 2241/89 -, a.a.O.).

Ermessensfehler, unter denen die angefochtene Verfügung vom 20. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1998 leiden könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist das Gebot der Neueindeckung nicht unverhältnismäßig. Dies folgt bereits daraus, dass die ursprünglichen Kläger sich bewusst über die genehmigten Bauvorlagen hinweggesetzt haben.

Die Kläger haben gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Da die Beigeladene mangels eigener Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO), erachtet es der Senat nicht der Billigkeit entsprechend, den unterliegenden Klägern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 72 Nr. 1 GKG in Verbindung mit §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 GKG a.F. und folgt der Wertfestsetzung erster Instanz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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