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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 27.03.2006
Aktenzeichen: 9 UE 705/05.A
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
Der eritreische Staat registriert jedwede exilpolitische Tätigkeiten auch einfacher Mitglieder der EDP (vormals EPLF-DP) im Bundesgebiet.

Einfache Mitglieder der EDP, die im Bundesgebiet - wenn auch nur in untergeordneter Weise - für diese Partei tätig sind, haben im Falle der Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

9 UE 705/05.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Fischer, Richter am Hess. VGH Seggelke, ehrenamtliche Richterin Kreher, ehrenamtliche Richterin Leyser

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 2003 - 8 E 2178/03.A(3) - abgeändert, soweit die Klage auf Verpflichtung der Beklagten gerichtet ist, unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. Mai 2003 festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und die Kosten des Verfahrens der Klägerin auferlegt werden.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nummern 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. Mai 2003 verpflichtet, festzustellen, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Beklagte und die Klägerin je zur Hälfte zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die nach ihren eigenen Angaben 1975 in Asmara geborene Klägerin stellte am 10. Januar 2003 beim damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Außenstelle Gießen - einen Asylantrag.

Die Anhörung der Klägerin im Rahmen der Vorprüfung gemäß § 25 AsylVfG wurde am 28. Januar 2003 in der tigrinischen Sprache durchgeführt. Die Klägerin gab während dieser Anhörung an, dass sie der tigrinischen Volksgruppe zugehöre. In Eritrea habe sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in einer angemieteten Wohnung in Asmara, Stadtteil Geza-Banda, gewohnt. Eine genaue Straßen- bzw. Hausnummernbezeichnung gebe es nicht. Ihr - der Klägerin - Vater sei bereits verstorben. Sie habe im Übrigen einen Bruder, der in den Vereinigten Staaten lebe. In Eritrea lebten drei weitere Brüder sowie drei Schwestern und einige Onkel und Tanten. Sie sei unverheiratet, habe aber einen Sohn namens H., der 1998 geboren worden sei. Ihr Sohn lebe derzeit in Asmara bei ihrer Mutter. Sie - die Klägerin - habe insgesamt 10 Jahre lang in Asmara die allgemein bildende Schule besucht. Eine anschließende Ausbildung habe sie nicht absolviert, sondern habe in Asmara einen Lebensmittelladen betrieben. Dieser Laden werde derzeit von ihrer Mutter verpachtet. Im Jahre 1996 habe sie ihren nationalen Dienst angetreten; sie habe sich der Armee angeschlossen. Sie sei bis zu ihrer Ausreise in Sawa stationiert gewesen. In der Armee habe man sie als Sympathisantin einer oppositionellen Gruppierung abgestempelt, weil sie offen über die Verhaftung von ehemaligen Ministern gesprochen habe, die am 18. September 2001 stattgefunden habe. Unmittelbar nach den Verhaftungen habe in der Bevölkerung und insbesondere auch im Militär eine Diskussion begonnen. Sie habe Anfang 2002 die erste Strafe absitzen müssen. Die Schikanen hätten praktisch regelmäßig stattgefunden. Sie habe häufiger als die anderen Wasser holen und Essen vorbereiten müssen. Praktisch regelmäßig habe sie die Mittagszeit unter freiem Himmel in der heißen Sonne verbringen müssen. Sie sei auch hin und wieder geschlagen worden. Es seien ihr die Hände auf den Rücken gebunden worden und sie habe 12 Stunden in dieser Position ausharren müssen. Die dauernden Strafen seien ihr zuviel geworden. Es sei für sie auch sehr bitter gewesen, dass sie als Militärangehörige nicht mehr an Versammlungen habe teilnehmen dürfen. Schriftliche Urteile bzw. andere Dokumente gebe es über die Bestrafungen nicht. Nach der letzten Bestrafung am 29. September 2002 habe sie beschlossen, sich bei nächster Gelegenheit von der Truppe zu entfernen. Hierzu habe sie einen Gang zum Wasserholen genutzt. Üblicherweise seien andere Soldaten beim Wasserholen zugegen gewesen. An dem besagten Tage sei sie jedoch allein geschickt worden. Nachdem sie sich von der Truppe entfernt habe, habe sie sich bei einem Bekannten versteckt gehalten. Eritrea habe sie am 10. Oktober 2002 von Asmara aus verlassen. Zunächst sei sie mit dem Auto nach Tessenei gefahren. Von dort aus habe sie zu Fuß die Grenze zum Sudan überschritten und sei dann mit einem Auto bis nach Khartum gefahren. Sie habe sich zwei Monate in Khartum aufgehalten und sei mit Hilfe eines Schleppers am 16. Dezember 2002 mit einem Flugzeug der Egypt Airlines unter dem Namen Z. S. nach A-Stadt geflogen. Für die Ausreise habe sie an den Schlepper 6.000 US-Dollar gezahlt. Dieses Geld habe sie besessen, weil der Lebensmittelladen, den sie geführt habe, sehr gut gelaufen sei. Die Reisedokumente habe der Schlepper einbehalten. Sie habe telefonischen Kontakt zu ihrer Mutter in Asmara. Ihre Mutter habe ihr gesagt, dass nach ihr - der Klägerin - gesucht werde. Sie sei nicht im Besitz von Personalpapieren. Sie habe früher einen Personalausweis besessen, den sie beim eritreischen Militär habe abgeben müssen. Auch sonstige Dokumente über ihre Person könne sie nicht vorlegen.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2003 lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Klägerin ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Gleichzeitig wurde die Klägerin aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihr die Abschiebung nach Eritrea oder in einen anderen Staat angedroht, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist.

Zur Begründung des vorgenannten Bescheides führte das Bundesamt aus, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin über einen sicheren Drittstaat eingereist sei, so dass eine Anerkennung als Asylberechtigte nicht in Betracht komme. Auch die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG scheide aus. Die Klägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie vor politischer Verfolgung aus Eritrea geflohen sei. Ihre dahingehenden Angaben seien widersprüchlich. Wenn sie tatsächlich aus der Armee geflohen wäre, hätte es nahe gelegen, von Sawa aus direkt in den Sudan zu gehen und sich nicht erst nach Asmara zu begeben. Die behaupteten fluchtbegründenden Umstände, die nach Angaben der Klägerin letztmalig am 29. September 2002 stattgefunden hätten, seien im Übrigen für die erst am 10. Oktober 2002 stattgefundene Ausreise auch nicht mehr ursächlich gewesen.

Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2003, eingegangen bei Gericht am 14. Mai 2003, erhob die Klägerin Klage, zu deren Begründung sie sich zunächst auf ihr Vorbringen im Rahmen der Vorprüfungsanhörung berief. Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2003 wies sie ergänzend darauf hin, dass sie derzeit nicht wisse, was mit ihrer Mutter sei. Drei ihrer Brüder lebten in Eritrea, zwei von ihnen verrichteten ihren nationalen Dienst. Der dritte Bruder habe eine eigene Familie. Er versuche sich als Gelegenheitsarbeiter über Wasser zu halten. Ihre drei Schwestern hätten eigene Familien gegründet und seien Hausfrauen. Sie habe keinen Kontakt zu ihren Verwandten. In Eritrea habe sie mit Unterbrechungen bis zur 10. Klasse die Schule besucht. In der 10. Klasse habe sie die Schule vollständig abgebrochen, da sie für sich und auch für ihre Familie habe sorgen müssen. Sie habe einen kleinen Lebensmittelhandel in Gezawanda, einem Stadtteil von Asmara, betrieben. 1996 sei sie zur Ableistung ihres nationalen Dienstes in das Lager Sawa einberufen worden. Nach der dortigen Ausbildung sei sie in verschiedenen Orten eingesetzt worden. Während ihrer Dienstzeit sei sie schwanger geworden. Zur Geburt ihres Kindes habe sie nach Asmara gehen können. Sie habe dann das Kind bei ihrer Mutter zurückgelassen, um zur Armee zurückzukehren. Nach dem Waffenstillstand mit Äthiopien sei in der eritreischen Armee eine kritische Stimmung gegenüber der Regierung aufgekommen. Man habe sich insbesondere gefragt, ob all die Verluste notwendig gewesen seien. Die kritischen Stimmen seien dann allerdings aus der Armee verschwunden. Der Unmut sei in der Bewegung der G-15 kulminiert. Auf einer der regelmäßig stattfindenden Versammlung der Militär- bzw. Diensteinheiten habe sie - die Klägerin - geäußert, dass einige Angehörige der G-15 Helden des Volkes seien, die im Befreiungskampf Herausragendes für das Land getan hätten. Sie sei daraufhin mehr und mehr ausgegrenzt und schikaniert worden. Dies habe Anfang 2002 begonnen. Mit Erklärungen, sie hätte sich bei Versammlungen nicht wie befohlen hingesetzt, sondern weitergefragt, sie würde Gerüchte verbreiten und auch ohne explizite Erklärungen sei sie Strafen wie z. B. Laufen in der Hitze unterzogen worden. Sie habe in der Küche länger als üblich arbeiten, Gräber ausheben und außer der Reihe Wasser schleppen müssen. Es sei ihr faktisch untersagt worden, an Versammlungen teilzunehmen, indem ihr während dieser Zeit spezielle Aufgaben zugewiesen worden seien. Im September 2002 habe sie die Strafe "Nr. 8" erhalten. Ihr seien die Hände und Beine auf dem Rücken gefesselt worden. Grund dafür sei gewesen, dass sie sich nach einer Versammlung, an der sie nicht habe teilnehmen können, danach erkundigt habe, was geschehen sei. Sie sei als Unruhestifterin bezeichnet worden. Die Fesselung habe über Nacht gedauert. Sie - die Klägerin - habe schließlich das Bewusstsein verloren. Da ihr klar geworden sei, dass ihre Situation nicht besser werde, sei sie geflohen. Sie habe sich zwar in der Region Barka in der Gegend von Sawa an der Grenze zum Sudan aufgehalten. Da dieser Landstreifen jedoch extrem bewacht und kontrolliert worden sei, habe sie sich in Richtung Asmara entfernt. Dort habe sie sich bei einem Verwandten versteckt, bis die Flucht organisiert gewesen sei, insbesondere bis sie das nötige Geld flüssig habe machen können. Am 10. Oktober 2002 sei sie mit dem Auto eines Freundes ihres Bruders nach Tessenei gefahren, von wo aus sie in Begleitung eines Ortskundigen über die grüne Grenze in den Sudan gelangt sei. Dort habe sie sich in Khartum aufgehalten, bis die weitere Flucht nach Deutschland organisiert gewesen sei. Der Schlepper, der sich mit dem Namen M. H. vorgestellt habe, habe sie am 16. Dezember 2002 auf einem Flug der Egypt Airlines nach A-Stadt begleitet. Sie sei im Besitz eines falschen, verfälschten oder gekauften Passes auf den Namen Z. S. gewesen. In Deutschland sei sie Mitglied der EPLF-DP.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 5. September 2003, an der die Klägerin nicht teilgenommen hatte, legte ihr Bevollmächtigter eine Bescheinigung der "Eritrean People's Liberation Front - Democratic Party" vom 21. August 2003 vor, aus der sich ergibt, dass sie seit dem 1. März 2003 ein aktives Mitglied dieser Partei sei und am 24. Mai 2003 an einer Versammlung teilgenommen habe, in welcher das Parteiprogramm ausführlich von Herrn A. erläutert worden sei. Weiterhin habe sie am 28. Juni 2003 und 12. Juli 2003 an Versammlungen teilgenommen.

Die Klägerin beantragte,

den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 AuslG und 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beteiligte sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht.

Mit Urteil vom 5. September 2003 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus, ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte bestehe bereits deshalb nicht, weil davon auszugehen sei, dass die Klägerin auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG). Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Eine Vorverfolgung habe sie nicht glaubhaft gemacht. Es sei bereits unglaubhaft, dass es bei Militär- und Diensteinheiten regelmäßig stattfindende Versammlungen gebe. Im Übrigen habe die Klägerin weder zu ihrer Funktion noch zur Art der Einheit, in der sie tätig gewesen sein will, Angaben gemacht. Es sei auch unglaubhaft, dass sie sich von der kämpfenden Truppe ins Landesinnere habe absetzen können, ohne dass man ihr gefolgt sei. Nicht nachvollziehbar sei, dass man ihr, die nach ihren eigenen Angaben in der Truppe besonders beobachtet und häufig bestraft worden sei, die Gelegenheit eingeräumt habe, unbemerkt ins Landesinnere zu fliehen. Die Angaben der Klägerin zu ihrem Fluchtweg seien mehr als vage. Weiterhin sei unerklärlich, warum sie nicht versucht habe, ihr kleines Kind mitzunehmen. Auf der Grundlage ihrer Angaben sei auch nicht zu erkennen, dass sie überhaupt desertiert sei. Schließlich bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der eritreische Staat bei der Bestrafung von Fahnenflüchtigen eine Unterscheidung nach Rasse, Religion oder anderen asylerheblichen Merkmalen mache bzw. Desertion als eine gegenüber der Staatsführung feindliche Gesinnung werte. Der unverfolgt ausgereisten Klägerin drohe im Falle der Rückkehr nach Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie als einfaches Mitglied der EPLF-DP Verfolgung befürchten müsse. Die Auskunftslage ergebe, dass einfache Mitglieder der ELF-RC nicht verfolgungsgefährdet seien. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Auskunftslage nicht auf Mitglieder der EPLF-DP übertragen ließe. Soweit in einer Auskunft des Instituts für Afrika-Kunde vom 12. März 2003 an das Verwaltungsgericht Magdeburg davon ausgegangen werde, dass die EPLF-DP vermutlich als stärkere Bedrohung wahrgenommen werde als die aus der ELF hervorgegangenen Oppositionsparteien, handele es sich lediglich um eine Vermutung, die nicht durch konkrete Umstände belegt werde. Fälle, die eine Verfolgung von einfachen Mitgliedern der EDP belegten, ergäben sich aus der Auskunftslage nicht.

Mit Beschluss vom 10. März 2005 - 9 UZ 131/04.A - hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung gegen das vorgenannte Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit die Klage auf Verpflichtung der Beklagten gerichtet ist, unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. Mai 2003 festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Der darüber hinausgehende Zulassungsantrag wurde abgelehnt. Die Zustellung des Zulassungsbeschlusses erfolgte am 15. März 2005.

Mit Schriftsatz vom 14. April 2005, eingegangen bei Gericht am selben Tage, hat die Klägerin die Berufung begründet. Sie weist nochmals darauf hin, dass sie in ihrem Heimatland aufgrund ihrer kritischen Haltung politische Verfolgung erlitten habe, die ihr auch im Falle der Rückkehr erneut drohe. Zudem sei sie seit dem Frühjahr 2003 Mitglied der EDP, vormals EPLF-DP. Sie nehme an Versammlungen der Regionalgruppe in A-Stadt teil, unterstütze die Organisation finanziell und werbe unter Landsleuten. Ferner helfe sie bei der Durchführung von Veranstaltungen. Sie habe sich an einem Kongress der EDP und anderer Oppositionsparteien am 9. Januar 2005 beteiligt. Der Kongress habe wegen befürchteter Übergriffe durch Angehörige der PFDJ unter Polizeischutz gestanden. Vertreter der PFDJ und der eritreischen Botschaft seien auf dem Kongress anwesend gewesen. Anlässlich einer Veranstaltung der EDP zum Unabhängigkeitstag am 28. Mai 2005 in A-Stadt habe sie Getränke verkauft. Bilder der Veranstaltungen, die auch sie - die Klägerin - zeigten, seien im Internet auf der oppositionellen Webseite "meskerem.net" veröffentlicht worden. In der Zeit vom 28. Juli bis 31. Juli 2005 sei ein Festival der EDA in C-Stadt durchgeführt worden. Auch an dieser Veranstaltung habe sie sich durch den Verkauf von Essen und Getränken beteiligt. Am 26. August 2005 habe die Allianz der Oppositionsgruppen Eritreas unter Einschluss der EDP eine Demonstration in A-Stadt durchgeführt. Grund dieser Protestveranstaltung sei die Tötung von 161 inhaftierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch die eritreischen Sicherheitskräfte am 10. Juni 2005 in Camp W. gewesen. Die Demonstration sei vor das eritreische Konsulat in A-Stadt gezogen. Aus den Räumen des Konsulats heraus seien die Teilnehmer mit Videokameras und Fotoapparaten aufgenommen worden. Am 21. Januar 2006 habe die EDP ihr vierjähriges Bestehen in A-Stadt gefeiert. Zunächst habe der Parteikongress unter Beteiligung zahlreicher Funktionäre aus dem In- und Ausland stattgefunden. Anschließend seien alle Interessierten zu einem Festakt eingeladen worden, für den sie - die Klägerin - an der Abendkasse Eintrittskarten verkauft habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 2003 - 8 E 2178/03.A (3) - sowie unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Mai 2003 zu verpflichten, festzustellen, dass die die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Am 2. März 2006 hat der Senat beschlossen, über die Asylgründe der Klägerin und deren exilpolitische Betätigung durch die Vernehmung der Klägerin als Beteiligte sowie des Parteivorsitzenden der EDP, Herrn A., und des Vorsitzenden der EDP Deutschland, Herrn B., als Zeugen Beweis zu erheben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 27. März 2006 verwiesen.

Die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (1 Hefter) sind beigezogen und ebenso zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden wie die den Beteiligten mit Verfügung vom 10. Februar 2006 und im Termin zur mündlichen Verhandlung bekannt gegebenen Erkenntnisquellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie zur Ergänzung des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Akte dieses Verfahrens, die ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig.

Sie ist insbesondere in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet worden. Die Klägerin hat nach der am 15. März 2005 erfolgten Zustellung des Zulassungsbeschlusses vom 10. März 2005 mit Schriftsatz vom 14. April 2005, eingegangen bei Gericht am selben Tage, einen bestimmten Berufungsantrag gestellt und diesen im Einzelnen begründet.

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, des früheren § 51 Abs. 1 AuslG, begehrt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, denn sie hat in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung Anspruch darauf, dass die Beklagte feststellt, dass in ihrer Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Nach der vorgenannten Bestimmung darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention - nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1997 - BverwG 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97 = NVwZ 1997, 1134), die auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der vergleichbaren Problematik bei Art. 16a GG zurückgeht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 -, BVerfGE 54, 341), darf einem ausländischen Antragsteller, der bereits einmal politische Verfolgung erlitten hat, der Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention nur dann versagt werden, wenn bei einer Rückkehr in den Verfolgerstaat eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (so genannter herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab). War der Flüchtling dagegen zum Zeitpunkt seiner Ausreise nicht verfolgt oder von Verfolgungsmaßnahmen bedroht, kommt es für die Prognose der Verfolgungsgefahr darauf an, festzustellen, ob politische Verfolgung bei einer Rückkehr in das Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 1993 - BVerwG 9 C 205.93 -, DVBl. 1994, 68 = DÖV 1994, 662).

Der Klägerin droht bereits wegen ihrer exilpolitischen Betätigung als einfaches Mitglied der EDP, das im Rahmen der Parteiarbeit aktiv ist, im Falle der Rückkehr nach Eritrea auch in Anwendung des strengeren Prognosemaßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG. Insoweit bedarf das Vorliegen etwaiger - die Anwendung des herabgestuften Prognosemaßstabs rechtfertigender - Vorfluchtgründe im Rahmen des geltend gemachten Abschiebungsschutzanspruchs, der anders als der Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, keiner weiteren Erörterung.

Der Senat ist davon überzeugt, dass dem eritreischen Staat einfache Mitglied der EDP, die sich - wenn auch nur in untergeordneter Form - an der Parteiarbeit beteiligen, bekannt sind. Aus der geschichtlichen Entwicklung der den eritreischen Staat derzeit allein tragenden Partei (EPLF/PFDJ) erschließt sich dem Senat, dass Eritrea über ein auch im Ausland außerordentlich gut ausgebildetes und funktionierendes Spitzelsystem verfügt, das auch die untergeordneten Aktivitäten einfacher Mitglieder der EDP registriert.

Nachdem die "Eritrean People's Liberation Front" (EPLF) am 24. Mai 1991 die heutige eritreische Hauptstadt Asmara erobert hatte, war der Unabhängigkeitskrieg zwischen Äthiopien und Eritrea beendet und die faktische Herauslösung Eritreas aus dem äthiopischen Staatsverband vollzogen. Im Anschluss daran erfolgte die Bildung der provisorischen Regierung Eritreas, an deren Spitze der EPLF-Generalsekretär F. stand. Im April 1993 fand ein Referendum über die Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien statt, das fast einstimmig Zustimmung fand und den Weg für einen friedlichen Austritt aus dem äthiopischen Staatsverband ebnete. Am 24. Mai 1993 wurde Eritrea nach dreißigjährigem Unabhängigkeitskampf mit Äthiopien selbstständig und im Juni 1993 F. von der Nationalversammlung zum Staatspräsidenten gewählt. Die provisorische Regierung wurde allein von der EPLF gestellt, andere politische Parteien wurden nicht zugelassen (amnesty international an VG Würzburg vom 8. Oktober 2002). Seit dieser Zeit wird die Staatsgewalt in Eritrea uneingeschränkt und allein von der EPLF ausgeübt, die 1994 in "People's Front for Democracy and Justice" (PFDJ) umbenannt wurde.

Die EPLF war eine politische Kampforganisation, die sich seit ihrer Entstehung zu Beginn der siebziger Jahre in einem Zwei-Fronten-Konflikt befand. Zum einen führte sie gegen die Organe der äthiopischen Staatsmacht in Eritrea einen bewaffneten Befreiungskampf und zum anderen stand sie mit weiteren eritreischen Unabhängigkeitsbewegungen in intensivem Konflikt um die politische und militärische Vorherrschaft in der eritreischen Unabhängigkeitsbewegung. Dies erklärt, dass die EPLF einen starken Nachrichtendienst und eine starke Sicherheitsabteilung entwickelt hat. Nach dem Selbstverständnis der EPLF stand politische Dissidenz stets in Verdacht, mit dem äthiopischen Gegner und/oder der gegnerischen eritreischen Opposition im Bunde zu sein. Beide Dienste entwickelten im Laufe der Jahre eine hohe Professionalität und Effizienz. Die in den langen Jahren des Kampfes innerhalb der EPLF entstandene Überwachungsmentalität und -kultur und die im Zusammenhang damit entwickelten Strukturen setzten sich auch nach Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1991 fort.

Mit dem Ausbruch des Grenzkonflikts mit Äthiopien im Mai 1998 (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 14. Oktober 2001) und der Zusammenarbeit von Teilen der eritreischen Auslandsopposition mit der äthiopischen Seite verschärfte sich für die eritreische Regierung die bereits vorher erkannte Notwendigkeit, die Tätigkeit der eritreischen Opposition weltweit zu überwachen. Das Aufbrechen interner Auseinandersetzungen innerhalb der PFDJ nach Ende des Krieges am 18. Juni 2001 (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 14. Oktober 2001) und die seit September 2001 innerhalb Eritreas betriebene Ausschaltung der Kritiker des eritreischen Präsidenten und seiner Politik unter dem Vorwurf des Hoch- und Landesverrats (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 11. April 2005) haben aus Sicht der Regierung die weitere Verschärfung der internen Überwachung und der nachrichtendienstlichen Aufklärung unter der eritreischen Diaspora zwingend notwendig gemacht. Bereits im Januar 2001 soll nach Angaben eritreischer Oppositionskreise speziell zur Bekämpfung der politischen Dissidenz in den Reihen der PFDJ von Präsident F. ein neues Sicherheitskomitee geschaffen worden sein. In diesem Zusammenhang wurde auch davon berichtet, dass verstärkt loyale Aktivisten aus der Diaspora in den eritreischen Botschaften und Konsulaten eingesetzt werden sollen.

Ende 2001/Anfang 2002 formierten sich die politischen Gegner des Präsidenten F., die aus den Reihen der EPLF/PFDJ stammten, als EPLF-DP. Wegen der Bedrohungspotentiale, die eritreische Oppositionsorganisationen im Ausland seit dieser Zeit aus der Sicht der eritreischen Regierung verkörpern (Institut für Afrika-Kunde an Bayerischen VGH vom 2. November 2005), ist davon auszugehen, dass gegenwärtig die nachrichtendienstlichen Netzwerke der Regierung in der Diasporabevölkerung jegliche Betätigung bei einer der oppositionellen Organisationen registrieren und die entsprechenden Informationen über die bestehenden Berichtsketten auch den Zentralbüros der verschiedenen Sicherheitsdienste in Eritrea zugeleitet werden. Als Teil des Kampfes gegen die EPLF-DP hat die eritreische Regierung seit Frühjahr 2002 die Aktivitäten ihrer Sicherheitsdienste in der eritreischen Diaspora erheblich verstärkt und hierfür auch zusätzliches Personal ins Ausland entsandt (Schröder an Bayerischer VGH vom 8. Juli 2005). Angesichts der tiefen Polarisation der eritreischen Diaspora zwischen Anhängern und Gegnern der eritreischen Regierung hat die eritreische Regierung keine Schwierigkeiten, für ihre geheime Nachrichtendiensttätigkeit in großer Zahl Freiwillige zu finden.

Aufgrund dieser historischen Entwicklung (vgl. dazu auch Schröder an Verwaltungsgericht Köln vom 8. November 2002) ist der Senat unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten Quellen davon überzeugt, dass die eritreische Regierung Aktivitäten regimekritischer Art im Ausland ausgiebig beobachten und aufzeichnen lässt (Auswärtiges Amt an VG Aachen vom 9. Dezember 2004). Insbesondere das eritreische Konsulat in A-Stadt betreibt ein engmaschiges Überwachungsnetz und registriert alle regierungskritischen Aktivitäten genauestens (Institut für Afrika-Kunde an VG Aachen vom 31. Januar 2005). Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Spitzel eingesetzt werden, um herauszufinden, wer mit oppositionellen Gruppen sympathisiert (amnesty international an VG München vom 23. März 2005). Bei Mitgliedern in leitenden und Führungspositionen findet - im Unterschied zu einfachen und passiven Mitgliedern - zum Teil eine gezielte Überwachung statt (Auswärtiges Amt an Verwaltungsgericht Magdeburg vom 30. Juni 2004). Aber selbst die Aktivitäten einfacher Mitglieder werden von Spitzeln des eritreischen Staates zur Kenntnis genommen und weitergeleitet. Somit muss angenommen werden, dass auch die exilpolitische Betätigung einfacher Mitglieder bekannt wird. Die Beschaffung von Erkenntnissen wird dadurch begünstigt, dass die Zahl der Eritreer im Bundesgebiet recht klein ist und man sich untereinander kennt. Oppositionelle Organisationen werden ständig beobachtet. Wenn eritreische Stellen durch ihre Sicherheitsbehörden Kenntnis von Mitgliedern und deren Tätigkeit innerhalb regierungsoppositioneller Organisationen (Parteien) erhalten, werden diese registriert (Auswärtiges Amt an VG Magdeburg vom 30. Juni 2004 und an Bayerischen VGH vom 2. November 2005). Speziell für die EDP ist dabei zu berücksichtigen, dass deren Mitgliederzahl nach wie vor gering ist, so dass das einzelne Mitglied deutlicher exponiert erscheint. Ausgehend von der verstärkten Überwachungstätigkeit der eritreischen Regierung bezüglich der in Deutschland lebenden Eritreer muss mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass auch ein einfacher Anhänger der EDP und dessen Tätigkeit bekannt wird (vgl. auch Auswärtiges Amt an VG Magdeburg vom 5. August 2003, an VG Kassel vom 18. Mai 2004 sowie an VG Aachen vom 9. Dezember 2004; amnesty international an VG Magdeburg vom 7. November 2003; Institut für Afrika-Kunde an VG Kassel vom 30. April 2004).

Einfache Mitglieder der EDP, die sich - wenn auch nur in untergeordneter Form - an der Parteiarbeit beteiligen, haben im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten.

Die Vorgängerorganisation der EDP, die EPLF-DP, wurde Ende 2001/Januar 2002 im Exil gegründet mit dem Ziel, die demokratischen Traditionen der EPLF/PFDJ wiederzubeleben. Gründungsmitglieder der EPLF-DP waren Persönlichkeiten, die der so genannten "G 15-Gruppe" angehört hatten oder mit dieser Gruppe sympathisierten (Schröder an Verwaltungsgericht Köln vom 8. November 2002 und an Bayerischen VGH vom 8. Juli 2005; Institut für Afrika-Kunde an VG Magdeburg vom 11. Juni 2003 und an Bayerischen VGH vom 2. November 2005; amnesty International an VG Magdeburg vom 7. November 2003). Bei dieser Gruppe handelte es sich um die Unterzeichner eines im Mai 2001 an den Präsidenten Eritreas gerichteten kritischen Briefes. Elf der Unterzeichner dieses Briefes wurden in Eritrea im September 2001 verhaftet (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 15. Oktober 2002, an VG Würzburg vom 28. Mai 2002, amnesty international an VG Magdeburg vom 7. November 2003). Die EPLF-DP strebte von Beginn an die Demokratisierung des eritreischen Staatswesens an. Sie steht den innenpolitischen Entwicklungen Eritreas, d. h. dem Machtmonopol des Präsidenten und hochrangiger Militärs, kritisch gegenüber. Auf einem Parteikongress in Tübingen im Februar 2004 wurde - vermutlich um eine stärkere Abgrenzung von der EPLF/PFDJ zum Ausdruck zu bringen - eine Namensänderung in EDP beschlossen (Institut für Afrika-Kunde an VG Kassel vom 30. April 2004 und Bayerischen VGH vom 2. November 2005; Auswärtiges Amt an VG Kassel vom 18. Mai 2004; Schröder an VG Kassel vom 4. Juni 2004 und an Bayerischen VGH vom 8. Juli 2005). Die ursprünglichen Ziele der EPLF-DP werden auch von der Nachfolgeorganisation EDP weiterverfolgt. Mit politischen Mitteln soll ein Machtwechsel in Eritrea herbeigeführt werden. Da die Gründung der EPLF-DP aus dem engen Führungskreis PFDJ heraus erfolgte, wird die EDP als deren Nachfolgeorganisation im Verhältnis zu anderen Oppositionsparteien als stärkere Bedrohung wahrgenommen. Die Legitimität der jetzigen Führung der PFDJ wird durch die EDP besonders empfindlich in Frage gestellt, da sie von Veteranen des Unabhängigkeitskampfes angeführt wird, die in der Bevölkerung weiterhin sehr beliebt sind. Aus diesem Grunde gilt die EDP aus Sicht der eritreischen Regierung als einer ihrer gefährlichsten politischen Gegner, wenn nicht sogar als der gefährlichste (Schröder an VG Magdeburg vom 26. Februar 2003; Institut für Afrika-Kunde an VG Magdeburg vom 11. Juni 2003). Das enorme Bedrohungspotential, das die eritreische Regierung den "Abweichlern aus den eigenen Reihen" beimisst, kommt auch darin zum Ausdruck, dass der eritreische Staat als Reaktion auf den kritischen Brief der "G 15-Gruppe" im September 2001 verstärkt damit begonnen hat, Inhaber abweichender Meinungen zu inhaftieren (vgl. Schröder an VG Würzburg vom 26. Februar 2003, amnesty international an VG Magdeburg vom 7. November 2003 und "Du hast kein Recht zu fragen", Mai 2004; Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 25. Mai 2004 und vom 11. April 2005).

Es ist davon auszugehen, dass jedwede Aktivität von Mitgliedern der EDP für die Partei von der eritreischen Regierung als staatsschädigend eingestuft wird (Institut für Afrika-Kunde an VG Kassel vom 30. April 2004; Auswärtiges Amt an VG Kassel vom 18. Mai 2004 und an Bayerischen VGH vom 2. November 2005). Auch für niedrig profilierte Mitglieder, deren Aktivitäten sich z. B. in der regelmäßigen Teilnahme an Parteitreffen und einfacher, regional begrenzter Werbung für die Partei erschöpfen, besteht im Falle der Rückkehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsmaßnahmen. Gerade wegen der großen Bedrohung, die die EDP für den Erhalt der Herrschaft der jetzigen PFDJ-Führung bedeutet, ist regelmäßig anzunehmen, dass jedwede Aktivität innerhalb der Parteiarbeit (Auswärtiges Amt an VG Kassel vom 18. Mai 2004) und auch bereits die einfache Mitgliedschaft (Schröder an VG Kassel vom 4. Juni 2004; Auswärtiges Amt an VG Magdeburg vom 30. Juni 2004), soweit sie bekannt wird (Institut für Afrika-Kunde an Bayerischen VGH vom 2. November 2005), bei einer Rückkehr sanktioniert wird (vgl. auch Bundesnachrichtendienst an VG München vom 11. April 2005). Die Regierung muss nämlich befürchten, dass auch ein Teil der jetzigen PFDJ-Mitglieder zur Reformbewegung überläuft, die aus den eigenen Reihen entstanden ist. Dies wird als noch stärkere Bedrohung wahrgenommen als die Zugehörigkeit zu einer anderen Oppositionspartei (Schröder an VG Magdeburg vom 26. Februar 2003; Institut für Afrika-Kunde an VG Magdeburg vom 11. Juni 2003, amnesty international an VG Magdeburg vom 7. November 2003).

Soweit Präzedenzfälle, die eine Verfolgung belegen könnten, nicht vorliegen, spricht dies - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefährdung von einfachen Mitgliedern der EDP, die sich innerhalb der Partei - wenn auch nur in einfacher Weise - aktiv betätigen. Präzedenzfälle dürften nämlich deshalb fehlen, weil die EDP in der Diaspora gegründet wurde und es bisher nicht zur Rückreise von Personen gekommen ist, die als Mitglieder bekannt waren (Institut für Afrika-Kunde an Bayerischen VGH vom 2. November 2005). Im Übrigen ist die Tatsache, dass Präzedenzfälle nicht bekannt sind, auch darauf zurückzuführen, dass in Eritrea Festnahmen häufig ohne Anwesenheit von Zeugen stattfinden und die Verhafteten danach an unbekannte Orte verbracht werden, Angehörige keine Auskunft über den Verbleib erhalten und keine (öffentliche) Anklageerhebung erfolgt (Bundesnachrichtendienst an VG München vom 11. April 2005).

Gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefährdung von Mitgliedern der EDP, die sich lediglich in untergeordneter Weise für die Partei betätigen, spricht auch nicht die neuere Auskunft des Auswärtigen Amtes an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 2. November 2005. In den ersten beiden Absätzen dieser Auskunft bestätigt das Auswärtige Amt sein bisherige Einschätzung, dass (sic.: ohne Einschränkungen) die eritreischen Behörden aktive einfache Mitglieder der EPLF-DP bei Bekanntwerden registrieren und jedwede Aktivität im Rahmen der Parteiarbeit und -zugehörigkeit zur EPLF (gemeint ist ganz offensichtlich die EPLF-DP) von dem eritreischen Staat als staatsschädigend eingestuft wird. Wenn es sodann im dritten Absatz dieser Auskunft heißt, dass es, um von Seiten des eritreischen Staates als regimekritischer Gegner eingestuft zu werden und sich somit möglichen Repressalien auszusetzen, mehr als einer Mitgliedschaft in der EPLF-DP bedürfe und in der Regel eine länger andauernde Tätigkeit mit regelmäßigen Veröffentlichungen stattgefunden haben müsse, steht dies im Widerspruch zu den Feststellungen in den ersten beiden Absätzen. Denn es kann nicht ernstlich davon ausgegangen werden, dass die vom eritreischen Staat registrierte und als staatsschädigend eingestufte Arbeit eines einfachen Mitglieds in der EDP nur dann verfolgt wird, wenn das Mitglied "regelmäßig veröffentlicht" hat. Dies hieße, dass der eritreische Staat unterhalb der regelmäßigen Veröffentlichungen eine registrierte und als staatsschädigend angesehene Betätigung, ungeahndet lässt. Unter Berücksichtigung des oben dargestellten Selbstverständnisses der EPLF/PFDJ erscheint eine derartige Nichtreaktion auf staatsschädigendes Verhalten undenkbar. Aus diesem Grund interpretiert der Senat die entsprechende Feststellung in der Auskunft des Auswärtigen Amtes an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 2. November 2005 dahingehend, dass sich ein einfaches Mitglied der EDP staatlichen Repressalien aussetzt, wenn es öffentlich in Erscheinung tritt. Diese Interpretation wird dadurch gestützt, dass deren Ergebnis sich im Wesentlichen mit der Einschätzung der Situation in früheren Auskünften des Auswärtigen Amtes deckt. Eine nunmehr anders lautende Einschätzung durch das Auswärtige Amt wäre nur dann nachvollziehbar, wenn Gründe für eine veränderte Gefährdungssituation angeführt würden. Derartige Gründe enthält die Auskunft des Auswärtigen Amtes an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 2. November 2005 aber nicht.

Bei den auch einfachen aktiven Mitgliedern der EDP drohenden Sanktionen und Repressalien handelt es sich insbesondere um Verhaftungen und länger andauernde Inhaftierungen (vgl. dazu Auswärtiges Amt an VG Magdeburg vom 5. August 2003; Bundesnachrichtendienst an VG München vom 11. April 2005; amnesty international an VG München vom 23. März 2005), die politischen Charakter haben.

Eine Verfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielte Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung und der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG, Beschlüsse vom 4. April 1991 - 2 BvR 1497.90 -, InfAuslR 1991, 262, vom 11. Februar 1992 - 2 BvR 1155/91 -, InfAuslR 1992, 152 und vom 11. Mai 1993 - 2 BvR 1989/92 u. a. -, InfAuslR 1993, 310).

Da die drohenden Repressalien an die Mitgliedschaft in einer politischen Partei und die Aktivitäten für diese Partei anknüpfen, ist deren politischer Charakter gegeben.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin zu dem Kreis der verfolgungsgefährdeten Personen im oben umschrieben Sinne zählt, weil sie einfaches Mitglied der in der Bundesrepublik exilpolitisch tätigen EDP ist und sich für diese Partei schon längere Zeit - wenn auch nur untergeordnet - betätigt.

Die Klägerin hat erstmals mit Schriftsatz vom 19. Juli 2003 im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen, dass sie in der Bundesrepublik Mitglied der EPLF-DP sei. Im Termin zur mündlichen Verhandlung legte sie eine Bescheinigung der EPLF-DP vom 21. August 2003 vor, aus welcher sich ergibt, dass sie seit dem 1. März 2003 aktives Mitglied der Partei sei. In dieser Bescheinigung wird ausgeführt, dass die Klägerin am 24. Mai 2003, 28. Juni 2003 und 12. Juli 2003 jeweils an Veranstaltungen der EPLF-DP teilgenommen habe. Im Berufungsverfahren hat sie zudem einen mit einem Passbild versehenen Mitgliedsausweis der EDP - gültig vom 31. Juli 2005 bis zum 30. Juli 2006 - vorgelegt und mitgeteilt, dass sie an Veranstaltungen und Seminaren der Partei teilnehme. Der im Termin zur mündlichen Verhandlung gehörte Zeuge B., der derzeit Vorsitzender der EDP Deutschland ist und zuvor Vorsitzender der Untergruppe Frankfurt und Umgebung der EDP war, hat bestätigt, dass der bei den Gerichtsakten befindliche Mitgliedsausweis der Klägerin seine Unterschrift trage und echt sei. Ferner hat die Klägerin im Berufungsverfahren eine Bescheinigung der EDP vom 15. März 2004 vorgelegt, aus welcher sich ergibt, dass sie im Jahre 2003/2004 an den monatlich in der Beethovenstr. ... in 60325 A-Stadt stattfindenden Parteiversammlungen teilgenommen habe. Ausweislich einer weiteren Bescheinigung vom 21. Januar 2006 hat die Klägerin an diesem Tage einer Versammlung und einem Seminar in der Ludwigstraße in A-Stadt beigewohnt, die von dem Zeugen A. und dem Europavorsitzenden der EDP geleitet worden sind. In der Bescheinigung wird bestätigt, dass die Klägerin Tickets für diese Veranstaltung verkauft habe.

Der Senat ist der Überzeugung, dass die Klägerin die in den Bescheinigungen aufgeführten Aktivitäten für die EDP entfaltet hat und es sich dabei nicht etwa nur um Gefälligkeitsbescheinigungen handelt. Auf einen entsprechenden Vorhalt des Vertreters des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Zeuge B. ausgeführt, dass aus Gründen der Vereinfachung für derartige Bescheinigungen zwar ein einheitliches Formular verwendet werde, in welches lediglich die individuellen Daten des Mitglieds übernommen würden. In die Bescheinigungen würden aber nur Veranstaltungen eingetragen, an denen die betreffende Person auch tatsächlich teilgenommen habe. Dies werde dadurch sichergestellt, dass während der Veranstaltungen Anwesenheitslisten geführt würden, in die sich die Teilnehmer eintragen müssten. Die Anwesenheitslisten befänden sich beim Vorsitzenden der jeweiligen Gruppierung, so dass dieser stets erkennen könne, an welcher Veranstaltung der Betreffende teilgenommen habe.

Auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin - als Beteiligte vernommen - angegeben, dass sie Mitglied der EDP (vormals EPLF-DP) sei. Sie sei aktiv, verrichte Alltagsarbeit, nehme an Veranstaltung teil und zahle ihren Monatsbeitrag in Höhe von 5 €. Sie habe bisher 15 Mitglieder für die Partei geworben.

Den Zeugen A. und B. war die Klägerin als Mitglied der EDP bekannt. Auf entsprechendes Befragen erklärte A., dass er die Klägerin vom Sehen kenne und wisse, dass sie Mitglied der Partei sei. Er habe sie auch bei Veranstaltungen gesehen. Da er sehr viele Personen auf derartigen Veranstaltungen treffe, könne er aber nicht genau sagen, bei welcher Veranstaltung er die Klägerin gesehen habe. B. war die Klägerin persönlich bekannt. Er verwies in diesem Zusammenhang auf seine frühere Tätigkeit als Vorsitzender der Untergruppe Frankfurt und Umgebung der EDP, in der auch die Klägerin tätig ist. Er gab an, dass die Klägerin als Mitglied der EDP an der Alltagsarbeit beteiligt sei und in der Regel an Aktivitäten der Organisation teilnehme, beispielsweise an Demonstrationen. Es gebe in der Partei auch Mitglieder, die durch das Bemühen der Klägerin eingetreten seien.

Der Senat erachtet die Angaben der beiden Zeugen für glaubhaft. Sie haben sich weder in Widersprüche verstrickt noch ergeben sich andere Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen, ihre Angaben entsprächen nicht der Wahrheit. Ihre Glaubwürdigkeit wird aus der Sicht des Senats dadurch unterstrichen, dass sie nicht darum bemüht waren, die Tätigkeit der Klägerin aufzubauschen, um die Erfolgsaussichten der Klage zu verbessern.

Schließlich hat sich die Klägerin auch in einer Weise über die Geschichte und die Ziele der EDP informiert gezeigt, die darauf schließen lässt, dass sie nicht allein "zahlendes Mitglied" der Partei ist, sondern sich auch - wenn auch nicht in exponierter Weise - an der Parteiarbeit beteiligt. Insoweit wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. März 2006 verwiesen.

Ohne dass dem entscheidungserhebliche Bedeutung beizumessen wäre, weist der Senat darauf hin, dass im Falle der Klägerin die Verfolgungsgefahr zusätzlich dadurch gesteigert wird, dass über ihre Teilnahme an Veranstaltungen der EDP bzw. an Veranstaltungen von Organisationen, an denen die EDP beteiligt ist, in Form von Fotografien im Internat berichtet wurde. Dies betrifft beispielsweise die Teilnahme an der Veranstaltung "Tag der Befreiung" (Unabhängigkeitstag), die von der Allianz der eritreischen Oppositionsgruppen unter Einschluss der EDP organisiert wurde und am 28. Mai 2005 in A-Stadt stattfand. Auf der Internetseite "www.meskerem.net/IMG_1912.jpg" ist die Klägerin abgebildet, wie sie auf dieser Veranstaltung Getränke ausgibt.

Die Klägerin hat nach alledem Anspruch auf Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG.

Die Abschiebungsandrohung im angegriffen Bescheid vom 7. Mai 2003 ist aufzuheben, weil sie den Anforderungen des § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG nicht genügt. Mangels Bezeichnung eines Staates, in den die Klägerin abgeschoben werden könnte, wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei Erlass des die Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG treffenden Bescheids zu prüfen haben, ob eine Abschiebung der Klägerin in einen Drittstaat, in dem ihr keine Überstellung in den Vertragsstaat droht, in Betracht kommt. Gibt es keinen solchen Staat, unterbleibt die Abschiebungsandrohung (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1999 - BVerwG 9 C 31.99 -, InfAuslR 2000, 99).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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