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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2004
Aktenzeichen: 1 AR 36/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 19a
ZPO § 29
ZPO § 35
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 37
ArbGG § 48
Die Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit an ein anderes Gericht bindet dieses licht, wenn sie willkürlich ist. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn das verweisende Gericht eine bereits vor längerer Zeit - hier: nahezu fünf Jahre - erfolgte Gesetzesänderung licht beachtet hat, deren Zweck es gerade war, Verweisungen wie die hier erfolgte zu verhindern (im Anschluss an BGH Beschl. v. 10.09.2002 - X ARZ 217/02 - NJW 2002, 3634).
Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss

Az.: 1 AR 36/03

In dem Rechtsstreit der Kundendienstsachbearbeiterin

hat die Kammer 1 des Hessischen Landesarbeitsgerichts durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Koch als Vorsitzenden am 8. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Als für die Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Frankfurt am Main bestimmt.

Gründe:

1. Die Klägerin war oder ist seit dem 11. September 2000 in der Geschäftsstelle F des Unternehmens der Schuldnerin als Kundendienstsachbearbeiterin zu einer Vergütung von zuletzt 2.391,74 € brutto monatlich beschäftigt (Dienstvertrag Bl. 5 - 7 A.). Dort waren regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer tätig. Das Amtsgericht Hagen/W. eröffnete mit Beschluss vom 1. Mai 2003 - 109 IN 66/03 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis der Schuldnerin mit der Klägerin mit Schreiben 29. Juli 2003, zugegangen am 30. Juli 2003, ordentlich zum 31. Oktober 2003 (Bl. 8 und 9 d. A.). Die Klägerin hat mit der dem Beklagten am 29. August 2003 zugestellten, am 18. August 2003 bei dem Arbeitsgericht in Frankfurt/M. eingegangenen, zunächst gegen die Schuldnerin und den Beklagten als deren gesetzlichen Vertreter gerichteten Klageschrift Kündigungsschutzklage erhoben.

Die Klägerin hält die Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt. Sie kündigt den Antrag an, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Juli 2003 nicht aufgelöst wird.

Das Arbeitsgericht Frankfurt/M. hat den Rechtsstreit nach Gewährung rechtlichen Gehörs zu dem Antrag der Klägerin vom 4. September 2003, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Düsseldorf zu verweisen (Bl. 13 d. A.), in dessen Rahmen sich der Beklagte nicht geäußert hat, mit einem Beschluss vom 6. Oktober 2003 - 14/1 Ca 8357/03 - an das Arbeitsgericht Düsseldorf als Gerichtsstand des Beklagten verwiesen (Bl. 19 d. A.). Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Parteien darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, sich ebenfalls für örtlich unzuständig zu erklären, weil als örtlich zuständiges Gericht das Arbeitsgericht Hagen/W, als Gerichtsstand des Sitzes des Insolvenzgerichts oder Frankfurt/M. als Gerichtsstand des Erfüllungsortes in Betracht käme (Bl 28 und 29 d. A.), und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Beklagte hat sich der Ansicht des Arbeitsgerichts Düsseldorf angeschlossen (Bl. 30 d. A.) Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat sich alsdann mit Beschluss vom 22. Dezember 2003 - 13 Ca 10341/03 - für örtlich unzuständig erklärt, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt/M. verwiesen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt (Bl. 32 - 34 d. A.).

Zu dem Inhalt der genannten Schriftstücke im Übrigen und im Einzelnen wird auf die angegebenen Blätter der Akte Bezug genommen.

II. 1. Die in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genannten Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen vor. Das Arbeitsgericht Frankfurt/M., das, wie sich im, Laufe es Rechtsstreits herausgestellt hat, mangels eines ausschließlichen Gerichtstandes als Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. §§ 29 ZPO, 611 Abs. 1 ArbGG i. V. m. dem Arbeitsvertrag der Parteien örtlich zuständig ist, hat sich mit gem. §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17a GVG unanfechtbarem Beschluss vom 6. Oktober 2003 - 14/1 Ca 8357/03 - für örtlich unzuständig erklärt, ebenso das Arbeitsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 22. Dezember 2003 - 13 Ca 10341/03 -. Das genügt, um zu Anwendbarkeit des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu gelangen.

Die Bestimmung durch Beschluss hat durch das Hessische Landesarbeitsgericht als dem Landesarbeitsgericht zu erfolgen, in dessen Bezirk das Arbeitsgericht Frankfurt/M. als das zunächst mit der Sache befasste Gericht liegt, weil gemeinsames zunächst höheres Gericht der Arbeitsgerichte Frankfurt/M. und Düsseldorf das Bundesarbeitsgericht wäre, § 36 Abs. 2 ZPO (BAG Beschl. v. 14.07.1998 - 5 AS 22/98 - NZA 1998, 1189, 1190).

2. Zuständig zur Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits ist das Arbeitsgericht Frankfurt/M. als Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO. Die Klägerin hat durch Klageerhebung bei diesem Gericht ihr Wahlrecht gem. § 35 ZPO ausgeübt, so dass demgegenüber ihr zusammen mit der Rubrumsberichtigung gestellter Verweisungsantrag bedeutungslos war. Das war auch für das Arbeitsgericht Frankfurt/M. erkennbar, denn die Klägerin hat in der Klageschrift darauf hingewiesen, dass sie in der Geschäftsstelle F der Schuldnerin beschäftigt - gewesen - sei. Angesichts des von der Klägerin ausgeübten Wahlrechts und der Sachnähe des Arbeitsgerichts Frankfurt/M. ist es sinnvoll, dieses als örtlich zuständig zu bestimmen.

Zwar hat sich das Arbeitsgericht Frankfurt/M. durch den an sich unanfechtbaren Beschluss vom 6. Oktober 2003 für örtlich unzuständig erklärt. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, an einen solchen Beschluss gem. § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG dann nicht gebunden ist, wenn er willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt haltbar ist (BAG Beschl. v. 01.07.1992 - 5 AS 4/92 - AP § 36 ZPO Nr. 39; v. 14.01.1994 -5 AS 22/93 - AP § 36 ZPO Nr. 43; v. 03.11.1993 - 5 AS 20/93 - AP § 17a GVG ZPO Nr. 11; v. 31.01.1994 - 5 AS 23/93 - AP § 36 ZPO Nr. 44; vgl. GK-ArbGG/Bader, § 48 Rn 77 - 79; HessLAG Beschl. v. 5. November 2003 - 1 AR 31/03; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl. § 48 Rn 65; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 48 Rn 26; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 281 Rn 14; Thomas/Putzo/Reichhold, aaO, § 281 Rn 12).

Das ist hier der Fall, weil das Arbeitsgericht Frankfurt/M. eine bereits vor längerer Zeit erfolgte Gesetzesänderung, mit der gerade solche Verweisungen unterbunden werden sollten, nicht zur Kenntnis genommen hat (BGH Beschl. v. J9. 01-J993 -X ARZ 845/92 - NJW 1993, 1273; v. 10.09.2002 - X ARZ 217/02 - NJW 2002, 3634, 3635 f.), nämlich die Einführung des allgemeinen Gerichtstandes des Insolvenzverwalters gem. § 19a ZPO am Sitz des Insolvenzgerichts durch Art. 18 EGInsO vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911). Diese ist zum 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Durch diese Gesetzesänderung sollte sichergestellt werden, dass Passivprozesse von Insolvenzverwaltern, die oft bundesweit tätig sind, nicht vor Gerichten, geführt werden, die weitab von Ort des Geschehens sind, weil dort der Insolvenzverwalter seinen Wohnsitz und damit nach altem Recht seinen allgemeinen Gerichtsstand gem. §§ 12, 13 ZPO hatte (vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/3803, S. 67 zu Art. 18 Nr. 1 InsO-E).

III. Die Kosten dieses Beschlusses sind Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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