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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 22.08.2005
Aktenzeichen: 4 Ta 384/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 141 | |
ZPO § 381 |
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juli 2005 - 21/16 Ca 8013/03 - aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes.
Im Ausgangsrechtsstreit nimmt die Klägerin den Beschwerdeführer auf Schadensersatz wegen verspäteter Stellung eines Insolvenzantrages in Anspruch. Der Beschwerdeführer ist in Spanien ansässig und verfügt nach seinen Angaben über ein monatliches Nettoeinkommen von höchstens 500 EUR. Das Arbeitsgericht ordnete mit Beschluss vom 12. November 2004 sein persönliches Erscheinen sowie das der Klägerin zu dem Kammertermin vom 02. Juni 2005 an. Dieser Anordnung leisteten beide Parteien nicht Folge. Am 18. Juli 2005 verhängte das Arbeitsgericht gegen beide Parteien Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 200 EUR.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigtem am 27. Juli 2005 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 29. Juli 2005 sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht nicht abhalf. Zur Begründung der Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, er sei im Termin vom 02. Juni 2005 durch Assessorin A vertreten gewesen, die zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen einschließlich eines Vergleichschlusses bevollmächtigt gewesen sei. Der Abschluss eines Vergleiches sei wegen seiner Überschuldung objektiv unmöglich gewesen. Die Anreise aus Spanien sei ihm finanziell nicht möglich gewesen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Nicht tragfähig ist allerdings die Rüge, dem Beschwerdeführer sei die Anreise finanziell nicht möglich gewesen. Abgesehen davon, dass gegebenenfalls ein Antrag auf Reisekostenerstattung in Betracht gekommen wäre, ist der Beschwerdeführer mit dieser Begründung ausgeschlossen, weil er die Verhinderung entgegen §§ 381 Abs. 1 S. 1, 141 Abs. 3 S. 1 ZPO nicht rechtzeitig vor dem Termin vom 02. Juni 2005 angezeigt hat. Eine nachträgliche Entscheidung ist gemäß § 381 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Partei an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Dafür fehlt jeder Anhaltspunkt. Dem Beschwerdeführer stand zwischen der Ladung und dem Termin mehr als ein halbes Jahr zur Verfügung, um seine Verhinderung anzuzeigen.
Der Verhängung des Ordnungsgeldes entgegen steht jedoch, dass nach dem Inhalt der Akte davon ausgegangen werden muss, dass der Beschwerdeführer in dem Termin durch einen Bevollmächtigten vertreten wurde, der zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen einschließlich eines Vergleichsschlusses ermächtigt war (§ 141 Abs. 3 S. 2 ZPO). Streitig ist allerdings, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Rechtsanwälte und Verbandsvertreter je nach Sachlage auch dann geeignete Vertreter im Sinne von 141 Abs. 3 S. 2 ZPO sein können, wenn sie - wie offensichtlich die den Beschwerdeführer vertretende Assessorin - selbst nicht unmittelbar an den den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Vorgängen beteiligt waren und daher eigene Eindrücke von diesen nicht wiedergeben können.
Zum Teil wurden in der älteren Rechtssprechung Kenntnisse aus eigener Wahrnehmung verlangt (LAG Frankfurt am Main 23. November 1964 - 1 Ta 69/64 - NJW 1965/1042; LAG Hamm 28. Oktober 1971 - 8 Ta 37/71 - MDR 1972/362; ebenso nach wie vor Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/ Müller-Glöge ArbGG 5. Auflage § 51 Rn. 20). Weiter wird angenommen, Prozessbevollmächtigte seien nur dann geeignete Vertreter im Sinne von § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO, wenn sie über so umfassende Kenntnisse verfügen, dass auch die Partei persönlich in keiner Hinsicht ein besseres Aufklärungsmittel wäre (LAG Rheinland-Pfalz 19. April 1985 - 1 Ta 70/83 - LAGE ArbGG 1979 § 51 Nr. 2; Leipold in Stein/Jonas ZPO 22. Auflage § 141 Rn. 42; Berscheid in Schwab/Weth ArbGG § 51 Rn. 19).
Jedenfalls gebietet es nach ganz überwiegender Auffassung der Zweck von § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO, dass der Vertreter über Kenntnisse verfügt, die über den Inhalt der bereits vorliegenden Schriftsätze hinausgehen. Der Vertreter muss den Kenntnisstand über die die Grundlage des Rechtsstreits bildenden Lebensvorgänge und die betrieblichen Verhältnisse besitzen, die die vertretene Partei selber hat (vgl. LAG Nürnberg 25. November 1988 - 4 Ta 93/88 - LAGE ZPO § 141 Nr. 6; GK-ArbGG-Schütz Stand Juni 2005 § 51 Rn. 24, 25; Helml in Hauck/Helml ArbGG 2. Auflage § 51 Rn. 15; ErfK-Koch 5. Auflage § 51 ArbGG Rn. 9; HWK-Ziehmann § 51 ArbGG Rn. 8; Zöller-Greger ZPO 25. Auflage § 141 Rn. 17; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 63. Auflage § 141 Rn. 47; Vonderau NZA 1991/336, 338; Tschöpe/Fleddermann NZA 2000/1269, 1271 f.). Letztere Auffassung entspricht dem Wortlaut und dem Zweck von § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Regelung soll gewährleisten, dass die Sachaufklärung und die verfahrensökonomische Erledigung des Rechtsstreits durch das Ausbleiben der persönlich geladenen Partei nicht beeinträchtigt wird. Der Vertreter soll daher in seinen Fähigkeiten zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Abgabe der gebotenen Prozesserklärungen der Partei gleichstehen. Wodurch er diese Fähigkeiten erlangt hat, ist für das Erreichen des Normzwecks nicht erheblich. Es lässt sich daher aus der Norm nicht ableiten, dass der Vertreter die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Kenntnisse unmittelbar persönlich erlangt haben muss. Allerdings gibt es Sachverhalte, etwa komplexe Handlungsabläufe, bei denen eine gleichwertige Vertretung der Partei kaum oder überhaupt nicht möglich ist. Dann kommt eine Vertretung regelmäßig nicht in Betracht (vgl. OLG Frankfurt am Main 11. Februar 1991 - 11 W 4/91 - MDR 1991/545). Geht das Gericht von einem derartigen Sachverhalt aus, sollte es - sofern dies nicht offensichtlich ist - die Partei vor dem Termin allerdings darauf hinweisen, dass es eine Vertretung nicht für zulässig hält (vgl. Hartmann a.a.O. § 141 Rn. 48; Tschöpe/Fleddermann NZA 2000/1269, 1272).
Im Beschwerdeverfahren kann von einer unzureichenden Befähigung des Vertreters zur Aufklärung des Sachverhalts nur ausgegangen werden, wenn sich dies der Akte entnehmen lässt. Aus der Akte muss deutlich werden, in welchen Punkten der Vertreter nicht über hinreichende Kenntnisse verfügte. Zur Klarstellung sollte das Arbeitsgericht entsprechende Feststellungen treffen, etwa im Protokoll der Sitzung oder zumindest im Ordnungsgeld- oder im Nichtabhilfebeschluss.
Derartige Feststellungen hat das Arbeitsgericht nicht erkennbar getroffen. Es ist insbesondere auch im Nichtabhilfebeschluss der Behauptung des Beschwerdeführers nicht entgegengetreten, dass die den Beschwerdeführer im Termin vom 02. Juni 2005 vertretende Assessorin zur Aufklärung des Tatbestands in der Lage gewesen ist. Dasselbe gilt für die Behauptung, diese sei auch zur Abgabe der gebotenen Erklärungen und insbesondere zum Vergleichsschluss bevollmächtigt gewesen. Allein der Umstand, dass kein Vergleich zustande kam, widerlegt diese Behauptung nicht. Die Akte lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen eine gütliche Einigung scheiterte und dass dies insbesondere auf einer nicht ausreichenden Bevollmächtigung der Vertreterin des Beschwerdeführers beruhte. Damit fehlt gemäß § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO die Grundlage für die Verhängung eines Ordnungsgeldes.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. Hartmann a.a.O. § 141 Rn. 59, § 380 Rn. 14; Leipold a.a.O. § 141 Rn. 58; Reichhold in Thomas/Putzo ZPO 26. Auflage Rn. 7, § 380 Rn. 12).
Ende der Entscheidung
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