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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 03.04.2007
Aktenzeichen: 4 TaBV 39/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 76
BetrVG § 85
BetrVG § 37 Abs. 2
Eine Einigungsstelle über die Beschwerde eines Arbeitnehmers gemäß § 85 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist nicht zu bestellen, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist (§ 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG). Dies gilt auch dann, wenn absehbar ist, dass der Arbeitnehmer in einem Prozess zur Durchsetzung des Anspruchs Darlegungs- oder Beweisschwierigkeiten haben wird.

Ansprüche von Betriebsratsmitgliedern auf Arbeitsbefreiung zur Durchführung ihrer Aufgaben und auf betriebsübliche Vergütung im Sinne von § 37 Abs. 2 - 4 BetrVG sind echte Rechtsansprüche. Eine derartige Ansprüche betreffende Beschwerde kann deshalb nicht gegen den Willen des Arbeitgebers zum Gegenstand einer erzwungenen Einigungsstelle gemacht werden.


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 25. Januar 2007 - Az.: 10/6 BV 18/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.

Der antragstellende Betriebsrat repräsentiert die etwa hundert Arbeitnehmer der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin. Die Beteiligten sowie die Industriegewerkschaft Metall unterzeichneten am 25. Januar 2006 eine "Ergebnis Haustarifvertrag/Regelungsabrede Zukunftssicherung" bezeichnete Vereinbarung, gemäß deren Ziffer 1 im Betrieb der Arbeitgeberin eine wöchentliche Regelarbeitszeit von vierzig Stunden gelten sollte. Wegen des vollständigen Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage AG 04 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2007 Bezug genommen. Am 24. August 2006 schlossen die Beteiligten die "Betriebsvereinbarung über Arbeitszeiten in Produktion und Administration" (nachfolgend: BV), in der sie im Wesentlichen die Verteilung der Wochenarbeitszeit und die Einrichtung von Arbeitszeitkonten regelten. Die §§ 16 und 17 BV enthalten u.a. folgende Bestimmungen:

"§ 16 Abweichende Arbeitszeitregelungen

Wird im Einzelfall von den Regelungen dieser Betriebsvereinbarung durch individuelle Vereinbarungen zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber abgewichen, gehen diese Vereinbarungen der Betriebsvereinbarung vor. ...

§ 17 Meinungsverschiedenheiten

Im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung auftretende Meinungsverschiedenheiten sollen von den Parteien mit dem ernsten Willen der Einigung beigelegt werden. Der Rechtsweg ist hierdurch nicht ausgeschlossen; insbesondere hat jede Partei das Recht die Einigungsstelle anzurufen."

Wegen des vollständigen Inhalts der BV wird auf die Anlage AS 11 zum Schriftsatz vom 23. Januar 2007 Bezug genommen. Der Betriebsrat ist der Ansicht, sein Vorsitzender werde von der Arbeitgeberin seit Anfang 2004 auf vielfältige Weise benachteiligt. Wegen der Einzelheiten wird auf die S. 6 - 11 des Schriftsatzes vom 23. Februar 2007 verwiesen. Der Betriebsratsvorsitzende richtete mit Schreiben vom 28. April 2006 unter der Überschrift "Benachteiligung durch Betriebsratstätigkeit" eine Beschwerde an die Arbeitgeberin. Mit dieser forderte er die Gutschrift von 42,5 durch die Arbeitgeberin für die Monate Februar bis April 2006 als Betriebsratsarbeit nicht anerkannter Stunden in seinem Zeitkonto, die Differenz zwischen dem von der Arbeitgeberin zugrunde gelegten Stundenlohn von € 17,10 und dem vom Beschwerdeführer für zutreffend erachteten Stundenlohn von € 20,26 für die Zeit von November 2004 bis April 2006 in Höhe von € 3.681,81, die Zahlung einer seit dem Beginn seiner Betriebsratstätigkeit nicht mehr erbrachten Schichtzulage für die Zeit von Juli 2004 bis April 2006 in Höhe von € 4.896,51, die Gewährung einer Lohnerhöhung um € 1,02 pro Stunde ab 01. Mai 2006 und die Zugrundlegung seiner arbeitsvertraglichen Wochenarbeitszeit von 37 Stunden anstatt der tariflichen Wochenarbeitszeit von 40 Wochenstunden bei der Zeiterfassung und bei der Lohnabrechnung. Er kündigte weiter an, nach der Vorlage aller Unterlagen werde er auch "die Ungleichbehandlung bezüglich der bezahlten 15 Minuten Pause (01.07.2004 bis 31.03.2006) ... zur Berechnung anstellen". Falls bis 05. Mai 2006 keine einvernehmliche Regelung gefunden worden sei, werde er die Angelegenheit seinem Anwalt übergeben. Dieser machte die Forderungen mit Schreiben vom 15. Mai 2006 unter Hinweis auf § 37 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG erneut geltend.

Nachdem das Schreiben vom 28. April 2006 auch dem Betriebsrat zugeleitet worden war, erklärte der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt. Da innerbetriebliche Verhandlungen scheiterten, betreibt der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren die Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BetrVG. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG stehe der Bestellung nicht entgegen, da ein Rechtsanspruch im Sinne dieser Norm nur vorliege, wenn sich das mit der Beschwerde verfolgte Ziel ohne weiteres mit einer Klage durchsetzen lasse. Hier gehe es dagegen um schutzwürdige Belange des Beschwerdeführers, die sich noch nicht eindeutig zu einem Rechtsanspruch verdichtet hätten. Zudem fühle sich der Beschwerdeführer wegen seiner Betriebsratstätigkeit benachteiligt.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich insgesamt um Rechtsansprüche gemäß § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, die nicht Gegenstand einer Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sein könnten.

Der Betriebsrat hat gegen den am 09. Februar 2007 zugestellten Beschluss am 23. Februar 2007 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er hält an seiner Auffassung fest, dass die schutzwürdigen Belange des Beschwerdeführers sich noch nicht eindeutig zu Rechtsansprüchen verdichtet hätten. Die Einigungsstelle sei bereits dann zuständig, wenn Zweifel bestünden, ob aus den der Beschwerde zugrunde liegenden Gründen Rechtsansprüche erwachsen könnten. Der Arbeitgeberin verbleibe jeweils ein Regelungsspielraum. Zudem sei die Einigungsstelle für alle mit der Arbeitszeit im Zusammenhang stehenden Meinungsverschiedenheiten auch aufgrund von § 17 BV zu bilden. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Gegenstände der Beschwerde Teil eines umfassenden Benachteiligungsszenarios sei.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf den Schriftsatz vom 23. Februar 2007 Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 25. Januar 2007 - 10/6 BV 18/06 - abzuändern,

2. den Richter und Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main a.D. A zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Berechtigung der Beschwerde des B" zu bestellen,

3. die Zahl der Beisitzer für den Antragsteller und die Antragsgegnerin auf jeweils 2 festzulegen.

Die Arbeitgeberin verteidigt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Würdigung des Arbeitsgerichts wie im Schriftsatz vom 19. März 2007 ersichtlich.

Am 03. April 2007 schlossen die Beteiligten einen Teilvergleich, demgemäß zwischen ihnen Einigkeit besteht, dass sich die regelmäßige Wochenarbeitszeit des Beschwerdeführers aus dessen Arbeitsvertrag ergibt, dass dieser den tarifvertraglichen Regelungen gemäß § 4 Abs. 3 TVG vorgeht und dass vom Beschwerdeführer über die arbeitsvertragliche Regelarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit von der Arbeitgeberin gemäß der einschlägigen Regelungen auszugleichen oder zu vergüten ist.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Verfahren ist hinsichtlich des Beschwerdegegenstandes "Wochenarbeitszeit" durch den Teilvergleich vom 03. April 2007 erledigt. In diesem liegt eine Abhilfe der Beschwerde gemäß §§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 1 BetrVG durch die Arbeitgeberin.

2. Der Beschwerdegegenstand "Ungleichbehandlung bezüglich der bezahlten 15-Minuten-Pause" ist nicht Gegenstand der im vorliegenden Verfahren zu prüfenden Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat insoweit im Schreiben vom 28. April 2006 lediglich eine spätere Geltendmachung einer Forderung angekündigt, deren Gegenstand aus dem Schreiben nicht ersichtlich ist. Es fehlt daher insoweit bisher an einer Beschwerde im Sinne von §§ 84 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 1 BetrVG.

3. Zu den übrigen Beschwerdepunkten ist die Einigungsstelle nicht zu bestellen, da sie im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 BetrVG offensichtlich unzuständig ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer und der überwiegenden Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte ist eine Einigungsstelle offensichtlich unzuständig und damit nach § 98 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht zu bestellen, wenn ihre Zuständigkeit und keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, wenn ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das Bestellungsverfahren soll weder durch die Klärung komplizierter Rechtsfragen noch durch die Aufklärung streitiger Tatsachen belastet werden; diese Aufgaben sind ggf. der Einigungsstelle vorbehalten. Für deren Bestellung ist entscheidend, ob an ihrer Unzuständigkeit ernsthafte rechtliche Zweifel möglich sind oder nicht. Nur in letzterem Fall ist der Bestellungsantrag zurückzuweisen. Bei Kontroversen in Rechtsprechung und Literatur über die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsfragen besteht der Zurückweisungsgrund der offensichtlichen Unzuständigkeit nicht (vgl. nur Hess. LAG 01. August 2006 - 4 TaBV 111/06 - NZA-RR 2007/199, zu II 2 a, m.w.N.).

Nach diesem Maßstab ist die Einigungsstelle für die verbleibenden Beschwerdegegenstände offensichtlich nicht zuständig, da es sich jeweils um streitige Rechtsansprüche im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG handelt.

a) Nach § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, wenn zwischen ihm und dem Arbeitgeber eine Meinungsverschiedenheit über die Berechtigung einer Beschwerde besteht. Deren Spruch ersetzt gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG sieht vor, dass "dies" nicht gilt, soweit Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist. Nach dem Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 war streitig, ob die Beschränkung von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG bereits die Bestellung der Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG oder lediglich deren Entscheidungskompetenz gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ausschließt. Nach dem jetzigen Stand der Rechtsprechung wird diese Frage übereinstimmend in ersterem Sinne beantwortet. Trotz des nicht eindeutigen Wortlauts der Norm ist es danach nicht Zweck der Einigungsstelle, im Sinne eines Rechtsgutachtens vorprozessual das Bestehen von Rechtsansprüchen zu beraten und zu prüfen (BAG 28. Juni 1984 - 6 ABR 5/83 - BAGE 46/228, zu II 2 c; LAG Frankfurt/Main 08. Dezember 1992 - 4 TaBV 103/92 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 25, zu II 1 b; Hess. LAG 06. September 2005 - 4 TaBV 107/05 - AuR 2006/173 L, zu B II 1 b; LAG München 06. März 1993 - 4 TaBV 3/97 - LAGE BetrVG 1972 § 85 Nr. 4, zu 2). In der Literatur gibt es nur noch vereinzelte Stimmen, die die Richtigkeit dieser Rechtsprechung bestreiten (vgl. Däubler/Kittner/Klebe-Buschmann BetrVG 10. Aufl. § 85 Rn 10). Damit ist diese Rechtsfrage als geklärt zu betrachten.

b) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats erfasst der Ausschlusstatbestand von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht nur Rechtsansprüche, die sich in einem Prozess leicht durchsetzen lassen. § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG knüpft nicht an den Umfang der Erfolgschancen des Beschwerde führenden Arbeitnehmers in einem Prozess über den Beschwerdegegenstand an. Die Gesetzesbegründung (BT-Dr. VI/1786 S. 48) macht vielmehr deutlich, dass Beschwerden gemeint sind, die Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Gegenstand haben. § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG soll die Austragung von Rechtsstreitigkeiten auf die Arbeitsgerichte beschränken. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer in einem Prozess eventuell Darlegungs- oder Beweisschwierigkeiten haben wird. Nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer (vgl. etwa LAG Frankfurt/Main 15. September 1992 - 4 TaBV 52/92 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 26, zu II b bb; 08. Dezember 1992, a.a.O., zu II 1 b; Hess. LAG 06. September 2005 a.a.O., zu B II 1 b) erfasst § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Vermeidung eines Leerlaufs des Mitbestimmungsrechts allerdings nicht Ansprüche, die auf regelmäßig nur schwer konkretisierbaren Pflichten des Arbeitgebers beruhen, insbesondere der Fürsorgepflicht, der Pflicht zur Beachtung billigen Ermessens bei der Ausübung des Direktionsrechts und unter Umständen auch auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Je mehr der Arbeitgeber zur Ausübung eines Ermessens berechtigt ist, desto eher bestehen für die Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG geeignete Regelungsfragen. Die Beschwerdepunkte vom 28. April 2006 betreffen jedoch echte Rechtsansprüche im engeren Sinn, so dass eine Bestellung der Einigungsstelle nicht in Betracht kommt.

Bei der Forderung von Zeitgutschriften für vom Betriebsrat geleistete Betriebsratsarbeit im Arbeitszeitkonto des Beschwerdeführers handelt es sich um einen Rechtsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG. Nach dieser Norm sind Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. § 37 Abs. 2 BetrVG gewährt dem Betriebsrat unabhängig vom Willen des Arbeitgebers eine Entscheidungskompetenz hinsichtlich der zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Freistellungen (BAG 26. Juni 1996 - 7 ABR 48/95 - BAGE 83/234, zu B II 2 a). Insoweit verfügt nicht der Arbeitgeber, sondern der Betriebsrat über einen Ermessensspielraum (vgl. nur Däubler/Kittner/Klebe-Wedde a.a.O. § 37 Rn 31). Erst wenn dieser überschritten wurde, kann der Arbeitgeber die Fortzahlung der Vergütung des Betriebsratsmitglieds verweigern. Ob das Ermessen des Betriebsrats überschritten wurde, ist aus Sicht des Arbeitgebers eine reine Rechtsfrage, ohne dass für den Arbeitgeber ein Regelungsermessen verbleibt.

Entsprechendes gilt für die Höhe des Stundenlohns des Beschwerdeführers und für seine Forderung auf Fortzahlung einer Schichtzulage. Das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern darf nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht geringer bemessen werden als das vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Beachtung dieser Vorschrift ist ebenfalls eine Rechtspflicht, bei deren Erfüllung der Arbeitgeber über kein Ermessen verfügt. Sie dient dem Schutz des Arbeitsentgelts der Betriebsratsmitglieder. Diese sollen so gestellt werden, als ob sie unbelastet von Betriebsratsaufgaben im Betrieb weiter gearbeitet hätten (BAG 29. September 1999 - 7 AZR 378/98 - n.v., zu II 1). Auch wenn die Feststellung der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer im Einzelfall Schwierigkeiten verursacht, handelt es sich um einen subjektiven Rechtsanspruch des einzelnen Betriebsratsmitglieds, der die Ausübung eines Regelungsermessens durch den Arbeitgeber bzw. aufgrund einer Beschwerde durch die Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG ausschließt. Dies wird zusätzlich dadurch bestätigt, dass ungerechtfertigt niedrige oder hohe Vergütungen für Betriebsratsmitglieder auch gegen die Verbote der Benachteiligung bzw. Bevorzugung wegen der Amtstätigkeit von § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen (vgl. GK-BetrVG-Kreutz 8. Aufl. § 78 Rn 43, 50, 65; Däubler/Kitter/Klebe-Buschmann a.a.O. § 78 Rn 19, 26), die nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG strafbar sein können.

Schließlich kann die Bestellung der Einigungsstelle nicht auf § 17 BV gestützt werden. Nach dieser Norm ist eine Einigungsstelle für in Zusammenhang mit der BV auftretende Meinungsverschiedenheiten vorgesehen. Die Ansprüche auf Zeitgutschriften und auf einen höheren Stundenlohn haben nichts mit der BV zu tun, sondern betreffen Ansprüche nach § 37 Abs. 2, 4 BetrVG. Schichtzuschläge sind zwar in § 5 BV vorgesehen. Die Begründung der Beschwerde des Beschwerdeführers macht jedoch deutlich, dass zwischen ihm und der Arbeitgeberin kein Streit über die Auslegung von § 5 BV herrscht, sondern darüber, ob Schichtzulagen für Zeiten fortzuzahlen sind, in denen der Beschwerdeführer nicht im Schichtsystem arbeitet, sondern Betriebsratstätigkeit leistet. Dies ist ebenfalls eine Streitigkeit um § 37 Abs. 4 BetrVG.

c) Auch der Hinweis des Betriebsrats auf wiederholte Benachteiligungen des Beschwerdeführers durch die Arbeitgeberin rechtfertigt die Bestellung der Einigungsstelle nicht. Zwar können Beschwerden über Mobbing und ähnliche Vorwürfe ein geeigneter Gegenstand für eine Einigungsstelle gemäß § 85 Abs. 2 BetrVG sein (vgl. BAG 15. Januar 1997 - 7 ABR 14/96 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118, zu B 1 b; Hess. LAG 06. September 2005 a.a.O., zu B II 2 b). Gegenstand der Beschwerde vom 28. April 2006 ist jedoch nicht der Vorwurf einer systematischen Benachteiligung des Beschwerdeführers durch die Arbeitgeberin mit Mobbingtendenz, sondern die Geltendmachung einzelner konkreter Rechtsansprüche. Dem Betriebsrat ist es verwehrt, im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG den Gegenstand der Beschwerde zu erweitern. Die Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG hat nur über die vom jeweiligen Beschwerdeführer erhobene Beschwerde zu befinden.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG.



Ende der Entscheidung

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