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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 10.09.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 155/08
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 |
2. Besteht die konkrete Alternative zur Fortführung des Betriebs durch einen Übernehmer und wird darüber noch ernsthaft verhandelt, kann das der Annahme eines endgültigen Entschlusses zur Betriebsstilllegung entgegenstehen.
3. Werden keine konkreten Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung geführt, steht einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung nicht entgegen, dass noch Interessenten dafür vorhanden sind und gehofft wird, dass eine Übernahme stattfinden wird.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2007 - 16 Ca 8987/06 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die ordentliche Kündigung der beklagten Insolvenzverwalterin ihr Arbeitsverhältnis beendet hat.
Der Kläger trat 1996 als Schlosser in die Dienste der Insolvenzschuldnerin, der A in Frankfurt am Main. Seine Vergütung betrug zuletzt € 3.000,00 brutto.
Die Insolvenzschuldnerin betrieb die Produktion und Montage von Fenstern und Türen mit zuletzt etwa 29 Arbeitnehmern.
Am 22. August 2006 hatte das Amtsgericht die Beklagte auf den Insolvenzantrag der Insolvenzschuldnerin zu deren vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt und damit beauftragt als Sachverständige zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, ob die freie Vermögensmasse zu Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens bestehen. In dem Gutachten vom 27. Oktober 2006 kommt die Beklagte zu einer negativen Fortführungsprognose und zu dem Ergebnis, dass der Betrieb nach erfolglosen Verkaufsverhandlungen mit Interessenten nach dem derzeitigen Erkenntnisstand zwar zunächst fortgeführt würde aber nur von einer Auslaufproduktion und Schließung des Betriebs auszugehen sei.
Die Beklagte wurde sodann mit Beschluss des Amtsgerichts vom 30. Oktober 2006 zur Insolvenzverwalterin der Insolvenzschuldnerin bestellt.
Die Beklagte hat sofort 8 Arbeitnehmern fristgerecht gekündigt und sie freigestellt, da sie zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge nicht mehr benötigt wurden und einem weiteren Mitarbeiter, der ebenfalls unwiderruflich freigestellt worden war, nach Zustimmung des Integrationsamts gekündigt. Die Anzeige einer Massenentlassung war zuvor am 26. Oktober 2006 erfolgt. Am 27. Oktober 2006 zeigte die Beklagte die Entlassung der restlichen Arbeitnehmer der Agentur für Arbeit an. In einer Betriebsversammlung am 29. November 2006 teilte die Beklagte den Arbeitnehmern mit, dass eine Fortführung des Betriebs über den 31. Januar 2007 nicht möglich sei. Im Anschluss daran erhielten alle Arbeitnehmer die Kündigung.
In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.:
"Aufgrund der fehlenden Liquidität zur vollständigen Fortführung des Betriebes bin ich gezwungen, den Betrieb teilweise stillzulegen. ...
Im Übrigen muss ich leider mitteilen, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt. Dies wurde dem Gericht bereits angezeigt."
Auch dem Kläger wurde mit Schreiben vom 28. November 2006 zum 28. Februar 2007 gekündigt.
Der Kläger hat die Kündigung als sozialwidrig angegriffen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28. November 2006 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Kündigung als gerechtfertigt angesehen wegen des Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse, nämlich der Stilllegung des gesamten Betriebs zum 31. Januar 2007.
Im November 2006 habe sich herausgestellt, dass eine Betriebsfortführung durch einen Erwerber nicht zustande kommen werde. Im Kündigungsschreiben sei von einer "teilweisen Stilllegung" gesprochen worden, weil damals noch die Aussicht bestanden habe, dass ein Interessent die Montage weiterführen würde, was sich jedoch als undurchführbar herausgestellt habe. Die vorhandenen Aufträge hätten mit den jeweils vorhandenen Mitarbeitern problemlos abgearbeitet werden können. Alle Produktionsaufträge seien am 22. Januar 2007 beendet worden. Die letzten Montagearbeiten seien am 31. Januar 2007 erfolgt. Nur der Buchhalter sei noch bis zum 28. Februar 2007 mit administrativen und buchhalterischen Abwicklungsarbeiten beschäftigt worden. Der Betrieb sei geschlossen und die Betriebseinrichtung an vier Interessenten verkauft worden. Eine neu gegründete Firma B (Fenster und Türen) habe ihren Sitz in Baden-Württemberg und verfüge lediglich über ein Büro in der gleichen Straße, in der der Sitz der Insolvenzschuldnerin war. Diese Gesellschaft verfüge über keinerlei Produktionsmöglichkeiten und vergebe lediglich Aufträge.
Der Kläger hat die Absicht der Beklagten bestritten, den Betrieb zum 31. Januar 2007 komplett stillzulegen, was sich schon aus der Formulierung im Kündigungsschreiben ergebe. Bei der Insolvenzschuldnerin habe im Dezember ein gutes Auftragspolster bestanden. Aufträge für Januar 2007 seien vorhanden gewesen. Die Beklagte habe auch noch im November 2006 eine Stahlbestellung veranlasst, die weit über dem für Dezember Benötigten gelegen habe. Auch sei Mehrarbeit im Dezember 2006 angeordnet worden und es seien Leiharbeiter beschäftigt worden. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung den Betrieb fortführen wollen. Es gebe eine Firmenfortführung unter der Firma C.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 30. Oktober 2007.
Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 10. September 2008 verwiesen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie trägt vor, zum Zeitpunkt der Kündigung habe die Entscheidung festgestanden, den Betrieb zum 31. Januar 2007 zu schließen. Das ergebe sich schon daraus, dass sie bereits in ihrem Gutachten vom 27. Oktober 2006 dem Insolvenzgericht bereits vorgetragen habe, dass die Fortführungsprognose des Betriebs negativ sei und sie bereits am 30. Oktober 2006 Masseunzulänglichkeit beim Gericht angezeigt habe. Der Bestand der Aufträge sei nicht hinreichend gesichert gewesen und der Personalaufwand hätte auch nicht in der Kürze derartig reduziert werden können, dass eine Fortführung möglich gewesen wäre. Außerdem sei keine ausreichende Liquidität vorhanden gewesen.
Mehrarbeit sei erforderlich gewesen um die Betriebsschließung zum 31. Januar 2007 zu ermöglichen. So habe es einen Auftrag gegeben, der zum 26. Februar 2007 fertig zu stellen gewesen wäre. Auch durch einen erhöhten Krankenstand sei Mehrarbeit notwendig geworden. Leiharbeitnehmer seien kurzfristig im Bereich Montage eingesetzt worden. Die Beklagte habe keine neuen Aufträge mehr angenommen, sondern nur noch vorhandene Aufträge abgearbeitet. Die Stahlbestellung sei von dem Mitarbeiter ausgelöst worden, der dafür als Meister in der Produktion verantwortlich gewesen sei. Die Zustimmung der Beklagten habe sich lediglich auf das finanzielle Volumen, nicht aber auf die inhaltliche Richtigkeit des bestellten Materials oder der Menge bezogen. Die Beklagt sei gar nicht in der Lage gewesen zu überprüfen, ob diese Stahlmenge benötigt wurde. Wenn diese größer war als benötigt, habe es sich um ein Fehlverhalten des zuständigen Mitarbeiters gehandelt. Die Beklagte habe auch darauf geachtet, nach Möglichkeit keine Materialbestände aufzubauen oder einzukaufen, die nicht bis zur beabsichtigten Stilllegung am 31. Januar 2007 verbraucht sein würden. Aufgrund der Regelungen in der Insolvenzordnung sei es einem Insolvenzverwalter einfach, Verträge kurzfristig zu beenden, insbesondere dann, wenn bereits Masseunzulänglichkeit angezeigt ist.
Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung habe bereits ein Interessent für eine Betriebsübernahme abgesagt gehabt. Die Kinder der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin seien auch interessiert gewesen, hätten aber zu diesem Zeitpunkt keine Finanzierung zusammengebracht. Ob sie eine Finanzierung würden auf die Beine stellen können sei ungewiss gewesen. Die Chancen hätten 50 : 50 gestanden. Die Überlegungen hinsichtlich einer Übernahme seien dahin gegangen, dass eventuell der Montagebereich übernommen werden würde. Diese Interessenten hätten zwar einen Businessplan gehabt, weitere Entwürfe oder Vertragsgrundlagen habe es nicht gegeben, da es keinen Zweck gehabt hätte, über Derartiges zu reden bevor nicht klar gewesen sei, ob sie eine Finanzierung zusammenbringen würden. Sie hätten dann auch keine Finanzierung zusammenbekommen und der Betrieb sei zum 31. Januar geschlossen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er behauptet, in der Versammlung vom 29. November 2006 sei seitens der Beklagten gesagt worden, dass man jetzt vorläufig allen kündigen müsse, aber möglicherweise ein Bereich fortgeführt werden könnte. Im Betrieb der Insolvenzschuldnerin seien noch nach Insolvenzeröffnung in großem Umfang produziert worden. Die Beklagte sowie der frühere Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin hätten am 22. November 2006 eine größere Stahlbestellung für eine langfristigere Produktion entschieden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf Berufungsbegründung und Berufungserwiderung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 28. November 2006 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 28. Februar 2007 aufgelöst.
Die Kündigung ist wirksam. Sie ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Danach ist eine Kündigung u.a. sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Ein solches dringendes betriebliches Erfordernis ist die Stilllegung des gesamten Betriebs. Es liegt nicht erst dann vor, wenn der Betrieb stillgelegt ist. Es genügt, dass der Arbeitgeber endgültig entschlossen ist, den Betrieb stillzulegen und diese Absicht deutlich nach außen in Erscheinung tritt. Die unternehmerische Entscheidung den Betrieb zu schließen muss nicht in einem nach Ort und Zeitpunkt zu fixierenden oder gar förmlich zu dokumentierenden Beschluss bestehen. Es kommt allein darauf an, dass zum Zeitpunkt der Kündigung der Entschluss zur Betriebsstilllegung endgültig ist (vgl. BAG vom 29.09.2005 - 8 AZR 647/04 - zu II. 2. der Entscheidungsgründe; DB 2006, S. 846; LAG Frankfurt am Main vom 14. April 2001 - 8 Sa 1537/00). Für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung fehlt es am endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung steht. Ist bei Zugang der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, hat sich jedoch der Arbeitgeber eine Betriebsveräußerung vorbehalten, bleibt es selbst dann bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung, wenn die Betriebsveräußerung später doch noch gelingt (BAG vom 26.04.2007 - 8 AZR 695/05 - zu B. II. 4. d.Gr., AP Nr. 4 zu § 125 InsO; BAG vom 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - a. a. O.).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung ernstlich und endgültig entschlossen war, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzuheben und den bisherigen Betriebszweck dauerhaft nicht weiter zu verfolgen. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte schon in ihrem der Insolvenzeröffnung vorangehenden Gutachten prognostiziert hatte, dass eine Fortführung des Betriebs nicht möglich sei. Sie hat weiterhin bereits bei Insolvenzeröffnung Masseunzulänglichkeit angezeigt und fast ein Drittel der Arbeitnehmer unwiderruflich von der Arbeit freigestellt. Schließlich hat sie in der Betriebsversammlung vom 28. November 2006 den verbliebenen Arbeitnehmern mitgeteilt, dass eine Fortführung des Betriebs über den 31. Januar 2007 hinaus nicht möglich sei und anschließend allen Arbeitnehmern ordentlich gekündigt. Damit hat die Beklagte deutlich gemacht, dass der Betrieb stillgelegt werden soll. Eine Fortführung ohne Arbeitnehmer ist nicht möglich.
Dem steht nicht entgegen, dass die Produktion auch noch im Dezember in vollem Umfang weiter lief und sogar Überstunden angeordnet wurden und Leiharbeitnehmer eingestellt wurden. Das konnte für die Abarbeitung bestehender Aufträge erforderlich sein, ohne dass sich daraus Zweifel an der Stilllegungsabsicht für den 31. Januar 2007 ergeben konnten. Für die Stahlbestellung vom 22.11.2006 ist zunächst anzumerken, dass diese etwa eine Woche vor der Betriebsversammlung und dem Ausspruch der Kündigungen erfolgte. Zum anderen erscheint es plausibel, dass eine Insolvenzverwalterin keinen Überblick über die benötigten Materialmengen hat, sondern sich insoweit auf die Beschäftigten des Betriebs verlassen muss. Wenn der Kläger vorträgt, die Beklagte und der frühere Geschäftsführer Herr D hätten sich zu einer größeren Stahlbestellung für eine langfristigere Produktion entschlossen, ergibt sich daraus zunächst nur, dass die Beklagte sich zur Bestellung einer Menge entschlossen hat, die für eine langfristigere Produktion genügt hätte. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte entgegen den Darlegungen in ihrem Gutachten nunmehr die längerfristige Fortführung der Produktion plante, ergeben sich daraus nicht. Es fehlen dafür auch weitere Anhaltspunkte.
Allerdings wäre ein endgültiger Entschluss zur Betriebsstilllegung dann nicht anzunehmen, wenn die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung gestanden hätte (vgl. BAG, a. a. O.). Betriebsstilllegung und Betriebsveräußerung schließen sich systematisch aus. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte in ernsthaften Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung stand. Dafür genügt es nicht, dass Interessen für eine - teilweise - Betriebsfortführung existieren und ein grundsätzliches Interesse an einer Betriebsveräußerung besteht, das bei einem Insolvenzverwalter wohl stets anzunehmen ist. Es muss die konkrete Alternative der Fortführung des Betriebs durch einen Übernehmer bestehen (vgl. BAG vom 10.10.1996 - 2 AZR 477/95 - zu II. (2) der Entscheidungsgründe, DB 1997, S. 279). Im vorliegenden Fall bestand eine solche konkrete Alternative gerade nicht. Es gab zwei Interessenten bei denen völlig unsicher war, ob sie irgendeine Übernahme überhaupt finanzieren können würden. Konkrete Vertragsentwürfe oder Verhandlungsgrundlagen gab es wegen dieser Unsicherheiten nicht. Ist dem Insolvenzverwalter die Fortführung des Betriebs nicht möglich, so muss er mit dem Ausspruch von Kündigungen nicht so lange warten, bis kein einziger Interessent für eine Betriebsübernahme mehr existiert. Führt er keine konkreten Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung, steht einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung nicht die Hoffnung entgegen, dass möglicherweise noch eine Übernahme stattfinden wird.
Das Wort von der "teilweisen Betriebsstilllegung" in der Kündigungserklärung steht dem nicht entgegen. Das mag Ausdruck einer solchen Hoffnung gewesen sein. Entscheidend sind die Tatsachen, nicht das was in einer Kündigung steht (vgl. auch BAG, a. a. O.).
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Ende der Entscheidung
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