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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 9 TaBV 251/07
Rechtsgebiete: AGG, BetrVG
Vorschriften:
AGG § 1 | |
AGG § 3 Abs. 2 | |
AGG § 7 | |
AGG § 11 | |
AGG § 17 Abs. 2 | |
BetrVG § 23 Abs. 3 |
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. August 2007 - 3 BV 127/07 - teilweise abgeändert.
Dem Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, im Bezirk A Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit Angabe des ersten oder zweiten Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 EUR (in Worten: Zehntausend und 00/100 Euro) für jeden Fall der Zuwiderhandlung.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 2) zugelassen, für den Beteiligten zu 1) nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Betriebsrat wendet sich mit seinen Anträgen gegen Stellenausschreibungen des Arbeitgebers unter Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der vorgesehenen Eingruppierung.
Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) betreibt eine Kette von ...märkten. Der Beteiligte zu 1) ist der für den Bezirk A gewählte Betriebsrat. Der Arbeitgeber übersandte dem Betriebsrat die Stellenausschreibungen vom 9. und 14. Febr. 2007, mit denen jeweils die Stelle einer Verkaufs-/Kassierkraft unter Angabe der "Tarifgruppe A / 1. Bj." (= Berufsjahr, Bl. 16, 17 d. A.) ausgeschrieben wurde. Dem Betriebsrat wurde hierzu mitgeteilt, dass es dem Arbeitgeber darauf ankäme, die Stellen kostensparend zu besetzen. Auf die weiteren Ausschreibungen vom 30. März 2007 und 25. Juni 2007 wird ebenfalls verwiesen (Bl. 59, 61 d. A.).
Der Betriebsrat ist der Auffassung gewesen, die Stellenausschreibungen verstießen gegen §§ 11, 7, 1 AGG. Durch die Ausschreibungen würden die Stellenbewerber von vornherein ausgeschlossen, die älter seien und die über mehr Berufsjahre verfügten. Diese würden bereits im Vorfeld der Begründung eines Arbeitsverhältnisses diskriminiert. Altersabhängige Entscheidungen bei Einstellungen entfalteten einen besonders hohen Benachteiligungseffekt. Es gäbe keine Notwendigkeit, dieses Eingruppierungskriterium in der Stellenausschreibung zu erwähnen. Allenfalls sollen damit unzulässigerweise ältere und damit teurere Interessenten von einer Bewerbung abgehalten werden. Es würden zwar nicht ausdrücklich jüngere Bewerberinnen gesucht, jedoch wirkten sich die Stellenausschreibungen mittelbar diskriminierend auf ältere Bewerberinnen aus. Dies könne anhand von Vergleichsgruppen nachgewiesen werden. Auf die vom Betriebsrat erstellte Mitarbeiterliste wird insoweit verwiesen. Deren Auswertung ergäbe, dass die Mitarbeiterinnen im ersten Berufsjahr durchschnittlich 29,82 Jahre alt seien, im zweiten Berufsjahr durchschnittlich 36 Jahre und ab dem dritten Berufsjahr durchschnittlich 43,47 Jahre. Damit sei die Ausgrenzung älterer Mitarbeiter durch die Stellenausschreibungen offenkundig. Eine Rechtfertigung für diese Benachteiligung ergäbe sich nicht aus § 10 AGG.
Der Betriebsrat hat - soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Interesse - beantragt,
1. ...
2. der Arbeitgeberin aufzugeben, Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte nur ohne Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
3. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit der Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
4. dem Arbeitgeber für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziff. 1) und 2) - bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer - ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen;
hilfsweise,
5. der Arbeitgeberin aufzugeben, bezirksinterne Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte nur ohne Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
6. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, bezirksinterne Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit der Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
7. dem Arbeitgeber für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziff. 5) und 6) - bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer - ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung gewesen, der Betriebsrat habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Angabe des Berufsjahres. Es gäbe kein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Stellenausschreibungen. Diese enthielten nur die vom Bewerber zu erfüllenden Anforderungen. Einen Zusammenhang zwischen Stellenbeschreibung und den Berufsjahren gäbe es nicht. Die Bezeichnung "erstes Berufsjahr" gäbe keinen Hinweis auf das Lebensalter des einzelnen Arbeitnehmers. So sei Frau B 59 Jahre alt und im ersten Berufs- oder Tätigkeitsjahr. Der Arbeitgeber stelle seit vielen Jahren altersunabhängig ein. Die meisten Neueinstellungen beträfen in der Regel Arbeitnehmerinnen, die nach oft mehrjähriger Pause wegen Kindererziehung ins Berufsleben zurückkehrten. Im Übrigen sei es dem Arbeitgeber vorbehalten, im Rahmen der gültigen Tarifverträge zu entscheiden, welche Kosten er für die Schaffung eines Arbeitsplatzes zu tragen bereit sei. Die Spannen im ...einzelhandel seien derzeit derart gering, dass der Unterschied zwischen erstem und letztem Berufsjahr darüber entscheide, ob die Verkaufsstelle mit Gewinn oder Verlust geführt werde. Das Verhalten des Arbeitgebers stelle jedenfalls keinen groben Verstoß im Sinne des § 17 Abs. 2 AGG dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die im Beschwerdeverfahren noch anhängigen Anträge durch Beschluss vom 9. Aug. 2007 - 3 BV 127/07 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 7 Ziff. 1 AGG verböte zwar eine Differenzierung nach Alter, Geschlecht usw. Mindest- und Höchstaltersangaben schieden als Einstellungsvoraussetzungen grundsätzlich aus. § 10 AGG lasse jedoch Abweichungen zu, soweit sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt seien. Gemessen daran sei der Arbeitgeber berechtigt, Berufsjahresangaben in den Stellenausschreibungen zu erwähnen.
Gegen den ihm am 20. Aug. 2007 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 18. Sept. 2007 per Telefax Beschwerde eingelegt und diese ebenfalls per Telefax am 22. Okt. 2007 begründet.
Der Beteiligte zu 1) rügt, das Arbeitsgericht habe keinen Fall aufgezeigt, bei dem die Angabe des ersten oder zweiten Berufsjahres in der Stellenausschreibung durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Der Beteiligte zu 2) wolle indessen durch die Angabe des ersten oder zweiten Berufsjahres Bewerber abschrecken, die über mehr Berufs- bzw. Tätigkeitsjahre und damit über mehr Erfahren verfügten. Kostengründe könnten diese mittelbare Diskriminierung nicht legitimieren, weil sich sonst der Diskriminierungsschutz auf diese Weise stets umgehen ließe. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Hauptanträge sei gegeben. § 17 Abs. 2 AGG erweitere die Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats auch auf Verstöße gegenüber externen Betroffenen. Auf die Belegschaftsbezogenheit komme es insoweit nicht an.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Aug. 2007 - 3 BV 127/07 - dem Beteiligten zu 2) im Bezirk A aufzugeben,
1. Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte ohne Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
2. es zu unterlassen, Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit der Angabe des ersten oder zweiten Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen.
3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziff. 1) und 2) wird dem Beteiligten zu 2) - bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer - ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, angedroht.
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1) bis 3) wird beantragt,
4. bezirksinterne Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte ohne Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
5. es zu unterlassen, bezirksinterne Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit der Angabe des ersten oder zweiten Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
6. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziff. 4) und 5) wird dem Beteiligten zu 2) - bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer - ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, angedroht.
Der Arbeitgeber beantragt nach Rücknahme seiner zunächst eingelegten Anschlussbeschwerde,
die Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung, die Anträge scheiterten an § 17 Abs. 2 AGG, weil ein grober Verstoß gegen das AGG nicht erkennbar sei. Für die Hauptanträge gäbe es kein Rechtsschutzinteresse, weil die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats sich allenfalls auf innerbetriebliche Ausschreibungen richteten. Abgesehen davon bestünde hinsichtlich des Inhalts von Stellenausschreibungen kein Mitbestimmungsrecht. § 10 Absatz 3 Satz 2 AGG ließe eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Berufserfahrung oder dem Dienstalter für den Zugang der Beschäftigung ausdrücklich zu. Die streitigen Stellenausschreibungen bezögen sich nicht auf das Alter, sondern auf die Berufserfahrung für den Zugang zur Beschäftigung. Dass die Kostenersparnis des Arbeitgebers ein legitimes Ziel des Arbeitgebers sei, liege auf der Hand. Der Arbeitgeber habe bei den ausgeschriebenen Stellen nur die Möglichkeit, sie entweder preiswert in der Gruppe des ersten Berufsjahres zu besetzen oder auf eine Einstellung ganz zu verzichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 6. März 2008 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.
Die Beschwerde ist insoweit begründet, als das Arbeitsgericht den erstinstanzlichen Hauptantrag zu 3), der dem Beschwerdeantrag zu 2) entspricht zurückgewiesen hat. Im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet.
Der erstinstanzliche Hauptantrag zu 2), der dem Beschwerdeantrag zu 1) entspricht, im Bezirk A Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte ohne Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen, ist nicht begründet, da das eigentliche Begehren des Betriebsrats in einem Unterlassungsverlangen liegt, nämlich benachteiligende Ausschreibungen zu unterlassen, und nicht im Begehren eines positiven Tuns. Gäbe man dem Antrag statt, wäre der Arbeitgeber überdies, um seiner Handlungspflicht nachzukommen, zu permanenten Ausschreibungen verpflichtet, was vom Betriebsrat nicht gewollt ist.
Der Antrag, dem Beteiligten aufzugeben, es zu unterlassen, im Bezirk A Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit der Angabe des ersten oder zweiten Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen, ist dagegen begründet
Der Anspruch des Betriebsrats ergibt sich aus § 17 Abs. 2 AGG. Diese Vorschrift eröffnet dem Betriebsrat die Möglichkeit, beim Arbeitsgericht einen Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG einzubringen, falls der Arbeitgeber in grober Weise gegen die §§ 6 bis 16 AGG verstößt (ebenso ErfK/Schlachter, § 17 AGG Rz. 2; Schiek/Kocher, AGG, § 17 Rz. 16). Zweck der Vorschrift ist es, ein gesetzmäßiges Handeln des Arbeitgebers nach den Vorgaben der §§ 6 bis 17 AGG sicherzustellen (ebenso Rust/Falke-Bertelsmann, AGG, § 17 Rz. 43). Antragsziel ist es, dass der Arbeitgeber sich künftig gesetzeskonform verhält. Der Antrag ist begründet, weil der Arbeitgeber einen groben Rechtsverstoß gegen § 7 in Verbindung mit § 1 AGG begangen hat, der objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist (wegen der Anforderungen ebenso ErfK/Schlachter, § 17 AGG Rz. 3; Rust/Falke-Bertelsmann, AGG, § 17 Rz. 51; Schiek/Kocher, AGG, § 17 Rz. 20). Nach § 7 dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden.
Die Stellenausschreibungen des Beteiligten zu 2), in denen jeweils die Stelle einer Verkaufs-/Kassierkraft unter Angabe der "Tarifgruppe A / 1. Bj." (d.h. Berufsjahr) ausgeschrieben ist, (Bl. 16, 17, 59, 61 d. A.). stellen einen Verstoß gegen §§ 11 und 7 AGG dar und sind eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 17 Abs. 2 AGG (grundsätzlich ebenso Rust/Falke-Bertelsmann, AGG, § 17 Rz. 56; Schiek/Schmidt, AGG, § 11 Rz. 5). Bertelsmann in Rust/Falke , AGG (§ 17 Rz. 43) empfiehlt wörtlich eine entsprechende Antragstellung ("dem Arbeitgeber - bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 10.000,- für jeden Fall der Zuwiderhandlung - aufzugeben, es zu unterlassen, in Stellenanzeigen für das Verkaufspersonal Anforderungen bezüglich des Alters der gesuchten Personen...zu stellen.")
Ein grober Verstoß gegen §§ 17 Abs. 2, 11, 7 Abs. 1 AGG ist in den Ausschreibungen des Beteiligten zu 2) zu sehen, weil diese eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters der gesuchten Bewerber/innen enthalten. § 11 verbietet jede benachteiligende Form der Stellenausschreibung. Sie darf weder unmittelbar noch mittelbar an ein in § 1 AGG genanntes Merkmal anknüpfen (Rust/Falke-Bertelsmann, AGG, § 11 Rz. 2). Gegen § 7 AGG verstößt jede Ausschreibung, wenn sie nach einem Merkmal des § 1 AGG differenziert (ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 2). Die Pflicht zur altersneutralen Stellenausschreibung wird in der Literatur als "Kardinalspflicht" des Arbeitgebers bezeichnet (Wichert/Zange, DB 2007, 970). Ein Verstoß gegen § 11 AGG begründet sogar die Vermutung für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot selbst (ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 2).
Der Beteiligte zu 2) nennt zwar in den Ausschreibungen kein Lebensalter, das in den Stellenausschreibungen genannte Erfordernis des ersten Berufsjahres stellt jedoch eine mittelbare Benachteiligung dar. Der Beteiligte zu 2) knüpft mit dem Erfordernis des 1. Berufsjahres mittelbar an das Lebensalter der Bewerber/innen an. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
Das Merkmal "1. Berufsjahr" ist zwar scheinbar altersneutral, da es für sich gesehen kein bestimmtes Lebensalter nennt oder voraussetzt. Es führt aber zu einer Benachteiligung älterer Bewerber/innen, weil es geeignet ist, diese wegen ihres Alters gegenüber jüngeren Bewerbern zu benachteiligen. Dies ergibt sich daraus, das bei der Bildung der Vergleichsgruppen: "ältere und jüngere Bewerber" die älteren Bewerber/innen zahlenmäßig stärker durch die Verwendung des neutralen Kriteriums beeinträchtigt sind als jüngere Bewerber/innen (Schiek, AGG, § 3 Rz. 37; Wichert/Zange, DB 2007, 970). Der Beteiligte zu 1) hat nachgewiesen, dass mit einer höheren Zahl von Berufsjahren im Betrieb A typischerweise ein höheres Lebensjahr verbunden ist. Die Auswertung der vom Betriebsrat erstellten Mitarbeiterliste ergibt, dass die Mitarbeiterinnen im ersten Berufsjahr durchschnittlich 29,82 Jahre alt sind, im zweiten Berufsjahr durchschnittlich 36 Jahre und ab dem dritten Berufsjahr durchschnittlich 43,47 Jahre. Der Beteiligte zu 2) hat dem keine eigenen Berechnungen entgegengesetzt, so dass von diesen Zahlenangaben auszugehen ist.
Die mittelbare Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt. § 3 Abs. 2 AGG schließt die mittelbare Benachteiligung hier nicht aus, weil die Benachteiligung nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist. Das rechtmäßige Ziel muss die Verwendung des benachteiligend wirkenden Kriteriums sachlich rechtfertigen (Schiek, AGG, § 3 Rz. 49). Die Intention des Beteiligten zu 2), durch die Einstellung von Verkaufs- oder Kassenkräften im ersten Berufsjahr Kosten zu sparen, kann die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Ein rechtmäßiges Ziel kann zwar auf unternehmerischen Erwägungen beruhen (Wichert/Zange, DB 2007, 971). Im Rahmen seiner Unternehmensfreiheit (Art. 14, 2 Abs. 1 GG) kann der Arbeitgeber die Anforderungen an die Qualifikation für eine zu besetzende Stelle festlegen. Bei den fraglichen Stellenausschreibungen legt der Beteiligte zu 2) jedoch keine Qualifikationsanforderungen fest, sondern tarifliche Eingruppierungsmerkmale, die zu einem Tarifgehalt der unteren Tarifgruppen führen sollen. Diese Kostengesichtspunkte allein können die Ungleichbehandlung älterer Bewerber/innen nicht rechtfertigen, weil es das Ende des Benachteiligungsschutzes wäre, wenn die Benachteiligungsverbote zur Disposition einer vom Arbeitgeber angeführten Kostenersparnis stünden.
Die speziellen Rechtfertigungsgründe der §§ 8, 10 AGG liegen ebenfalls nicht vor. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung ergibt sich nicht aus § 10 AGG. Die Voraussetzungen der Ausnahmen entsprechen denjenigen, die zur Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG verlangt werden. Auf die Ausführungen zu dieser Vorschrift kann deshalb verwiesen werden. Eine Rechtfertigung nach § 10 AGG scheidet sowohl nach der Generalklausel dieser Vorschrift als auch nach den dort (nicht abschließend) angeführten Beispielen aus. Es geht weder um die Förderung der beruflichen Eingliederung (Satz 3 Nr. 1) noch um Mindestanforderungen an die Berufserfahrung (Satz 3 Nr. 2), Höchstaltersgrenzen (Nr. 3), betriebliche Altersversorgung (Nr. 4), Rentenberechtigung (Nr. 5) oder Leistungen in Sozialplänen (Nr. 6). Die Benachteiligung ist auch nicht gemäß § 8 AGG gerechtfertigt, weil das benachteiligende Merkmal keine wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Berufliche Anforderungen sind nur solche, die objektiv Voraussetzung der Tätigkeit sind (ErfK/Schlachter, § 8 AGG Rz. 3). Dass Verkaufs- und Kassierkräfte die ausgeschriebene Stelle nur einnehmen können, wenn sie eine mit weniger Berufsjahren üblicherweise einhergehende geringere Berufserfahrung aufweisen, hat der Arbeitgeber nicht vorgetragen. Er wird auch nicht begründen können, dass in seinen ...märkten Verkaufs- und Kassierkräfte nach den beruflichen Anforderungen nur mit geringer Berufserfahrung tätig werden können. In § 10 Satz 3 Nr. 2 ist im Gegenteil nur von Mindestanforderungen an die Berufserfahrung die Rede. Ein unternehmerisches Konzept hinsichtlich der beruflichen Anforderungen besteht auch wie vom Arbeitgeber vorgetragen nicht hinsichtlich der Eignung für die zu erbringende Arbeitsleistung, sondern hinsichtlich der Kosten des Personals. Er hat vorgetragen, es müsse dem Arbeitgeber vorbehalten bleiben, im Rahmen der gültigen Tarifverträge zu entscheiden, welche Kosten er für die Schaffung eines Arbeitsplatzes zu tragen bereit sei. Die Spannen im ...einzelhandel seien derzeit derart gering, dass der Unterschied zwischen erstem und letztem Berufsjahr darüber entscheide, ob die Verkaufsstelle mit Gewinn oder Verlust geführt werde. Die Höhe des Tarifgehaltes ist indessen keine berufliche Anforderung im Sinne des § 8 AGG.
Das Verbot der Ungleichbehandlung ist nicht auf betriebsinterne Stellenausschreibungen beschränkt. Das Antragsrecht nach § 17 Abs. 2 AGG ist nicht belegschaftsbezogen (ebenso ErfK/Schlachter, § 17 AGG Rz. 3). Das Benachteiligungsverbot schützt alle Beschäftigten gemäß § 6 AGG, also auch die im Betrieb noch nicht beschäftigten Stellenbewerber (ebenso ErfK/Schlachter, § 17 AGG Rz. 3).
Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 AGG in Verbindung mit § 23 Abs. 3 BetrVG sind erfüllt. Der Beteiligte zu 2) hat grob gegen seine Pflichten aus §§ 11, 7, 1 AGG verstoßen. Der Verstoß ist objektiv erheblich. Auf ein subjektives Verschulden kommt es im Rahmen der §§ 17 Abs. 2 AGG, 23 Abs. 3 BetrVG nicht an, da es um ein zukünftiges Verhalten geht und der Arbeitgeber nicht als Einzelperson sondern als Adressat der Verhaltenspflichten aus dem AGG betroffen ist. Der Betriebsrat hat den Beteiligten zu 2) wiederholt aufgefordert, die Benachteiligungen in seinen Ausschreibungen abzustellen, so mit Schreiben vom 27. Febr. 2007 (Bl. 18 d. A.), 4. April 2007 (Bl. 60 d. A.) und 26. Juni 2007 (Bl. 62 d. A.), ohne dass dies der Beteiligte zu 2) zum Anlass genommen hätte, seine Ausschreibungspraxis zu ändern. Der Verstoß ist auch deshalb grob, weil dem Beteiligten zu 2) offensichtlich keinerlei Rechtfertigungsgründe zur Seite stehen und er die Benachteiligungen mit Kostenersparnissen rechtfertigen will, zu deren Disposition der Benachteiligungsschutz des AGG indessen nicht steht.
Die Ordnungsgeldandrohung ist nach §§ 17 Abs. 2 AGG, 23 Abs. 3 BetrVG geboten.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist für den Beteiligten zu 2) angesichts der sich aus §§ 17 Abs. 2, 11, 7 AGG ergebenden Auslegungsfragen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache veranlasst.
Ende der Entscheidung
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